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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.11.2001
Aktenzeichen: 2 Ww 2/01
Rechtsgebiete: ZPO, LwVG, LwAnpG, BesitzwechselVO 1975/88, BesitzwechselVO 1951/56


Vorschriften:

ZPO § 254
LwVG § 44
LwVG § 45
LwAnpG § 44
LwAnpG § 51 a Abs. 2
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 1
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 2
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 3
BesitzwechselVO 1975/88 § 4
BesitzwechselVO 1951/56 § 14
1. Gemäß Ziff. 16 Abs 1 Buchst. a) LPG-MusterSt/P (1977) endete die Mitgliedschaft eines Genossen ohne weiteres, wenn er im Einvernehmen mit dem Vorstand eine ständige Tätigkeit in einem anderen sozialistischen Betrieb der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft aufnahm, sofern es sich nicht lediglich um eine Delegierung handelte.

2. Eine solche Delegierung beruhte auf einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen dem Vorstand der Genossenschaft, dem Genossenschaftsbauern bzw. Arbeiter und dem anderen Betrieb, die nach dem Statut zwar schriftlich zu treffen war, in der Praxis aber häufig nur mündlich zustande kam.

3. Ein Anspruch auf Wertschöpfung durch Arbeit (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG) steht dem ehemaligen Genossenschaftsbauern auch für die Zeit zu, die er als Delegierter in einem VEG tätig war. Denn als delegiertes LPG-Mitglied erfüllte er durch die Arbeit im VEG seine gegenüber der Genossenschaft bestehende Arbeitspflicht.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

2 Ww 2/01 OLG Naumburg

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Handke und den Richter am Amtsgericht Grimm sowie die Landwirtin Gühne und den Landwirt Helmecke als ehrenamtliche Richter nach mündlicher Verhandlung am 23. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Wernigerode vom 08.01.2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller schriftlich begründet Auskunft über den Umfang seines Abfindungsanspruchs aus beendetem LPG-Mitgliedschaftsverhältnis in der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, der LPG "Vorwärts" A. , zu erteilen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin, die auch die außergerichtliche Kosten des Antragstellers zu erstatten hat.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz bleibt dem Schlussbeschluss des Landwirtschaftsgerichts vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller macht Abfindungsansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) geltend.

Im Jahre 1959 trat er zusammen mit seinem Vater, R. J. , in die LPG "Thomas Müntzer" (Typ III) in A. ein. Der Antragsteller selbst hat kein Land eingebracht und auch keinen Inventarbeitrag geleistet. Später hat er seine LPG-Mitgliedschaft in der LPG "Vorwärts" A. fortgeführt, deren Rechtsnachfolgerin die Antragsgegnerin ist.

Der Vater des Antragstellers hatte beim Eintritt in die LPG "Thomas Müntzer" A. etwa 7 ha Ackerland eingebracht, das im Rahmen der Bodenreform auf ihn übertragen worden war. Als der Vater des Antragstellers 1971 verstarb, wurde das Haus, das er bewohnt hatte und das sich auf einem Bodenreformgrundstück befand, durch den Rat des Kreises G. veräußert. Ob auch die Ackerflächen in den Bodenfonds zurückgefallen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Ab 1976 arbeitete der Antragsteller in der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion (KAP) H. , an der die LPG "Vorwärts" A. beteiligt war. Aus einer Liste der in die KAP delegierten Mitglieder der LPG "Vorwärts" A. geht der Name des Antragstellers allerdings nicht hervor (vgl. Bl. 139 f der Akten des Verfahrens 12 Lw 63/93 AG Magdeburg. = 2 Ww 9/94 OLG Naumburg).

Gemeinsam mit 16 weiteren Mitgliedern der LPG "Vorwärts" A. unterzeichnete der Antragsteller am 09.06.1977 einen an diese LPG gerichteten Antrag folgenden Inhalts:

"Nachstehende Kolleginnen und Kollegen beantragen, ihre Mitgliedschaft in der LPG per 30.06.1977 zu beenden, um als Beschäftigte in der KAP weiterhin tätig zu sein."

