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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 07.04.2008
Aktenzeichen: 4 UF 154/07
Rechtsgebiete: VAHRG


Vorschriften:

VAHRG § 1 Abs. 2
Hat ein Leistungsträger für den Ausgleich die Realteilung vorgesehen, ist diese vorrangig vor allen anderen Ausgleichsformen.

Leibrenten bei der ÖSA (Öffentliche Lebensversicherung Sachsen-Anhalt) werden daher durch Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG, nicht durch analoges Quasi-Splitting (§ 1 Abs. 3 VAHRG) ausgeglichen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 UF 154/07 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Joost und den Richter am Oberlandesgericht Stroot am

7. April 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die befristete Beschwerde der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt wird das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 4. September 2007, Az.: 222 F 140/06 S, hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich in Ziffer 2 der Entscheidungsformel insoweit, als zu Lasten der für den Ehemann bei der Beschwerdeführerin bestehenden Versicherung Rentenanwartschaften in Höhe von 58,36 € auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund begründet worden sind, wie folgt abgeändert:

Zu Lasten der für den Ehemann bei der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt bestehenden Leibrentenversicherung, Vers.-Nr.: ... , werden im Wege der Realteilung gemäß § 1 Abs. 2 VAHRG beitragsfreie Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 82,08 Euro, bezogen auf den 31. Januar 2007 als Ende der Ehezeit, auf einem dort einzurichtenden Versicherungskonto der Ehefrau begründet.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 4. September 2007 (Bl. 20 - 26 d.A.) hat das Amtsgericht Magdeburg die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich mehrstufig zugunsten der Ehefrau (Antragsgegnerin) geregelt. Von dem Versicherungskonto des Ehemannes (Antragstellers) bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland wurden zum einen mittels zweifachen Renten-Splittings angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von 90,63 Euro monatlich und nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von 3,95 € monatlich auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen. Auf dem Konto der Ehefrau wurden zum anderen - und das ist der einzige Streitpunkt in der Beschwerdeinstanz - im Wege des analogen Quasi-Splittings gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG zulasten der für den Ehemann bei der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt bestehenden Rentenversicherung in Entgeltpunkte umzurechnende Rentenanwartschaften in Höhe von 58,36 Euro monatlich begründet. Gegen diesen Teil der Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich, in formeller Hinsicht bedenkenfrei, die Beschwerde der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt (Bl. 78 UA-VA), die meint, der Versorgungsausgleich sei insoweit mittels der geschäftsplanmäßig vorgesehenen und daher vorrangigen Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG auszuführen. II. Die Beschwerde der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt ist zulässig (1) und auch in der Sache begründet (2). 1. Die gemäß § 629 a Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verb. mit den §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte befristete Beschwerde gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Auf eine etwaige Mindestbeschwer kommt es, im Gegensatz zur Berufung, bei der befristeten Beschwerde nicht an, wie schon aus der fehlenden Bezugnahme auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO erhellt (vgl.: OLG Bamberg, FamRZ 1998, 305; Philippi, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., 2007, § 621 e Rdnr. 22; a. A. in Bezug auf das Rechtsschutzbedürfnis minimaler Korrekturen erstrebender Beschwerden: OLG München, FamRZ 1982, 187, und OLG Dresden, FamRZ 1996, 742). Die Beschwerdebefugnis ist auch unabhängig von einer finanziellen Mehrbelastung des Beschwerde führenden Versorgungsträgers (BGH, NJW 1981, 1274). Dieser ist vielmehr allein auf Grund des seines Erachtens gesetzeswidrig durchgeführten Versorgungsausgleichs in seinem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Recht auf Gewährleistung einer gesetzeskonformen Verwaltung beeinträchtigt (s. dazu beispielhaft: Sedemund-Treiber, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 621 e ZPO Rdnr. 9 m. w. N. nam. aus der Rechtsprechung) und damit gemäß § 20 Abs. 1 FGG, welche Regelung über § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO Anwendung findet, zur Beschwerde berechtigt.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die mehrstufige Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich enträt, was den Ausgleich der nichtangleichungsdynamischen bzw. anderen Anrechte im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG anbelangt, jeglicher Begründung, soweit im Wege des analogen Quasi-Splittings gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG zulasten der Leibrentenversicherung des Ehemannes bei der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt Rentenwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Ehefrau in Höhe von 58,36 € begründet worden sind. Nach dem Wortlaut des § 1 VAHRG kommt ein Quasi-Splitting gemäß Abs. 3 der Vorschrift nur dann in Vorschrift, sofern ein Ausgleich nach Abs. 2 in Form der Realteilung nicht möglich ist. Genau das ist hier allerdings der Fall, da laut Auskunft der Beschwerdeführerin vom 2. April 2007 (Bl. 31/32 UA-VA) deren Geschäftsplan eine Realteilung der Versorgungsanrechte im Falle der Ehescheidung vorsieht. An die Stelle des Quasi-Splittings tritt demnach die kraft Gesetzes vorrangige Realteilung. Der grundsätzlich in erster Instanz korrekt berechnete und durchgeführte Versorgungsausgleich (a) war dementsprechend auf Grund des Beschwerdevorbringens in diesem Punkte zu korrigieren (b).

