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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: 2 Ww 15/04
Rechtsgebiete: GrdstVG, RSG, LwVG
Vorschriften:
GrdstVG § 1 Abs. 1 | |
GrdstVG § 2 | |
GrdstVG § 2 Abs. 3 Nr. 2 | |
GrdstVG § 4 Abs. 1 | |
GrdstVG § 6 | |
GrdstVG § 6 Abs. 1 | |
GrdstVG § 6 Abs. 1 S. 1 | |
GrdstVG § 6 Abs. 1 S. 2 | |
GrdstVG § 6 Abs. 2 | |
GrdstVG § 9 | |
GrdstVG § 9 Abs. 1 | |
GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 1 | |
GrdstVG § 9 Abs. 1 S. 1 | |
GrdstVG § 9 Abs. 5 | |
GrdstVG § 9 Abs. 7 | |
GrdstVG § 12 | |
GrdstVG § 22 | |
RSG §§ 4 ff. | |
RSG § 4 Abs. 1 | |
RSG § 6 | |
RSG § 6 Abs. 2 | |
RSG § 10 | |
LwVG § 22 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
2 Ww 15/04 OLG Naumburg
In der Landwirtschaftssache
...
hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel und die Richterin am Landgericht Göbel sowie den Landwirt Beer und die Landwirtin Gallun als ehrenamtliche Richter nach mündlicher Verhandlung am 07. Juli 2004 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den am 06.04.2004 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten der I. und II. Instanz werden den Antragstellern auferlegt. Außergerichtliche Kosten der I. Instanz werden nicht erstattet. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der L. mbH sind von den Antragstellern zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit von der Notarin G. R. in H. zur UR-Nr.1265/2003 beurkundetem Vertrag verkauften die Antragsteller zu 1. in Erbengemeinschaft dem Antragsteller zu 2. das im Grundbuch des Amtsgerichts Haldensleben von R. auf Blatt 576 eingetragene, in der Gemarkung R. gelegene Flurstück 3/21 der Flur 2, Waldfläche, Ackerland, in Größe von 23.427 m² und das weitere Flurstück 265/50 der Flur 5, Ackerland, in Größe von 5.470 m² zum Kaufpreis von 40.000 EUR. Die Flurstücke sind bis zum 30.09.2004 an die Agrargenossenschaft "B. " R. /Sch. e.G. verpachtet. Die Entfernung zwischen den Flurstücken beträgt 2,080 km.
Am 29.08.2003 ging der von der Notarin R. im Namen der Vertragsparteien gestellte Antrag auf Genehmigung gemäß § 2 GrdstVG beim Landkreis O. ein.
Durch Zwischenbescheid vom 23.09.2003, den Antragstellern zu 1. als Verkäufern und der Notarin R. jeweils am 25.09.2003 zugestellt, wurde mitgeteilt, dass die Prüfung des Antrags nicht fristgemäß abgeschlossen werden könne, so dass sich die Frist gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 GrdstVG auf zwei Monate verlängere.
Im Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz trug der Antragsteller zu 2. gegenüber dem Landkreis O. vor, der elterliche Hof werde seit 1990 von seinem Bruder bewirtschaftet. Ziel des Erwerbs sei es, die Stabilität des Familienbetriebs zu festigen. Die Flächen stammten aus der Verwandtschaft. Die Flächen lägen in der Nähe des Betriebs seines Bruders und würden an ihn verpachtet.
Die Agrargenossenschaft "B. " R. /Sch. e.G. bewarb sich mit Schreiben vom 23.09.2003 gegenüber dem Landkreis O. als ortsansässiger und betroffener Landwirtschaftsbetrieb um den Kauf der Flurstücke.
Das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung Mitte als Siedlungsbehörde übergab den Kaufvertrag gemäß § 6 RSG unter dem Datum des 07.10.2003 der L. . Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 GrdstVG liege vor. Der Erwerber sei kein Landwirt. Ein Kaufantrag des derzeitigen Pächters liege vor. Bei dem Teilstück des Flurstücks 3/21, das als Wald ausgewiesen sei, handele es sich von der tatsächlichen Nutzung her um einen Windschutzstreifen.
