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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 12.09.2001
Aktenzeichen: 2 Ww 43/00
Rechtsgebiete: AGBG, LwAnpG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 9
AGBG § 23 Abs. 1
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
LwAnpG § 44
LwAnpG § 28
LwAnpG § 44 Abs. 1
LwAnpG § 37 Abs. 2
LwAnpG § 28 Abs. 2
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 2
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 1
LwAnpG § 36 Abs. 1 Satz 2
BGB § 397
BGB § 134
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 138
Die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG gilt auch für formularmäßige Abfindungsvereinbarungen, die zwischen einen ehemaligen LPG-Mitglied und der LPG bzw. ihrem Rechtsnachfolger im Hinblick auf Ansprüche gem. §§ 44 Abs. 1 und 28 Abs. 2 LwAnpG getroffen werden.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

2 Ww 43/00 OLG Naumburg

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Handke und den Richter am Amtsgericht Grimm sowie die Landwirtin Gallun und den Landwirt Beer als ehrenamtliche Richter nach mündlicher Verhandlung am 12. September 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 04.10.2000 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Dessau wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und hat die außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin macht Ansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) geltend.

Zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann W. D. trat die Antragstellerin am 01.01.1966 in die LPG "F. " To./Th. ein. Ihr Ehemann brachte 14,2362 ha landwirtschaftliche Nutzfläche in die LPG ein und leistete einen Pflichtinventarbeitrag. 1974 beteiligte sich die LPG "F. " To. / Th. an der KAP R. , aus der 1977 die LPG (P) R. hervorging. Diese wurde wiederum 1990 aufgespalten. Die Bereiche Th. , To. und Re. wurden von der LPG (T) übernommen, aus der die Antragsgegnerin 1991 im Wege der Umwandlung hervorgegangen ist.

Sowohl die Antragstellerin als auch ihr Ehemann sind im Rahmen der Umwandlung nicht aus der LPG ausgeschieden, sondern wurden Mitglieder der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 29.04.1994 kündigten sie ihre Mitgliedschaft in der eingetragenen Genossenschaft und forderten den eingebrachten Inventarbeitrag zurück. Daraufhin hat der Ehemann der Antragstellerin am 18.11.1994 und am 21.03.1995 Teilzahlungen von insgesamt 4.105,00 DM erhalten.

Am 17.07.1995 unterzeichneten beide Eheleute jeweils eine von der Antragsgegnerin vorformulierte, als "Kündigung" bezeichnete Erklärung, die folgenden Inhalt hatte:

"Hiermit kündige ich meine Mitgliedschaft in der Landhof Th. e. G. zum 30.06.1995.

Ich erkläre ausdrücklich, dass ich nach erfolgter Auszahlung meiner Inventarbeiträge und Genossenschaftsanteile künftig keinerlei Ansprüche gegen die Landhof Th. e. G. mehr erheben kann.

Meine Ansprüche, die sich aus der Vermögensauseinandersetzung entsprechend § 44 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes ergeben, sind somit voll abgefunden."

Bei Unterzeichnung der Erklärungen erhielten die Antragstellerin und ihr Ehemann von der Antragsgegnerin einen Scheck über 4.420,00 DM, den sie am 19.07.1995 einlösten. Damit war der eingebrachte Inventarbeitrag vollständig zurückgezahlt.

Der Ehemann der Antragstellerin, W. D. , verstarb am 07.08.1996. Er ist auf Grund des gemeinschaftlichen notariellen Testaments vom 15.01.1951 von der Antragstellerin allein beerbt worden.

Die Antragstellerin hat Ansprüche gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG geltend gemacht und für die Dauer der Nutzung des von ihrem Ehemann eingebrachten Bodens durch die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin eine Bodennutzungsvergütung von 29.877,09 DM verlangt. Sie hat gemeint, in dieser Höhe sei die Antragsgegnerin verpflichtet, ihr ein Barabfindungsangebot zu unterbreiten, was im Rahmen der Umwandlung der LPG unterblieben sei. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, die Erklärungen vom 17.07.1995 könnten dieser Forderung nicht entgegengehalten werden, weil ein Verzicht auf einen Barabfindungsanspruch nicht möglich sei und es sich außerdem um eine Erklärung handele, die nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam sei.

