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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 25.01.2006
Aktenzeichen: 6 U 149/05
Rechtsgebiete: LandespresseG


Vorschriften:

LandespresseG § 10
LandespresseG § 10 Abs. 1
LandespresseG § 10 Abs. 2 S. 1
1. In § 10 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (Landespressegesetz) ist der Gegendarstellungsanspruch der Person geregelt, die durch eine in einem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist.

2. Der verantwortliche Redakteur oder der Verleger kann den Abdruck einer Gegendarstellung in der Presse nicht nur nach § 10 Abs. 2 S. 1 Landespressegesetz verweigern, sondern auch dann, wenn die betroffene Person kein berechtigtes Interesse am Abdruck einer Gegendarstellung hat.

3. Die Einwendung des fehlenden berechtigten Interesses ist weder durch den Wortlaut des § 10 des Landespressegesetzes noch nach dessen Sinn und Zweck ausgeschlossen.

4. Der Ausschluss des Gegendarstellungsanspruches mangels berechtigten Interesses ist zwar im Gegensatz zu den Pressegesetzen der meisten anderen Bundesländer in § 10 Landespressegesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Die Einwendung des fehlenden berechtigten Interesses ist indes aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz abzuleiten, dass die Durchsetzung eines Anspruchs ohne berechtigtes Interesse grundsätzlich rechtsmissbräuchlich ist. Die Rechtsverfolgung verdient in solchen Fällen keinen Rechtsschutz.

5. Daraus folgt, dass nicht die von der Presseveröffentlichung betroffene Person die Tatsachen darlegen und beweisen muss, die ihr berechtigtes Interesse begründen. Vielmehr muss der verantwortliche Redakteur oder der Verleger die Umstände darlegen und beweisen, aus denen das Gericht auf das fehlende berechtigte Interesse der betroffenen Person schließen kann.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Im Namen des Volkes URTEIL

6 U 149/05 OLG Naumburg

verkündet am 25. Januar 2006

In dem Verfahren wegen Erlasses einer einstweiligen Verfügung

wegen Gegendarstellung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Harbou sowie die Richter am Oberlandesgericht Rüge und Handke auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 23. September 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle - 5 O 290/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Verfügungsbeklagte (künftig: Beklagte) ist Herausgeberin der M. Zeitung. In deren Ausgabe Q. vom 18. August 2005 ist unter der Überschrift "Kreis schließt das Tierheim" ein Artikel abgedruckt worden, der sich mit der Verfügung des Landkreises Q. zur Schließung des Mg. Tierheimes des Klägers beschäftigt. Der Wortlaut des Artikels ist auf den Seiten 2-4 des vom Kläger in diesem Verfahren angefochtenen Urteils des Landgerichts Halle vom 23. September 2005 zitiert.

Der Verfügungskläger (künftig: Kläger) hat unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seines Vorsitzenden A. K. geltend gemacht, folgende in dem Artikeltext enthaltenen Tatsachenbehauptungen seien unwahr.

"Schon seit einigen Tagen hängt am Tor der Einrichtung W. ein stabiles Schild mit dem Vermerk: Zur Zeit geschlossen. Den Hinweis hat der Tierschutzverein, der Träger der Anlage ist, nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht."

"Dem Verein werde damit der Betrieb sowie die Neuaufnahme und die Abgabe von Tieren untersagt. Grund sei ein ganzer Katalog von Beanstandungen, der letztlich das Faß zum Überlaufen gebracht habe. Aufgelistet sind sowohl hygienische Mängel, Missachten der Quarantänevorschriften, unkontrollierte Rudelhaltung und damit verbundene Verletzungen von Tieren, aber auch die Aufnahme von ausländischen Hunden ohne gültige Papiere..."

Hierzu begehrt der Kläger den Abdruck folgender Gegendarstellung:

" Gegendarstellung zum Artikel "Kreis schließt das Tierheim" in der M. Zeitung vom 18.08.2005, Seite 9

Unwahr ist die Behauptung, das Schild mit dem Vermerk: Zur Zeit geschlossen, habe der Tierschutzverein nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht. Richtig ist, dass der Tierschutzverein dieses Schild ausschließlich aus eigenen Stücken angebracht hat.