Mit weiterem Zwischenbescheid vom 22.10.2003, den Antragstellern zu 1. und der Notarin R. jeweils am 23.10.2003 zugestellt, teilte der Landkreis O. mit, er habe als Genehmigungsbehörde festgestellt, dass die Genehmigung für das Rechtsgeschäft gemäß § 2 GrdstVG erforderlich sei, dass die Grundstücke über 2 ha groß seien und dass die Erteilung der Genehmigung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG zur Folge haben würde; die Frist für die Entscheidung über die Genehmigung verlängere sich gemäß § 6 Abs. 1 GrdstVG auf drei Monate.
Mit an das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung Mitte gerichtetem Schreiben vom 20.11.2003 erklärte die L. , gemäß §§ 4 ff. RSG das gesetzliche Vorkaufsrecht auszuüben.
Mit Bescheid vom 25.11.03, der L. und den Antragstellern jeweils zugestellt am 27.11.2003, teilte der Landkreis O. mit, die Genehmigungsbehörde für den Landkreis O. habe festgestellt, dass die Voraussetzungen gemäß § 12 GrdstVG vorlägen, unter denen das Vorkaufsrecht ausgeübt werden könne. Die Genehmigung für das Rechtsgeschäft sei gemäß § 2 GrdstVG erforderlich. Die im Kaufvertrag veräußerten Grundstücke seien über 2 ha groß. Die Erteilung der Genehmigung würde eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 GrdstVG zur Folge haben. Bei den zu veräußernden Grundstücken handele es sich um landwirtschaftlich zu nutzende Flächen mit einer Größe von insgesamt 2,8897 ha, die zur Aufstockung von landwirtschaftlichen Betrieben geeignet seien. Bei einer Teilfläche des Flurstücks 3/21 in der Flur 2 handele es sich um einen Windschutzstreifen und nicht um Wald. Der Erwerber sei kein Landwirt. Dem gegenüber stehe das Erwerbsinteresse eines landwirtschaftlichen Unternehmens, das das Land dringend zur Aufstockung seines Betriebes benötige und bereit und in der Lage sei, zu den in dem Vertrag vereinbarten Bedingungen in das Rechtsgeschäft einzutreten. Eine Genehmigung des Vertrages habe eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG zur Folge. Das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung Mitte als Siedlungsbehörde habe mitgeteilt, dass die L. mbH als vorkaufsberechtigte Stelle gemäß §§ 4 und 6 RSG das ihr zustehende gesetzliche Vorkaufsrecht an den vorgenannten Grundstücken ausübe. Damit gelte für das Rechtsgeschäft zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten die Veräußerung als genehmigt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 25.11.2003 Bezug genommen.
Hiergegen hat sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gerichtet. Die Antragsteller haben die Meinung vertreten, die Voraussetzungen des § 4 RSG lägen nicht vor. Für § 4 RSG sei der wirtschaftliche Grundstücksbegriff maßgeblich, für § 1 Abs. 1 GrdstVG hingegen der Begriff des Grundstücks im grundbuchrechtlichen Sinne. Das eine Flurstück sei nur 0,5 ha groß, deshalb könne für dieses Flurstück das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden. Das andere Flurstück bestehe nur zum Teil aus landwirtschaftlicher Nutzfläche und zum anderen Teil aus Wald. Auf die landwirtschaftliche Nutzfläche entfielen nur 1,9827 ha, auf die Waldfläche 0,36 ha. Ein landwirtschaftliches Grundstück zur Größe von 2 ha aufwärts sei deshalb nicht veräußert worden. Die beiden Flurstücke könnten auch nicht wirtschaftlich als ein Grundstück behandelt werden.
Die Fristen gemäß § 6 GrdstVG seien nicht eingehalten. Die Mitteilung sei nicht allen fünf Erben rechtzeitig im Sinne von § 6 Abs. 2 RSG, § 6 Abs. 1 GrdstVG zugestellt worden.
Außerdem bedeute die Versagung der Genehmigung eine unzumutbare Härte im Sinne von § 9 Abs. 7 GrdstVG. Insoweit haben sich die Antragsteller darauf berufen, dass, wie unstreitig ist, die Veräußerer und ihr Onkel den Hof im Zuge der "Aktion Rose" innerhalb von 24 Stunden hätten verlassen müssen. Der Hof des Onkels der Veräußerer sei zwangskollektiviert und als Hauptsitz der LPG auserwählt worden.