Die Antragstellerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, der Antragstellerin den Erwerb ihrer Mitgliedsrechte an der Antragsgegnerin gegen ein Barabfindungsangebot von 29.877,09 DM anzubieten.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat sich auf die Erklärungen der Antragstellerin und ihres Ehemanns vom 17.07.1995 berufen und die Ansicht vertreten, ein Anspruch auf Abfindung oder bare Zuzahlung sei hierdurch wirksam ausgeschlossen.

Das Landwirtschaftsgericht hat sich dieser Rechtsansicht angeschlossen und den Antrag der Antragstellerin mit der Begründung zurückgewiesen, es liege ein wirksamer Verzicht vor, der alle Nachforderungen ausschließe.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die einen Anspruch aus § 44 LwAnpG in zweiter Instanz nicht weiter verfolgt, sondern eine Barabfindung bzw. bare Zuzahlung verlangt. Sie ist aber nach wie vor der Auffassung, der in den Erklärungen vom 17.07.1995 enthaltene Verzicht sei unwirksam. Zum einen ergebe sich dies schon daraus, dass auf einen Anspruch vor dessen Entstehung verzichtet worden sei, was rechtlich nicht zulässig sei. Außerdem habe sie, die Antragstellerin, bei der Kündigung nichts von einem Barabfindungsanspruch gewusst, sodass sie hierauf auch nicht wirksam habe verzichten können. Die Antragstellerin hält die Kündigungen vom 17.07.1995 als solche für unwirksam, da bereits eine wirksame Kündigung vorausgegangen sei. Hieraus, so meint sie, sei der Schluss zu ziehen, dass die Erklärung insgesamt gegenstandslos sei. Sie wendet ferner ein, die streitigen Erklärungen seien so auszulegen, dass erst nach vollständiger Auszahlung aller Ansprüche auf weiter gehende Ansprüche verzichtet werde. Außerdem meint sie, eine wirksame Abfindungsvereinbarung scheitere auch daran, dass sie von der Antragsgegnerin nicht angenommen worden sei. In der bloßen Hinnahme der Kündigungserklärung könne eine konkludente Annahme nicht gesehen werden, weil die Antragsgegnerin zum einen danach noch Zahlungen geleistet habe und die Kündigungserklärung, als die das Schreiben vom 17.07.1995 anzusehen sei, nicht der Annahme bedurft habe. Schließlich behauptet die Antragstellerin, die Buchhalterin der Antragsgegnerin habe ihr gegenüber erklärt, dass sie die noch ausstehende Restzahlung nur erhalten werde, wenn sie die Erklärung vom 17.07.1995 unterzeichne.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Dessau vom 04.10.2000 festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, der Antragstellerin den Erwerb ihrer Mitgliedschaftsrechte an der Antragsgegnerin gegen ein Barabfindungsangebot von 29.877,09 DM anzubieten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Auf Grund von Liquiditätsproblemen habe sich die Auszahlung der Inventarbeiträge verzögert. Das verteilbare Eigenkapital der Antragsgegnerin habe gerade ausgereicht, um die Ansprüche der ehemaligen LPG-Mitglieder nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG zu befriedigen. Aus diesem Grunde habe niemand mehr als den Inventarbeitrag zurück erhalten. Der Antragstellerin und ihrem Ehemann sei bei Unterzeichnung der streitigen Erklärungen bewusst gewesen, dass ihnen nach Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses ein Zahlungsanspruch zugestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung (§ 44 LwAnpG), einer Barabfindung (§§ 37 Abs. 2, 36 Abs. 1 LwAnpG) oder auf baren Zuzahlung (§ 28 Abs. 2 LwAnpG). Solche Ansprüche stehen ihr weder aus eigenem noch aus ererbtem Recht zu, denn die Erklärungen der Antragstellerin und ihres Ehemannes vom 17.07.1995 sind bindend und schließen alle gesetzlichen Ansprüche aus.