Unwahr ist weiterhin die Behauptung, dem Verein sei der Betrieb sowie die Neuaufnahme, und die Abgabe von Tieren untersagt. Richtig ist, dass die Abgabe von Tieren gerade nicht untersagt ist.

Falsch ist weiterhin die Behauptung, Grund sei ein ganzer Katalog von Beanstandungen, der das Faß zum Überlaufen gebracht habe sowie die angebliche Auflistung hygienischer Mängel, Mißachten der Quarantänevorschriften, unkontrollierte Rudelhaltung, Aufnahme von ausländischen Hunden ohne gültige Papiere. Wahr ist, daß Grund für die Untersagungsverfügung die zwischenzeitlich abgelaufene und durch den Landkreis noch nicht erneuerte Erlaubnis ist.

Mg. , 19.08.2005

A. K. als Vorstandsvorsitzender des Tierschutzvereins Q. e. V."

Die Beklagte hatte den Abdruck dieser Gegendarstellung am 23. August 2005 abgelehnt, da "die an eine Gegendarstellung gemäß § 10 Pressegesetz für das Land Sachsen-Anhalt zu fordernden Voraussetzungen nicht erfüllt sind".

Im daraufhin vom Kläger wegen seines Gegendarstellungsverlangens angestrengten Eilverfahren hat die Beklagte beantragt, das Begehren des Klägers zurückgewiesen. Der erste Teil der Gegendarstellung beziehe sich auf die Meinungsäußerung, dass der Kläger den Hinweis auf die Schließung des Tierheims "nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht" habe. Der vom Kläger angestrebten Entgegnung hierauf fehle zudem das berechtigte Interesse.

Auch der dritte Absatz des Entgegnungsverlangens des Klägers beziehe sich auf eine Meinungsäußerung. Den hiermit beanstandeten Grund der Schließung habe die Beklagte durch ihren Artikel in der M. Zeitung vom 25. August 2005 inzwischen selbst richtig gestellt. Hierzu fehle deshalb das berechtigte Interesse des Klägers.

Die Gegendarstellung sei im zweiten Absatz irreführend, weil dem Leser der tatsächliche Sachverhalt verborgen bliebe.

Insgesamt bilde das Verlangen des Klägers einen Missbrauch der Gegendarstellung, da dem Leser insoweit Schlussfolgerungen aufgezwungen würden, die nicht mit der Wahrheit in Einklang ständen.

Das Landgericht hat den Antrag des Klägers mit Urteil vom 23. September 2005 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Landrichter ausgeführt, die Gegendarstellung des Klägers genüge in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen des § 10 Landespressegesetz.

Die Entgegnung im ersten Absatz betreffe eine Meinungsäußerung, zudem lediglich eine Banalität, gegen die dem Gegendarstellungsverlangen das berechtigte Interesse fehle.

Die Entgegnung im zweiten Absatz mache nicht hinreichend deutlich, dass die Beklagte lediglich die Mitteilung des Landkreises Q. zitiert und keine eigene Stellungnahme abgegeben habe. Schließlich werde der Leser aufgrund des unkorrekten Inhaltes des zweiten Absatzes der Entgegnung des Klägers irregeführt. Ferner fehle auch hierfür das berechtigte Interesse, weil die Beklagte diese Bekundung schon berichtigt habe.

Der dritte Absatz der Gegendarstellung scheitere ebenfalls daran, dass die Gegendarstellung nicht hinreichend deutlich mache, dass die Beklagte nur die Erklärung des Landkreises wiedergegeben habe. Auch dieser Teil der Entgegnung des Klägers sei irreführend, weil dem Leser vermittelt würde, die Schließung des Heimes sei allein auf den Ablauf der Betriebserlaubnis zurückzuführen. Denn selbst nach der eidesstattlichen Versicherung des Vorsitzenden des Klägers gebe es eine Untersagungsverfügung des Landkreises gegen den Weiterbetrieb des Tierheimes des Klägers.