Die L. mbH hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die beiden Flurstücke seien als ein einheitliches Grundstück zu betrachten; maßgeblich sei der wirtschaftliche Grundstücksbegriff. Die zum Flurstück 3/21 gehörende geschlossene Waldfläche in Größe von 0,36 ha sei lediglich eine Baumreihe entlang des benachbarten Grundstücks. Die Teilfläche bilde mit der anderen eine Einheit; der als Ackerland bezeichnete Teil präge die Fläche insgesamt.
Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Fläche, die den Kaufgegenstand darstelle, habe eine Gesamtfläche von 2,8897 ha und unterfalle damit dem GrdstVG. Dass auch die Erbengemeinschaft beide Flächen als wirtschaftliche Einheit angesehen habe, zeige die gemeinsame Verpachtung der Flurstücke an die Agrargenossenschaft und die Aufnahme beider Flächen in einen Kaufvertrag. Für beide Flurstücke sei ein einheitlicher Genehmigungsantrag gestellt worden. Die Flurstücke lägen auch in einem wirtschaftlich vernünftigen räumlichen Abstand von 2080 m voneinander und seien durch nutzbare Wege miteinander verbunden. Die Gesamtfläche sei zur Aufstockung von landwirtschaftlichen Betrieben geeignet. Bei der Agrargenossenschaft "B. " R. /Sch. bestehe bei nur etwa 13 % Eigentumsflächen dringender Aufstockungsbedarf. Demgegenüber stehe der Käufer als Nichtlandwirt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihre in I. Instanz vertretene Rechtsauffassung bekräftigen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 09.03.2004, verkündet am 06.04.2004, aufzuheben und festzustellen, dass das Vorkaufsrecht der L. mbH nicht besteht.
Die L. mbH beantragt,
die Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen und auf den Verwaltungsvorgang des Landkreises O. Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 22 LwVG zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 10 RSG i. V. m. § 22 GrdstVG zulässig, er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die L. mbH gemäß § 4 RSG sind erfüllt.
1. Der Kaufvertrag vom 07.03.2003 stellt die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks in Größe von zwei Hektar aufwärts im Sinne des § 4 Abs. 1 RSG dar.
a) Für die Beantwortung der Frage, ob verschiedene Grundstücke ein Grundstück im Sinne des RSG bilden, ist der wirtschaftliche Grundstücksbegriff maßgeblich. Entscheidend ist hiernach nicht, wie das Grundstück im Grundbuch eingetragen ist, sondern allein die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit. Diese ist z. B. dann zu bejahen, wenn alle Grundstücke, aus denen ein Grundstück besteht, als landwirtschaftliche Nutzflächen an eine Agrargenossenschaft verpachtet sind (BGH AgarR 2001, 382 f.; BGHZ 94, 299, 302).
b) Im vorliegenden Fall sind die beiden vom Vertrag erfassten Flurstücke zwar nicht unmittelbar direkt benachbart, sondern liegen nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landwirtschaftsgerichts in einer nicht ganz unerheblichen Entfernung von 2,080 km zueinander. Dieser Umstand hat allerdings bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nur geringe Bedeutung angesichts der Tatsache, dass Pachtflächen üblicherweise aufgrund von Flurtauschvereinbarungen bewirtschaftet werden. Der Umstand, dass beide Flurstücke seit Jahren aufgrund eines einheitlichen Pachtvertrages an die Agrargenossenschaft "B. " R. /Sch. e.G. verpachtet sind und dass die Kaufvertragsparteien beide Flurstücke gemeinsam in dem hier zu beurteilenden Kaufvertrag zu einem einheitlichen, nicht nach einzelnen Flurstücken aufgegliederten Kaufpreis verkauft haben, rechtfertigt deshalb die Qualifizierung der beiden Flurstücke als ein einheitliches Grundstück im wirtschaftlichen Sinne und somit als ein Grundstück im Rahmen von § 4 RSG. Beide Flurstücke sind zusammengerechnet größer als 2 ha, nämlich 2,8897 ha. Die Frage, ob der zum Flurstück 3/21 gehörende Waldanteil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise von der Gesamtgröße dieses Flurstücks abzuziehen ist, kann letztlich dahingestellt bleiben, weil die Ackerfläche der Flurstücke 3/21 und 265/50 auch bei Abzug der Waldfläche insgesamt jedenfalls größer als 2 ha ist.
c) Selbst wenn jedoch bei der Beurteilung der Grundstücksgröße nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 RSG ausschließlich auf das Flurstück 3/21 abzustellen wäre, ergäbe die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise insoweit eine Fläche von mehr als 2 ha.
