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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 3 VA 2/01
Rechtsgebiete: EGGVG, KostO
Vorschriften:
EGGVG §§ 23 ff. | |
EGGVG § 26 Abs. 1 | |
EGGVG § 28 Abs. 2 | |
EGGVG § 30 Abs. 2 | |
EGGVG § 30 Abs. 3 | |
EGGVG § 28 Abs. 2 Satz 2 | |
KostO 30 Abs. 2 | |
KostO 30 Abs. 3 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
3 VA 2/01 OLG Naumburg
In dem Verfahren
über den Antrages auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses
hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg ohne mündliche Verhandlung durch den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel, den Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und den Richter am Amtsgericht Thole am 28.11.2001
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Verfügung der Präsidentin den Oberlandesgerichts Naumburg vom 15.10.2001 (Az.: 3462I-420/01) aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sind aus der Staatskasse zu erstatten Im Übrigen findet eine außergerichtliche Kostenerstattung nicht statt.
Der Geschäftswert beträgt 5.000,00 DM
Gründe:
I. Die am 25.02. 1981 in Vietnam geborene Antragstellerin verließ am 02.01.2001 ihr Heimatland und reiste nach einem Zwischenaufenthalt in Russland am 13.03.2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit bestandskräftigen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30.03.2001 wurde ihr Asylantrag vom 16.03.2001 abgelehnt und sie zugleich aufgefordert die Bundesrepublik innerhalb eines Monats zu verlassen.
Am 06.06.2001 wurde die Rückführung der ausreisebereiten Antragstellerin eingeleitet, wobei festzustellen war, dass ein Identitätsnachweis der Antragstellerin nicht vorlag. Am gleichen Tag wurde die Aussetzung der Abschiebung befristet bis zum 05.12.2001 von der zuständigen Ausländerbehörde des Landkreises B. verfügt.
Am 17.07.2001 meldete die Antragstellerin beim Standesamt der Verwaltungsgemeinschaft R. die Eheschließung mit dem 21 Jahre älteren in Vietnam geborenen, seit 1996 geschiedenen und in B. wohnenden deutschen Staatsangehörigen, den Antragsteller V. S. (zukünftig: Verlobter) an und beantragte die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses.
Mit Verfügung vom 20.09.2001 (Bl. 6 d. GA.) äußerte die Antragsgegnerin gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft R. Bedenken an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Eheschließung und bat um ergänzend Anhörung der Antragstellerin und ihres Verlobten sowie um Stellungnahme.
Unter dem 10.10.2001 (Bl. 8f d. GA.) erklärten die Antragstellerin als auch ihr Verlobter übereinstimmend gegenüber der Standesbeamtin, dass sie sich in H. kennen gelernt und verliebt haben und dass die Antragstellerin von ihrem Verlobten schwanger sei. Die Standesbeamtin schilderte ergänzend unter dem 10.10.2001 (Bl. 7 d. GA.), dass auf Grund der Aussagen und der Schwangerschaft der Antragstellerin nicht von einer Scheinehe auszugehen sei und bat um Ausstellung der von der Antragstellerin begehrten Befreiungsurkunde.
Mit Verfügung vom 15.10.2001 - zugestellt am 21.10.2001 - wurde der Befreiungsantrag der Antragstellerin im Wesentlichen deshalb als unzulässig, ohne dabei auf die Anhörung der Heiratswilligen und die Stellungnahme der Standesbeamtin einzugehen, zurückgewiesen, weil der Schluss gezogen werden könne, dass die beabsichtigte Eheschließung dem alleinigen Zweck diene, ihr zu einer Aufenthaltserlaubnis zu verhelfen, und einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten durch Eingehung einer Scheinehe nicht Vorschub geleistet werden dürfe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich, nachdem der Verlobte seinen Antrag zurückgenommen hat, letztlich der Antrag des Antragstellerin vom 12.11.2001 auf gerichtliche Entscheidung.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässig, insbesondere gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG form- und fristgerecht gestellt worden.
Der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung ist auch gemäß §§ 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG im beschlossenen Umfang begründet.
Die Antragsgegnerin hat die Bescheidung des Befreiungsantrags wegen Rechtsmissbrauch aus rechtlich nicht zureichenden Gründen unterlassen.
Welche Motive im Einzelnen einen Ausländer dazu bewegen eine Ehe einzugehen, interessiert im Befreiungsverfahren grundsätzlich nicht. Dies gilt insbesondere zunächst für die Absicht eine gesicherte Existenz aufzubauen oder aber eine Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Solange letztlich nur der dauerhafte Eheschluss gewollt ist, sind weiter gehende Motive der staatlichen Kontrolle im Befreiungsverfahren entzogen. Allenfalls beim Vorwand der Eingehung einer Ehe kann ein Rechtsmissbrauch in Betracht kommen.
