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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: 5 U 129/03
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 242
InsO § 103 Abs. 1
1. Das Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die die allgemeinen Vorschriften des BGB anwendbar sind. Sie kann daher ausdrücklich oder konkludent erfolgen und wirkt unabhängig davon, ob dem Insolvenzverwalter bewusst ist, dass er eine derartige Erklärung abgibt (Frankfurter Kommentar-Wegner, 3. Aufl., Rn. 58 zu § 103 m. w. N.).

2. Schweigen und Zeitablauf allein rechtfertigen grundsätzlich noch nicht die Annahme einer stillschweigenden Erklärung, die Erfüllung des Vertrages verlangen zu wollen. Ob im Verhalten, also auch im Schweigen des Insolvenzverwalters, eine Erklärung im Sinne des § 103 Abs. 1 InsO gesehen werden kann, ist aber von Fall zu Fall je nach den gegebenen Umständen zu entscheiden (zu § 17 Abs. 1 Konkursordnung: BGHZ 81, 90, 93).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 129/03

verkündet am: 04. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Braun, der Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger und der Richterin am Landgericht Ewald auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. Oktober 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe sie mit einer Befriedigung ihrer im Insolvenzverfahren über das Vermögen der "N. GmbH" ab 01. September 2000 entstandenen Masseforderungen für Stromlieferungen gemäß ihrer Forderungsaufstellung vom 13. September 2001 rechnen kann.

Im Übrigen wird das Urteil aufgehoben und zur Entscheidung über die weiteren Stufen der Klage an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwehren, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 241.994,19 EUR.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort ergangenen Entscheidung nimmt der Senat auf den Inhalt des am 23. Oktober 2003 verkündeten Urteils Bezug (Leseabschrift Bl. 52 ff. Bd. II d. A.). Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft in Anspruch. Der Beklagte hat im Zusammenhang mit seiner Behauptung, er habe die Masseunzulänglichkeit nicht vorhersehen können, sein Insolvenzgutachten vom 29. August 2000 (Anlage B 6, Anlagenband), die Insolvenzpläne vom 28. September 2000 (Anlage B 1, Anlagenband) und vom 15. Mai 2001 (Anlage B 5, Anlagenband) sowie einen Beratungsbericht der C. vom 28. August 2000 (Anlage B 20, Anlagenband) vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel insoweit weiter, als sie im Wege der Stufenklage den Ausfall mit ihren Forderungen für die Zeit seit dem 1. September 2000 geltend macht. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz, insbesondere ihre Behauptung, der Vertreter des Beklagten W. habe im Dezember 2000, etwa ein bis zwei Wochen vor Weihnachten bei ihrem Mitarbeiter T. angerufen und mitgeteilt, sie möge sich für neue Vertragsverhandlungen ab Januar 2001 an Herrn A. , den neuen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, wenden. Für die Zeit vom 01. September 2000 bis zum 31. Dezember 2000 habe der Beklagte zumindest durch konkludentes Verhalten die Erfüllung des bestehenden Stromlieferungsvertrages gewählt. Immerhin habe sein Vertreter W. sie mit Schreiben vom 17. August 2000 ausdrücklich aufgefordert, auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu den Konditionen des Sonderkundenvertrages die weitere Belieferung mit Strom vorzunehmen. Soweit das Landgericht Magdeburg seinem Urteil eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01. Juli 1981 (BGHZ 81, 90) zu Grunde gelegt habe, sei dies fehlerhaft, weil der dortige Sachverhalt dem hiesigen nicht vergleichbar sei. Auch bezüglich der Leistungen ab dem 01. Januar 2001 seien Masseverbindlichkeiten entstanden. Die Masse sei insoweit durch die Handlungen des Herrn A. verpflichtet worden. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte sämtliche noch erhobenen Forderungen der Klägerin als Masseverbindlichkeiten anerkannt habe. Schließlich habe sich der Beklagte nicht gem. § 61 Satz 2 InsO entlasten können. Sein Vortrag, er habe die Masseunzulänglichkeit nicht absehen können, sei unzureichend. Die Klägerin beanstandet ferner, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer Haftung nach § 60 InsO nicht geprüft hat.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des am 23. Oktober 2003 verkündeten Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe sie mit der Befriedigung ihrer im Insolvenzverfahren über das Vermögen der N. GmbH ab dem 1. September 2000 entstandenen Masseforderungen für Stromlieferungen gemäß ihrer Forderungsaufstellung vom 13. September 2001 rechnen kann und die Sache zur Entscheidung über den noch zu beziffernden Zahlungsantrag an das Landgericht Magdeburg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt seinen Vortrag aus erster Instanz unter Bezugnahme auf sein dortiges Vorbringen. Er bestreitet, dass sein Vertreter W. im Dezember 2000 dem Mitarbeiter der Klägerin mitgeteilt habe, diese solle sich für neue Vertragsverhandlungen ab Januar 2001 an Herrn A. wenden. Herr W. habe die Klägerin lediglich davon unterrichtet, dass die Gesellschaft durch einen Investor unter der Geschäftsführung des Herrn A. fortgeführt werden sollte.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Auskunft, in welcher Höhe sie mit einer Befriedigung ihrer Forderungen aus den Stromlieferungen in der Zeit von September 2000 bis August 2001 an die Insolvenzschuldnerin rechnen kann.