Was im Fall eines gemischt bewirtschafteten Grundstücks zu gelten hat, wird in Literatur und Rechtsprechung von nicht ganz einheitlichen Ausgangspunkten her beantwortet. Ein einheitlicher Grundsatz für alle denkbaren Fälle lässt sich nach Auffassung des BGH nicht finden; es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Die im Bereich des RSG gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise hat danach zu fragen, ob bei einem überwiegend landwirtschaftlich genutzten Grundstück der forstwirtschaftlich genutzte Teil deshalb auch dem Vorkaufsrecht unterfällt, weil das Gesamtgrundstück eine wirtschaftliche Einheit bildet und beide Flächen sinnvollerweise nicht voneinander getrennt werden können (BGH NJW 1997, 1073, 1074). Bei überwiegend landwirtschaftlich genutzten Grundstücken unterliegt auch der forstwirtschaftlich genutzte Teil dem Vorkaufsrecht des § 4 Abs. 1 RSG, wenn die Gesamtfläche eine wirtschaftliche Einheit bildet und beide Flächen sinnvoller Weise nicht voneinander getrennt werden können (OLG Naumburg, NL-BzAR 2003, 178 ff.). Im Sinne dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall die Waldfläche, wie aus dem zur Akte gereichten Luftbild ersichtlich ist, als solche nicht selbständig nutzbar. Bei ihr handelt es sich vielmehr lediglich um einen Windschutzstreifen auf einer weiten Ackerfläche; sie ist nicht selbständig als Wald zu Erholungs- oder forstwirtschaftlichen Zwecken nutzbar. Die Gesamtfläche des Flurstücks 2/21 bildet deshalb eine wirtschaftliche Einheit, die nicht sinnvollerweise getrennt werden kann.
2. Die Veräußerung bedarf der Genehmigung nach dem GrdstVG; dies gilt nicht nur für das bereits für sich genommen über 2 ha große Flurstück 3/21, sondern auch für das in demselben Kaufvertrag mitveräußerte Flurstück 265/50, das nur 0,5470 ha groß ist.
Unter einem Grundstück im Sinne des GrdstVG und der aufgrund des § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG erlassenen Länderbestimmungen ist allerdings das Grundstück im Rechtssinne zu verstehen, nicht das im wirtschaftlichen Sinne (BGHZ 49, 145, 146; Netz, GrdstVG, S. 244). Grundstück im Rechtssinne ist ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der unter einer besonderen Nummer im Grundbuch eingetragen ist. Zur Beschreibung eines solchen Grundstücks dient seine katastermäßige Bezeichnung. Dabei können unter einer Grundbuchnummer mehrere Katastergrundstücke zusammengefasst sein (Netz, a. a. O., S. 163). Von der Möglichkeit, im Rahmen der durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG eingeräumten Ermächtigung wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen, hat Sachsen-Anhalt im Ausführungsgesetz vom 25.10.1995, GVBl. S 302, keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hat Sachsen-Anhalt mit dem genannten Ausführungsgesetz Grundstücke, die kleiner sind als 2 ha, von der Genehmigungspflicht ausgenommen, ohne den Grundstücksbegriff des GrdstVG zu modifizieren. Hiernach handelt es sich bei den vertragsgegenständlichen Flurstücken um verschiedene Grundstücke im Rechtssinne.
