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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 5 U 158/05
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 115 Abs. 1 | |
InsO § 116 Satz 1 | |
InsO § 129 Abs. 1 | |
InsO § 133 | |
InsO § 133 Abs. 1 | |
InsO § 133 Abs. 2 | |
InsO § 138 Abs. 2 Nr. 1 | |
InsO § 138 Abs. 2 Nr. 2 | |
InsO § 143 | |
InsO § 143 Abs. 1 |
2. Wenn eine Forderung durch eine gleichartige andere Forderung desselben Gläubigers ersetzt wird, ist eine Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
5 U 158/05 OLG Naumburg
verkündet am: 15. Februar 2006
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Braun, der Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger und der Richterin am Amtsgericht Wolter auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2006 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Dezember 2005 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v. H. abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 179.997,85 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz einschließlich der dort ergangenen Entscheidung wird auf das am 06. Dezember 2005 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg Bezug genommen.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiter verfolgt. Er ist der Auffassung, die Zahlungen zu Lasten des Kontokorrentkontos seien gläubigerbenachteiligend erfolgt. Der BGH habe am 07. Februar 2002 (ZIP 2002, 489) entschieden, dass es Gläubiger benachteilige, wenn ein Schuldner mit darlehensweise in Anspruch genommenen Mitteln die Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers erfülle. Die Schuldnerin habe sich in Höhe der Zahlungen auf die anderweitigen Kreditverbindlichkeiten innerhalb des ihr eingeräumten Kontokorrentkredites eines pfändbaren Anspruches begeben. Der Anspruch habe zur Insolvenzmasse gehört. Die Erfüllung von Darlehens- und Zinsforderungen aus der offenen Kontokorrentkreditlinie habe die übrigen Gläubiger benachteiligt. Dass kein Drittgläubiger, sondern die Beklagte selbst in den Genuss der Zahlungen aus der offenen Kreditlinie gekommen sei, sei ohne Bedeutung. Die Erfüllung der nicht mehr werthaltigen Forderungen der Beklagten zum Nennwert sei in gleicher Weise wie die etwaige Erfüllung nicht mehr werthaltiger Forderungen anderer Insolvenzgläubiger gläubigerbenachteiligend.
Auch die am 01. April, 01. Juli und 06. August 2003 erfolgten Zahlungen unter Überziehung der ursprünglich eingeräumten Kreditlinie seien gläubigerbenachteiligend (OLG Stuttgart, EWiR 2005, 479). Zwar mangele es insoweit zunächst an einem zur Insolvenzmasse gehörenden Valutierungsanspruch. Durch die Zulassung der Überziehung werde aber ein Kreditvertrag geschlossen, indem die Bank das in dem Auszahlungsersuchen liegende Darlehensangebot des Kunden durch die Zulassung der Belastung annehme. Insoweit entstehe auch ein der Pfändung unterliegender und mithin der Masse zugehöriger Valutierungsanspruch, der durch die Verfügung über die neu gewährten Kreditmittel zur Erfüllung nicht mehr werthaltiger Forderungen untergehe.
Der Anspruch beschränke sich nicht auf eine Rückbuchung auf das debitorische Kontokorrentkonto. Er habe einen Rückerstattungsanspruch in Höhe der auf die Darlehens- und Zinsforderungen angerechneten Zahlungen. Die Beklagte habe vollwertige Leistungen aus dem Vermögen der Schuldnerin erhalten.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg zu verurteilen, an den Kläger 179.997,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01. September 2004 zu zahlen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Da sämtliche Zahlungen aus einem im Soll geführten Kontokorrentkonto erfolgt seien, fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung. Die Zahlungen hätten die Aktivmasse nicht verkürzt und die Schuldenmasse nicht vermehrt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei nur eine bankinterne Umbuchung erfolgt. Sie habe der Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt darlehensweise Mittel zur Verfügung gestellt, mit denen die Schuldnerin Zahlungsverpflichtungen Dritten gegenüber hätte nachkommen können. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart sei nicht einschlägig. Der dort entschiedene Fall habe Zahlungen an einen vom Kreditinstitut personenverschiedenen Gläubiger betroffen. Durch die Umbuchung vom Kontokorrentkonto auf die Darlehenskonten sei der Schuldnerin keine zur freien Verfügung stehende Liquidität zugeführt worden. Sie habe nur zweckgebundene Verfügungen der Schuldnerin über ihr Kontokorrentkonto zugelassen, die zum Ausgleich der ihr gegenüber bestehenden Darlehensverbindlichkeiten geführt hätten. Diese Umbuchungen für einen bestimmten Zweck seien nicht gläubigerbenachteiligend.
