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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 07.09.2001
Aktenzeichen: 5 W 88/01
Rechtsgebiete: ZPO, GesO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 567 Abs. 3 Satz 2
GesO § 1 Abs. 3
Rechtsmitelbelehrungen sind im Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - weder vorgeschrieben, noch allgemin üblich. Vielmehr obliegt es den Beteiligten selbst, sich ggfls. unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe über die Anfechtungsmöglichkeiten und die dabei zu beachtenden Formen und Fristen einschließlich des Fristbeginns zu unterrichten (BVerfG NJW 1995, 3173; BGH FamRZ 1991, 425 m. w. Nachw.). Verzichtet ein Beteiligter auf die Einholung fachkundigen Rates, weil er sich selbst hinreichend kundig wähnt, ist eine dadurch bedingte Fristversäumung nicht unverschuldet im Sinne des § 233 ZPO.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

5 W 88/01 OLG Naumburg

In dem Gesamtvollstreckungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 7. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, die Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger und den Richter am Amtsgericht Henss beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Landgerichts Halle vom 1. August 2001 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligte zu 2. trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 600,-- DM.

Gründe:

A.

Mit Beschluss vom am 30. April 1992 eröffnete das Amtsgericht Halle-Saalkreis das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und bestellte den Beteiligten zu 1. zum Verwalter. Ferner bestimmte das Gericht, dass Forderungen bis zum 3. August 1992 bei dem Verwalter anzumelden seien und beraumte für den 7. September 1992 einen Termin zur Prüfung der angemeldeten Forderungen an. Der Beschluss einschließlich der Fristen und Termine wurde alsbald im Bundesanzeiger und in der Mitteldeutschen Zeitung veröffentlicht.

Am 13. Oktober 1992 und am 23. November 1994 meldete die Beteiligte zu 2. Forderungen in Höhe von insgesamt 2.164.549,34 DM bei dem Verwalter an. Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Halle-Saalkreis hat es mit Beschluss vom 23. Mai 2001 abgelehnt, der Aufnahme der verspätet angemeldeten Forderungen der Beteiligten zu 2. in die Tabelle zuzustimmen.

Gegen diesen, ihr am 31. Mai 2001 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2. am 3. Juli 2001 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Halle hat dieses Rechtsmittel am 9. Juli 2001 wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Die Beteiligte zu 2., der dieser Beschluss am 20. Juli 2001 zugestellt worden ist, hat am 30. Juli 2001 um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beamte, dem sie die Bearbeitung dieses Verfahrens übertragen habe, sei zwar über die Dauer der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde unterrichtet, habe aber auf Grund seiner Erfahrungen im Verwaltungsprozessrecht irrtümlich angenommen, die Frist sei mangels Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht durch die Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses in Gang gesetzt worden. Dieser Irrtum gereiche ihm nicht zum Verschulden, weil er als Diplom-Verwaltungswirt keine Ausbildung genossen habe, die zur Vermeidung eines solchen Irrtums genügende Kenntnisse im Zivilprozessrecht vermittele.

Das Landgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch durch Beschluss vom 1. August 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt, dass die Beteiligte zu 2. die Versäumung der Beschwerdefrist verschuldet habe, weil ihr die Übertragung der Sache an einen Beamten ohne hinreichende verfahrensrechtliche Kenntnisse vorzuwerfen sei und dass sie sich das Verschulden ihres Beamten, den sein Rechtsirrtum nicht entlasten könne, ebenfalls zurechnen lassen müsse .

Gegen diese Entscheidung, die ihr nicht zugestellt worden ist, hat die Beteiligte zu 2. am 3. September 2001 Beschwerde eingelegt. Sie macht weiterhin geltend, dass sie die Versäumung der Beschwerdefrist nicht zu vertreten habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 30. August 2001 verwiesen (Bl. 104 bis 111 Bd. VII d.A.).

B.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Landgerichts Halle vom 1. August 2001 ist unstatthaft, denn ablehnende Entscheidungen über Wiedereinsetzungsgesuche, die das Landgericht - wie hier - im Beschwerdeverfahren getroffen hat, sind gemäß § 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO grundsätzlich nicht der Beschwerde zugänglich (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 238 Rn. 17). Ein Fall der in § 567 Abs. 3 Satz 2 ZPO vorgesehenen Ausnahmen von diesem Grundsatz ist nicht gegeben.

Davon abgesehen ist die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch sachlich nicht zu beanstanden. Die Beteiligte zu 2. hat hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 85 Abs. 2 ZPO für das Verschulden des Beamten einzustehen, den sie mit der Bearbeitung der Sache und der Vornahme der nötigen Prozesshandlungen betraut hatte. Diesen Beamten entlastet sein Rechtsirrtum über den Beginn der Frist nicht. Für den Lauf der Beschwerdefrist ist es ohne Bedeutung, dass dem angefochtenen Beschluss keine Rechtsmittelbelehrung beigegeben war. Rechtsmittelbelehrungen sind im Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - weder vorgeschrieben, noch allgemein üblich. Vielmehr obliegt es den Beteiligten selbst, sich ggfls. unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe über die Anfechtungsmöglichkeiten und die dabei zu beachtenden Formen und Fristen einschließlich des Fristbeginns zu unterrichten (BVerfG NJW 1995, 3173; BGH FamRZ 1991, 425 m. w. Nachw.). Verzichtet ein Beteiligter auf die Einholung fachkundigen Rates, weil er sich selbst hinreichend kundig wähnt, ist eine dadurch bedingte Fristversäumung nicht unverschuldet im Sinne des § 233 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1 Abs. 3 GesO, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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