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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 4 WF 2/06
Rechtsgebiete: ZPO, GewSchG, BGB, FGG, KostO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 139
ZPO § 568
ZPO § 620
ZPO § 620 b Abs. 1 S. 2
ZPO § 620 b Abs. 2
ZPO § 620 c
ZPO § 620 e
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 9
ZPO § 621 a
ZPO § 621 e
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 g
ZPO § 621 g Satz 1
ZPO § 621 g Satz 2
GewSchG § 1
GewSchG § 2
BGB § 1666
BGB § 1684 Abs. 1
BGB § 1684 Abs. 4 S. 3
FGG § 13 a Abs. 1 S. 2
FGG § 14
KostO § 30
KostO § 131 Abs. 2
Der 4. Familiensenat des OLG schließt sich der Rechtsprechung des 1. und 2. Familiensenates und der h.M. an. Hiernach ist die sofortige Beschwerde zum OLG unzulässig.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 WF 2/06 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 4. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg am 06.03.2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Zettel, des Richters am Oberlandesgericht Materlik und der Richterin am Amtsgericht Meier beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis - Familiengericht - vom 18.01.2006 wird verworfen.

Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin und der Antragsteller sind die Eltern des minderjährigen Kindes L. W. , geb. am 01.12.2004. Der Antragsteller begehrt die Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind der Parteien. Die Antragsgegnerin widersetzt sich dem und begehrt ihrerseits einen Ausschluß des Umgangsrechts.

Nach einer mündlichen Verhandlung hierüber vom 18.01.2006 hat das Amtsgericht Halle-Saalkreis - Familiengericht - von Amts wegen im Wege der einstweiligen Anordnung beschlossen, dass der Antragsteller berechtigt ist, den Umgang mit dem gemeinsamen Kind der Parteien im wöchentlichen Rhythmus, beginnend ab dem 27.01.2006, jeweils freitags von 07:30 Uhr bis 09:00 Uhr als begleiteter Umgang in den Räumen des Jugendamtes des Landkreises S. auszuüben. In der Hauptsache steht Termin zur Verhandlung an auf den 15.03.2006.

Gegen den ihr am 26.01.2006 zugestellten Beschluss über die einstweilige Anordnung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 26.01.2006, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Über die sofortige Beschwerde hat der Senat zu entscheiden, nachdem die Einzelrichterin ihm das Verfahren nach § 568 ZPO übertragen hat.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die einstweilige Anordnung des Familiengerichts vom 18.01.2006 wäre zwar in der gehörigen Form und Frist eingelegt worden (§ 569 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig und damit zu verwerfen, da sie gemäß § 621 g Satz 2 ZPO i.V.m. § 620 c ZPO nicht statthaft ist (§ 567 ZPO).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin richtet sich die Beschwerde nicht nach § 621 e Abs. 1 ZPO i. V. m. § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, denn § 621 e ZPO beinhaltet die Rechtsmittel gegen Endentscheidungen in Familiensachen. Eine solche Endentscheidung liegt hier jedoch gerade nicht vor.

Bereits nach dem Gesetzeswortlaut des § 621 g S. 2 ZPO i.V.m. § 620 c ZPO ist die Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung, die das Umgangsrecht regelt, nicht zulässig (BVerfG, FamRZ 2005, 173 ff. (174 m.w.Nw.) mit Anm. von Rixe und FamRZ 2005, 1233 ff. (1235); Zöller/Philippi, ZPO, 25. A., Rdn. 6 zu § 621 g; Hoppenz/Zimmermann, Familiensachen, 8. A., Rdn. 7 zu § 620 c ZPO; OLG Köln, FamRZ 2003, 548; OLG Dresden FamRZ 2003, 1306 f.; OLG Naumburg, 1. Senat für Familiensachen, OLGR 2004, 96; OLG Naumburg, 2. Senat für Familiensachen, OLGR 2005, 865; a. A. OLG Naumburg, 3. Senat für Familiensachen, FamRZ 2004, 1510 f. mit abl. Anmerkung von Gießler, FamRZ 2005, 815). Nach diesen Vorschriften sind allein einstweilige Anordnungen betreffend die elterlichen Sorge, die Herausgabe des Kindes an einen Elternteil, eine Entscheidung über einen Antrag nach den §§ 1, 2 des Gewaltschutzgesetzes oder über einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Obwohl die Befugnis zum Umgang mit dem Kind ein Rest der elterlichen Sorge ist, den der nicht sorgeberechtigte Elternteil behält, unterscheidet § 620 ZPO zwischen Sorge- und Umgangsrecht. Das Umgangsrecht ist deshalb kein anfechtbarer Teilbereich der elterlichen Sorge (OLG Dresden, FamRZ 2003, 1306).