Sie braucht sich mit der Durchsetzung ihres Anspruches nicht auf den Abschluss den Insolvenzverfahrens verweisen zu lassen. Da die Masse unzulänglich ist, muss sie mit einem Individualschaden rechnen, den sie bereits jetzt selbst geltend machen kann.

1. Der Auskunftsanspruch beruht auf § 242 BGB i. V. m. § 61 InsO.

Zwischen den Parteien besteht eine den Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB begründende Sonderverbindung. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden ist, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um ihre aus den Stromlieferungen von September 2000 bis August 2001 resultierenden Forderungen zu begleichen (§ 61 InsO). Diese zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung bringt es mit sich, dass die Klägerin in entschuldbarer Weise über den Umfang ihres geltend gemachten Rechtes im Unklaren ist und der Beklagte die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGH NJW 1995, 387).

Die Klägerin kann die Höhe ihres Schadensersatzanspruches bislang nicht beziffern, weil der Anspruch in der Differenz zwischen der auf ihre Masseforderung entfallenden Quote und der Höhe ihres Schadens besteht (Hess, InsO, Rn. 25 zu § 61) und ihr diese Quote weder bekannt ist, noch sie über Informationen verfügt, die ihr die Bezifferung ermöglichen. Die Klägerin braucht sich nicht auf die Berichterstattung des Beklagten in der Gläubigerversammlung und die Einsicht in die Insolvenzakten verweisen lassen. Beides lässt keine hinreichend detaillierte Information erwarten, zumal der Beklagte vorgetragen hat, er selbst könne die Quote jedenfalls derzeit nicht bezeichnen. Ein pflichtgemäß handelnder Insolvenzverwalter ist jedoch ohne weiteres jederzeit in der Lage, durch eine Gegenüberstellung der für die Verteilung zur Verfügung stehenden Mittel und der zu befriedigenden Forderungen zu ermitteln, mit welcher Befriedigungsquote die Massegläubiger unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 209 InsO zu rechnen haben.

2. Bei den noch nicht erfüllten Forderungen der Klägerin aus Stromlieferungen an die Insolvenzschuldnerin vom 1. September 2001 bis zum 31. August 2001 handelt es sich um Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, für deren Ausfall der Beklagte persönlich haftet (§ 61 InsO).

a) Die Klägerin war der Insolvenzschuldnerin aus dem Stromlieferungsvertrag vom 12. August 1999 noch bis zum 31. Dezember 2003 zur Lieferung elektrischer Energie verpflichtet. Stromlieferungsverträge sind, soweit sie - wie hier - bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht beendet sind, gegenseitige Verträge im Sinne der §§ 103 Abs. 1, 105 InsO.

aa) Die Erfüllungswahl nach § 103 Abs. 1 InsO stellt eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters im Sinne des § 61 InsO dar. Der Beklagte hat als Insolvenzverwalter des Vermögens der Insolvenzschuldnerin durch konkludentes Verhalten die weitere Erfüllung des Stromlieferungsvertrages gewählt.

