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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: 4 WF 4/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 568 Satz 1
ZPO § 569
ZPO § 571
BGB § 1601
BGB § 1602
BGB § 1603
BGB § 1603 Abs. 1
Nach Ansicht des Senates ist die Beweislastregel von 100 % des Regelbetrages nach der RegelbetragVO im PKH-Prüfungsverfahren grundsätzlich nicht anwendbar, wenn der Unterhaltsschuldner 4 oder 5 Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist. Dies deshalb, weil alle bekannten Umstände zu beurteilen und einzubeziehen sind und im gewissen Umfang auch eine Vorwegnahme der Beweisbarkeit zulässig ist.

Ob dies auch für das Hauptverfahren gilt kann im konkreten Fall dahingestellt bleiben.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 WF 4/06 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat - 4. Familiensenat - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Feldmann als Einzelrichter am 23. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis - Familiengericht - vom 30. Dezember 2005 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 19. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

I.

Der am 04.11.1995 geborene Antragsteller wohnt bei seinem allein sorgeberechtigten Vater und nimmt die Antragsgegnerin, seine leibliche Mutter, auf Zahlung des Regelunterhalts (100 %) ab Oktober 2005 in Anspruch. Für seine beabsichtigte Klage beantragt er Prozesskostenhilfe, wobei er selbst vorgetragen hat, dass die Antragstellerin (mindestens) vier weiteren minderjährigen Kindern gegenüber zum Barunterhalt verpflichtet sei. Auf den Hinweis des Familiengerichts, dass vor diesem Hintergrund keine Vermutung für die Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin bestehe, hat der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin habe gegenüber Dritten erklärt, sie sei als Krankenschwester berufstätig. Außerdem beziehe sie aus einer weiteren Tätigkeit Nebeneinkünfte in nicht unerheblichem Umfang.

Das Amtsgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe zunächst versagt, der hiergegen fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde jedoch teilweise abgeholfen und im Umfang des Hilfsantrages (anteiligen Unterhalt nach Mangelfallberechnung) Prozesskostenhilfe bewilligt. Im übrigen hat es nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 127 Abs. 2, 569, 571 ZPO zulässig, da es form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist. Zur Entscheidung ist gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter berufen.

Sachlich ist das Rechtsmittel allerdings nicht gerechtfertigt. Das Amtsgericht hat die weitergehende Prozesskostenhilfe zu Recht versagt, weil die Klage insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO.

Nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin nicht in der Lage ist, ihm (auch nur) zu 100 % des Regelbetrages Unterhalt zu leisten, § 1603 Abs. 1 BGB. Denn die Antragsgegnerin ist gegenüber mindestens vier (tatsächlich sogar fünf) weiteren minderjährigen Kindern zum Barunterhalt verpflichtet; dies schließt es nach Auffassung des Senats aus, die Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit als zur Zahlung des Regelbetrages leistungsfähig anzusehen. Der Antragsteller hätte vor diesem Hintergrund konkret zur dennoch bestehenden Leistungsfähigkeit vortragen müssen. Der Hinweis, die Antragsgegnerin sei nach dem Hörensagen als Krankenschwester tätig und gehe zudem noch einer Nebentätigkeit nach, genügt hierfür nicht, abgesehen davon, dass selbst bei Unterstellung dieser vagen Behauptungen das Einkommen zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtungen nicht als ausreichend angesehen werden könnte.

Auch wenn man annehmen wollte, dass die Unterhaltspflicht gegenüber weiteren Berechtigten als solche noch nicht, sondern nur dann zu berücksichtigen ist, wenn tatsächlich Leistungen erbracht werden oder zumindest ein Unterhaltstitel vorliegt (OLG Naumburg, 14. Senat - 3. Familiensenat -, Beschluss vom 20.12.2000, Az. 14 WF 138/00, zitiert nach Juris; OLG Hamm, FamRZ 1995, 882 sowie Palandt/Diederichsen, BGB 65. Aufl., § 1603, Rdn. 24), änderte dies an der Beurteilung nichts, da der Antragsteller das Gegenteil nicht behauptet hat. Insoweit hat er lediglich vorgetragen, vermutlich sehe sich die Antragsgegnerin gegenwärtig keinem anderen Kind gegenüber Unterhaltspflichten gegenüber, und er bestreite mit Nichtwissen, dass sie sich Ansprüchen des Jugendamtes ausgesetzt sehe. Diese spekulativen Erwägungen reichen nicht aus, trotz unstreitig bestehender Unterhaltspflicht gegenüber den fünf weiteren Kindern von einer ungeschmälerten Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin auszugehen. Zwar trifft die Antragsgegnerin unter Umständen eine sog. sekundäre Darlegungs- und Beweislast, wenn und soweit dem Antragsteller der Beweis nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während ihr die maßgeblichen Tatsachen bekannt sind und ihr nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. zur sekundären Darlegungslast z. B. BGHZ 86, 23, 29; 140, 156, 158); dass diese Voraussetzungen auf Seiten des Antragstellers vorliegen, ist jedoch nicht dargetan.

Der Senat verkennt nicht, dass nach der gesetzlichen Konzeption des § 1603 BGB, der als Ausschluss- bzw. Ausnahmetatbestand zur grundsätzlich gegebenen Unterhaltspflicht auf Grund der §§ 1601, 1602 BGB formuliert ist, die Darlegungs- und Beweislast für eine unter Umständen fehlende oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit den Unterhaltsschuldner trifft. Bei der Schlüssigkeitsprüfung im Rahmen des § 114 ZPO ist jedoch das gesamte Vorbringen des Antragstellers zu berücksichtigten. Trägt er, wie hier, selbst Umstände vor, die - ohne entsprechende Einrede des Gegners - vom Gericht als anspruchsvernichtend oder anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind, dann wird sein Vortrag unschlüssig mit der Folge, dass die Rechtsverfolgung insoweit keine Aussicht auf Erfolg haben kann. Etwaige Billigkeitserwägungen, wie sie in der Beschwerdebegründung und im nachfolgenden Schriftsatz des Antragstellers dargelegt werden, sind nicht geeignet, die Geltung dieser allgemeinen Verfahrensgrundsätze in Zweifel zu ziehen.

Das Amtsgericht hat demnach zu Recht - ausgehend von der untersten Einkommensstufe -eine Mangelfallberechnung durchgeführt und auf dieser Grundlage nur zum Teil Prozesskostenhilfe gewährt.

Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst. Da die sofortige Beschwerde unbegründet ist und zurückgewiesen wird, hat der Antragsteller die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens nach §§ 1 Ziffer 1, 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1811 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG bereits von Gesetzes wegen zu tragen; eine Kostenerstattung findet nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.

Ende der Entscheidung

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