a) Der wegen des Erwerbs angleichungsdynamischer Rentenanwartschaften seitens beider Ehegatten gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VAÜG und infolge der noch nicht eingetretenen Einkommensangleichung in Ost und West im Sinne des § 1 Abs. 4 VAÜG den Besonderheiten des Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetzes (VAÜG) unterliegende Versorgungsausgleich kann im vorliegenden Falle durchgeführt werden.

Die dafür notwendigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b VAÜG sind erfüllt. Denn beide Ehegatten haben in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anwartschaften minderer Art im Sinne des § 1 Abs. 3 VAÜG erworben, und der Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften - das ist hier der Ehemann - hat auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte in der gemäß § 1587 Abs. 2 BGB bestimmten Ehezeit vom 01. November 1979 bis zum 31. Januar 2001 erworben.

b) Der folgerichtig getrennt nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG in Verb. mit § 1587 a Abs. 1 BGB vorzunehmende Ausgleich der angleichungsdynamischen und anderen Anrechte der Parteien begegnet nur Bedenken - und wird deshalb zu Recht auch nur in diesem Punkte angefochten -, soweit hinsichtlich der Letzteren, unter Missachtung der gesetzlich zwingenden Rangfolge der Ausgleichsformen (s. dazu eingehend Hahne, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 1587 b BGB, Rdnr. 8 - 9) und der just gegenüber dem Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG vorrangigen Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG, zulasten der Leibrentenversicherung des Ehemannes bei der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG in Verb. mit § 1587 b Abs. 2 BGB analog Anrechte in Höhe von 58,36 € monatlich auf dem Rentenversicherungskonto der gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB ausgleichsberechtigten Ehefrau begründet worden sind. Da andere als die in § 1587 b Abs. 1 und 2 BGB genannten Anrechte im konkret betroffenen Fall der Leibrentenversicherung des Ehemannes auszugleichen sind, gelten an Stelle des - für verfassungswidrig erklärten - § 1587 b Abs. 3 Satz 1 BGB gemäß § 1 Abs. 1 VAHRG die nachfolgenden Vorschriften des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG). Vorrangig gegenüber dem vom Amtsgericht praktizierten analogen Quasi-Splitting gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG ist dabei ausdrücklich die - hier auskunfts- und bedingungsgemäß uneingeschränkt gegebene - Möglichkeit der Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG. Denn nur dann, falls ein Ausgleich nach Abs. 2 nicht stattfindet oder stattfinden kann, ist gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG ein Quasi-Splitting möglich. Keine rechtlich durchgreifenden Bedenken bestehen dagegen, im konkreten Fall die ebenfalls nichtangleichungsdynamischen und an sich dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach § 2 VAHRG unterfallenden Anrechte des Ehemannes bei der N. Lebensversicherung AG in Höhe von, dynamisiert, 15,03 €, nicht mittels bloß anteiliger Verrechnung in den Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau einzubeziehen. Denn die entsprechenden Anrechte werden vollen Umfanges gleichsam neutralisiert durch die gegenläufigen Anrechte der Ehefrau in Höhe von, dynamisiert, 43,45 € aus der kirchlichen Zusatzversorgung, wobei der Restbetrag von 28,42 € mit den Anrechten des Ehemannes von, umgerechnet, 145,14 € bei der Beschwerdeführerin zu verrechnen ist, sodass sich noch ein dynamisierter Überschussbetrag von 116,72 € (= 145,14 ./. 