Auf der Rückseite dieser Antragsschrift befindet sich folgender Vermerk des damaligen Buchhalters der LPG "Vorwärts" A. vom 05.12.1977:

"Laut Empfehlung des Rates des Kreises und der Kreisleitung St. und W. sind die Genossenschaftsbauern nicht als Landarbeiter zu machen."

Den gemeinsamen Antrag vom 09.06.1977 sandte der Vorsitzende der LPG "Vorwärts" A. mit seinem an die KAP gerichteten Schreiben vom 02.12.1997 ohne weitere Erklärung zurück. Dieses Schreiben trägt folgenden handschriftlichen Vermerk:

"Am 14.03.1978 Kollegen B. informiert, soll alle Antragsteller informieren."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 09.06.1977 (Bl. 90 d. Akte: 12 Lw 63/93), den Vermerk vom 05.12.1977 (Bl. 90 R d. Akte: 12 Lw 63/93) und das Schreiben der LPG "Vorwärts" A. vom 02.12.1977 (Bl. 91 d. Akte: 12 Lw 63/93) Bezug genommen.

Aus der KAP H. ist mit Wirkung zum 01.01.1978 das Volkseigene Gut (P) H. hervorgegangen, in dem der Antragsteller fortan ausschließlich tätig war.

Der Vater des Antragstellers wurde 1971 von der 1981 nachverstorbenen Mutter des Antragstellers sowie von dem Antragsteller und seinen beiden Brüdern beerbt. Weder die Brüder des Antragstellers noch seine Mutter waren jemals LPG-Mitglieder oder im Bereich der Landwirtschaft tätig.

Die LPG "Vorwärts" A. beschloss am 09. April 1991 ihre Umwandlung in die Antragsgegnerin. Die Umwandlung wurde am 15. August 1991 in das Genossenschaftsregister eingetragen (vgl. Senatsbeschluss vom 28.01.2000, 2 Ww 55/99). Der Antragsteller wird nicht im Mitgliederverzeichnis der Antragsgegnerin geführt.

Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, auf Grund seiner ehemaligen LPG-Mitgliedschaft stehe ihm ein Abfindungsanspruch zu. Er hat deshalb im Wege des Stufenantrags Auskunft über die Höhe seines Abfindungsanspruchs und - vorbehaltlich der zu erteilenden Auskunft - Auszahlung desselben verlangt. Er hat behauptet, seine 1976 aufgenommene Arbeitstätigkeit für die KAP und später für das Volkseigene Gut (P) H. , die er über den 15.03.1990 hinaus fortgesetzt habe, sei auf Grund einer Delegierung durch die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin ohne Beendigung der Mitgliedschaft erfolgt. Er sei vor der Umwandlung weder ausgetreten noch ausgeschlossen worden.

Der Antragsteller hat im Wege des Stufenantrags zunächst beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm seinen Anspruch aus beendetem LPG-Mitgliedschaftsverhältnis auszurechnen, mitzuteilen und begründet zu erläutern,

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge insgesamt abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dem Antragsteller stehe keine Abfindung nach § 44 LwAnpG zu, denn er sei bereits mit Beginn seiner Tätigkeit für das VEG aus der LPG ausgeschieden. Dies sei insbesondere aus dem Umstand zu schließen, dass er nicht in der Liste der delegierten Mitglieder der LPG geführt worden sei. Obgleich es keinen förmlichen Austritt gegeben habe, sei von einer faktischen Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses auszugehen. Auch aus der ehemaligen LPG-Mitgliedschaft seines Vaters könne der Antragsteller keine Rechte herleiten, da die von ihm eingebrachten Bodenreformgrundstücke mit dem Tod des Vaters 1971 in den Bodenfonds zurückgefallen seien, weil keiner der Erben im land-, forst- oder nahrungsgüterwirtschaftlichen Bereich tätig gewesen sei.