Gegen dieses ihm am 29. September 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Oktober 2005 eingelegte und zugleich begründete Berufung des Klägers. Er verfolgt mit ihr sein Begehren auf Abdruck der oben angeführten Gegendarstellung weiter. An der angefochtenen Entscheidung rügt der Kläger mannigfaltige Verstöße gegen materielles Recht.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung mit ihrem bisherigen Tatsachen- und Rechtsvorbringen, das sie vertieft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die zur Akte gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil begegnet keinen rechtlichen Bedenken und ist überdies sachlich völlig zutreffend. Mit Recht hat der Landrichter das Begehren des Klägers auf Abdruck einer Gegendarstellung zurückgewiesen, weil hierfür die rechtlichen Voraussetzungen fehlen.

A. Nach § 10 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 14. August 1991 (GVBl. LSA S. 261 - Landespressegesetz, künftig LPG), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Mediengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. November 2004 (GVBl. S. 778), sind der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 LPG besteht die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung nicht, wenn die Gegendarstellung ihrem Umfang nach nicht angemessen ist oder es sich um eine Anzeige handelt, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dient.

1. Für die Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruches ist nach § 10 Abs. 4 LPG der ordentliche Rechtsweg gegeben. Auf das Verfahren sind die Vorschriften der ZPO über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechend anzuwenden, wobei eine Gefährdung des Anspruches nicht glaubhaft gemacht zu werden braucht (§ 10 Abs. 4 Sätze 3 und 4 LPG).

2. Materiell-rechtlich besteht dieser presserechtliche Gegendarstellungsanspruch zudem dann nicht, wenn ihm das berechtigte Interesse fehlt. Das ist dann der Fall, wenn sein Inhalt irreführend ist oder sich die Entgegnung aus der Sicht des Durchschnittslesers lediglich auf bloße Belanglosigkeiten bezieht.

a) Fehlendes berechtigtes Interesse lässt auch in Sachsen-Anhalt ein presserechtliches Gegendarstellungsverlangen scheitern. Denn bei fehlendem berechtigten Interesse liegt ein Rechtsmissbrauch des Anspruchstellers vor, der nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 226 und 242 BGB keinen Rechtsschutz verdient.

b) Der Landrichter hat sich zur Begründung seiner Ansicht, das Begehren des Klägers scheitere schon am Fehlen berechtigten Interesses, auf das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. November 2001 (4 U 2533/01, AFP 2002, 55 ff.) gestützt. Diese Entscheidung befasst sich mit einem Gegendarstellungsverlangen aus dem Geltungsbereich des Sächsischen Gesetzes über die Presse (SächsPresseG) vom 3. April 1991 (SächsGVBl. S. 125), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2003 (SächsGVBl. S. 38). Nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 dieses Gesetzes besteht die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung nicht, wenn die betroffene Person oder Stelle kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung hat.

aa) In derselben Weise wie in Sachsen ist der Wegfall der Pflicht zum Abdruck einer presserechtlichen Gegendarstellung bei fehlendem berechtigten Interesse des Betroffenen in den Landespressegesetzen von Baden-Württemberg (§ 11 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Presse Baden-Württemberg vom 14. Januar 1964 [GBl. S. 11]), Berlin (§ 10 Abs. 2 Satz 1 des Berliner Pressegesetzes vom 15. Juni 1965 [GVBl. Berlin S. 744]), Brandenburg (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Brandenburgischen Landespressegesetzes vom 13. Mai 1993 [GVBl. Bbg I 1993, S. 162]), Bremen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Pressegesetzes Bremen vom 16. März 1965 [GBl. 1965, S. 63]), Nordrhein-Westfalen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 lit. a des Landespressegesetzes NRW vom 24. Mai 1966 [GVBl. S. 340]), Rheinland-Pfalz (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 des Landesmediengesetzes Rheinland-Pfalz vom 4. Februar 2005 [GVBl. S. 23]), des Saarlandes (§ 10 Abs. 3 Nr. 1 des Saarländischen Mediengesetzes vom 27. Februar 2002), von Schleswig-Holstein (§ 11 Abs. 2 Satz 1 des Landespressegesetzes Schleswig-Holstein vom 19. Juni 1964 [GVOBl. SH S. 71]) und von Thüringen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Thüringer Pressegesetzes vom 31. Juli 1991 [GVBl. S. 271]) geregelt.

