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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: 6 U 130/03
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 36
Es stellt eine Amtspflichtverletzung dar, wenn eine Gemeinde ihr Einvernehmen i. S. v. § 36 BauGB zu Unrecht versagt. Die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Versagung in einem darüber geführten Verwaltungsrechtstreit bindet das Zivilgericht, das über den Amtshaftungsanspruch zu entscheiden hat.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 130/03 OLG Naumburg

verkündet am: 14.09.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht v. Harbou, den Richter am Oberlandesgericht Rüge und den Richter am Oberlandesgericht Handke auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. September 2003 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 280.570,91 € (in Worten: Zweihundertachtzigtausend Fünfhundertsiebzig 91/100 Euro) nebst Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2003 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage und Berufung werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat 75 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dem Kläger fallen 25 % der Kosten des Rechtsstreits und 25 % der Kosten des Streithelfers zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und der Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des Geldbetrages, der auf Grund dieses Urteils vollstreckt wird, abwenden.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der beklagten Gemeinde Schadensersatz, weil sie nach seiner Meinung eine ihm gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt habe. Die Gemeinde hätte rechtswidrig ihr Einvernehmen nach § 36 Baugesetzbuch (BauGB) versagt, als er bei der höheren Verwaltungsbehörde die Genehmigung zur Errichtung einer Schweinemastanlage beantragt habe.

Der Kläger erwarb Anfang 1993 eine Anlage zur Haltung von 2000 Mastbullen. Diese Anlage war im Oktober 1975 in Betrieb genommen worden. Statt der Mastbullen hielt der Kläger darin etwa 2100 Mastschweine.

Am 20. Dezember 1995 beantragte er beim damals zuständigen Regierungspräsidium Magdeburg die Genehmigung, 4800 Schweine in dem Betrieb mästen zu dürfen. Das Regierungspräsidium lehnte mit Bescheid vom 20. November 1996 den Antrag auf Umnutzung ab. Die Beklagte hatte nämlich mit Beschluss vom 25. April 1996 ihr Einvernehmen versagt (siehe dazu nähere Begründung im Bescheid vom 20. November 1996, Seite 4 bis Seite 5, Bd. I Bl. 71 bis 72).

Durch Urteil vom 8. Dezember 1999 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg das Regierungspräsidium Magdeburg "über den Antrag des Klägers auf Genehmigung der Umnutzung der Bullenmastanlage mit 2000 Stallplätzen in eine Anlage zur Mast von Schweinen mit 4800 Mastplätzen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden." (siehe Verwaltungsgericht Magdeburg, Urteil vom 8. Dezember 1999 - Az.: A1 K 421/97 - Blatt 47 - 59 d. Beiakten). Nach den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils hat die im Verwaltungsprozess beigeladene Beklagte ihr gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB zu Unrecht versagt. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Am 29. März 2001 erteilte das Regierungspräsidium Magdeburg dem Kläger die Genehmigung zur Mast von 4000 Schweinen, nachdem der Kläger die beantragte Anzahl von Schweinemastplätzen entsprechend verringert hatte. Seit dem 20. Dezember 2001 betreibt der Kläger die Mastanlage in dem genehmigten Umfang.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er den Betrieb der Schweinemastanlage am 20. August 1997 hätte aufnehmen können, wenn die Beklagte die Genehmigung nicht versagt hätte. Wenn nämlich die Beklagte ihr Einvernehmen erklärt hätte, hätte der Streithelfer am 20. November 1996 die Genehmigung erteilt. Nach Erteilung der Genehmigung zu einer derartigen Mastanlage müsse man mit einer 9-monatigen Anlaufphase rechnen. Für den Zeitraum des fiktiven Mastbeginns am 20. August 1997 bis zur tatsächlichen Inbetriebnahme der Schweinemastanlage am 20. Dezember 2001 errechnet er den Schaden in Höhe von 377.302,00 Euro. Wegen der Einzelheiten verweist der Kläger auf das von ihm eingeholte schriftliche Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen W. Sch. vom 14. Januar 2002 (siehe Bd. I Blatt 13 bis 31).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 377.302,00 Euro nebst Zinsen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte und der Streithelfer haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beklagte Gemeinde hat die Auffassung vertreten, dem Urteil des Verwaltungsgerichts komme insoweit keine Bindungswirkung zu, als dessen Entscheidungsgründe nicht an der Wirkung der Rechtskraft teilnähmen. Außerdem sei das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Abstandes der Schweinemastanlage zur Wohnbebauung von falschen tatsächlichen Grundlagen ausgegangen. Sie - die Beklagte - hätte nämlich in Wahrheit ihr gemeindliches Einvernehmen zu Recht versagt.