Das Landwirtschaftsgericht hat die Anträge des Antragstellers mit der Begründung abgewiesen, seinem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass er jemals aus der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin ausgetreten sei. Als nicht ausgeschiedenes LPG-Mitglied stehe ihm auch kein Abfindungsanspruch nach § 44 LwAnpG zu.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Er behauptet, nicht schon 1976 oder 1978 aus der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin ausgeschieden zu sein. Andererseits vertritt er die Ansicht, ein Ausscheiden aus der LPG sei darin zu sehen, dass er im Rahmen der Umwandlung nicht Mitglied der Antragsgegnerin geworden sei. Hieraus könne geschlossen werden, dass er sich geweigert habe, nach der Umwandlung der neuen Genossenschaft anzugehören.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 08.01.2001 abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm schriftsätzlich begründet Auskunft über den Umfang seines Abfindungsanspruchs aus beendetem LPG-Mitgliedschaftsverhältnis zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt nach wie vor den Standpunkt, dass der Antragsteller seit 1978 nicht mehr Mitglied der LPG "Vorwärts" A. sei. Allein der Umstand, dass er nicht im Mitgliederverzeichnis der Antragsgegnerin aufgeführt sei, lasse nicht den Schluss zu, dass er erst im Zuge der Umwandlung ausgeschieden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen O. W. , E. St. , U. P. und F. Wg. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2001 (Bl. 140 bis 146 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der nach § 254 ZPO analog zulässige Stufenantrag des Antragstellers hat Erfolg. Der Anspruch auf Auskunft ist gegeben, denn es besteht dem Grunde nach ein Leistungsanspruch des Antragstellers nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LwAnpG und der Umfang dieses Abfindungsanspruchs ist nicht bekannt (vgl. etwa BGH, Beschluss v. 05.03.1999 - BLw 52/98).

1. Der Antragsteller hat allerdings keinen Anspruch auf Auszahlung des Inventarbeitrages (mehr).

a) Ungeachtet des Zeitpunktes seines Ausscheidens aus der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin käme zwar gemäß §§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 51 a Abs. 2 LwAnpG ein Anspruch auf Rückzahlung eines etwaigen Inventarbeitrags in Betracht. Der Antragsteller behauptet jedoch nicht, selbst einen Inventarbeitrag geleistet zu haben. Dass er keine eigenen Inventarleistungen zu erbringen hatte, mag auf dem Umstand beruhen, dass er 1959 zugleich mit seinem Vater in die LPG eingetreten ist, der zugleich für seine damaligen Familienangehörigen das ihm gehörende Land eingebracht und den Inventarbeitrag geleistet hat. Ein Anspruch des Antragstellers nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG aus eigenem Recht scheidet deshalb schon mangels eigener Einbringung eines Inventarbeitrages aus.

b) Ein Anspruch auf Auszahlung des Inventarbeitrages, den der Vater des Antragstellers 1959 in die LPG eingezahlt hat, scheidet aus, weil dieser bereits erfüllt worden ist, wie der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2001 eingeräumt hat. Das Auskunftsbegehren kann also hierauf ebenfalls nicht gestützt werden.