Das Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die die allgemeinen Vorschriften des BGB anwendbar sind. Sie kann daher ausdrücklich oder konkludent erfolgen und wirkt unabhängig davon, ob dem Insolvenzverwalter bewusst ist, dass er eine derartige Erklärung abgibt (Frankfurter Kommentar-Wegner, 3. Aufl., Rn. 58 zu § 103 m. w. N.).

Dem Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass er die Erfüllung des Stromlieferungsvertrages vom 12. August 1999 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01. September 2000 nicht ausdrücklich gewählt hat, und dass er vor der Eröffnung in seiner Eigenschaft als "schwacher" vorläufiger Verwalter (§ 22 Abs. 2 InsO) noch keine Wahl nach § 103 Abs. 1 InsO treffen konnte. Sein Verhalten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durfte von der Klägerin aber als Erfüllungswahl verstanden werden. Zwar rechtfertigen Schweigen und Zeitablauf allein grundsätzlich noch nicht die Annahme einer stillschweigenden Erklärung, die Erfüllung des Vertrages verlangen zu wollen. Ob im Verhalten, also auch im Schweigen des Insolvenzverwalters, eine Erklärung im Sinne des § 103 Abs. 1 InsO gesehen werden kann, ist aber von Fall zu Fall je nach den gegebenen Umständen zu entscheiden (zu § 17 Abs. 1 Konkursordnung: BGHZ 81, 90, 93). Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte als Insolvenzverwalter den von der Klägerin gelieferten Strom abnahm und zunächst für mehrere Monate die dafür geschuldeten Zahlungen bis auf eine zusätzlich zum Strompreis erhobene Umlage entrichtete. Wenngleich dieses Verhalten für sich genommen noch nicht ausreichen mag, auf eine Erfüllungswahl zu schließen, tritt hier ein weiterer Umstand hinzu, der den Weiterbezug des Stroms und den Ausgleich der Rechnungen durch den Beklagten aus Sicht der Klägerin als Erfüllungswahl erscheinen ließ. Der vom Beklagten bevollmächtigte Vertreter W. hatte nämlich mit der Klägerin bereits über die Weiterführung des Vertrages gesprochen und noch mit Schreiben vom 17. August 2000 bestätigt, dass die Weiterlieferung des Stroms über den 01. September 2000 hinaus gewünscht werde. Es ist zwar richtig, dass der Beklagte - wie bereits erwähnt - im August 2000 nur vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter war, der keine Masseverbindlichkeiten begründen und der auch keine Erfüllungswahl nach § 103 Abs. 1 InsO treffen konnte. Gleichwohl durfte die Klägerin wegen des engen zeitlichen und persönlichen Zusammenhangs dieser Erklärung mit dem Verhalten des Beklagten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schließen, dass der Beklagte auch als Insolvenzverwalter die weitere Erfüllung des Stromvertrages wünsche. Die Erklärung vom 17. August 2000 war weder unter einen Vorbehalt gestellt worden, noch hatte der Beklagte der Klägerin auf sonstige Weise zu verstehen gegeben, dass sich die Dinge mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändern könnten, insbesondere die weitere Erfüllung noch nicht erfüllter Verträge ungewiss wäre oder abgelehnt werden würde. Die Klägerin durfte unter diesen Umständen erwarten, dass der Beklagte, wenn er im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz der weiteren Entgegennahme ihrer Leistungen und der Zahlungen seinerseits die Erfüllung des Stromlieferungsvertrages in Frage stellen wollte, dies mitteilen würde und sein Schweigen im Zusammenhang mit der weiteren Ausführung des Vertrages als Erfüllungswahl deuten. Insoweit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall grundlegend von dem, der dem in BGHZ 81, 90 veröffentlichten Urteil zu Grunde lag. Dort hatte der Konkursverwalter zwar auch über die Eröffnung des Konkurses hinaus Strom bezogen und eine Rechnung erhalten, er hatte jedoch noch vor Erhalt der Rechnung ein Rundschreiben versandt, mit der er die Erfüllung der nicht oder nicht vollständig erfüllten Verträge der Gemeinschuldnerin ablehnte.