Da der Kläger nach der tatsächlich erteilten Genehmigung keinen Anspruch auf den Betrieb einer Mastanlage für 4.800 Schweine gehabt hätte, sei die Versagung des Einvernehmens nicht ursächlich für den behaupteten Schaden des Klägers. Die Beklagte bestreitet die Höhe des geltend gemachten Schadens. Sie meint, die Bezugnahme auf das Privatgutachten ersetze nicht einen vereinzelten Vortrag zur Schadenshöhe. Außerdem sei das Zahlenwerk des Privatgutachters nicht nachvollziehbar. Schließlich könne ihr nicht angelastet werden, das der Kläger eine so lange Zeit zwischen der Verkündung des verwaltungsgerichtlichen Urteils, der Genehmigung durch den Streithelfer und der Inbetriebnahme der vergrößerten Schweinemastanlage habe verstreichen lassen.

Durch das am 3. September 2003 verkündete Urteil hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Die Beklagte sei - wenn man die VDI-Richtlinie 3471 zugrunde legte - berechtigt gewesen, ihr Einvernehmen zum Betrieb einer Anlage mit 4.800 Mastschweinen zu versagen. Die gegenteiligen Feststellungen des Verwaltungsgerichts gingen von unzutreffenden Voraussetzungen aus und seien damit nicht bindend. Es sei nicht von einer Entfernung zwischen der Mastanlage des Klägers und der nächsten Wohnbebauung von etwa 2,8 km auszugehen, sondern von einer Entfernung von etwa 400 m bis 500 m. Nach immissionsrechtlichen Gesichtspunkten sei die Beklagte berechtigt gewesen, ihr Einvernehmen für die Schweinemastanlage von 4.800 Schweinen zu versagen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Versagung hätte differenziert werden müssen, weil der Kläger möglicherweise auch mit einer geringeren Schweinemast einverstanden gewesen wäre. Das sei insbesondere im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg auch nicht vorgetragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 3. September 2003 Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er verweist auf die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Urteile sowie auf den Unterschied zwischen "schlichter Wohnbebauung" und "qualifizierter Ortslage". Außerdem sei bei dörflicher Wohnbebauung der Mindestabstand zu halbieren.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage gemäß seinem erstinstanzlichen Antrag stattzugeben.

Die Beklagte und der Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bringt ergänzend vor, es handele sich nicht um ein Dorf -, sondern um ein allgemeines Wohngebiet. Auf dem Nachbargrundstück "H. ", das nur etwa 190 m von der Schweinemastanlage entfernt sei, befinde sich eine Einliegerwohnung.

Der Senat hat den Zeitraum vom 10. Mai 1998 bis zum 20. Dezember 2001 als maßgeblich angesehen, um den eventuell entgangenen Gewinn des Klägers zu berechnen. Zur Berechnung des eventuell entgangenen Gewinnes hat der Senat den amtlich anerkannten landwirtschaftlichen Sachverständigen, den Steuerberater und Dipl.-Agrar-Ingenieur U. B. bestellt. Auf das schriftliche Gutachten vom 25. November 2004 und auf das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2005 wird verwiesen. Der Sachverständige hat seine schriftlichen Gutachten im Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 5. August 2005 näher erläutert.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten den entgangenen Gewinn in Höhe von 280.570,91 Euro als Schadensersatz gem. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG verlangen, weil die beklagte Gemeinde fahrlässig die dem Kläger gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat, indem sie ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB zu Unrecht versagt hat. Die zuständigen Amtsträger einer Gemeinde verletzen einem Bauwilligen gegenüber ihre Amtspflichten aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie das nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche Einvernehmen zu einem Bauvorhaben verweigern, obwohl das Vorhaben zulässig war (vgl. BGH, BauR 1984, 498 f.; BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1987, Az.: III ZR 251/86; BGH Urteil vom 21. Mai 1992, Az.: III ZR 14/91, in BGHZ 118, 263 bis 275; recherchiert über juris; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Oktober 1989, Az.: 1 U 67/89, in Agrar-Recht 1991, 253, 254).