bb) Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 des Hessischen Pressegesetzes vom 20. November 1958 (GVBl. Hessen I S. 183) besteht die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung von vornherein nur, wenn und soweit die betroffene Person oder Stelle ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung hat.

cc) In den Bestimmungen über den Gegendarstellungsanspruch in den Landespressegesetzen von Bayern (Art. 10 des Bayerischen Pressegesetzes vom 3. Oktober 1949 [GVBl. S. 243]), Hamburg (§ 11 des Hamburgischen Pressegesetzes vom 29. Januar 1965 [GVBl. S. 15]), Mecklenburg-Vorpommern (§ 10 LPrG M-V vom 6. Juni 1993 [GVBl. 1993, S. 541]), Niedersachsen (§ 11 des Niedersächsischen Pressegesetzes vom 22. März 1965 [GVBl. S. 9]) und Sachsen-Anhalt (§ 10 LPG) ist hingegen das Merkmal "berechtigtes Interesse" nicht erwähnt.

c) Trotz fehlender gesetzlicher Regelung im Landespressegesetz kann auch in Sachsen-Anhalt der Abdruck einer Gegendarstellung verweigert werden, wenn diesem Verlangen das berechtigte Interesse fehlt. Dieser sich aus den Rechtsgedanken der §§ 226 und 242 BGB ergebende Rechtsgrundsatz ist durch die rechtlichen Bestimmung im LPG über das Gegendarstellungsverlangen nicht ausgeschlossen worden.

aa) In Sachsen-Anhalt setzt der Gegendarstellungsanspruch voraus, dass der Anspruchsteller von abgedruckten Tatsachenbehauptungen betroffen ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 LPG) und sich die Gegendarstellung auf tatsächliche Angaben beschränkt, keinen strafbaren Inhalt hat, schriftlich abgefasst ist sowie dem verantwortlichen Redakteur oder Verleger spätestens drei Monate nach der Erstveröffentlichung zugeht (§ 10 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 LPG). Diese Umstände müssen sich aus den Angaben des hierfür beweisbelasteten Anspruchstellers ergeben.

bb) Die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung entfällt, wenn die Gegendarstellung ihrem Umfang nach nicht angemessen ist oder es sich um eine Anzeige handelt, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dient (§ 10 Abs. 2 Satz 1 LPG). Für die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Einwendungen liegt die Darlegungs- und Beweislast bei dem Anspruchsgegner.

cc) Diese Gesetzesfassung ist keine abschließende Aufzählung der Versagungsgründe. Sie schließt insbesondere nicht fehlendes berechtigtes Interesse des Anspruchstellers als Hürde einer Gegendarstellung aus.

- Der Entwurf zum Landespressegesetz entsprach nach der Begründung zum Regierungsentwurf für das Landespressegesetz vom 28. Februar 1991 (Drucksache 1/229) "im wesentlichen presserechtlichen Regelungen anderer Länder", insbesondere der geltenden Regelung in Niedersachsen. Zu § 10 (Seite 4) ist über das berechtigte Interesse nur ausgeführt: "Die Regelung der Beweislastverteilung erspart es den Betroffenen, jeweils das berechtigte Interesse an der Gegendarstellung darlegen und beweisen zu müssen". Weitere Ausführungen zum Problem des berechtigten Interesses sind weder in der Begründung der Beschlussempfehlung des Kultur- und Medienausschusses des Landtages für das Landespressegesetz vom 28. Juni 1991 (Drucks. 1/546) noch in den Niederschriften über die Landtagsberatungen hierzu vom 21. März und 4. Juli 1991 enthalten.