3. Aufgrund der in § 9 Abs. 5 GrdstVG enthaltenen Bezugnahme auf das RSG, dessen § 4 Abs. 1 seinerseits wiederum auf § 9 GrdstVG verweist, ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, die in beiden Gesetzen gegenläufigen Grundstücksbegriffe und die mit den jeweiligen Gesetzen verfolgten Ziele aufeinander abzustimmen und zu verhindern, dass die Anwendung des für das eine Gesetz maßgeblichen Grundstücksbegriffs auf das andere Gesetz der Erreichung des jeweils verfolgten Zwecks zuwiderläuft. Für eine solche Auslegung besteht deshalb ein Bedürfnis, weil das RSG einerseits und das GrdstVG andererseits nicht nur zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, sondern insbesondere auch unterschiedliche Ziele verfolgen. Die Annahme liegt nahe, dass der Gesetzgeber dort, wo die Anwendungsbereiche beider Gesetze sich berühren oder sogar überschneiden, nicht jede konkrete Einzelfrage bewusst in einem bestimmten Sinne entschieden, sondern vielmehr der Rechtsprechung die Abstimmung der Anwendungsbereiche im Einzelnen überlassen hat. § 2 GrdstVG ist daher im Lichte der Wechselwirkung zwischen § 4 RSG und § 9 GrdstVG auszulegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Genehmigungsverfahren gemäß § 2 GrdstVG eine bloß negative lenkungsrechtliche Funktionswirkung zukommt (Netz, a. a. O., S. 195); es dient der passiven behördlichen Kontrolle. Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht gemäß § 4 RSG ist hingegen ein Instrument aktiver Gestaltung (OLG Jena, RdL 1999, 299, 300 f.). § 2 GrdstVG in Verbindung mit dem Ausführungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Transaktion überhaupt gemeldet und genehmigt werden muss. Der Zweck der Festlegung einer Grundstücksmindestgröße liegt darin, dass die Verwaltung nicht mit Bagatellfällen belastet werden soll; zugleich soll auch die Handlungsfreiheit des Grundstückseigentümers nicht beeinträchtigt werden, wenn wegen der geringen Größe des betroffenen Grundstücks nicht zu erwarten ist, dass öffentliche Interessen ernsthaft berührt werden. Wenn von mehreren in einem Genehmigungsantrag erfassten Flurstücken jedoch mindestens eines die Mindestgröße von 2 ha besitzt, muss die Veräußerung in jedem Fall gemeldet und genehmigt werden. Ist ein Verkauf aber ohnehin anzuzeigen, weil jedenfalls ein verkauftes Flurstück größer als 2 ha ist, können die Ziele, die mit der Befreiung von der Genehmigungspflicht bei geringer Grundstücksgröße verfolgt werden, schon aus diesem Grund nicht mehr erreicht werden.
Andererseits würde, wenn das weniger als 2 ha große, mitverkaufte Flurstück von dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht ausgenommen würde, das mit § 4 RSG angestrebte Ziel der positiven Steuerung der Agrarstruktur gefährdet. Das an dem Ankauf eines bestimmten Grundstücks - im wirtschaftlichen Sinne - bestehende öffentliche Interesse ließe sich nicht verwirklichen. Die Herauslösung der Splitterflächen aus dem einheitlichen Kaufvertrag hätte darüber hinaus die agrarstrukturell unerwünschte Folge, dass die kleinen, für die Bewirtschaftung in der Regel wenig attraktiven Flurstücke isoliert bei dem bisherigen Eigentümer verblieben, dass diese nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll verpachtet oder veräußert werden könnten und dass deshalb die Einbeziehung dieser kleinen Flurstücke in eine effektive landwirtschaftliche Nutzung in Frage gestellt wäre. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber dies gewollt hat.
Die unterschiedlichen Regelungsziele des § 2 GrdstVG einerseits und des § 4 RSG andererseits legen vielmehr die Annahme nahe, dass immer dann, wenn sich ein Kaufvertrag auf zumindest ein Grundstück im Rechtssinne bezieht, das so groß ist, dass seine Veräußerung der Genehmigung nach dem GrdstVG bedarf, auch die Veräußerung der anderen von dem Kaufvertrag erfassten Grundstücke im Rechtssinne, die diese Mindestgröße für sich genommen nicht erreichen, aber mit dem genehmigungsbedürftigen Grundstück gemeinsam ein Grundstück im wirtschaftlichen Sinne bilden, der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 4 Abs. 1 RSG unterfallen. Das Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens umfasst also - entsprechend dem Wortlaut und Zweck des § 4 Abs. 1 RSG - auch dann das gesamte Grundstück im wirtschaftlichen Sinne, wenn dieses Grundstück im wirtschaftlichen Sinne aus mehreren Grundstücken im Rechtssinne besteht und einzelne dieser Grundstücke im Rechtssinne kleiner als 2 ha sind (ebenso Netz, a. a. O., S. 889/890, Beispiel 4). Dementsprechend erwirbt die L. mbH im vorliegenden Fall mit der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht nur das Flurstück 3/21 der Flur 2, sondern zugleich auch das kleinere Flurstück 265/50 der Flur 5.
