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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 28.08.2003
Aktenzeichen: 3 UF 20/02
Rechtsgebiete: BGB, VAÜG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 3
VAÜG § 1 Abs. 2
VAÜG § 1 Abs. 2 Nr. 2
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 621 e
ZPO § 621 e Abs. 2
ZPO § 629 a
Anrechte aus der Ärzteversorgung des Landes Sachsen-Anhalt sind "dynamisch" und nicht "angleichungsdynamisch". Dies gilt auch für Leistungen der Sächsischen Ärzteversorgung.

Angleichungsdynamik im Sinne des VAÜG liegt nur vor, wenn Anrechte nach § 1587a Abs. 2 BGB vor der Einkommensangleichung im Leistungsfall niedriger bewertet werden, jedoch bis zur Angleichung jährlich im Leistungswert stärker steigen als die gesetzlichen Renten.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 UF 20/02 OLG Naumburg

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hier: Durchführung des Versorgungsausgleichs

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kleist, den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel und den Richter am Amtsgericht Harms

am 28. August 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Sächsischen Ärzteversorgung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Bernburg vom 17. Januar 2002 bezüglich des Versorgungsausgleichs (Ziff. 2. des Urteilstenors) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 500,00 Euro.

Gründe:

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht auf den am 27. Januar 2001 zugestellten Scheidungsantrag die am 05. Juni 1992 geschlossene Ehe der Parteien geschieden sowie das Verfahren bezüglich des Versorgungsausgleichs gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt. Dabei ist es nach den vorliegenden Rentenauskünften davon ausgegangen, dass die Antragstellerin monatliche Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 17,25 DM und der Antragsgegner solche von 19,13 DM erworben hat, beide Anwartschaften angleichungsdynamisch. Ferner ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin bei der Sächsischen Ärzteversorgung erworbenen Anwartschaften in Höhe von 1.005,15 DM nicht angleichungsdynamisch, also volldynamisch sind.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde der Sächsischen Ärzteversorgung mit der Begründung, die bei ihr erworbenen Anrechte seien angleichungsdynamisch, sodass der Versorgungsausgleich durchzuführen sei. Die bei ihr erworbenen Versorgungsanrechte unterlägen während der Anwartschafts- und Leistungsphase einer an der Einkommensentwicklung orientierten Wertsteigerung, die über die bloße Beitragsdynamik hinausgehe, weil sie auf Grund überindividueller Entwicklungen und ohne weiteren Mitteleinsatz des Versorgungsinhabers zu einer Erhöhung des im Wesentlichen auf Beitragszahlung beruhenden Versorgungswertes führe. Die Versorgungsleistungen würden im offenen Deckungsplanverfahren finanziert, wobei es sich - etwas vereinfacht - um eine Mischung zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren handelt. Die Sächsische Ärzteversorgung sei somit ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung auf einen ständigen Neuzugang von Mitgliedern angewiesen. Die Dynamisierung der Anwartschaften und der gezahlten Renten habe in der Zeit von Januar 1992 bis 31. Dezember 2000 im jährlichen Durchschnitt 8,22 % betragen und läge damit deutlich höher als die Steigerung der angleichungsdynamischen Rentenrechte.

Diese Beschwerde ist gemäß §§ 629 a, 621 e ZPO zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat nach Überzeugung des Senats das Versorgungsausgleichsverfahren zutreffend gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt. Denn der Antragsgegner hat in der gesetzlichen Rentenversicherung angleichungsdynamische Anrechte in Höhe von 19,13 DM und die Antragstellerin solche von 17,25 DM erworben, er wäre somit ausgleichspflichtig, hätte nicht die Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin Anwartschaften in Höhe von 1.005,15 DM, die der Senat entgegen der Auffassung der Beschwerde in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht für nicht angleichungsdynamisch = volldynamisch hält.