- Demnach ging es dem Landesgesetzgeber darum, den von einer Pressemitteilung Betroffenen von der Darlegungs- und Beweislast für sein berechtigtes Interesse zu befreien. Ein Bestreben, dieses Kriterium entfallen zu lassen, ist nicht ersichtlich

dd) Deshalb hält der Senat in Auslegung des § 10 LPG fest, dass der Abdruck einer Gegendarstellung in einem periodischen Druckwerk in Sachsen-Anhalt auch dann verweigert werden kann, wenn diesem Begehren eines von einem Presseartikel Betroffenen das berechtigte Interesse fehlt. Für das Fehlen dieses berechtigten Interesses trägt allerdings der Anspruchsgegner die Darlegungs- und Beweislast. Das entspricht im Ergebnis der Gesetzeslage in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen.

- Der Senat folgt hiermit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München, das für den Geltungsbereich des Bayerischen Pressegesetzes, dessen Regelung zum Gegendarstellungsanspruch wie in Sachsen-Anhalt ein berechtigtes Interesse nicht ausdrücklich erwähnt, befunden hat, dass die Veröffentlichung einer Gegendarstellung verweigert werden darf, wenn die betroffene Person kein berechtigtes Interesse am Abdruck der Gegendarstellung hat (vgl. OLG München, Urteile vom 20. Januar 1999 - 21 U 6679/98, OLGR 1999, 226 und vom 17. November 2000 - 21 U 4788/00, OLGR 2001, 185 ff.).

- Schon der Bundesgerichtshof hatte in dem Beschluss vom 31. März 1965 (VI ZR 56/65, NJW 1965, 1230) über das presserechtliche Rechtsinstitut des Gegendarstellungsanspruches ausgeführt, dass es im Einzelfall eine gewisse Rolle spielen könne, ob sich die Gegendarstellung auf solche Belanglosigkeiten erstreckt, dass an ihrer Veröffentlichung kein Rechtsschutzinteresse besteht.

- Der Senat hatte sich zum berechtigten Interesse an der Veröffentlichung einer Gegendarstellung bisher nur in einem Beschwerdebeschluss über die Versagung von Prozesskostenhilfe wegen eines Gegendarstellungsanspruches vom 18. April 2000 (6 W 18/00, nicht veröffentlicht, zitiert nach juris) geäußert. Darin ist ausgeführt, dass auch in Fällen einer irreführenden Entgegnung ein berechtigtes Interesse an einer Gegendarstellung grundsätzlich fehle. Auch deswegen sei die damals vorgelegte Gegendarstellung "inhaltlich unzulässig". Damit ist schon deutlich geworden, dass der Anspruch auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung an fehlendem berechtigtem Interesse scheitert.

- Darin, dass fehlendes berechtigtes Interesse den Gegendarstellungsanspruch ausschließt, kommt ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zur Anwendung. Das gilt unabhängig davon, ob dieser Ausschlussgrund in der anzuwendenden landespresserechtlichen Bestimmung ausdrücklich erwähnt ist oder nicht (vgl. OLG München, Urteil vom 20. Januar 1999 aaO, juris, Rn. 24 ff.; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl. 1994, Rz. 11.49; Sedelmeier in Löffler, Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 11 Rn. 61 mwN; Schmidt in Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch in Presse, Film, Funk und Fernsehen, 2. Aufl., 1990, Rn. 247 mwN). Denn das presserechtliche Entgegnungsrecht endet wie jeder andere zivilrechtliche Anspruch (vgl. §§ 226, 242 BGB) an der Grenze des Rechtsmissbrauchs (vgl. Schmidt, aaO mwN; OLG München, Urteil vom 17. November 2000, aaO). Diese Grenze wird durch das Merkmal des berechtigten Interesses des Betroffenen bezeichnet.