4. Die Genehmigung wäre hier - als weitere Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts - nach § 9 GrdstVG zu versagen.
a) Die Genehmigung gilt nicht gemäß § 6 Abs. 2 GrdstVG als erteilt. Die in § 6 Abs. 1 S. 1 GrdstVG geregelte Frist ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 GrdstVG durch Zwischenbescheide des Landkreises, die innerhalb der vorgeschriebenen Frist zugestellt worden sind, auf insgesamt drei Monate ab Eingang des Antrags auf Genehmigung verlängert worden. Innerhalb dieser Frist ist der angefochtene Bescheid über die Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts zugestellt worden.
b) Der Tatbestand des Versagungsgrundes der ungesunden Verteilung von Grund und Boden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG) ist in der Regel erfüllt, wenn ein landwirtschaftliches Grundstück an einen Nichtlandwirt veräußert wird, während ein leistungsfähiger Voll- oder Nebenerwerbslandwirt, dessen Betrieb dringend der Aufstockung bedarf, zum Erwerb der Flächen zu den im Kaufvertrag vereinbarten Bedingungen bereit und in der Lage ist (BGH AgrarR 2002, 321 m. w. N., Netz, a. a. O., S. 394). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Erwerber T. ist im Gegensatz zur Kaufinteressentin, der Agrargenossenschaft "B. " , nicht selbst Landwirt. Die Agrargenossenschaft "B. " ist zum Erwerb der Flächen bereit und in der Lage. Insbesondere bedarf ihr Betrieb dringend der Aufstockung. Hinsichtlich der von ihr bewirtschafteten Flächen besteht ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem nur ca. 17 % betragenden Eigentumsanteil und dem Pachtanteil. Der Umstand, dass der im Eigentum der Agrargenossenschaft stehende Flächenanteil durch den Erwerb der hier in Frage stehenden Flurstücke prozentual nur relativ geringfügig erhöht würde, steht der Annahme, dass der Betrieb der Agrargenossenschaft dringend der Aufstockung bedarf, nicht entgegen. Bei einem groben Missverhältnis zwischen Eigenland und Pachtland dient ein Zuerwerb auch dann der Verbesserung der Agrarstruktur, wenn dadurch der Eigenlandanteil prozentual nur in geringem Maße erhöht wird. Jeder Schritt auf dem Weg zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Eigenland und Pachtland stellt eine strukturelle Verbesserung dar; eine Beschränkung auf solche Erwerbsmöglichkeiten, die nur verhältnismäßig große Flächen betreffen, liefe dem Zweck, eine ungesunde Bodenverteilung zu vermeiden, zuwider (BGH, NJW-RR 2002, 1169 f.).
c) Die Versagung der Genehmigung stellt keine unzumutbare Härte für den Veräußerer im Sinne von § 9 Abs. 7 GrdstVG dar. Die Härteklausel des § 9 Abs. 7 GrdstVG ist eng auszulegen, insbesondere bei Landerwerb durch Nichtlandwirte. Eine unzumutbare Härte ist anzunehmen, wenn die Verhinderung der geplanten Veräußerung zum Verlust der wirtschaftlichen Existenz führen, die Fortführung des Betriebes unmöglich machen oder eine nicht zumutbare Änderung der Betriebsstruktur notwendig würde (Netz, a. a. O., S. 520 f.). Dass die Ausübung des Vorkaufsrechts für die Veräußerer Auswirkungen hat, die von vergleichbar existenzieller Bedeutung wären, ist nicht ersichtlich. Rein emotional begründete Vorbehalte gegen die Person des künftigen Eigentümers, wie sie hier vorliegen, reichen zur Bejahung einer unzumutbaren Härte nicht aus.
5. Die L. mbH ist dasjenige Siedlungsunternehmen, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Als solchem steht ihr das Vorkaufsrecht zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Ende der Entscheidung
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