Zudem bestehe kein Auszahlungsanspruch. Der Kläger habe gemäß § 143 InsO - die übrigen Voraussetzungen unterstellt - nur einen Anspruch auf Rückgängigmachung der angefochtenen Rechtshandlung. Da sie die Überziehung des Kontokorrentkredits nur zweckgebunden zur Befriedigung ihrer eigenen Darlehensansprüche zugelassen habe, hätte die Schuldnerin über den Überziehungsbetrag zu keiner Zeit frei verfügen können. Eine Zahlung würde dem Kläger mehr gewähren, als der Schuldnerin bei Nichtvornahme der angefochtenen Rechtshandlung zugestanden hätte.
Zudem habe die Schuldnerin nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt. Ihr sei ein solcher Vorsatz der Schuldnerin auch nicht bekannt gewesen. Sie habe nur kongruente Deckungen erlangt und nie mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gedroht. Die Zahlungen seien nicht unter Druck erfolgt. In Höhe von 79.897,85 EUR handele es sich um Zinszahlungen, die eine Gegenleistung der Schuldnerin für die ihr gewährten Kredite und als Bargeschäft nicht anfechtbar gewesen seien.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1, 517, 519 f. ZPO), aber nicht begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus § 143 Abs. 1 InsO nicht zu. Die in der Zeit vom 9. Januar 2003 bis zum 6. August 2003 erfolgten Umbuchungen von ihrem Kontokorrentkonto der Schuldnerin auf die Investitionskreditkonten bei der Beklagten in Höhe von insgesamt 179.897,85 € sind nicht anfechtbar.
Soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe die Konten - gemeint ist offenbar das Kontokorrentkonto - am 1. April 2003 mit 16.939,13 € und 23.975,35 € belastet, nachdem sie das Ratenzahlungsbegehren der Schuldnerin abgelehnt habe, ist schon eine Rechtshandlung der Schuldnerin i. S. d. § 133 InsO nicht ersichtlich. Aber auch soweit die Beklagte die Kontenbelastungen auf Anweisung der Schuldnerin vorgenommen hat, liegen Anfechtungsgründe nicht vor.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Zins- und Tilgungsleistungen nicht gemäß § 133 Abs. 2 InsO anfechtbar. Es handelt sich hierbei nicht um von der Schuldnerin mit einer nahestehenden Person geschlossene entgeltliche (Erfüllungs-)Verträge. Die Beklagte als Hausbank der Schuldnerin ist schon keine ihr nahestehende Person i.S. § 133 Abs. 2 InsO. Sie ist keine Gesellschaft gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Zwar hat sie die Möglichkeit, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin zu unterrichten. Diese Möglichkeit erwächst aber nicht aus einer gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zur Schuldnerin, die gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO der der Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftender Gesellschafter einer Schuldnerin sowie der Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital einer Schuldnerin beteiligt sind, vergleichbar wäre. Die durch die geschäftliche Beziehung begründete Stellung der Beklagten als Hausbank der Schuldnerin fällt nicht unter § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO (BGH WM 1998, 304).