- Bei fehlendem berechtigtem Interesse ist von Rechtsmissbrauch auszugehen, der eine Einwendung begründet. Eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist als Rechtsüberschreitung rechtsmissbräuchlich (§ 226 BGB) und daher unzulässig (vgl. OLG München, Urteil vom 20. Januar 1999, aaO).

3. Allerdings wird das berechtigte Interesse eines von einer Pressemitteilung Betroffenen an einer Gegendarstellung in der Regel nur dann fehlen, wenn die Entgegnung offenbare Belanglosigkeiten der Erstveröffentlichung betrifft oder eindeutig irreführend ist. Anders kann nämlich der Zweck der Gegendarstellung, bei Persönlichkeitsverletzungen einen effektiven Rechtsschutz bereit zu stellen, nicht erreicht werden. Gerade deshalb ist die rechtliche Ausgestaltung des Gegendarstellungsanspruches bewusst einfach und förmlich gehalten. Das Gericht prüft deshalb nur, ob der Kläger durch eine Tatsachenbehauptung der Erstveröffentlichung "betroffen" ist, ob sich die eingereichte Gegendarstellung auf Tatsachenangaben zu dem in der Erstveröffentlichung mitgeteilten Sachverhalt beschränkt und ob die übrigen Formalien eingehalten sind (vgl. OLG München, aaO). Hingegen soll bewusst nicht geprüft werden, ob die Gegendarstellung wahr und die Erstveröffentlichung unwahr ist. Erst dann, wenn die Gegendarstellung gewissermaßen den Stempel der Lüge trägt oder sonst offensichtliche oder gerichtsbekannte Unwahrheiten enthält, greift der Einwand der Unzulässigkeit wegen fehlenden berechtigten Interesses.

B. Nach diesen Maßstäben hat der Landrichter dem Gegendarstellungsanspruch des Klägers zu Recht den Erfolg versagt.

1. Unwahr ist die Behauptung, das Schild mit dem Vermerk: Zur Zeit geschlossen, habe der der Tierschutzverein nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht. Richtig ist, dass der Tierschutzverein dieses Schild ausschließlich aus eigenen Stücken angebracht hat.

a) Diese Entgegnung ist schon deswegen nicht gerechtfertigt, weil es sich bei der beanstandeten Bekundung, der Tierschutzverein habe das Hinweisschild "Zur Zeit geschlossen" nicht ganz aus eigenen Stücken angebracht, um eine Meinungsäußerung der Redakteurin des Artikels und nicht um eine Tatsachenbekundung handelt. Der Senat teilt die hierzu angestellten Erwägungen des Landgerichts, die durch das Berufungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen werden, und nimmt auf sie Bezug.

b) Außerdem würde das Klägerbegehren hinsichtlich des in der Überschrift angeführten Teils der Gegendarstellung daran scheitern, dass ihr das berechtigte Interesse fehlt. Bei der Erklärung, dass die Anbringung des Schildes durch den Kläger "nicht ganz aus eigenen Stücken erfolgt sei", handelt es sich nämlich im Verhältnis zu den übrigen Mitteilungen in diesem Artikel um eine bloße Banalität, an deren Entgegnung kein berechtigtes Interesse besteht. Daran wirft die Berufung keine rechtlichen Bedenken auf.

2. Unwahr ist weiterhin die Behauptung, dem Verein sei der Betrieb sowie die Neuaufnahme, und die Abgabe von Tieren untersagt. Richtig ist, dass die Abgabe von Tieren gerade nicht untersagt ist.

a) Diese Entgegnung scheitert daran, dass sie nicht deutlich macht, dass es sich bei der Erstmitteilung um die Wiedergabe einer Erklärung des Landkreises Q. handelt. Zudem fehlt ihr offenbar das berechtigte Interesse, weil der Beklagte die beanstandete Bekundung, in einem Artikel vom 25. August 2005 mit der Mitteilung, dem Kläger sei "die Aufnahme von Tieren untersagt, die Abgabe allerdings nicht" (GA 46), selbst richtig gestellt hat. Gegen diese Bewertungen des Landgerichts bringt die Berufung keine durchgreifenden Beanstandungen vor. Sie begegnet auch sonst keinen Bedenken des Senats, der diese Einschätzung teilt.