Die Entscheidung des Familiengerichts ist auch nicht ausnahmsweise wegen "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" überprüfbar. Zwar können grundsätzlich einstweilige Anordnungen gemäß § 621 g Satz 1 ZPO nur auf Antrag erlassen werden (Hoppenz/Zimmermann, a.a.O., Rdn. 2 zu § 621 g). Nur wenn das Hauptsacheverfahren von Amts wegen betrieben wird, etwa auf der Grundlage des § 1666 BGB, können sie auch ohne Antrag erlassen werden (Zöller/Philippi, a.a.O., Rdn. 3 zu § 621 g; OLG Frankfurt, NJW-RR 2003, 1517 f.) und insoweit erweist sich die Entscheidung als verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Gleichwohl erfordert dieser Umstand nicht die Zulassung eines im Gesetz nicht vorgesehenen Rechtsmittels. Bis zur Zivilprozessrechtsreform, also vor dem 01.01.2002, fand zwar, auch wenn die Voraussetzungen des § 620 c ZPO nicht erfüllt waren, die sofortige Beschwerde gegen einstweilige Anordnungen statt, die greifbar gesetzwidrig, d. h. mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar waren (vgl. OLG Saarbrücken, OLGR 2001, 269). Diese sogenannte außerordentliche Beschwerde ist seit der Zivilprozessrechtsreform nicht mehr statthaft (Zöller/Philippi, a.a.O., Rdn. 12 zu § 620 c; OLG Naumburg, 3. Senat für Familiensachen, OLGR 2005, 929 f. mit zust. Anm. von Schäfer, jurisPR-FamR 4/2006, Anm. 5). Seit dem In-Kraft-Treten des Anhörungsrügengesetzes am 01.01.2005 gilt dies - was vorher noch umstritten war - auch für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (KG, OLGR 2005, 246 f.). Deshalb spielt es keine Rolle, dass die einstweilige Anordnung nicht von Amts wegen hätte ergehen dürfen.

Auch die Anhörungsrüge (§ 621 a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 29 a FGG) wäre hiergegen selbst dann nicht gegeben, wenn deren Voraussetzungen an sich vorlägen. Dass zur Frage des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, dürfte zwar nach dem Akteninhalt anzunehmen zu sein. Aber selbst wenn dies so gewesen sein sollte, ist der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge im konkreten Fall nicht eröffnet, weil gegen Zwischenentscheidungen weder nach den Regeln der ZPO noch des FGG eine Gehörs- bzw. Anhörungsrüge vorgesehen ist (§ 321 a Abs. 1 S. 2 ZPO; § 29 a Abs. 1 S. 2 FGG). Im übrigen würde sie auch daran scheitern, dass die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin dieses Verfahrens das rechtliche Gehör mit der Möglichkeit der Auswirkung auf die richterliche Entscheidung durch den Antrag auf mündliche Verhandlung über eine einstweilige Anordnung nach § 621 g ZPO i.V.m. § 620 b Abs. 2 ZPO zur Geltung bringen kann (Vorrang des Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs: § 321 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO; § 29 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FGG).

Im einzelnen geht der Senat wie o. a. davon aus, dass in einem auf Antrag eingeleiteten Umgangsregelungsverfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO anders als im Verfahren von Amts wegen nach § 1666 BGB dem Gesetzeswortlaut des § 621 g ZPO entsprechend eine einstweilige Anordnung einen Antrag voraussetzt. Für eine den Gesetzeswortlaut überschreitende Auslegung besteht, unbeschadet der grundsätzlichen Frage der Kompetenz von Gerichten hierzu, auch keine Notwendigkeit. Nach §§ 621 a, 139 ZPO hat das Gericht auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuweisen. In einem Umgangsrechtsverfahren, das ein sehr kleines Kind mit anderem Zeitwahrnehmungshorizont als ein Jugendlicher oder Erwachsener betrifft, erschiene demzufolge die richterliche Frage, ob eine einstweilige Regelung beantragt werde, nicht als Befangenheit, sondern als sachgerechte Wahrnehmung der Aufgabe der Erörterung des Falles unter allen denkbaren Gesichtspunkten. Im konkreten Fall hätte dies um so mehr nahe gelegen als der vorletzte Satz der Antragsschrift den Wunsch des Antragstellers nach einer einstweiligen Anordnung erkennen läßt. Umgekehrt jedoch hatte die Formulierung des Satzes und seine räumliche Trennung von der einleitenden Antragstellung die Richterin veranlaßt, mit der Terminsladung den Hinweis zu verbinden, dass sie keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als gestellt ansehe. Darauf reagierte der Antragsteller nicht, obwohl dies bei einem gegenteiligen Wunsch nahegelegen hätte. Um so mehr hätte die Richterin in der mündlichen Verhandlung die Frage einer einstweiligen Anordnung ansprechen müssen, wenn sie eine solche etwa für sachgerecht oder sogar notwendig hielt. Indem sie dies nicht tat, aber - ausdrücklich von Amts wegen - eine einstweilige Anordnung im Anschluß an die Sitzung erließ, gewährte sie diesbezüglich kein rechtliches Gehör. Es kann dann aber auch nicht angenommen werden, dass sie darüber mündlich verhandelte. Eine Verhandlung über die Hauptsache schließt nicht automatisch eine Verhandlung über eine einstweilige Anordnung mit ein. Schließlich sind bei der Frage des Erlasses einer einstweiligen Anordnung noch andere Kriterien als bei der Hauptsacheentscheidung maßgeblich, z. B. die Eilbedürftigkeit einer Regelung, der mit einer vorläufigen Regelung manchmal für das Hauptsacheverfahren verbundene bessere Erkenntnisgewinn, die Frage eines sonst drohenden Rechtsverlustes durch Verfestigung der tatsächlichen Situation, umgekehrt die Vermeidung von Gefährdungen durch eine vorläufige Regelung vor weiterer tatsächlicher Aufklärung u. a. mehr. Hierzu muß zumindest die Möglichkeit gegeben werden, den jeweiligen Parteistandpunkt vorzutragen. Nach dem Akteninhalt ist dies nicht geschehen, so dass zwar eine Verhandlung stattgefunden hat, aber nur zur Hauptsache. Im Protokoll vom 18.01.2006 heißt es auch ausdrücklich: "Die Verfahrensbeteiligten sollen zu dem Antrag des Antragstellers auf Umgang des gemeinsamen Kindessohn ... gehört werden." Demzufolge ist der Antragsgegnerin noch der Weg des § 621 g i.V. m. § 620 b Abs. 2 ZPO eröffnet. Dass die einstweilige Anordnung ohne Antrag erging, ist allerdings mittlerweile dadurch geheilt, dass der Antragsteller in seiner Beschwerdeerwiderung vom 16.02.2006 nunmehr einen ausdrücklichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hat. Auf dessen Fehlen kann sich daher die Antragsgegnerin nicht mehr berufen.