2. Der Antragsteller hat jedoch dem Grunde nach Anspruch auf Inventarverzinsung, Bodennutzungsvergütung und/oder Vergütung für Wertschöpfung durch Arbeit, gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 LwAnpG, denn er ist erst nach dem 15.03.1990, nämlich mit der Umwandlung in die neue Rechtsform, aus der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin ausgeschieden.

a) Der Antragsteller war unstreitig ursprünglich 1959 zusammen mit seinem Vater in die LPG (Typ III) "Thomas Müntzer" A. eingetreten und hat später seine LPG-Mitgliedschaft in der LPG "Vorwärts" A. , der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, fortgesetzt. Bestand zunächst die Mitgliedschaft in einer LPG, so dauerte sie im Zweifel unverändert fort, wenn kein Tatbestand festgestellt werden kann, aus dem auf eine Beendigung der Mitgliedschaft geschlossen werden muss.

b) Die LPG-Mitgliedschaft des Antragstellers ist entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin nicht auf Grund seines Tätigkeitswechsels im Jahre 1976 oder 1978 beendet worden.

aa) Gemäß Ziff. 16 Abs 1 Buchst. a) LPG-MusterSt/P (1977) endete die Mitgliedschaft eines Genossen ohne weiteres, wenn er im Einvernehmen mit dem Vorstand eine ständige Tätigkeit in einem anderen sozialistischen Betrieb der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft aufnahm, sofern es sich nicht lediglich um eine Delegierung handelte. Lag aber eine Delegierung gemäß Ziff. 25 Abs. 4 LPG-MusterSt/P (1977) vor, so blieb der Betroffene Mitglied der LPG und erfüllte seine ihr gegenüber bestehende Arbeitspflicht durch seine Tätigkeit in der Einrichtung, an die er delegiert wurde. Eine solche Delegierung beruhte auf einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen dem Vorstand der Genossenschaft, dem Genossenschaftsbauern bzw. Arbeiter und dem anderen Betrieb, die nach dem Statut zwar schriftlich zu treffen war, in der Praxis aber - nach den Erfahrungen der ehrenamtlichen Mitglieder des Senates - häufig nur mündlich zustande kam.

bb) Zunächst war der Antragsteller als Mitglied der LPG "Vorwärts" A. an die KAP H. delegiert worden, an der die LPG "Vorwärts" A. beteiligt war.

Zweifel an dieser Delegierung des Antragstellers könnten sich allein aus dem Umstand ergeben, dass der Name des Antragstellers in der Liste der delegierten Mitglieder nicht enthalten ist. Dieses Indiz allein reicht aber vor dem Hintergrund der weiteren Erklärungen der Beteiligten nicht aus, um eine Delegierung zu verneinen. Denn bei der KAP handelte es sich nicht um eine selbständige Einrichtung, die eigene Mitglieder hatte. Vielmehr haben ab 1976 Mitglieder der an der KAP beteiligten LPGen gerade aufgrund einer Delegierung in der KAP gearbeitet. Dass der Antragsteller nicht zu diesen delegierten Mitgliedern gehörte, könnte nur dann angenommen werden, wenn er bereits 1976 mit der Aufnahme der Tätigkeit in der KAP aus der LPG "Vorwärts" A. ausgeschieden wäre. Tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches Ausscheiden liegen jedoch nicht vor. Vielmehr spricht der Inhalt des Schreibens vom 09.06.1977 und die Reaktion der LPG "Vorwärts" A. hierauf gegen ein frühzeitiges Ausscheiden. Erkennbar sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass der Antragsteller jedenfalls im Juni 1977 noch Mitglied der LPG "Vorwärts" A. war, da andernfalls sein Antrag auf Beendigung der Mitgliedschaft zu diesem späteren Zeitpunkt nicht erklärbar wäre. Der Senat hat deshalb keine Zweifel, dass der Antragsteller während seiner Tätigkeit in der KAP H. noch delegiertes Mitglied der LPG "Vorwärts" A. war.

cc) Mit der "Umwandlung" der KAP in das VEG (P) H. hat der Antragsteller seinen Status als delegierter Genossenschaftsbauer nicht verloren. Hiervon ist der Senat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ebenfalls überzeugt.