1. Ein Abfindungsanspruch nach § 44 Abs. 1 LwAnpG, den die Antragstellerin zunächst gemacht hatte, scheidet aus, weil weder die Antragstellerin noch ihr Ehemann aus der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin ausgeschieden sind. Vielmehr sind beide nach der Umwandlung Mitglieder der eingetragenen Genossenschaft geworden. Die Antragstellerin hat einen Abfindungsanspruch nach § 44 LwAnpG in zweiter Instanz auch nicht weiter verfolgt.

2. In Betracht kommt deshalb nur ein Anspruch auf Barabfindung gemäß §§ 37 Abs. 2, 36 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG oder ein Anspruch auf bare Zuzahlung gemäß § 28 Abs. 2 LwAnpG. Der letztgenannte Anspruch steht dem Mitglied einer eingetragenen Genossenschaft neben seinem Anspruch auf Auszahlung des Geschäftsguthabens auch dann zu, wenn er - nach der Umwandlung - aus der Genossenschaft ausgeschieden ist.

3. Der Geltendmachung solcher Ansprüche steht jedoch in beiden Fällen der Inhalt der Erklärungen vom 17.07.1995 entgegen, wonach die Antragstellerin und ihr Ehemann bei Erhalt der letzten Abfindungszahlung auf alle weiteren Ansprüche verzichtet haben.

a) Die Erklärungen vom 17.07.1995 sind sowohl nach dem eindeutigen Wortlaut als auch nach dem ihnen von den Beteiligten beigemessenen Zweck als Abfindungsvereinbarung anzusehen, mit der alle gesetzlichen Ansprüche der Antragstellerin und ihres Ehemanns abgegolten sein sollten.

aa) Dies ergibt sich eindeutig aus der Formulierung "Ich erkläre ausdrücklich, dass ich nach erfolgter Auszahlung meiner Inventarbeiträge und Genossenschaftsanteile künftig keinerlei Ansprüche gegen die Landhof Th. e. G. mehr erheben kann." Hiervon erfasst sind Abfindungsansprüche jeglicher Art, die auf die Mitgliedschaft in der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin beruhen. Soweit der Anspruch aus § 44 LwAnpG in der Erklärung ausdrücklich erwähnt wird, handelt es sich um den grundlegenden, für die Berechnung aller übrigen Ansprüche maßgeblichen Abfindungsanspruch, auf den sich die Vereinbarung vor allem, nicht aber ausschließlich bezieht. Der Verzicht erfasst daher auch etwaige Ansprüche nach §§ 37 Abs. 2, 36 Abs. 1 Satz 2, 28 Abs. 2 LwAnpG.

bb) Nach dem erklärten Zweck dieser Regelung sollte eine Nachforderung in jedem Fall ausgeschlossen werden. Um die von der Antragsgegnerin zugleich angebotene Restzahlung von 4.420,00 DM zu erhalten, haben die Antragstellerin und ihre Ehemann sich bereit erklärt, auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten. Der Einwand der Antragstellerin, ihre Erklärung sei darauf gerichtet, weitere Ansprüche erst dann auszuschließen, wenn alle denkbaren Ansprüche voll befriedigt wären, ist nicht nachvollziehbar. Eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut der Erklärungen nicht zu vereinbaren und hätte außerdem keinen Sinn.

b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt ein beidseitiger Vertragsschluss auf Grundlage der Erklärungen vom 17.07.1995 vor, wie das Landwirtschaftsgericht zu Recht festgestellt hat. Die Antragstellerin berücksichtigt insoweit nicht, dass ihre Erklärung und die ihres Ehemanns nicht erst ein Angebot zum Abschluss einer Abfindungsvereinbarung darstellen, sondern die Annahme eines solchen. Es war die Antragsgegnerin, die die vorgefertigten Erklärungen vorgelegt und unter der Voraussetzung ihrer Unterzeichnung zugleich weitere Zahlungen angeboten hat. Hierin lag ein ausdrückliches (wenn auch nicht schriftliches) Angebot zum Abschluss einer Abfindungsregelung, die durch die Antragstellerin und ihren Ehemann schriftlich angenommen worden ist.

