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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 04.01.2008
Aktenzeichen: 4 UF 137/07
Rechtsgebiete: VAHRG, ZPO, FGG, VAÜG, BGB, GKG


Vorschriften:

VAHRG § 1
VAHRG § 1 Abs. 2
VAHRG § 1 Abs. 3
VAHRG § 2
VAHRG § 3 b
VAHRG § 3 b Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 2
ZPO § 629 a Abs. 2 Satz 1
FGG § 20 Abs. 1
VAÜG § 1 Abs. 1
VAÜG § 1 Abs. 2 Nr. 1
VAÜG § 1 Abs. 4
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b
VAÜG § 3 Abs. 1 Nr. 4
VAÜG § 4 Abs. 1
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 1
BGB § 1587 b
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 2
BGB § 1587 b Abs. 3 Satz 1
GKG § 1 Nr. 1 lit. b
GKG § 21 Abs. 1 Satz 1
Die bei der Deutschen Bahn AG bestehende Zusatzversorgung ist eine private Zusatzversorgung und keine öffentlich-rechtliche Versorgung.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 UF 137/07 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, den Richter am Oberlandesgericht Stroot und die Richterin am Amtsgericht Meier am

04. Januar 2008

beschlossen: Tenor:

1. Auf die befristete Beschwerde der B. AG wird das Urteil des Amtsgerichts Quedlinburg vom 5. Juli 2007, Az.: 4 F 632/06 (S), hinsichtlich der Regelung in Ziffer 2 der Entscheidungsformel zum Versorgungsausgleich insoweit abgeändert und aufgehoben, als zulasten der Versorgung des Antragsgegners bei der B. AG Rentenanwartschaften zugunsten der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund begründet worden sind.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 5. Juli vergangenen Jahres (Bl. 20 - 25 d. A.) hat das Amtsgericht Quedlinburg die Ehe der Parteien geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich mittels Renten-Splittings und analogen Quasi-Splittings zugunsten der Ehefrau (Antragstellerin) durchgeführt, auf deren Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von 85,91 € übertragen und zugleich, zulasten der betrieblichen Versorgung des Ehemannes (Antragsgegners) bei der B. AG , nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften in Höhe von 2,69 € begründet wurden.

Gegen den zweiten Teil der Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich die Beschwerde der B. AG (Bl. 55 UA-VA), die moniert, bei ihr handele es sich entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht um einen inländischen öffentlichrechtlichen Versorgungsträger, weshalb kein Versorgungsausgleich in Form des analogen Quasi-Splittings gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG hätte stattfinden dürfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (1) und begründet (2).

1. Die gemäß den §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 1 ZPO in Verb. mit § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte befristete Beschwerde der B. AG ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig.

Auf eine Mindestbeschwer kommt es, im Gegensatz zur Berufung, bei der befristeten Beschwerde nicht an, wie schon aus der fehlenden Bezugnahme auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO erhellt (vgl.: OLG Bamberg, FamRZ 1998, 305; Philippi, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., 2007, § 621 e Rdnr. 22). Die Beschwerdebefugnis ist auch unabhängig von einer finanziellen Mehrbelastung des Beschwerde führenden Versorgungsträgers (BGH, NJW 1981, 1274).

Dieser ist vielmehr allein auf Grund des seines Erachtens gesetzeswidrig durchgeführten Versorgungsausgleichs in seinem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Recht auf Gewährleistung einer gesetzeskonformen Verwaltung beeinträchtigt (s. dazu beispielhaft: Sedemund-Treiber, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 621 e ZPO Rdnr. 9 m. w. N. nam. aus der Rechtsprechung) und damit gemäß § 20 Abs. 1 FGG, welche Regelung über § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO Anwendung findet, zur Beschwerde berechtigt.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, da bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs die dem Ehemann zustehende betriebliche Zusatzversorgung bei der B. AG unzutreffenderweise als Anrecht gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger im Sinne des § 1 Abs. 3 VAHRG behandelt worden ist.

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 VAÜG den besonderen Bestimmungen des Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetzes (VAÜG), weil beide Ehegatten während der Ehezeit angleichungsdynamische Rentenanwartschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG erworben haben und die Ehezeit vor der so genannten Einkommensangleichung nach § 1 Abs. 4 VAÜG geendet hat. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs war gleichwohl nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b VAÜG möglich, weil der Ehemann als Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften auch zugleich die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte in der gemäß § 1587 Abs. 2 BGB bestimmten Ehezeit erworben hat.

Der folgerichtig getrennt nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG in Verb. mit § 1587 a Abs. 1 BGB vorzunehmende Ausgleich der angleichungsdynamischen und anderen Anrechte der Parteien begegnet nur Bedenken - und wird deshalb zu Recht auch nur in diesem Punkte angefochten -, soweit hinsichtlich der letzteren, unter Verkennung der nicht unter § 1 Abs. 3 VAHRG fallenden Zusatzversorgung des Ehemannes bei der privatrechtlich als Aktiengesellschaft organisierten Beschwerdeführerin, ein analoges Quasi-Splitting gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB zugunsten der Ehefrau angeordnet worden ist.

Der Versorgungsausgleich ist stets entsprechend der gesetzlich zwingend geregelten Abfolge der Ausgleichsformen nach näherer Maßgabe des § 1587 b BGB und der - an die Stelle des für verfassungswidrig erklärten § 1587 b Abs. 3 Satz 1 BGB getretenen - §§ 1, 2 VAHRG, gegebenenfalls unter Beachtung des als Korrektiv zu § 2 VAHRG fungierenden § 3 b VAHRG, durchzuführen (s. dazu prägnant Dörr, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, § 1587 b Rdnr. 5, und eingehend Hahne, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1587 b BGB, Rdnr. 1 - 11, und § 3 b VAHRG Rdnr. 7 ff.).

Bei den nichtangleichungsdynamischen Anrechten des Ehemannes aus der betrieblichen Zusatzversorgung bei der B. AG ist mangels Anwendbarkeit des § 1587 b Abs. 1 und 2 BGB und mangels satzungsgemäß zulässiger Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG entgegen der nicht begründeten Ansicht des Amtsgerichts auch ein Versorgungsausgleich im Wege des analogen Quasi-Splittings gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG in Verb. mit § 1587 b Abs. 2 BGB nicht möglich. Denn die bei der B. AG als einer Körperschaft des Privatrechts bestehende betriebliche Zusatzversorgung des Ehemannes ist kein Anrecht, das sich, wie für eine Anwendung der Vorschrift vonnöten, gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger richtet.

Die Parteien sind daher hinsichtlich der nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften gemäß § 2 VAHRG auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen, den durchzuführen von der ausgleichsberechtigten Ehefrau weder erst- noch zweitinstanzlich beantragt worden ist und der unter Berücksichtigung der Regelung des § 4 Abs. 1 VAÜG auch nicht durch eine erweiterte Form des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs nach Maßgabe des § 3 b Abs. 1 VAHRG abgewendet werden kann. Die gegenteilige, zu Unrecht auf § 1 Abs. 3 VAHRG gestützte Anordnung in der angefochtenen Entscheidung war demnach ersatzlos aufzuheben.

III.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren konnten infolge der objektiv unrichtigen Sachbehandlung in erster Instanz nicht erhoben worden, § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verb. mit § 1 Nr. 1 lit. b GKG und § 629 a Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht, jeweils ausgehend von den §§ 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, einerseits, hinsichtlich der Parteien, auf einer entsprechenden Anwendung des § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und andererseits, bezüglich der Versorgungsträger, auf der Regelung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Die Festsetzung eines Beschwerdewertes erübrigt sich damit.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es an den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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