1.1. Mit dem einstimmig gefassten Beschluss vom 25. April 1996 haben die Gemeinderatsmitglieder der beklagten Gemeinde ihre Amtspflichten verletzt. Sie haben ihr Einvernehmen gem. § 36 Abs. 1 BauGB zu Unrecht versagt. Das steht nach den bindenden Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 8. Dezember 1999 fest. Die Feststellungen dieses Urteils und die verwaltungsgerichtliche Bewertung binden das Zivilgericht. Wenn im Verwaltungsprozess über den Streitgegenstand entschieden worden ist, bindet das rechtskräftige Urteil die Beteiligten. Das ergibt sich aus § 121 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 63 VwGO. Die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils bewirkt darüber hinaus, dass die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess zwischen den Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gebunden sind. Das entspricht der höchstrichterlichen und der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. dazu die Entscheidung zur Haftung bei Amtspflichtverletzung, wenn Schweinemastanlagen nicht genehmigt worden waren, weil das gemeindliche Einvernehmen versagt worden war BGH, Urteil vom 14. Juni 1984, Az.: III ZR 68/83 in BauR 1984, 498 bis 500 oder MDR 1985, 123; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1987, Az.: III ZR 251/86; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2000, Az.: III ZR 119/00 in BauR 2001, 932 bis 934; BGH, Urteil vom 21. November 2002, Az.: III ZR 278/01, BauR 2003, 364 bis 365; OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Oktober 1989, Az.: 1 U 67/89, Agrarrecht 1991, 253 bis 254; OLG München, Urteil vom 27. Januar 2000, Az.: 1 U 2766/99, IBR 2001, 236; die Entscheidungen und die Fundstellen sind recherchiert nach juris).

1.2. Die Bindung an das verwaltungsgerichtliche Urteil entfällt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht den Beklagten des Verwaltungsprozesses nur dazu verpflichtet hat, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes neu zu entscheiden. In der Regel ist es allerdings richtig, dass die Entscheidungsgründe eines Urteils nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 121 Rn. 5; vgl. Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 839 Rn. 87). Die Rechtskraft eines Urteils, durch das das Verwaltungsgericht gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO die Verpflichtung ausgesprochen hat, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, umfasst sowohl die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zur Neubescheidung als auch die Verpflichtung, die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten. Da sich die Rechtsauffassung des Gerichts jedoch nicht aus der Urteilsformel selbst entnehmen lässt, ergibt sich die Bindungswirkung und damit der Umfang der materiellen Rechtskraft logischer Weise aus den Entscheidungsgründen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 1995 in NJW 1996, 737, 738 zum Umfang der materiellen Rechtskraft eines Bescheidungsurteils; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. November 1994 in NVwZ 1996, 66; vgl. OLG München, a.a.O.). Das Bescheidungsurteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 8. Dezember 1999 bindet nicht nur den Streithelfer, sondern auch die beklagte Gemeinde, weil die Beklagte im Verwaltungsprozess gem. §§ 63 Nr. 3, 65 VwGO beigeladen worden war. Die Beklagte kann und darf sich deshalb im Amtshaftungsprozess nicht darauf berufen, das Verwaltungsgericht Magdeburg habe bestimmte tatsächliche Umstände, wie zum Beispiel die Abstände zur Wohnbebauung unrichtig festgestellt oder die festgestellten Tatsachen rechtlich fehlerhaft bewertet. Abgesehen davon hat die Verwaltungsgemeinschaft Stadt St. mit Schreiben vom 17. April 1995 dem Regierungspräsidium Magdeburg mitgeteilt: "Die Abstände zur Wohnbebauung betragen in Richtung Wohnhäuser A. Straße ca. 2800 (m)" (siehe das Schreiben vom 17. April 1995, Anlage K 8 zum Schriftsatz des Klägers vom 3. Mai 2003, Bd. I Blatt 79). Schließlich hat der Kläger in der Berufungsbegründung zutreffend darauf hingewiesen, das nur die qualifizierte Ortslage in den gemeindlichen Planungs-Kompetenzbereich fällt. Der nach den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften erforderliche Abstand zu schlichter Wohnbebauung unterliegt hingegen dem Kompetenzbereich des Streithelfers. Aus dem Vorbringen der Parteien ist zu schließen, dass es sich bei den Gebäuden, welche die Beklagte für ihre Abstandsberechnung herangezogen hat, um eine so genannte schlichte Wohnbebauung handelt.