c) Eine einvernehmliche Regelung, durch die die Ansprüche eines ehemaligen LPG-Mitgliedes nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz - auch erheblich - eingeschränkt werden, können die Beteiligten nach der Rechtsprechung des BGH in den Grenzen der Privatautonomie treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24.11.1993, BLw 39/93, WM 1994, 260, 261; vom 01.07.1994, BLw 110/93, WM 1994, 1766, 1767; 23.10.1998, BLw 20/98). Auf Abfindungsansprüche nach dem LwAnpG können die Berechtigten ohne weiteres und jederzeit verzichten (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.1998, BLw 40/98, AgrarR 1999, 58, 59; Beschl. v. 24.11.1993, BLw 57/93, VIZ 1994, 131, 132). Eine solche Vereinbarung stellt entweder einen Erlassvertrag im Sinne von § 397 BGB dar, wenn auf die Abfindungsansprüche vollständig und ohne Gegenleistung verzichtet wird, oder es handelt sich um einen schuldrechtlichen Vertrag eigener Art. In jedem Fall sind die Beteiligten an den Vertrag gebunden, soweit er nicht nach dem Gesetz (z. B. §§ 134, 138, 142 Abs. 1 BGB) nichtig ist. Weicht die vereinbarte Abfindung von der Höhe der gesetzlichen Abfindung nach § 44 LwAnpG bzw. § 28 LwAnpG ab, verstößt sie allein deswegen noch nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Denn die gesetzlichen Abfindungsansprüche können zwar nicht durch organschaftliche Willensbildung der LPG-Vollversammlung, wohl aber durch individuelle Vereinbarung beschränkt oder erweitert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 01.07.1994, a.a.O.). Eine solche Vereinbarung führt nicht selten zu einer erheblichen Abweichung von den tatsächlichen Werten und kann sich zu Gunsten oder auch zu Lasten des Mitglieds auswirken. Mit der Einigung über die jeweils zu zahlenden Geldbeträge ist ein Einvernehmen über die Höhe der Abfindung erzielt worden, das einen Rückgriff auf gesetzliche Regelungen ausschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 22.02.1994, BLw 71/93, NL-BzAR 1997, 277, 278).

d) Die Vereinbarung eines zu geringen Abfindungsbetrages stellt für sich allein noch keinen Grund für die Nichtigkeit, insbesondere wegen Sittenwidrigkeit dar (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.1998, BLw 20/98 a.a.O.). Es müssen vielmehr besondere Umstände dazukommen, die ihr - unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit - jede Verbindlichkeit nehmen. Insbesondere kommt es auf ein grobes Missverhältnis nicht an, weil es nicht um einen Vergleich von Leistung und Gegenleistung geht (vgl. BGH, Beschluss vom 16.06.2000, BLw 19/99, NL-BzAR 2000, 380, 382). Vielmehr ist die Abfindungsvereinbarung und ein darin enthaltener Verzicht des ehemaligen LPG-Mitgliedes nur dann gemäß § 138 BGB nichtig, wenn die Vereinbarung sich als ein in seinem Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbarendes Geschäft darstellt (vgl. BGH a.a.O. m. w. N.). Dabei sind, im Rahmen einer zusammenfassenden Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts, insbesondere die Umstände seines Zustandekommens zu beachten (vgl. z. B. BGHZ 107, 92, 97).

e) Solche besonderen Umstände, aus denen auf ein zu missbilligendes Verhalten der Antragsgegnerin geschlossen werden könnte, sind nicht gegeben.

aa) Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin und ihren Ehemann nicht über das Bestehen etwaiger weiterer Ansprüche getäuscht. Ob die Verzichtenden sich über die Höhe der - nun behaupteten - Abfindungsansprüche zunächst keine oder falsche Vorstellungen gemacht haben, ist nicht erheblich. Sollten sie davon ausgegangen sein, ohnehin nur die Rückzahlung der Inventarbeiträge verlangen zu können, so wäre ein eventueller Irrtum hierüber jedenfalls nicht durch die Antragsgegnerin verursacht worden, sodass auch eine Anfechtung der Erklärungen ausscheidet.