Der Senat hat in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass die Anwartschaften in der Ärzteversorgung des Landes Sachsen-Anhalt nicht angleichungsdynamisch, also volldynamisch sind. Die dafür maßgeblichen Gesichtspunkte gelten auch gegenüber den Anrechten in der Sächsischen Ärzteversorgung, die sich in der grundlegenden Strukturierung nicht nennenswert davon unterscheiden. An dieser Auffassung hält der Senat trotz den abweichenden Entscheidungen des OLG Dresden (FamRZ 1997, 615 und 1998, 630) sowie OLG Jena zur thüringischen Ärzteversorgung (FamRZ 2002, 397) fest. Für diese Entscheidung sind im Wesentlichen folgende Überlegungen maßgeblich:

a) Die Sächsische Ärzteversorgung finanziert ihre Leistungen nach dem offenen Deckungsplanverfahren. Dies hat sie mit den meisten berufsständischen Versorgungswerken gemeinsam, nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern vielmehr auch in den alten Bundesländern. Diese Versorgungen sind im Grundsatz gleichstrukturiert und weisen Steigerungsraten auf, die in den alten Bundesländern die Steigerungsraten der Renten und der Beamtenversorgung deutlich übersteigen und dabei eine Steigerungshöhe erreicht haben, die auch diejenige der angleichungsdynamischen Renten noch übertrifft. Wäre die Argumentation der Beschwerde richtig, dass es für die Bestimmung des Begriffes angleichungsdynamisch auf die Rentensteigerung im Beitrittsgebiet bzw. die ähnliche Beamtenversorgung ankommen würde, müssten auch die ähnlich strukturierten Versorgungswerke der alten Länder als angleichungsdynamisch i. S. v. § 1 Abs. 2 VAÜG angesehen werden. Das aber hat der Gesetzgeber eindeutig nicht gewollt, da er angleichungsdynamische Anrechte auf die in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiete (Beitrittsgebiet) erworbenen Anrechte beschränkt. Das hängt mit dem Begriff der Angleichungsdynamik zusammen, wie unter c) noch ausgeführt werden wird.

b) § 25 der Satzung sieht eine Überleitung von Beiträgen vor, wenn ein Mitglied des Versorgungswerks seine Mitgliedschaft beendet und Mitglied eines anderen berufsständischen Versorgungswerkes wird. Für diesen Fall sieht § 46 a der Satzung eine Bewertung übergeleiteter Beiträge vor, die keine Differenzierung dahingehend enthält, ob eine Überleitung von Beiträgen aus den alten Bundesländern oder einer Versorgungseinrichtung des Beitrittsgebietes erfolgt. Das spricht jedenfalls dafür, dass die Beiträge als gleichwertig angesehen werden, insbesondere was ihre Dynamik betrifft.

c) Auch nach der Struktur der Satzung i. V. m. den einschlägigen Gesetzesbestimmungen sind die Anwartschaften als nicht angleichungsdynamisch anzusehen. Wann eine Versorgung dynamisch ist, ist zunächst grundlegend in § 1587 a Abs. 3 BGB für berufsständische und Zusatzversorgungen nur negativ insofern geregelt, als dort Anrechte erwähnt werden die nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigen wie der Wert der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Daraus wird einhellig der Schluss gezogen, dass positiv diejenigen Anrechte dynamisch sind, die in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigen wie Renten und Beamtenpensionen. Das tun die Anwartschaften der Sächsischen Ärzteversorgung unzweifelhaft. Ihre Steigerungssätze liegen deutlich höher als diejenigen der Rentenversicherung und der Beamtenversorgung. Denn es liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner weiteren Darlegungen, dass durch § 28 Abs. 2 und 3 der Satzung eine laufende Anpassung der Wertigkeit der Versorgung an die Einkommensentwicklung erreicht wird. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob eine Angleichungsdynamik vorliegt.

Was unter angleichungsdynamischen Anrechten zu verstehen ist, ist in § 1 Abs. 2 VAÜG geregelt, wobei in Ziff. 1 die Rentenanwartschaften angesprochen sind, die mit Entgeltpunkten Ost ausgedrückt werden, während Ziff. 2 die sonstigen Anrechte beschreibt, deren Wert in einer dem Werte Nr. 1 bezeichneten Anrechte vergleichbaren Weise steigt, also stärker als der Wert entsprechender Anrechte, die im übrigen Bundesgebiet erworben werden. Eine Wertsteigerung der Versorgungsanrechte bei der Sächsischen Ärzteversorgung in dieser Größenordnung steht für den Senat außer Zweifel. Der Steigerungssatz liegt sogar erheblich darüber, wenn man von dem jährlichen Steigerungssatz von durchschnittlich 8,3 % der Beschwerde ausgeht. Damit verglichen sind die Steigerungen der Renten und Beamtenbezüge in den alten Bundesländern wie auch im Beitrittsgebiet vergleichsweise bescheiden. Wenn es allein auf diesen Steigerungssatz ankäme, wäre die Beschwerde begründet, wie auch die Oberlandesgerichte Dresden und Jena die Frage der Nichtangleichungsdynamik allein auf die Höhe des Steigerungssatzes abstellen. Das alleine reicht nach Überzeugung des Senats nicht aus.