(1) Der Antragsteller ist nicht auf Grund seines Antrags vom 09.06.1977 ausgeschieden. Er hat zwar auf Initiative des Direktors des VEG eine Beendigung seiner Mitgliedschaft angestrebt, seinem Antrag wurde jedoch nicht entsprochen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Vermerk des Buchhalters vom 05.12.1977, der eine Ablehnung des Antrags der austrittswilligen LPG-Mitglieder zum Ausdruck brachte, die auf einer Entscheidung der zuständigen staatlichen Stellen beruhte. Diese negative Entscheidung über die Anträge vom 09.06.1977 wird auch durch die Aussagen des Zeugen W. , der damals Sekretär für Landwirtschaftspolitik bei der Kreisleitung der SED war, und des Zeugen St. , des früheren stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Kreises für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft, bestätigt. Beide haben bekundet, dass dem Ansinnen der 17 LPG-Mitglieder, die den Antrag vom 09.06.1977 unterzeichnet hatten, durch die LPG "Vorwärts" A. aus politischen Gründen nicht entsprochen worden sei, weil die Zahl der Genossenschaftsbauern nicht habe vermindert werden sollen.

(2) Aus demselben Grunde blieb der Status der in der KAP tätigen Genossenschaftsbauern auch nach der Gründung des hieraus hervorgegangenen VEG (P) H. unverändert. Nach Aussage der Zeugen W. und St. wurden die im VEG beschäftigten Bauern weiterhin als Genossenschaftsbauern geführt. Der Hintergrund sei - so haben die Zeugen erläutert - das Selbstverständnis der Staats- und Parteiführung gewesen, die die ehemalige DDR als "Arbeiter- und Bauernstaat" bezeichnet habe. Eine weitgehende Reduzierung der Zahl der Genossenschaftsbauern und eine gleichzeitige Erhöhung der Zahl der Landarbeiter sei nicht "gewünscht" worden, denn sie hätte dieses Selbstverständnis in Frage gestellt.

(3) Diese Darstellung der Zeugen W. und St. wird nicht nur durch die Aussage des Zeugen Wg. bestätigt, der aus Sicht des damaligen LPG-Mitgliedes bestätigt hat, dass die Genossenschaftbauern ihren Status nicht verlieren sollten. Auch die Zeugin P. , die als Ökonomin im VEG (P) H. beschäftigt und BGL-Vorsitzende war, hat bekundet, dass die Arbeiter und die Genossenschaftsbauern im VEG zwar einerseits einheitlich entlohnt worden seien, es aber andererseits bedeutende Unterschiede gegeben habe, die auf den Status der Bauern zurückzuführen gewesen seien.

Insbesondere seien die Arbeiter des VEG (P) Mitglieder des FDGB gewesen, während es den Genossenschaftsbauern nicht möglich gewesen sei, Mitglieder der Gewerkschaft zu werden. Die Zeugin hat ferner erläutert, dass die einbehaltene Lohnsteuer der Bauern nicht an den Staat abgeführt worden, sondern in einen besonderen Fonds für gemeinnützige Zwecke geflossen sei. Ein weiterer Unterschied habe sich auf dem Gebiet der Sozialversicherung ergeben. Während die Arbeiter bei der staatlichen Versicherung versichert gewesen seien, habe für die Bauern ein Versicherungsverhältnis zur DAV bestanden. Insgesamt habe sich - so die Zeugin - an dem Status der Bauern, die im VEG tätig waren, bis zuletzt nichts geändert. Sie seien weiterhin in ihrer bisherigen LPG als Mitglieder geführt worden und im Falle der Beendigung der Tätigkeit im VEG auch dorthin wieder "zurückdelegiert" worden. Auf diesem Wege habe noch bis zur Mitte der 80er Jahre letztlich allein die LPG über eine mögliche Kündigung der Genossenschaftsbauern entschieden.