Aber selbst wenn die Beklagte meint, dass das Verwaltungsgericht diese Umstände, die den maßgeblichen Abstand betreffen, rechtlich unrichtig bewertet haben sollte, hätte sie dieses als Beigeladene im Verwaltungsprozess vorbringen müssen. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten war es in erster Linie ihre eigene Aufgabe und nicht diejenige des Regierungspräsidiums Magdeburg, die vom Verwaltungsgericht zugrunde zu legenden Abstände zur Wohnbebauung eventuell richtig zu stellen.

Die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts würde nur dann entfallen, wenn sich die maßgeblichen Abstände zwischen der Mastanlage und der Wohnbebauung nach Verkündung des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg geändert hätten (vgl. Kopp, a.a.O., § 121 Rn. 21 a und Rn. 28). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

1.3. Die Mitglieder des Gemeinderates haben schuldhaft gehandelt, als sie durch Beschluss vom 25. April 1996 das Einvernehmen gem. § 36 BauGB versagt haben. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat im Urteil vom 14. Juni 1984, Az.: III ZR 68/83, Rechtsgrundsätze zur Verschuldensfrage aufgestellt. Danach müssen sich die Mitglieder von Gemeinderäten auf ihre Entschließungen nach § 36 Abs. 1 BauGB sorgfältig vorbereiten. Falls ihnen die eigene Sachkunde zum Beispiel zu Fragen der umweltschädlichen Auswirkungen des Vorhabens fehle, müssen sie den Rat ihrer Verwaltung oder die Empfehlungen von sonstigen Fachbehörden einholen. Der BGH verlangt, dass sie notfalls sogar außerhalb der Verwaltung stehende Sachverstände hinzu zu ziehen haben (siehe BGH in BauR 1984, 498, 499). Diesen Sorgfaltsanforderungen ist der Gemeinderat der beklagten Gemeinde nicht gerecht geworden. Auch im Berufungsrechtszug hat die Beklagte keine näheren Einzelheiten dafür vorgetragen, dass ihr Gemeinderat vor Abfassung des Beschlusses vom 25. April 1996 die verkehrserforderliche Sorgfalt eingehalten hat.

1.4. Die Amtspflichtverletzung, nämlich die Versagung des Einvernehmens gem. § 36 Abs. 1 BauGB, ist auch ursächlich für den eingetretenen Schaden gewesen. Die Beklagte kann die Ursächlichkeit auch nicht mit dem Argument verneinen, dass nicht die ursprünglich vom Kläger beantragten 4.800 Mastplätze für Schweine, sondern nur 4.000 Mastplätze genehmigungsfähig gewesen wären. Ziel der Beklagten war es von vornherein, die Erweiterung des klägerischen Betriebes von ca. 2.100 Tierplätzen nicht mehr auf die letztlich genehmigten 4.000 Plätze zu begrenzen, sondern der Beklagten ging es offensichtlich darum, die Vergrößerung des Schweinemastbetriebes gänzlich zu verhindern. Anderenfalls hätte sie spätestens im Berufungsrechtzug klar zum Ausdruck bringen müssen, mit welcher verringerten Stallgröße sie einverstanden gewesen wäre (vgl. BGH, BauR 1984, 498, 500). Die Schlussfolgerung des Landgerichts, es wäre nicht ersichtlich, dass der Kläger möglicherweise auch mit einer geringeren Schweinemast einverstanden gewesen wäre, wird gerade dadurch widerlegt, dass der Kläger seinen Antrag nach der Verkündung des verwaltungsgerichtlichen Urteils von 4.800 auf 4.000 Mastplätze zurückgenommen hat. Aus diesem Verhalten des Klägers ist zu schließen, dass er seinen Antrag um 800 Mastplätze verringert hätte, falls die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie dann ihr Einvernehmen erteilen würde.

2. Der Umfang des Schadensersatzes, den die Beklagte dem Kläger zu leisten hat, bestimmt sich nach §§ 249, 252 BGB. Grundsätzlich muss derjenige, der Schadensersatz zu leisten hat, den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der zu ersetzende Schaden umfasst nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt nach § 252 BGB der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Für die Höhe des hier zu leistenden Schadensersatzes ist also darauf abzustellen, welchen Gewinn der Kläger bei Umnutzung der Anlage zur Mast von 4.000 Schweinen hätte erwarten können. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kommt es zur Beantwortung dieser Frage darauf an, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers genommen hätten und wie dann die Vermögenslage des Geschädigten wäre (vgl. BGH in BauR 2001, 932, 933).