bb) Auch die durch die Stromlieferungen der Klägerin nach dem 01. Januar 2001 begründeten Zahlungsansprüche sind Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Die Klägerin hat zwar nicht nachweisen können, dass der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin A. vom Beklagten zum Abschluss eines neuen Stromlieferungsvertrages bevollmächtigt war oder, dass insoweit die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eingreifen. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an.

Wären die Handlungen des Herrn A. dem Beklagten infolge einer Vollmacht oder kraft Rechtscheins zuzurechnen, wäre der Anwendungsbereich der §§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 61 InsO ohne weiteres eröffnet. Wirkten die Handlungen des Herrn A. mangels Vollmacht oder Rechtsschein nicht für und gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter, hat der Abschluss des neuen Vertrages gleichwohl nicht die Folge, dass eine Haftung des Beklagten nach § 61 InsO entfällt. Der zwischen der Klägerin und Herrn A. geschlossene Vertrag war zwar als Verpflichtungsgeschäft grundsätzlich wirksam, weil sich § 81 InsO nicht auf Verpflichtungsgeschäfte, sondern nur auf Verfügungsgeschäfte bezieht. Durch den neuen Vertrag wurde das bisherige Stromlieferungsverhältnis aber nicht obsolet, weil nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Beklagten als Insolvenzverwalter das alleinige Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin zustand (§ 80 Abs. 1 InsO) und nur er die bereits begründeten Forderungen der Insolvenzschuldnerin auf Stromlieferung aus dem früheren Vertrag hätte aufgeben können. Diese Verpflichtung bestand daher als Rechtsgrund für die Leistungen der Klägerin fort. Die aus der Lieferung entstehende Anspruch der Klägerin ist keine Masseverbindlichkeit aus ungerechtfertigter Bereicherung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, die möglicherweise nicht von § 61 InsO erfasst würde (Hess, InsO, Rn. 11 zu § 61), sondern bleibt eine Verbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, für deren Ausfall der Beklagte nach § 61 InsO persönlich haftet.

Aus dem Umstand, dass die Klägerin mit Herrn A. einen neuen Vertrag geschlossen hat, kann auch nicht geschlossen werden, dass sie den vorherigen Vertrag unter allen Umständen beenden wollte, die nach Vertragsschluss mit Herrn A. erfolgten Stromlieferungen also unabhängig von der bisherigen Rechtsbeziehung zwischen ihr und dem Beklagten als Insolvenzverwalter geleistet werden sollten. Nichts deutet darauf hin, dass die Klägerin ihre Ansprüche gegen die Masse und gegebenenfalls gegen den Beklagten persönlich aufgeben wollte.

b) Es ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die Masse zur vollständigen Befriedigung der Klägerin nicht ausreicht.

Die Höhe der seit dem 1. September 2000 entstandenen Masseverbindlichkeiten steht nach dem vorprozessualen deklaratorischen Anerkenntnis des Beklagten fest und ist nunmehr auch unstreitig. Sie ist im Haftungsprozess zu Grunde zu legen. Unklar ist lediglich die Höhe des Ausfalls der Klägerin.