Dass die Antragsgegnerin im Befreiungsverfahren zunächst den Verdacht einer Scheinehe zum Zwecke der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt als Versagungsgrund prüfen darf, liegt nach der mit Verfügung vom 15.10.2001 abgegebenen Begründung zunächst zwar nahe. Es gehört nämlich zu den Grundsätzen jeder Rechtsanwendung, dass der offenbare Missbrauch eines Rechts keinen Schutz verdient (OLG Hamburg StAZ 1996, 139; OLG Celle StAZ 1996, 366; OLG Jena StAZ 1998, 177; OLGR Dresden 2000, 315; a.A.: OLG Düsseldorf StAZ 1996, 138, dass auch "evidente Missbrauchsfälle" nur das formelle Eheschließungsverfahren betreffen, welches dem Standesbeamten übertragen ist).
Letztlich kann diese Streitfrage hier dahinstehen, da die festgestellten Umstände hier jedenfalls keinen Rechtsmissbrauch rechtfertigen.
Das Befreiungsverfahren ist regelmäßig nicht darauf gerichtet, die Motive des Heiratsentschlusses näher zu erforschen. Im Rahmen des Befreiungsverfahrens ist grundsätzlich nur die Ehefähigkeit zu prüfen, nicht aber Zulässigkeit und Wirksamkeit des beabsichtigten Eheschlusses im Übrigen. Dies ist in erster Linie Aufgabe des Standesbeamten, der auch einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von den Heiratswilligen erhält. Der Umstand, dass Ausländer zum Zwecke der Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis gegebenenfalls in einer Vielzahl von Fällen den Willen zur Begründung einer Ehe in Deutschland nur vortäuschen, mag dem Standesbeamten verstärkt Anlass zu einer sorgfältigeren Prüfung geben. Die mit einer Scheinehe erstrebte Aufenthaltserlaubnis legt es zudem nahe, die Problematik in erster Linie ausländerrechtlich zu lösen. Unter diesen rechtlichen Voraussetzungen darf die Befreiung allenfalls dann verweigert werden , wenn der ehefremde Zweck ausschließlich ohne erhebliche Zweifel offenkundig und jederzeit nachweisbar ist (KG Berlin, Beschluss vom 21.12.1998, Az.: 25 VA 4/98).
Die Feststellung einer Scheinehe würde insbesondere wegen des großen Gewichts der Eheschließungsfreiheit, der großen Gefahr bei verständigungsbedingten Missverständnissen anhand schriftlicher Äußerungen und bei der gebotenen Gesamtwürdigung bei sich andeutenden Zweifeln im Regelfall eine persönliche Anhörung der Heiratswilligen im Befreiungsverfahren voraussetzen.
Unabhängig davon, dass eine persönliche Anhörung fehlt, wäre ein Rechtsmissbrauch hier auch nicht offenkundig.
Lässt wie hier die Antragstellerin bereits vor der Ausreise aus dem Heimatland Papiere ausstellen, die allein für eine Heirat im Ausland notwendig sein könnten, dann offenbart dies zwar die Absicht, im betreffenden Land zu heiraten. Der mögliche Entschluss bestimmte Länder zu besuchen um einen Ehepartner zu finden, ist zunächst nicht rechtsmissbräuchlich, mag auch bei der Suche und der orientierten Heiratsabsicht von vornherein eine soziale Absicherung eine entscheidenden Rolle spielen.
Ein kurzer Zeitraum zwischen Einreise und Kennenlernen sowie der Altersunterschied der hier aus dem gleichen Kulturkreis stammenden Heiratswilligen ist ebenfalls kein zwingendes Indiz für eine Scheinehe.
Ferner wurde die Stellungnahme der Standesbeamtin und die Tatsache, dass die Antragstellerin - nach den übereinstimmenden Angaben der Heiratswilligen von ihrem Verlobten - schwanger ist gänzlich außer Acht gelassen.
Aus den vorgenannten Gründen erscheint die von der Antragstellerin dargestellte Heiratsabsicht nicht als fern liegend.
Da die Antragsgegnerin bisher nicht geprüft hat, ob weiter gehende Feststellungen zulässig und geboten sein könnten und ob die sachlichen Voraussetzungen einer Befreiung vorliegen, ist die Sache mangels Spruchreife nach § 28 Abs. 2 EGGVG auf die Verpflichtung zur Neubescheidung zu beschränken.
Die nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung und die Festsetzung des Geschäftswerts ergeben sich aus den §§ 30 Abs. 2 und 3 EGGVG, 30 Abs. 2 und 3 KostO.
Ende der Entscheidung
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