28,42 €) für den Ehemann ergibt. Eine jeweils anteilige Verrechnung der nichtangleichungsdynamischen Anrechte der Ehefrau aus der kirchlichen Zusatzversorgung mit den insgesamt drei unterschiedlichen nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften des Ehemannes erscheint bei pflichtgemäßer Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens weder sachlich angemessen noch geboten. Anderenfalls müssten auch noch konsequenterweise die nichtangleichungsdynamischen Anrechte des Ehemannes aus der gesetzlichen Rentenversicherung anteilig gekürzt werden und zugleich ein ebenso marginaler wie unverhältnismäßiger Verweis auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ausgesprochen werden. Die sonst prinzipiell beim Ausgleich mehrerer Anrechte des Ausgleichspflichtigen gegenüber verschiedenen Versorgungsträgern im Falle des § 1 Abs. 3 VAHRG oder bei konkurrierenden Anrechten des Ausgleichspflichtigen nach § 1 Abs. 2 und 3 VAHRG oder nach den §§ 1 und 2 VAHRG anzuwendende Quotierungsmethode (s. dazu unlängst BGH, FamRZ 2001, 477 - 479, sowie grundlegend BGH, NJW 1994, 48 - 49) kommt demnach im vorliegenden Fall des problemlos und ohne ökonomisch nennenswerte Lastenverschiebung via Rentensplitting und Realteilung durchführbaren Versorgungsausgleichs sinnvollerweise nach pflichtgemäßem Ermessen nur in eingeschränktem Maße zum Tragen. Auch ein besonderes Interesse der Parteien oder Versorgungsträger an einer noch differenzierteren Ausgestaltung des Versorgungsausgleichs ist in Anbetracht der ökonomischen Belanglosigkeit einer derartigen, das Verfahren allerdings weiter komplizierenden und den endgültigen Ausgleich ungebührlich hinauszögernden Regelung im Streitfall nicht auszumachen. Ohnedies wendet sich die Beschwerdeführerin, die allenfalls von einer ungleichgewichtigen Belastung der Versorgungsträger berührt sein könnte, lediglich gegen die Außerachtlassung der durchführbaren und darum vorrangigen Realteilung, nicht jedoch gegen eine etwa daraus resultierende übermäßige Belastung ihrerseits im Verhältnis zu den übrigen Trägern des Versorgungsausgleichs. Die Anrechte des Ehemannes aus der Leibrentenversicherung bei der Beschwerdeführerin belaufen sich nach anteiligem Abzug der entsprechenden Anrechte der Ehefrau auf einen gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 5 BGB fiktiv dynamisierten Rentenbetrag in der gesetzlichen Rentenversicherung von 116,72 € (= 145,14 ./. 28,42 €). Dieser Betrag ist gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB in Höhe der Hälfe der Wertdifferenz, die 58,36 € ausmacht, für die Ehefrau auszugleichen. Für die insoweit gemäß § 1 Abs. 2 VAHRG durchzuführende Realteilung der Anrechte ist allerdings wiederum in sachlich zwingender Weise auf die effektiv nach dem Geschäftsplan der Beschwerdeführerin auf die Ehezeit entfallende Rente des Ehemannes in Höhe von 204,14 € (Bl. 31 UA-VA) zurückzugreifen, die, zwecks Ermittlung des letztlich effektiv auszugleichenden Rentenbetrags, in Relation zu setzen ist zu der insoweit fiktiv nach Maßgabe des § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 5 BGB in Höhe von 145,14 € anfallenden Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung, die en détail im amtsgerichtlichen Urteil, auf das insoweit Bezug genommen wird, zwecks Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Anrechte berechnet worden ist. Es ergibt sich demnach ein Multiplikator von 1,4065, um die fiktive Rente von 145,14 € mit der effektiven Rente von 204,14 € gleichsetzen und dergestalt auch den effektiven Ausgleichsbetrag bei der konkret durchzuführenden Realteilung ermitteln zu können. Das führt zu einem mittels Realteilung zu berücksichtigenden und beschwerdehalber zugunsten der Ehefrau festgesetzten Ausgleichsbetrag von 82,08 € (= 58,36 € x 1,4065). III.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren konnten wegen der unrichtigen Sachbehandlung in erster Instanz gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben werden.

Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten, beruht, jeweils ausgehend von § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, einerseits, hinsichtlich der Parteien, auf einer entsprechenden Anwendung des § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und andererseits, bezüglich der Versorgungsträger, auf der Regelung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Die Festsetzung eines Beschwerdewertes erübrigt sich damit.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verb. mit § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO fehlt es an den gesetzlich umrissenen Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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