3. Der Beklagte haftet für den Ausfall der Klägerin aus der Zeit nach dem 1. September 2000 nur dann nicht, wenn er bei Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde (§ 61 Satz 2 InsO). Die Beweislast trifft dabei den Beklagten als Insolvenzverwalter, er hat sich zu entlasten (Frankfurter Kommentar-Wegner, a.a.O., Rn. 8 zu § 61). Die voraussichtliche spätere Erfüllung ist bereits dann nicht gegeben, wenn die - teilweise - Nichterfüllung wahrscheinlicher als die Erfüllung war (Begründung des Regierungsentwurfs zu § 72 Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten, abgedruckt in Hess, InsO, zu § 61).

a) Dem Beklagten ist die Entlastung nicht gelungen. Ihn trifft als Verwalter die Verpflichtung, ständig zu kontrollieren, ob die Masse voraussichtlich ausreicht, die Masseverbindlichkeit erfüllen zu können. Hierzu ist es in der Regel erforderlich, einen der Liquiditätssteuerung dienenden Finanzplan zu erstellen, in dem der Mittelbedarf und die zu seiner Deckung vorhandenen und erwarteten Mittel einander gegenüber gestellt werden. Dabei muss der Verwalter auch Außenstände darauf prüfen, ob sie in angemessener Zeit realisiert werden können. Kommt es trotz einer derartigen Liquiditätssteuerung letztlich doch zur Nichtbefriedigung von Massegläubigern, muss der Verwalter anhand des von ihm aufgestellten Finanzplans darlegen und beweisen, dass seine Fehleinschätzung unvorhersehbar und damit nicht pflichtwidrig war (OLG Celle, ZIP 2003, 587, 588 m. w. N.). Die Erfüllung dieser Pflichten hat der Beklagte weder dargetan noch bewiesen.