Die Überweisungen der Schuldnerin von dem Kontokorrentkreditkonto auf die Investitionskreditkonten bei der Beklagten sind auch nicht gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Sie haben die übrigen Gläubiger der Schuldnerin nicht gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt. Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen setzt voraus, dass ihr Gegenstand ohne die angefochtene Rechtshandlung dem Zugriff der Insolvenzgläubiger offen gestanden, also zum haftenden Vermögen der Schuldnerin gehört hätte (BGHZ 72, 39). Durch die Überweisungen von dem Kontokorrentkreditkonto der Schuldnerin bei der Beklagten auf die ebenfalls bei der Beklagten geführten Darlehenskonten hat sich die Befriedigungsmöglichkeit der übrigen Gläubiger der Schuldnerin dann verschlechtert, wenn die Forderungen der Beklagten aus haftendem Vermögen der Schuldnerin getilgt worden sind und nicht alle Gläubiger befriedigt werden. Das Schuldnervermögen reicht nicht zur Befriedigung aller Gläubiger aus. Hierfür spricht schon die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Die verbliebene Befriedigungsmöglichkeit hat sich aber durch die angefochtenen Rechtshandlungen der Schuldnerin nicht verändert. Zwar bewirkt regelmäßig die Erfüllung einer Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers mit darlehensweise in Anspruch genommenen Mitteln eine Gläubigerbenachteiligung, wenn das Schuldnervermögen nach der Verfahrenseröffnung nicht ausreicht, um alle Forderungen zu befriedigen (BGH ZIP 2002, 489). Die Tilgung der Investitionsdarlehensforderungen erfolgte hier aber unmittelbar durch Umbuchungen vom Kontokorrentkreditkonto der Schuldnerin bei der Beklagten auf die Darlehenskonten bei der Beklagten. Eine Gläubigerbenachteiligung bestünde nur dann, wenn die Beklagte hierdurch auf Kosten der Insolvenzmasse besser gesichert worden wäre. Dass die Beklagte als Gläubigerin der durch die Zahlungen entstandenen Kontokorrentkreditforderungen besser gesichert worden wäre als in ihrer Stellung als Gläubigerin der getilgten Investitionskreditforderungen trägt der Kläger nicht vor. Wenn aber nur die eine Forderung durch eine gleichartige andere Forderung desselben Gläubigers ersetzt wird, ist eine Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben. Sowohl bei den Buchungen innerhalb der offenen Kontokorrentkreditlinie als auch bei denen über den ursprünglich eingeräumten Kontokorrentkreditrahmen hinaus standen die Mittel der Schuldnerin nicht wie bei einer Barabwicklung zur freien Verfügung. Die Umbuchungen innerhalb des Hauses der Beklagten von dem Kontokorrentkreditkonto auf die Investionsdarlehenskonten stehen einer Auszahlung wirtschaftlich nicht gleich. Die Beklagte hat der Schuldnerin die Mittel nicht zur freien Verfügung gestellt.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin mit den Überweisungen vom Kontokorrentkonto auf die Darlehenskonten die Benachteiligung anderer Gläubiger billigend in Kauf genommen hätte. Erst recht fehlt es an der Kenntnis der Beklagten von einer etwaigen Gläubigerbenachteiligungsabsicht.
Selbst eine absichtliche Gläubigerbenachteiligung unterstellt, bestünde kein Zahlungsanspruch des Klägers. Es müßte gemäß § 143 Abs. 1 InsO nur das zur Insolvenzmasse zurückgegeben werden, was aus dem Vermögen der Schuldnerin veräußert, weg- oder aufgegeben worden ist. Bei erfolgreicher Anfechtung der bankinternen Buchungen bestünde mangels Kreditgewährung kein Auszahlungsanspruch. Vor den Buchungen war nur die Kontokorrentkreditlinie eingeräumt. Die Ansprüche eines Schuldners gegen die Bank aus einem Kontokorrentkreditvertrag sind grundsätzlich pfändbar, soweit der Bankkunde den Kredit in Anspruch nimmt (BGHZ 147, 193). Der Kontokorrentvertrag aber endete gemäß §§ 116 Satz 1, 115 Abs. 1 InsO spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 3, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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