(4) Die von den Zeugen geschilderte Verfahrensweise betraf alle delegierten Genossenschaftsbauern. Ausnahmen gab es nach der Darstellung der Zeugen nicht. Insbesondere hat keiner der vernommenen Zeugen Anhaltspunkte dafür nennen können, dass es im Falle des Antragstellers - im Unterschied zu den übrigen delegierten Mitglieder - zu einer Beendigung der Mitgliedschaft und zu einem Wechsel seines Status' gekommen sei. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere rechtfertigt der Antrag des Antragstellers vom 09.06.1977 eine abweichende Beurteilung nicht, weil diesem Antrag gerade nicht entsprochen worden ist. Eine spätere Beendigung der LPG-Mitgliedschaft des Antragsteller, der fortan nur noch für das VEG (P) tätig war, wurde von der LPG "Vorwärts" A. einerseits und dem VEG (P) andererseits bewusst nicht herbeigeführt, weil dies nicht dem Willen der zuständigen staatlichen Stellen entsprach.

dd) Es erscheint auch konsequent und billig, von einem Fortbestand der LPG-Mitgliedschaft der delegierten Mitglieder auszugehen, denn die delegierenden LPGen wurden an dem Vermögenszuwachs des VEG (P), also der Wertschöpfung, die auch auf der Arbeit der delegierten Mitglieder beruhte, beteiligt. Denn im Ergebnis wurde dem Umstand, dass in dem VEG (P) bis zuletzt in erheblichem Umfang Genossenschaftsbauern tätig waren, dadurch Rechnung getragen, dass die Vermögensgegenstände, die das VEG (P) bei seinem Entstehen von den an der KAP beteiligten LPGen übernommen hatte, diesen LPGen bzw. ihren Rechtsnachfolgern wieder zurückgegeben wurden, wie der Zeuge Wg. in nachvollziehbarer Weise erklärt hat.

Nach seiner - von den Beteiligten nicht in Frage gestellten - Darstellung sind die LPGen auch an dem Wert späterer Investitionen des VEG (P) beteiligt worden. Diesem Vermögensausgleich steht die Verpflichtung der LPGen gegenüber, die von ihnen an die KAP und später an das VEG (P) delegierten Mitglieder gemäß § 44 LwAnpG abzufinden.

c) Erst im Rahmen der Umwandlung der LPG "Vorwärts" A. in die heutige Antragsgegnerin ist der Antragsteller als LPG-Mitglied ausgeschieden.

Die ausdrückliche Kündigung seiner Mitgliedschaft hat der Antragsteller allerdings nicht erklärt, wie die Antragsgegnerin zu Recht betont. Soweit der Antragsteller sich zuletzt darauf berufen hat, er habe sich geweigert, im Rahmen der Umwandlung der neuen Rechtsform anzugehören, ist ihm zwar insoweit zuzustimmen, dass eine derartige Weigerung als konkludente Kündigung der Mitgliedschaft angesehen werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 08.05.1998, BLw 41/97, AgrarR 1998, 347, 348). Es fehlt aber auch insoweit an einer ausdrücklichen Willensäußerung. Gleichwohl ist das LPG-Mitgliedschaftsverhältnis auf Grund des Verhaltens der Beteiligten mit der Umwandlung der LPG als beendet anzusehen. Der Antragsteller hat zu der Antragsgegnerin keinerlei Kontakt aufgenommen und so erkennen lassen, dass er an einer Mitgliedschaft in der e. G. der Antragsgegnerin kein Interesse hatte. Die Antragsgegnerin ihrerseits hat den Antragsteller nicht in die Liste der Genossenschaftsmitglieder aufgenommen, was nur den Schluss zulässt, dass auch sie nicht von einem Fortbestand seiner Mitgliedschaft ausgegangen ist. Darüber hinaus ist der Inventarbeitrag, den der Vater des Antragstellers erbracht hatte, von der Antragsgegnerin zurückgezahlt und die Rückzahlung von dem Antragsteller in Empfang genommen worden. Hierin kommt ebenfalls der Wille beider Seiten zum Ausdruck, das Mitgliedschaftsverhältnis in der Agrargenossenschaft nicht fortzusetzen.