b) Zudem würde die Gegendarstellung unzulässigerweise in die Irre führen. Der durchschnittlich gebildete aufmerksame Leser, der keine juristische Vorbildung hat (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 8. November 2001, aaO.), kann die Gegendarstellung nur so verstehen, das dem Kläger die Abgabe von Tieren erlaubt ist. Gerade das ist aber offenbar falsch und deshalb irreführend.

- Zwar ist dem Kläger in der Verfügung des Landkreises Q. vom 11. April 2005 wegen fehlender Betriebserlaubnis (1.) nur das Betreiben des Tierheimes W. 1 in Mg. und (2.) die Neuaufnahme weiterer Tiere untersagt worden. Weiter ist dem Kläger indes (4.) auferlegt worden, die noch vorhandenen Tiere bis zum 30. Juni 2005 nachweislich abzugeben. Für den Fall des Verstoßes gegen dieses Gebot ist dem Kläger (5.) als Ersatzvornahme die Wegnahme der noch gehaltenen Tiere und ihre Unterbringung bei Dritten angedroht worden.

- Daraus folgt ohne weiteres, dass der Kläger nur noch bis zum Ablauf des 30. Juni 2005 Tiere abgeben durfte und danach nicht mehr. Das bedeutet, dass dem Kläger am 18. August 2005 die Abgabe von Tieren behördlich untersagt war und die M. Zeitung diese Tatsache am 18. August 2005 - der entsprechenden Pressemitteilung des Landkreises Q. vom Vortage (GA 40) folgend - wahrheitsgemäß berichtet hat. Das Bestreben des Klägers, die Formulierung der Untersagungsverfügung vom 11. April 2005 spitzfindig zu seinen Gunsten auszunutzen, würde beim durchschnittlichen Leser einen offenbar unzutreffenden Eindruck der Tatsachenlage bewirken.

3. Falsch ist weiterhin die Behauptung, Grund sei ein ganzer Katalog von Beanstandungen, der das Faß zum Überlaufen gebracht habe sowie die angebliche Auflistung hygienischer Mängel, Mißachten der Quarantänevorschriften, unkontrollierte Rudelhaltung, Aufnahme von ausländischen Hunden ohne gültige Papiere. Wahr ist, daß Grund für die Untersagangsverfügung die zwischenzeitlich abgelaufene und durch den Landkreis noch nicht erneuerte Erlaubnis ist.

Dieses Gegendarstellungsverlangen hat der Landrichter ebenfalls aus Gründen abgelehnt, die den Senat überzeugen und keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Denn diese Entgegnung ist eindeutig irreführend und verdient deshalb keinen Rechtsschutz. Nach den festgestellten Tatsachen beruhte zwar die Untersagungsverfügung des Landkreises auf dem Ablauf der Betriebserlaubnis für das Tierheim. Dieser Ablauf folgt jedoch aus der Ablehnung der Erneuerung der Betriebserlaubnis des Mg. Tierheims des Klägers durch den Landkreis wegen gerade der Umstände, die der Kläger in Satz 1 seiner Entgegnung als falsch bezeichnet.

Durchgreifende Beanstandungen hiergegen lassen sich der Berufungsbegründung nicht entnehmen.

4. Dahin stehen kann danach, ob der Gegendarstellungsanspruch des Klägers nach dem Grundsatz "Ganz oder gar nicht" insgesamt schon deswegen scheitert, weil gegen einzelne Teile der Gegendarstellung durchgreifende Einwendungen bestehen. Denn auch jeder einzelne Teil der Gegendarstellung ist für sich genommen nicht gerechtfertigt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO; die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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