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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 06.08.2007
Aktenzeichen: 3 WF 233/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 181
Wird dem Schuldner eine Mahnung an eine nicht zutreffende Anschrift übersandt kann dies nicht die Verzugswirkungen auslösen.

Die Zustellung an eine unzutreffende Anschrift setzt nicht die Rechtsbehelffristen in Lauf; es bedarf daher keiner Wiedereinsetzung.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 WF 233/07 OLG Naumburg

In dem vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren

hat der 3. Zivilsenat -1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg am 6. August 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Magdeburg vom 12.06.2006 und 04.09.2006 aufgehoben:

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Magdeburg zurückverwiesen, das über die Kosten der gebührenfreien Beschwerde mit zu entscheiden hat.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert beträgt 4.924,80 EUR.

Gründe:

I.

Unter dem 11.10.2005 beantragte der Antragsteller, den Unterhalt gegen den Antragsgegner im vereinfachten Verfahren gemäß den Altersstufen der Regelbetragverordnung veränderlich ab 01.07.2005 in Höhe von 135 % der Regelbeträge festzusetzen.

Der Antragsgegner sei am 06.07.2005 und 02.08.2005 gemahnt worden. Das Kindergeld in Höhe von 154 EUR beziehe die Mutter.

Das Amtsgericht hat den Festsetzungsantrag nebst den Vordrucken ZP 362, 363 und 364 an den Antragsgegner unter der Adresse W. - straße 6 in B. zugestellt. Dort wohnt der Antragsgegner seit 2004.

Unter dem 12.06.2006 hat das Amtsgericht den vom Antragsgegner dem Antragsteller zu zahlenden Unterhalt ab 01.07.2005 auf 135 % des Regelbetrages der zweiten Altersstufe und ab 01.01.2010 der dritten Altersstufe festgesetzt mit der Festlegung, dass kindbezogene Leistungen den Unterhalt nicht mindern und der Rückstand vom 01.07.2005 bis 31.05.2006 2.508 EUR betrage.

Der Beschluss ist dem Antragsgegner an die Adresse S. -Straße 45 in B. zugestellt worden. Die Zustellurkunde enthält den Vermerk, dass wegen Undurchführbarkeit der Zustellung Niederlegung beim Zusteller (G. in W. ) erfolgt sei unter Anheftung einer Mitteilung über die Niederlegung an der Wohnungstür des Antragsgegners.

Durch Beschluss vom 04.09.2006 hat das Amtsgericht auf Antrag des Antragstellers seinen Beschluss vom 12.06.2006 dahin abgeändert, dass sich der Unterhalt um anteilige kindbezogene Leistungen in Höhe von monatlich 77 EUR ab 01.07.2005 verringert.

Dieser Beschluss ist dem Antragsgegner gleichermaßen an die S. -Straße in B. zugestellt worden (Bl. 27 d.A.).

Gegen die Beschlüsse vom 12.06.2006 und 04.09.2006 richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der insbesondere mangelnde Zustellung kritisiert und vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der Nichteinhaltung der Beschwerdefrist beantragt hat.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie nicht außerhalb der Beschwerdefrist eingegangen. Denn bisher ist für eine ordnungsgemäße Zustellung der beiden angefochtenen Beschlüsse aus den Akten nichts ersichtlich. Beide Beschlüsse sind nicht an dem gerichtsbekannten Wohnort des Antragsgegners zugestellt worden. Der Antragsgegner wohnt nicht in der S. - Straße 45 in B. , sondern in der W. - straße 6 in B. , wohin der schon Antrag auf Unterhaltsfestsetzung zugestellt worden war. Die Zustellungen an einen -bekanntermaßen- falschen Wohnort haben keinerlei negative Konsequenzen für den Antragsgegner, insbesondere setzen sie nicht den Lauf prozessualer Fristen in Gang. Es ist entgegen dem Amtsgericht auch keine wirksame Ersatzzustellung des Beschlusses vom 12.06.2006 im Sinne von § 181 ZPO durch Niederlegung beim Zusteller erfolgt, weil diese eben den (erfolglosen) Versuch der Zustellung am tatsächlichen Wohnort voraussetzt (beim Beschluss vom 04.09.2006 soll Zustellung durch Einwurf in den Briefkasten erfolgt sein.

Es bedarf daher keiner Entscheidung über den vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag.

Das Rechtsmittel hat wegen weiterer erheblicher Verfahrensmängel die Aufhebung der beiden angefochtenen Entscheidungen und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur Folge.

Zu Unrecht verpflichtet der Beschluss vom 12.06.2006 den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt ab 01.07.2005 und setzt Unterhaltsrückstände in Höhe von 2.508 EUR fest, die im Zeitraum von Juli 2005 bis Mai 2006 entstanden seien.

Für die Vergangenheit kann Unterhalt nur verlangt und daher der Schuldner zur Zahlung nur verpflichtet werden, wenn sich der Unterhaltsschuldner in Verzug befunden hat, er zur Auskunftserteilung aufgefordert worden oder der Unterhaltsanspruch rechthängig geworden ist (§ 1613 BGB).

Die Schreiben des Unterhaltsgläubigers vom 06.07.2005 und 02.08.2005 sind nicht an die Wohnanschrift des Unterhaltsschuldner gerichtet, sondern an die S. -Straße in B. , wo der Schuldner, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, nicht wohnhaft war. Daher können beide Schreiben eine rückwirkende Unterhaltsforderung ab Juli 2005 nicht begründen. Erst mit Zustellung des Antrages auf Unterhaltsfestsetzung ist der Schuldner demzufolge in Verzug gekommen und erst ab diesem Zeitpunkt hätte der Beschluss eine Zahlungsverpflichtung aussprechen dürfen.

Überdies ist nach dem Gesetz Unterhaltsrückstand der Zahlungsrückstand der vor Einreichung der Klage (hier des Antrages) entstanden ist; der Einreichungsmonat ist Rückstandsmonat (vgl. Hartmann, Kostengesetze, § 42 GKG, Rn 78).

Die angefochtenen Entscheidungen können daher keinen Bestand haben, das Amtsgericht wird erneut zu prüfen und zu entscheiden haben, und zwar auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde ist mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 574 Abs. 1 und 2 ZPO) nicht zugelassen; der Beschwerdewert ergibt aus § 42 GKG.

Ende der Entscheidung

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