3. Als nach dem 15.03.1990 ausgeschiedenes ehemaliges LPG-Mitglied hat der Antragsteller gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG einen Anspruch auf Verzinsung des von seinem Vater eingebrachten Inventarbeitrages und auf Bodennutzungsvergütung für die Zeit, in der die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin das von Vater eingebrachte Bodenreformland genutzt hat. Auch eine Abfindung für Wertschöpfung durch Arbeit (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG) steht ihm grundsätzlich zu.

a) Hinsichtlich des Anspruchs auf Inventarverzinsung und Bodennutzungsvergütung beruft sich der Antragsteller zu Recht darauf, dass die Mitgliedschaftsrechte und der Inventarbeitrag seines Vaters nach dessen Tode ihm zugeordnet worden sind, weil er als einziger der Erben Mitglied der LPG gewesen ist. Dieser Übergang der Rechtsstellung des Inventar- und (gegebenenfalls) Bodeneinbringers beruht auf § 24 Abs. 5 LPG-G/59. Ist der Erblasser vor dem 1. Januar 1976 gestorben und von einem LPG-Mitglied sowie Nichtmitgliedern beerbt worden, so gilt der Inventarbeitrag als von dem Mitgliedserben eingebracht, sofern jener mit der LPG nicht abgerechnet und über die landwirtschaftliche Nutzfläche nicht ein Kreispachtvertrag abgeschlossen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.1998, BLw 16/98, AgrarR 1999, 54, 56).

b) Die Frage, ob dem Antragsteller eine Bodennutzungsvergütung auch noch für die Zeit nach dem Erbfall zusteht, kann zunächst offen bleiben. Ihre Beantwortung bedarf weiterer Sachaufklärung durch das Landwirtschaftsgericht im Rahmen der Fortsetzung des in erster Instanz noch anhängigen Stufenverfahrens. Gleichwohl weist der Senat im Hinblick auf den Streit der Beteiligten zu dieser Frage auf Folgendes hin:

aa) Der Anspruch hängt von der streitigen Frage ab, ob das vom Vater eingebrachte Bodenreformland nach dessen Tod wieder in den Bodenfonds zurückgefallen ist oder ob es der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin weiterhin zur Nutzung zur Verfügung stand.

bb) Allein die Tatsache, dass es sich um Bodenreformgrundstücke handelte, steht einem Abfindungsanspruch nicht entgegen. Wenn die Bodenreformgrundstücke dem Antragsteller als zuteilungsberechtigtem Erben entzogen worden sind, scheidet ein Abfindungsanspruch nicht in jedem Falle aus.

(1) Der BGH hat unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung in seinem Urteil vom 06.11.1998 (- V ZR 200/97 -, VIZ 1999, 157 ff.) festgestellt, dass Bodenreformwirtschaften der vor dem 16.03.1990 verstorbenen Begünstigten vererblich und Bestandteil des Nachlasses waren. Das Bodenreformland fiel folglich mit dem Tode des Eigentümers nicht automatisch in den Bodenfonds zurück. Das kraft erbrechtlicher Nachfolge erworbene Eigentum unterlag allerdings öffentlich-rechtlichen Beschränkungen. Es vermittelte keine gesicherte Rechtsposition. Der Erbe konnte das Eigentum an dem Bodenreformland nur behalten, wenn er zu dem zuteilungsfähigen Personenkreis gehörte, wenn er also LPG-Mitglied oder Arbeiter in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft war (§§ 1, 4 Abs. 1 der Verordnung über die Durchführung des Besitzwechsels bei Bodenreformgrundstücken vom 7. August 1975, GBl DDR I S. 629 - BesitzwechselVO -). Bei mehreren Erben mußten sich die Miterben auf einen von ihnen, der die Voraussetzungen erfüllte, einigen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 BesitzwechselVO). Nur unter diesen Voraussetzungen konnte das Bodenreformland dem Rechtsnachfolger zugeteilt werden, anderenfalls war es durch Verwaltungsakt in den Bodenfonds zurückzuführen (§ 4 Abs. 3 BesitzwechselVO). Lediglich in den Fällen, in denen es sich um Grundstücke handelte, die landarmen Bauern zur Bewirtschaftung neben ihren sonstigen Grundstücken aus dem Bodenfonds übertragen worden waren (sog. Aufstockungsland), ordnete § 14 BesitzwechselVO 1951/56 einen unmittelbaren Rückfall in den Bodenfonds, d.h. ohne Verwaltungsakt, an. Daran änderte auch die BesitzwechselVO 1975/88 nichts. Gem. § 4 BesitzwechselVO 1975/88 hatte der Rat des Kreises dem Erben oder demjenigen, auf den die Miterben sich als Nachfolger für die Bodenreformwirtschaft geeinigt hatten, die Rechte und Pflichten zur Bewirtschaftung des Bodenreformlandes zu übertragen, wenn dieser das Bodenreformland als LPG-Mitglied oder Arbeiter der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft zweckentsprechend nutzen wollte.