2.1. Falls die Gemeinde am 25. April 1996 ihr Einvernehmen erteilt hätte, kann man nicht davon ausgehen, dass das Regierungspräsidium Magdeburg dann schon mit dem Bescheid vom 20. November 1996 die Genehmigung erteilt hätte. Nachdem die Beklagte ihr Einvernehmen versagt hatte, war das Regierungspräsidium Magdeburg daran gebunden. Wenn nämlich die Gemeinde ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 BauGB versagt, konnte und durfte vor dem 1. Januar 1998 die höhere Verwaltungsbehörde das Einvernehmen der Gemeinde nicht ersetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1986, Az.: 4 C 43/83, BauR 1986, 425 bis 428; BGH, Urteil vom 21. Mai 1992, Az.: III ZR 14/91, BGHZ 118, 263 bis 275 oder NJW 1992, 2691 bis 2694). Nachdem die beklagte Gemeinde im vorliegenden Fall ihr Einvernehmen versagt hatte, musste das Regierungspräsidium Magdeburg den Antrag des Klägers auf Umnutzung der Mastanlage nicht näher oder weiter prüfen. Der jetzige § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB bestimmt zwar, dass die nach Landesrecht zuständige Behörde ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen kann. Aber dieser Satz 3 ist dem § 36 Abs. 2 BauGB erst durch Art. 1 Nr. 32 des Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Regelung des Rechts der Raumordnung vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081) angefügt worden. Die Bestimmung in § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ist erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten.

2.2. Nachdem das Verwaltungsgericht Magdeburg durch Urteil vom 8. Dezember 1999 festgestellt hatte, dass die Beklagte ihr Einvernehmen zu Unrecht versagt hatte, musste der Streithelfer den Antrag des Klägers unter sämtlichen in Betracht kommenden Gesichtspunkten erneut prüfen. Von der Verkündung des verwaltungsgerichtlichen Urteils bis zum Bescheid vom 29. März 2001, durch den dem Kläger die Genehmigung zum Betrieb der Schweinemastanlage mit 4000 Tierplätzen erteilt worden ist, sind über 15 Monate verstrichen. Das ist jedoch dem Kläger nicht anzulasten. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses, das in den Akten des Verwaltungsprozesses abgeheftet ist, ist die Ausfertigung des Urteils vom 8. Dezember 1999 dem Streithelfer am 26. Januar 2000 zugestellt worden. Die Antragsunterlagen sind der Genehmigungsbehörde am 25. Mai 2000 zur weiteren Prüfung vorgelegt worden. Nachdem das Regierungspräsidium den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass er die beantragte Tierplatzzahl reduzieren sollte, hat der Kläger am 15. Januar 2001 seinen Antrag entsprechend geändert. Dieser Antrag ist beim Regierungspräsidium Magdeburg am 16.01.2001 eingegangen. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger die Verringerung der Tierplatzzahl nicht vorgenommen hätte, wenn ihn die höhere Verwaltungsbehörde oder die Beklagte schon früher darauf hingewiesen hätte. Dem Kläger ging es darum, seine vorhandene Produktionskapazität von etwa 2100 Plätzen überhaupt zu erweitern.

2.3. Die Zeiträume zwischen der Urteilsverkündung und der Erteilung der Genehmigung (8. Dezember 1999 - 29. März 2001) und zwischen der Genehmigung und der tatsächlichen Betriebsaufnahme (29. März 2001 - 20. Dezember 2001) sind zu addieren. Das ergibt zwei Jahre und 12 Tage. Dieser Zeitraum ist von der am 25. April 1996 erfolgten Versagung des Einvernehmens hochzurechnen, sodass sich als Zeitpunkt der frühest möglichen Betriebsaufnahme der 10. Mai 1998 ergibt. Bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns ist daher der Zeitraum von 10. Mai 1998 bis zum 20. Dezember 2001 maßgeblich.

