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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.11.2001
Aktenzeichen: 5 W 109/01
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 795
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 727 Abs. 1
ZPO § 793 Abs. 1
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 2
RPflG § 11 Abs. 1
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 14 Abs. 1
Offenkundig (§ 291 ZPO) ist eine Tatsache, wenn sie allgemeinkundig oder jedenfalls gerichtskundig ist (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 291 Rn. 1 und 2).

Ersteres setzt voraus, dass sie Tatsache einem beliebig großen Personenkreis bekannt ist oder von jedermann ohne besonderes Fachwissen auf einfache Weise, etwa anhand allgemein zugänglicher Publikationen zur Kenntnis genommen werden kann (MK-Prütting, ZPO, § 291 Rn. 7; Musielak-Huber, ZPO, § 291 Rn. 1; Stein-Jonas-Leipold, a. a. O., § 291 Rn. 2). Dies ist bei der Bestallung eines Konkursverwalters auch dann nicht der Fall, wenn sie im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde. Bei dem Bundesanzeiger handelt es sich weder um eine Zeitschrift, deren Inhalt in das allgemeine Bewusstsein zu dringen pflegt, noch um ein Nachschlagewerk, in dem eine bestimmte Bekanntmachung auf einfache Weise aufzufinden ist.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

5 W 109/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 23. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wegehaupt und die Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des weiteren Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Dessau vom 11. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.

Der weitere Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 26.031,33 DM.

Gründe:

A.

Die Klägerin erwirkte am 12. Oktober 1995 ein Teil- Versäumnis- und Schlussurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau, mit dem die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 24.501,33 DM nebst Zinsen zu zahlen. Ferner setzte das Landgericht die auf Grund dieses Urteils von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten am 25. November 1996 auf 1.529,64 DM nebst Zinsen fest.

Der weitere Beteiligte macht geltend, das Amtsgericht Augsburg habe am 2. Januar 1998 das Konkursverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und ihn zum Konkursverwalter ernannt. Er hat um die Erteilung auf ihn umgeschriebener vollstreckbarer Ausfertigungen des Teil- Versäumnis- und Schlussurteils vom 12. Oktober 1995 und des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 25. November 1996 gebeten und hierzu die unbeglaubigte Ablichtung einer Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses vom 2. Januar 1998 vorgelegt. Das Landgericht hat ihn mit Verfügungen vom 12. Juli und 20. September 2001 aufgefordert, eine beglaubigte Ablichtung seiner Bestallungsurkunde beizubringen. Dies hat der weitere Beteiligte verweigert, weil die Bestallung seiner Ansicht nach durch ihre Bekanntmachung im Bundesanzeiger offenkundig geworden ist.

Das Landgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 11. Oktober 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Eigenschaft des weiteren Beteiligten als Konkursverwalter der Klägerin weder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen, noch offenkundig sei.

Gegen diesen, ihm am 24. Oktober 2001 zugestellten Beschluss hat der weitere Beteiligte am 13. Juli 2001 einen unbenannten Rechtsbehelf eingelegt. Er vertritt weiterhin die Ansicht, dass seine Bestallung allgemeinkundig, wenigstens aber gerichtskundig sei. Auf die Beschwerdeschrift wird im Übrigen Bezug genommen (Bl. 88 bis 91 d.A.).

Das Landgericht hat es mit Beschluss vom 7. November 2001 abgelehnt, dem Rechtsbehelf des weiteren Beteiligten abzuhelfen.

B.

Der Rechtsbehelf des weiteren Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Dessau vom 11. Oktober 2001 ist als einfache Beschwerde (§ 567 Abs. 1 ZPO) auszulegen. Angefochten wird die Entscheidung der Rechtspflegerin über einen Antrag auf Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen gemäß §§ 727 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 ZPO. Derartige Entscheidungen unterliegen nicht der sofortigen Beschwerde nach § 793 Abs. 1 ZPO, denn sie ergehen nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren. Die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung, die den Gegenstand des Verfahrens bildet, ist nämlich nicht Bestandteil der Zwangsvollstreckung, sondern deren Voraussetzung (§§ 704 Abs. 1, 724 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 ZPO). Gegen die Zurückweisung des Gesuchs um Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung steht dem Antragsteller daher gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1 ZPO die einfache Beschwerde zu (Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 724 Rn. 14).

