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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 3 WF 35/09
Rechtsgebiete: ZPO, EStG, SGB I


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 1 b
ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 2 a
ZPO § 127 Abs. 4
EStG § 74
EStG § 74 Abs. 1
SGB I § 48
SGB I § 48 Abs. 1
Grundsätzlich ist Kindergeld Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts. Ist das Kind jedoch volljährig hat es einen - zivilrechtlichen - Anspruch auf Auskehrung des Kindergeldes in voller Höhe, da es auch insoweit auf den Unterhalt angerechnet wird.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 WF 35/09 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg am 18. Februar 2009 durch den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Stendal vom 18.12.2009 in der Fassung vom 06.02.2009 ersatzlos aufgehoben.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Gründe:

Der Antragstellerin war durch Beschluss vom 31.08.2004 für das Ehescheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

Im Zuge der Einkommensüberprüfung hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 18.12.2008 diesen Beschluss abgeändert und der Antragstellerin aufgegeben, auf die bewilligte Prozesskostenhilfe ab dem 15.01.2009 monatliche Raten in Höhe von 135 EUR zu zahlen. Durch Beschluss vom 06.02.2009 hat es auf die Beschwerde der Antragstellerin die Ratenhöhe auf 115 EUR herabgesetzt und die Sache wegen Nichtabhilfe im Übrigen vorgelegt.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 4 ZPO; sie ist sachlich auch gerechtfertigt, denn der angefochtenen Entscheidung kann nicht beigetreten werden.

Die Antragstellerin erhält Arbeitslosengeld von monatlich 846,90 €. Dieses Einkommen erhöht sich nicht durch das Kindergeld. Denn das ist hier entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht als Einkommen der Antragstellerin anzusehen.

Zwar ist richtig, dass im Sozialhilferecht der Grundsatz gilt, dass Kindergeld zum Einkommen derjenigen Person zählt, an die es ausbezahlt wird. Das ist eindeutig die Antragstellerin. Allerdings ist das Kind bereits volljährig, denn es wurde am 01.11.1989 geboren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Kindergeld in vollem Umfange auf dessen Unterhaltsbedarf, den es insoweit deckt, anzurechnen. Der Barunterhalt vermindert sich durch das Kindergeld. Deswegen besteht ein (zivilrechtlicher) Anspruch des Kindes auf Auskehr des Kindergelds.

Angesichts dieser Bedarfsdeckung und des Auskehranspruchs kann hier bei der Ermittlung des Einkommens das Kindergeld nicht als Einkommen der Antragstellerin angesehen werden.

Das sieht auch das Bundessozialgericht so und führt aus:

"...Das Kindergeld ist Teil des elterlichen Einkommens, den diese zur Existenzsicherung ihres Kindes benötigen und bezweckt eine entsprechende Freistellung eines Einkommensbetrages (vgl. § 31 Abs. 1 EStG). Es wird daher bestimmungsgemäß verwendet, wenn es von dem Elternteil an sein volljähriges, außerhalb des Haushalts wohnendes Kind weitergeleitet wird, weil es typisierend gewährt wird, um Unterhaltslasten gegenüber den Kindern zu erleichtern. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mehrfach entschieden, dass das Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes in vollem Umfang anzurechnen ist und das volljährige Kind neben dem hierdurch verminderten Barunterhalt die Herausgabe des Kindergeldes verlangen kann. Der Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes gewährleistet, dass das Kindergeld immer erst für den Unterhaltsbedarf verwendet werden muss, damit einer Gefährdung des Existenzminimums des Kindes entgegen gewirkt wird (vgl FamRZ 2007, 542, 545; BGHZ 164, 375, 385).

Dem tragen auch die Regelungen des § 74 Abs. 1 EStG sowie des § 48 Abs. 1 SGB I (für Kinder, für die Kindergeld nach dem BKGG gezahlt wird) Rechnung. Danach kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Unabhängig von der Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen zeigen diese Regelungen, dass das Kindergeld letztlich dem Kind zu Gute kommen soll und eine Weiterleitung durch den Kindergeldberechtigten die durch § 74 Abs.1 EStG bzw. § 48 Abs.1 SGB I dokumentierte Vorstellung des Gesetzgebers verwirklicht. Von einer Weiterleitung in diesem Sinne kann allerdings nur gesprochen werden, wenn diese zeitnah innerhalb eines Monats nach Auszahlung oder Überweisung des Kindergeldes erfolgt. Dies rechtfertigt sich zum einen aus der Anlehnung an die Abzweigungsregelung, verbunden mit dem Sinn und Zweck des Kindergeldes, vorrangig den Unterhaltsbedarf des erwachsenen Kindes zu decken, sowie aus der zeitabschnittsweise jeweils für den Monat erbrachten Grundsicherungsleistung. Wird das Kindergeld nicht innerhalb eines Zeitmonats weitergeleitet, ist die Annahme, es stehe dem Bedürftigen tatsächlich nicht zur Verfügung, nicht mehr gerechtfertigt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht darauf abzustellen, ob eine Abzweigung an das volljährige Kind verfügt ist. Zum einen ist es schon zweifelhaft, ob das volljährige Kind überhaupt einen Anspruch auf Abzweigung geltend machen kann. Die Abzweigung nach § 74 EStG bzw. nach § 48 SGB I knüpft nämlich vorrangig an die Verletzung der Unterhaltspflicht desjenigen an, an den das Kindergeld ausgezahlt wird. Soweit das Kindergeld von dem Kindergeldberechtigten tatsächlich "weitergeleitet" wird, kommt der unterhaltsverpflichtete Elternteil, der Leistungen nach dem SGB XII bezieht, einer möglichen Unterhaltspflicht nach. Selbst wenn die Unterhaltspflicht des Elternteils bezogen auf deren Höhe über den Kindergeldbetrag hinaus besteht und von dem Unterhaltsverpflichteten nicht erfüllt wird, ist bei Weiterleitung des Kindergeldes kein Bedarf für eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG bzw § 48 Abs. 1 SGB I erkennbar. Das Kind, das das Kindergeld entweder von dem kindergeldberechtigten Elternteil oder - auf dessen Veranlassung - vom Finanzamt oder der Kindergeldkasse ohne Umweg über den kindergeldberechtigten Elternteil überwiesen erhält (möglicherweise konkludente Abzweigung), hat jedenfalls keine Veranlassung, eine Abzweigung, die es nicht besser stellen würde, zu beantragen..."(vgl. BSG FamRZ 2008, 1068)

Vom Arbeitslosengeld abzuziehen sind der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 a ZPO in Höhe von 380 EUR und der nach § 115 Abs.1 Nr. 1 b ZPO in Höhe von 176 EUR sowie die Miete und Heizkosten zu 1/2, und damit 269,90 EUR und die Genossenschaftsanteile zu 1/2 (15 EUR) und die Versicherungsbeträge, die das Amtsgericht in Höhe von 6,46 und 6,80 EUR anerkannt hat.

Damit verbleibt kein Einkommen, was für die Prozesskostenhilfe einzusetzen wäre.

Der Beschluss war daher ersatzlos aufzuheben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 1 GKG, Nr. 1812 Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG, 127 Abs. 4, 574 Abs. 1 und 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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