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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.08.2005
Aktenzeichen: 4 W 16/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 567
ZPO § 569
Im PKH-Verfahren kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, wenn die in der materiell erfolgversprechenden Höhe erhobene Klage vor dem angerufenen Gericht unzulässig wäre.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 W 16/05 Oberlandesgericht Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Zettel und der Richter am Oberlandesgericht Feldmann und Baumgarten am 9. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 22. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Der Antragsteller beabsichtigt, die Antragsgegnerin auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall in Anspruch zu nehmen, wobei er sich ein Mitverschulden von 25 v. H. anrechnen lässt, weil er zum Unfallzeitpunkt als Mitfahrer nicht angegurtet gewesen ist. Für diese Klage hat er Prozesskostenhilfe beantragt, die das Landgericht wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt hat, da es das Mitverschulden mit mindesten 50 v. H. bewertet und deshalb seine sachliche Zuständigkeit verneint hat. Gegen diese ihm am 27.04.2005 zugestellte Entscheidung des Einzelrichters hat der Antragsteller am 26.05.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat ihr nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 127 Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden. Sachlich ist das Rechtsmittel jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat die vom Kläger beantragte Prozesskostenhilfe zu Recht versagt.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht eine Erfolgsaussicht für die Klage allenfalls unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers in Höhe von 50 v. H. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts, denen er sich nach eigener Prüfung in vollem Umfang anschließt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Insbesondere hat das Landgericht die Beweislast nicht verkannt. Der Einzelrichter hat zutreffend unter Hinweis auf die intakte Fahrgastzelle darauf hingewiesen, dass vor allem die schweren Kopf- und Gehirnverletzungen des Klägers ersichtlich nur deshalb entstehen konnten, weil der Kläger nicht angegurtet war und aus dem Fahrzeug geschleudert worden ist. Diese Beurteilung war dem Gericht auch ohne sachverständige Hilfe möglich. Sodann hätte es dem Kläger oblegen, vorzutragen und unter Beweis zu stellen, dass selbst bei angelegtem Sicherheitsgurt ähnlich schwere Verletzungen eingetreten wären. Dies ist nicht geschehen und kann angesichts der Art der Verletzungen auch schwerlich behauptet werden.

Die Annahme eines Mitverschuldens von 50 v. H. hat zur Folge, dass die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht gegeben und eine in dieser Höhe erhobene Klage unzulässig wäre. Dann kann die beabsichtigte Klage (auch nicht teilweise) als erfolgversprechend im Sinne von § 114 ZPO angesehen werden.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichts in vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach dem Gegenstandswert bestimmt und dieser sich nach dem Antrag des Klägers richtet. Deshalb wäre im Falle einer bereits erhobenen Klage und nachfolgendem PKH-Antrag auch teilweise Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im isolierten PKH-Bewilligungsverfahren sind jedoch die Erfolgsaussichten für eine erst noch zu erhebende Klage zu beurteilen. Soll sie vor einem unzuständigen Gericht erhoben werden, so wäre sie wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung unzulässig und demnach nicht erfolgversprechend. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass sich die Unzuständigkeit aus materiell-rechtlichen Überlegungen herleitet. Das Gericht kann nicht die Erfolgsaussicht bejahen, wenn es eine entsprechend der Bewilligung erhobene Klage sodann (auf Rüge, mit der in der Regel zu rechnen ist,) als unzulässig abweisen müsste, wobei der Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Satz 2 ZPO) nicht entgegensteht, da er nur für bereits erhobene Klagen gilt (vgl. etwa OLG Hamm MDR 1995,1065; OLG Brandenburg JurBüro 2001, 650). Aus diesem Grunde kommt auch eine teilweise Bewilligung unterhalb der Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts nicht in Betracht (so aber OLG Dresden NJW-RR 1995, 382 und KG in KGReport 1996, 192).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten bedarf es nicht, da sie vom Antragsteller kraft Gesetzes zu tragen sind, § 1 GKG i. V. m. Nr. 1811 KVGKG. Da die Frage, ob Prozesskostenhilfe vollständig zu versagen ist, wenn im isolierten PKH-Verfahren unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten eine Erfolgsaussicht nur in einem Umfang bejaht werden kann, der zur sachlichen Unzuständigkeit des in Aussicht genommenen Gerichts führt, vom Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden wurde und von den Oberlandesgerichten nicht einheitlich beurteilt wird, hat der beschließende Senat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 und 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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