Wenn die Sächsische Ärzteversorgung der Regelungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 VAÜG entsprechen würde, müsste der Wert der dort erworbenen Anrechte bis zur Einkommensangleichung in stärkerer Weise steigen als der Wert entsprechender Anrechte im übrigen Bundesgebiet (alte Bundesländer). Das kann jedoch nicht festgestellt werden. Für die gesetzliche Rentenversicherung ist, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, die Angleichungsdynamik in der Weise sichergestellt, dass es für die alten Bundesländer und die Länder des Beitrittsgebietes unterschiedliche Rentenwerte gibt, während im Übrigen bei gleichem Einkommen in Ost und West gleich hohe Entgeltpunkte erworben werden. Die Einkommensangleichung vollzieht sich in der Weise, dass der aktuelle Rentenwert Ost im Lauf der Jahre stärker angehoben wird als der Rentenwert West, bis er im Zeitpunkt der Einkommensangleichung einen gleich hohen Wert erreicht hat. Entsprechendes vollzieht sich bei der Beamtenversorgung, die unter § 1 Abs. 2 Nr. 2 VAÜG fällt, bei der die Besoldungsgruppen mit ihren Endgehältern und Zwischenstufen feststehen, in den neuen Bundesländern jedoch Gehälter nur in gekürzter Form gezahlt werden, was entsprechend auch für die Pensionen gilt. Eine auch nur entsprechende Regelung, die in der Versorgungssatzung enthalten sein müsste, fehlt jedoch bei der Sächsischen Ärzteversorgung. So ist darin weder bestimmt, wann der Zeitpunkt der Einkommensangleichung erreicht ist, noch wie dieses und von wem festgestellt wird. Demgemäß fehlt auch zwangsläufig eine Regelung dahingehend, in welcher Weise Versorgungen und die ihnen zu Grunde liegenden Anwartschaften vor der Einkommensangleichung gekürzt oder nach der Einkommensangleichung mit Rückwirkung für alle erworbenen Versorgungszeiten erhöht wird. Die Ausführungen der Beschwerde enthalten dazu keinerlei Angaben, sondern beziehen sich lediglich auf die Faktoren, die den Umfang der Dynamik ausmachen; auch aus der Satzung ergeben sich keine Gesichtspunkte, die auf eine Angleichungsdynamik im vorgenannten Sinne hindeuten.

Vordergründig könnte man meinen, diese vermisste Angleichungsdynamik ergebe sich daraus, dass die Ärzte im Bereich der Kammerversorgung Sachsen (wie auch in den übrigen Ländern des Beitrittsgebiets) ihre Honorare nur gekürzt erhalten (zur Zeit 90 %), sodass sich die Einkommensangleichung mit dem Wegfall der Honorarkürzungen ergeben könnte. Das ist jedoch deshalb nicht richtig, weil die Gebührenhöhe nur ein Faktor von vielen Variablen ist, aus denen sich die Höhe des Steigerungssatzes ergibt. Denn eine derartige Honorarerhöhung kann zwar, muss aber nicht auf den Steigerungsfaktor durchschlagen. Denn durch vielfältige Einflüsse kann diese Honorarerhöhung leer laufen, etwa durch weitere Kostendämpfungsmaßnahmen im Gesundheitswesen, Änderungen im Steuer- und Versorgungssystem, die Wirtschaftslage im Allgemeinen und die Entwicklung des Kapitalmarktes im besonderen. Daneben kann auch die Zahl der Zu- und Abgänge von Mitgliedern den Dynamikfaktor ungünstig verändern. Der Wegfall der Honorarkürzung ist damit lediglich ein Faktor für die - gegenwärtig besonders hohe - Dynamik, macht aber die bei der Beschwerdeführerin erworbenen Anrechte nicht angleichungsdynamisch. Damit muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.

Der Senat würde zwar § 621 e Abs. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zulassen, weil er von der Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte Dresden und Jena abweicht und das zur Fortbildung des Rechts auch erforderlich wäre. Er sieht sich daran jedoch gehindert, weil eine Entscheidung über die Aussetzung des Versorgungsausgleichsverfahrens eine Zwischenentscheidung und keine Endentscheidung ist (BGH FamRZ 2003, S. 1005).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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