3. Der Sachverständige B. hat die Gesamtsumme des entgangenen Gewinns für den Zeitraum vom 10. Mai 1998 bis zum 20. Dezember 2001 zutreffend mit 548.749,00 DM berechnet. Das sind 280.570,91 Euro. Der Senat hat das schriftliche Gutachten des Sachverständigen B. vom 25. November 2004 nachvollzogen und hält die Ergebnisse für plausibel. Nach den näheren Erläuterungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2005 hält es der Senat für richtig, dass der Sachverständige B. seiner Berechnung des entgangenen Gewinns für die Jahre 1998 bis 2000 die Daten und die Kalkulationsmethoden des landwirtschaftlichen Sachverständigen W. Sch. nach eigener kritischer Überprüfung zugrunde gelegt hat. Dem Senat erscheint es nicht erforderlich, dass der Sachverständige B. sämtliche Daten originär neu erheben musste, um zu einer Berechnung des entgangenen Gewinns zu gelangen. Nachdem der Sachverständige B. den methodischen und kalkulatorischen Ansatz des Privatgutachters Sch. , dass der Kläger zu seinem Vortrag gemacht hat, überprüft hat, ist nicht zu beanstanden, dass er die Datengewinnung, die Kalkulationsmethoden und die Ableitung der Geldbeträge seiner Begutachtung zugrunde gelegt hat. Der Kläger hat unstreitig die Schweinemast von über 2.000 Schweinen seit Oktober 1995 betrieben. Der Sachverständige B. hat erläutert, dass und warum man bei einer Vergrößerung des Schweinemastbetriebes bestimmte Positionen nicht einfach verdoppeln kann, sondern dass man zwischen den festen und den variablen Kosten unterscheiden müsse. Diese Unterscheidung hat der Sachverständige B. in der Beweisaufnahme unter Bezugnahme auf sein schriftliches Gutachten vom 25. November 2004 ausführlich erläutert. Der Senat hält es für richtig, dass sowohl der Privatgutachter und darauf aufbauend der Sachverständige B. als Ausgangspunkt jeweils die steuerlichen Abschlüsse der Wirtschaftsjahre 1999 und 2000 zugrunde gelegt und daraus die betriebswirtschaftlichen Abschlüsse abgeleitet haben. Irgendwelche Falschangaben des Klägers, die den Gewinn erhöht hätten, hat keines der Gutachten ergeben. Die Beklagte hat auch nichts Entsprechendes behauptet. Der Sachverständige B. hat auch keine Anhaltspunkte für ein unstimmiges oder unschlüssiges Ausgangs-Zahlenwerk des Klägers gefunden. Zu den einzelnen Fragen, welche die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 10. Februar 2005 aufgeworfen hat, hat der Sachverständige B. in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2005 nachvollziehbar Stellung genommen und sie erschöpfend beantwortet. Mögliche Unstimmigkeiten oder Missverständnisse hat er überzeugend ausgeräumt.

Die Frage der Beklagten, warum der Sachverständige B. sich nicht die Betriebsabrechnungen für die Jahre 2002 und 2003 hätte vorlegen lassen und sie seiner Berechnung zugrunde gelegt hätte, hat der Sachverständige für den Senat zufriedenstellend beantwortet. Mit den Jahren des Entschädigungszeitraumes käme man zu besseren Schätzergebnissen, als wenn man die Zahlen aus den Jahren 2002 bis 2003 heranzöge.

3.3. Der Senat folgt deshalb der Berechnung des entgangenen Gewinns, wie sie der Sachverständige auf Seite 7 seines schriftlichen Gutachtens vom 25.11.2004 dargestellt hat:

1998 (235/365 Tage) 76.506,00 DM

1999 109.025,00 DM

2000 118.384,00 DM

2001 (354/365 Tage) 244.834,00 DM

Gesamtsumme 548.749,00 DM

Das ergibt mit dem Umrechnungsquotienten 1,95583 die Gesamtsumme 280.570,91 €.

4. Da der Kläger mit seinem Begehren nur teilweise obsiegt, mussten die Kosten gem. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig geteilt werden. 25 % der Kosten des Streithelfers hat der Kläger gem. §§ 74 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Beklagte hat keine Kosten des Streithelfers zu tragen, weil sie die unterstützte Partei ist und zwischen ihr und dem Streithelfer kein Rechtsstreit begründet worden ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 101 Rn. 3).

Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung beruht auf § 709 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Irgendwelche noch offenen, aber klärungsbedürftigen Rechtsfragen sind in diesem Prozess nicht zu entscheiden. Auch die Zulassungskriterien "Fortbildung des Rechts" oder "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" sind nicht erfüllt. Dieser Einzelfall gibt nach Auffassung des Senats keine Veranlassung, Gesetzesbestimmungen durch eine höchstrichterliche Entscheidung auszulegen oder irgendwelche Gesetzeslücken zu schließen.

Ende der Entscheidung

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