Es scheint bereits zweifelhaft, ob der weitere Beteiligte das für jede Anrufung der Gerichte und daher auch für die Beschwerde nötige Rechtsschutzbedürfnis hat.

Niemand darf die Gerichte unnütz und zweckwidrig bemühen (BGH NJW 1970, 2023 f.; 1978, 2031 f.). Daher stehen die in der Zivilprozessordnung vorgesehen Rechtsbehelfe nur demjenigen offen, der nicht auf einfachere Weise sein Ziel zu erreichen vermag. Allein zur Beharrung auf Rechtsansichten dienen sie nicht.

Die von ihm erstrebten Titelumschreibungen hätte der weitere Beteiligte jederzeit, auch nach der mit dem angefochtenen Beschluss erfolgten Zurückweisung seines Gesuches, durch die Beibringung einer öffentlich beglaubigten Ablichtung seiner Bestallungsurkunde (§ 81 Abs. 2 KO) erreichen können. Nichts deutet darauf hin, dass dies für ihn mit nennenswerten Schwierigkeiten verbunden und insbesondere wenigstens ebenso aufwendig wie die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens wäre.

Letztlich kann dies aber dahinstehen, denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

In entsprechender Anwendung des § 727 Abs. 1 ZPO kann der Konkursverwalter die Umschreibung der von dem Gemeinschuldner erwirkten Vollstreckungstitel über dessen konkursbefangenes Vermögen (§ 1 KO) auf sich als Partei kraft Amtes beantragen (Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 727 Rn. 26 m. w. Nachw.). Den dazu erforderlichen Nachweis seiner Bestallung zum Konkursverwalter durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden hat der weitere Beteiligte nicht erbracht. Dieser Nachweis ist auch nicht etwa wegen Offenkundigkeit der Bestallung entbehrlich.

Offenkundig (§ 291 ZPO) ist eine Tatsache, wenn sie allgemeinkundig oder jedenfalls gerichtskundig ist (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 291 Rn. 1 und 2).

Ersteres setzt voraus, dass sie Tatsache einem beliebig großen Personenkreis bekannt ist oder von jedermann ohne besonderes Fachwissen auf einfache Weise, etwa anhand allgemein zugänglicher Publikationen zur Kenntnis genommen werden kann (MK-Prütting, ZPO, § 291 Rn. 7; Musielak-Huber, ZPO, § 291 Rn. 1; Stein-Jonas-Leipold, a. a. O., § 291 Rn. 2). Dies ist bei der Bestallung eines Konkursverwalters auch dann nicht der Fall, wenn sie im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde. Bei dem Bundesanzeiger handelt es sich weder um eine Zeitschrift, deren Inhalt in das allgemeine Bewusstsein zu dringen pflegt, noch um ein Nachschlagewerk, in dem eine bestimmte Bekanntmachung auf einfache Weise aufzufinden ist. Die Mitteilung über die Eröffnung eines Konkursverfahrens lässt sich allein anhand des Namens des Gemeinschuldners kaum entdecken und würde womöglich die Durchsicht mehrerer Jahrgänge des Bundesanzeigers erfordern. Zwar lässt sich der Umfang der Nachforschungen eingrenzen, wenn der Tag der Konkurseröffnung bekannt ist. Auch dann müssen jedoch unter Umständen mehrere Ausgaben des Bundesanzeigers gelesen werden, weil der Eröffnungstag nichts darüber besagt, in welcher Ausgabe die Bekanntmachung erfolgt ist. Zudem darf hierauf für die Frage der Allgemeinkundigkeit nicht abgestellt werden, weil bereits die Tatsache der Eröffnung und daher erst Recht der Eröffnungstag nicht allgemein bekannt ist.

Gerichtskundig ist nur, was der zur Entscheidung berufene Richter oder Rechtspfleger infolge seiner amtlichen Tätigkeit positiv weiß. Dass er die Tatsache durch Aktenstudium feststellen könnte, genügt nicht, zumal wenn die Akten - wie hier - nicht bei dem betreffenden Gericht geführt werden (Baumbach-Lauterbach, ZPO; 60. Aufl., § 291 Rn. 5; MK-Prütting, a. a. O., Rn. 9). Auf amtliche Kenntnis der Rechtspflegerin beim Landgericht Dessau von der Bestallung des weiteren Beteiligten zum Konkursverwalter deutet nichts hin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über den Wert des Beschwerdeverfahrens auf §§ 3 ZPO, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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