(2) Angesichts dieser Regelungen kann nicht schon die formelle, durch Erbschaft erlangte Eigentümerstellung für die Frage entscheidend sein, ob ein Bodenreformgrundstück bei der Bemessung der Abfindung eines ausgeschiedenen Mitglieds zu berücksichtigen ist. Maßgeblich ist vielmehr grundsätzlich die Zuweisung unter den Voraussetzungen der Besitzwechselverordnung.

(3) Andererseits kann es aber auch nicht darauf ankommen, ob ein Bodenreformgrundstück dem Erben, der die Voraussetzungen erfüllte, tatsächlich zugeteilt worden ist oder ob es, wenn eine Zuteilung nicht in Betracht kam, in den Bodenfonds zurückgeführt wurde. Denn die mögliche Übertragung an einen Erben ist in der Praxis in vielen Fällen - so auch hier - ebenso unterblieben wie die Rückführung in den Bodenfonds (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 200/97, NJW 1999, 1470, 1472). Es gäbe in diesen Fällen dann keinen Anknüpfungspunkt für die zu entscheidende Frage. Richtig ist es daher, darauf abzustellen, ob der Erbe zuteilungsfähig war oder ob das Grundstück bei richtiger Anwendung der damals geltenden Regelungen in den Bodenfonds hätte zurückgegeben werden müssen (vgl. BGH, Beschluss v. 26.10.1999, BLw 17/99, AgrarR 2000, 305, 306).

(4) Der Antragsteller war nach dem Tode seines Vaters zunächst weiterhin Mitglied derselben LPG und in dieser auch tätig, während die LPG das Land weiterhin genutzt hat. Er war daher grundsätzlich zuteilungsberechtigt. Das Bodenreformland hätte folglich nur dann in den Bodenfonds zurückgeführt werden dürfen, wenn er sich geweigert hätte, es zu übernehmen, wofür nach dem bisherigen Vortrag der Beteiligten keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen.

c) Ein Anspruch auf Wertschöpfung durch Arbeit (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG) steht dem Antragsteller auch für die Zeit zu, die er in dem VEG (P) tätig war. Denn als delegiertes LPG-Mitglied erfüllte er durch die Arbeit im VEG (P) seine gegenüber der Genossenschaft bestehende Arbeitspflicht (Ziff. 25 Abs. 4 MusterSt./P 1977). Ob ein Zahlungsanspruch im vorliegenden Fall besteht, hängt von der Höhe des Eigenkapitals der Rechtsvorgängerin im Zeitpunkt der Umwandlung ab, über das sie dem Antragsteller im Rahmen der geschuldeten Berechnung seiner Ansprüche Auskunft zu erteilen hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG.

Ende der Entscheidung

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