bb) Allein aus dem Umstand, dass die Buchhalterin der Antragsgegnerin die Auszahlung des restlichen Inventarbeitrages von der Unterzeichnung der Erklärungen vom 17.07.1995 abhängig gemacht hat, ergibt sich die Sittenwidrigkeit nicht. Die Ausübung eines besonderen, als mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht zu vereinbarenden Drucks liegt hierin nicht, zumal die Antragsteller und ihr Ehemann mehrere Wochen Zeit hatten, sich zu informieren und danach zu entscheiden. Den Eheleuten, die bereits mit Schreiben vom 29.05.1994 die Rückzahlung ihrer "Anteile" gefordert hatten, sich ihrer Rechtsposition also bewusst waren, wäre es unbenommen geblieben, die ihnen vorgelegten Erklärungen vom Juli 1995 nicht zu unterzeichnen und stattdessen einen - nach ihrer Meinung höheren - Gesamtanspruch geltend zu machen.

Der Sinn einer Abfindungsvereinbarung liegt regelmäßig und auch im vorliegenden Fall darin, vor dem Hintergrund der Ungewissheit über die tatsächliche Höhe der gesetzlichen Ansprüche und über die Leistungsfähigkeit des Abfindungsschuldners eine neue, von den tatsächlichen Zahlen unabhängige Grundlage für die Abfindung zu schaffen, um einen Rückgriff auf die gesetzliche Regelung auszuschließen. Dem Interesse der LPG bzw. ihres Rechtsnachfolgers, die Zahlungsforderungen ausscheidender Mitglieder möglichst gering und berechenbar zu halten, steht das wohl auch hier ausschlaggebende Interesse der Abfindungsgläubiger gegenüber, möglichst schnell eine Zahlung - sei es auch eine geringere als die ihm nach dem Gesetz zustehende - zu erhalten, um einen zeit- und kostenintensiven Rechtsstreit zu vermeiden.

cc) Es kommt daher nicht darauf an, ob das Eigenkapital der Antragsgegnerin nicht dazu ausgereicht hätte, mehr als die Ansprüche nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG zu erfüllen. Träfe die Darstellung der Antragsgegnerin zu, so hätte der Antragstellerin allerdings auch nach dem Gesetz nicht mehr zugestanden, als sie auf Grund der Abfindungsvereinbarung erhalten hat.

f) Auch die weiteren Einwendungen der Antragstellerin gegen die Wirksamkeit der Vereinbarungen vom 17.07.1995 bleiben ohne Erfolg.

aa) Der Antragstellerin ist zwar insoweit zuzustimmen, als die in den Erklärungen vom Juli 1995 enthaltene Kündigung der Mitgliedschaft keine Rechtswirkung mehr hatte, weil beide Ehegatten bereits zum Ende des Jahres 1994 wirksam ihre Mitgliedschaft in der Antragsgegnerin beendet hatten. Dies hat jedoch entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zur Folge, dass die in den "Kündigungserklärungen" enthaltene Abfindungsregelung gegenstandslos wäre. Hier wurde lediglich ein Vordruck verwandt, der für den Regelfall vorgesehen war, in dem die Kündigung und die Abfindungsvereinbarung miteinander verbunden wurden. Dass die Beteiligten trotz bereits erfolgter Kündigung die Vereinbarung vom 17.07.1995 getroffen haben, zeigt gerade, dass es ihnen auf die darin enthaltene Regelung der Abfindungsansprüche ankam, denn ansonsten hätte es der Unterzeichnung dieser Erklärungen nicht mehr bedurft.

bb) Soweit die Antragstellerin sich auf eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Erklärungen nach § 9 AGBG beruft, ist auf § 23 Abs. 1 AGBG zu verweisen, wonach das AGB-Gesetz bei Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts keine Anwendung findet. Dem Sinn dieser Regelung entsprechend erstreckt sich die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG auch auf das Genossenschaftsrecht (vgl. BGH, Urt. v. 08.02.1988, II ZR 228/87, BGHZ 103, 219, 224; Ulmer in Ulmer/Brander/Hensen, AGB-Gesetz, 7. Aufl. § 23 Rdn. 22; Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 3. Aufl. § 23 Rdn. 77).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG.



Ende der Entscheidung

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