Eine Aussetzung der Vollziehung der einstweiligen Anordnung durch das Oberlandesgericht gemäß §§ 621 g S. 2, 620 e ZPO, wie mit der sofortigen Beschwerde beantragt, kam nicht in Betracht, da wie o. a. das Rechtsmittel unzulässig ist. Von Amts wegen war eine Abänderung der vorläufigen Umgangsregelung nicht zu treffen. Zwar dürften die Erwägungen zu der fehlenden Verhandlung über eine einstweilige Anordnung auch die Konsequenz haben, dass im konkreten Fall über § 621 g ZPO i.V.m. §§ 620 e und 620 b Abs. 1 S. 2 ZPO diese Möglichkeit verfahrensrechtlich eröffnet wäre.

In der Sache besteht hierfür jedoch kein Anlaß. Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB hat der Antragsteller als Kindesvater das Recht und die Pflicht des Umgangs mit seinem Kind. Den Befürchtungen der Antragsgegnerin, körperliche Gewalt des Antragstellers könnte sich gegen das gemeinsame Kind richten, trägt der Beschluss des Familiengerichts dadurch Rechnung, dass dem Antragsteller lediglich ein begleiteter Umgang eingeräumt wird, § 1684 Abs. 4 S. 3 BGB. Auch wenn die Antragsgegnerin vorgetragen hat, sie werde voraussichtlich ab dem 01.03.2006 täglich von 08:00 bis 11:30 Uhr einen Praktikumplatz in Se. annehmen, steht dies der getroffenen Regelung nicht entgegen. Deshalb kann vorerst offen bleiben, ob dies zutrifft. Selbst wenn man dies als richtig unterstellt, kann trotzdem der Umgang in der festgelegten Zeit stattfinden, da die Antragsgegnerin das gemeinsame Kind nicht persönlich zu den Umgangsterminen beim Jugendamt bringen muß.

Der vom Familiengericht festgelegte Umgang mit seiner jeweils kurzen Dauer empfiehlt sich erfahrungsgemäß vor allem bei kleineren Kindern, wenn der Umgang möglichst bald zur festen Gewohnheit werden und eine Entfremdung zwischen Umgangsberechtigtem und Kind vermieden werden soll. Da die Kindeseltern bis Juni 2005 zusammenlebten und seitdem ein Umgang nur unregelmäßig stattfand, dient der wöchentliche Umgang dazu, eine weitere Entfremdung zwischen Kind und Kindesvater zu verhindern.

III.

Der Antragsgegnerin kann für das Beschwerdeverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil aus den oben genannten Gründen die Voraussetzungen des § 14 FGG i.V.m. § 114 ZPO nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, der §§ 621 g Satz 2, 620 g ZPO vorgeht (für den in § 97 Abs. 3 ZPO geregelten Fall der Folgesachen vgl. MünchKommZPO-Finger, Rdn. 9 zu § 620 g m.Nw. der Rspr.; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 64. A., Rdn. 2 zu § 620 g; Zöller/Philippi, a.a.O., Rdn. 8 zu § 620 g m.w.Nw.).

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren ist nach § 131 Abs. 2, § 30 KostO festzusetzen und entspricht einem Drittel des Durchschnittswertes für Umgangsverfahren (Hartmann, Kostengesetze, 34. A., Rdn. 36 zu § 30 KostO).

Einstweilige Anordnungen in selbständigen Familiensachen des § 621 Abs. 1 Nr. 1 - 3, 6 oder 9 ZPO sind lediglich Zwischenentscheidungen und unterliegen daher nicht der weiteren Beschwerde (BHG in st. Rspr., zuletzt: FamRZ 2003, 1551).

Ende der Entscheidung

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