Er hat insoweit auf sein Insolvenzgutachten vom 29. August 2000 und auf den Beraterbericht der C. vom 28. August 2000 samt Anlagen verwiesen. Danach sei bei Fortführung des schuldnerischen Unternehmens im Jahr 2000 ein Überschuss von 234.000,00 DM und im Jahr 2001 ein Überschuss von 616.000,00 DM zu erwarten gewesen. Ferner hätten im August 2003 (gemeint ist wahrscheinlich 2000) liquide Mittel durch Bankguthaben über 53.000,00 DM und bei der Dresdner Bank in B. eine Kontokorrentlinie von 600.000,00 DM zur Verfügung gestanden. Es sei zu erwarten gewesen, dass die Liquidität zum Ausgleich aller Masseforderungen ausgereicht hätte. Auch unter Berücksichtigung der dem Gutachten vom 29. August 2000 beigefügten Plan-, Gewinn- und Verlustrechnung von September bis Dezember 2000 und des Liquiditätsplans von September bis Dezember 2000 sowie für die Zeit ab 1. Januar 2001 lässt sich dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen, dass die Erfüllung der Masseverbindlichkeiten wahrscheinlich als die Nichterfüllung war. Auf Seite 20 des Gutachtens vom 29. August 2000 finden sich nur Bemerkungen zur Liquiditätsplanung von September 2000 bis Dezember 2000, die mit der Erwartung eines Überschusses schließen, jedoch keine konkreten Einzelangaben zu Einnahmen und Ausgaben enthalten, die diese Erwartung stützen könnten. Die Plan-, Gewinn- und Verlustrechung sowie der Liquiditätsplan zum Insolvenzgutachten sind nicht zur Akte gelangt, sind aber mit den Anlagen zu dem Beraterbericht der C. identisch, die sich auch im Insolvenzplan des Beklagten vom 15. Mai 2001 wiederfinden. Aus diesen Unterlagen (Anlagen 6, 9 und 10 zum Beraterbericht der C. vom 28. August 2000) lässt sich eine ausreichende nachhaltige Liquidität der Masse und deren nachhaltige Kontrolle indes nicht ablesen. Die einzelnen periodischen Salden schwanken so sehr, dass von einer nachhaltigen Liquidität zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen nicht die Rede sein kann. Dies gilt für die Planungen für das Jahr 2000 ebenso wie für die Zeit danach. So ist dem "Liquiditätsplan 2001" zu entnehmen, dass die Ausgaben der Insolvenzschuldnerin im Januar 2001 die Einnahmen um 1.627.000,00 DM überstiegen. Für Februar wurde zwar ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben von 4.000,00 DM erwartet, im März hingegen wiederum ein Negativsaldo von 459.000,00 DM. Im April sollte es wieder zu einer Überdeckung von 344.000,00 DM kommen, im Mai hingegen wieder wurde ein Übersteigen der Ausgaben über die Einnahmen von 104.000,00 DM erwartet. Die in der Plan-, Gewinn- und Verlustrechnung 2001 ausgewiesenen Betriebsergebnisse geben folgerichtig ein ähnliches Bild, nämlich überwiegend Verluste in so beträchtlicher Höhe, dass die in den einzelnen Zwischenperioden erwarteten Gewinne die negativen Ergebnisse jedenfalls in der ersten Jahreshälfte 2001 nicht aufzufangen vermochten. Wie vor diesem Hintergrund nachhaltige ausreichende Liquidität anzunehmen sein soll, bleibt unklar. Daran ändert auch der vom Beklagten behauptete Kontokorrentrahmen nichts, solange nicht ersichtlich ist, dass dieser Rahmen nicht bereits ausgeschöpft war. Aus den Gutachten des Beklagten und dem Bericht der C. ergeben sich ohnehin nur unzureichende Hinweise darauf, dass die insgesamt erwartete positive Entwicklung überhaupt eintreten konnte. Darüber hinaus durfte sich der Beklagte nicht damit begnügen, zu Beginn seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter Pläne aufzustellen und Liquiditätsübersichten zu errichten, denen es zudem an konkretem Inhalt fehlt. Er war, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, zu einer andauernden Kontrolle der Liquidität verpflichtet (OLG Karlsruhe, ZIP 2003, 267, 269; OLG Hamm, ZIP 2003, 1165, 1167; OLG Celle, ZIP 2003, 587, 588). Dies ist nicht geschehen. Der Vergleich zwischen den Insolvenzplänen vom 28. September 2000 und 15. Mai 2001 ergibt vielmehr, dass der Beklagte seine ursprünglichen Ergebnisse weitgehend unverändert und damit offenbar ungeprüft gelassen hat, obwohl die ursprünglich prognostizierte Entwicklung der Insolvenzschuldnerin ganz offensichtlich nicht wie erwartet eingetreten ist. An Erklärungen des Beklagten, wie und weshalb sich die Liquidität der Masse nicht wie ursprünglich prognostiziert entwickelt hat und weshalb dies nicht vorhersehbar war, fehlt es völlig.

b) Die Klägerin trifft kein die Haftung des Beklagten minderndes Mitverschulden (§ 254 BGB). Sie war nach der konkludenten Erfüllungswahl seitens des Beklagten zur weiteren und andauernden Lieferung von Strom verpflichtet und hätte gegen ihre Vertragspflichten verstoßen, wenn sie diese Lieferung im Hinblick auf die ab April 2001 auftretenden Unregelmäßigkeiten im Zahlungsverhalten der Insolvenzschuldnerin einfach eingestellt hätte. Es kann ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie sich zunächst auf Verhandlungen eingelassen hat. Dabei ging sie offenkundig davon aus, dass es lediglich um die Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe ging. Immerhin hatte ihr der Beklagte - wenn auch als vorläufiger Verwalter - wiederholt mitteilen lassen, die Masse reiche für den Ausgleich der künftigen Stromrechnungen aus und später, als Insolvenzverwalter, über mehrere Monate den damals schon unstreitigen Teil der Forderungen bezahlt. Die Klägerin hat auch nicht zu lange zugewartet. Als die Lieferung für Mai 2001, die am 26. Juni 2001 fällig war, nicht beglichen wurde, wandte sie sich unmittelbar danach mit Schreiben vom 27. Juni 2001 an den Beklagten, der sie daraufhin zu weiteren Stromlieferungen aufforderte.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 3, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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