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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 6 W 78/06
Rechtsgebiete: RVG VV


Vorschriften:

RVG VV Nr. 3104
RVG VV Abs. 3 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3
1. Eine anwaltliche Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG ist der obsiegenden Prozesspartei auch dann zu erstatten, wenn zwar kein Termin stattgefunden hat, der Anwalt jedoch ohne Beteiligung des Gerichts an Gesprächen mitgewirkt hat, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet waren (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zur RVG).

2. Eine Terminsgebühr wegen einer außergerichtlichen Besprechung nach Abs. 3 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG setzt ein Gespräch des Anwaltes voraus, dessen konkretes Ziel die Erledigung des Verfahrens ist. Dabei müssen beide Seiten dieses konkrete Gesprächsziel verfolgen. Das Interesse lediglich eines Gesprächspartners an einer Erledigung des Verfahrens reicht nicht aus (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.12.2005, 15 W 55/05, JurBüro 2006, 192 ff.).

3. Die Beweislast für konkrete Umstände, nach denen eine anwaltliche Besprechung mit dem Ziel und Inhalt der Erledigung des Verfahrens geführt worden ist, trägt derjenige, der die Terminsgebühr zur Erstattung geltend macht (Anschluss an OLG Koblenz, Beschl. vom 06.06.2005 - 14 W 366/05, NJW 2005, 2162).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

6 W 78/06 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

wegen Kostenfestsetzung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Rüge als Einzelrichter am 19. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Magdeburg vom 5. Dezember 2005 - 4 O 1720/03 - abgeändert.

Die aufgrund der Beschlüsse des Landgerichts Magdeburg vom 17. Mai 2005 - 7 O 1720/03 und des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. Juli 2005 - 5 W 115/05 - von den Klägern als Gesamtschuldner an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 796,90 € nebst Zinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 626,40 € seit dem 30. Mai 2005 und auf 170,50 € seit dem 9. September 2005.

Im Übrigen werden die Kostenfestsetzungsanträge des Beklagten vom 25. Mai 2005 und vom 19. Oktober 2005 abgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Der Gebührenstreitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 752,50 €.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts vom 5. Dezember 2005 hat nahezu vollständig Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zu Gunsten der Beklagten für die Tätigkeit deren Prozessbevollmächtigten eine Verfahrensgebühr (391,30 €) und eine Terminsgebühr (361,20 €) festgesetzt, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen, zu denen weder im Festsetzungs- noch im Nichtabhilfebeschluss fallbezogene Ausführungen enthalten sind, nicht erfüllt sind.

1. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Prozesspartei - das sind nach den im Spruch angeführten Kostenbeschlüssen die Kläger - die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten.

2. Als gesetzliche Gebühren und Auslagen steht dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten, den er laut der zur Akte gelangten Prozessvollmacht (GA 133) erst am 5. April 2005 bevollmächtigt hat, Folgendes zu:

Im Verfahren 4 O 1720/03:

0,80 Verfahrensgebühr gemäß VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 aus 30.000 € - 606,40 €

Pauschalentgelt für Post- und Telekommunikation, VV RVG Nr. 7002 - 20,00 €.

Im Beschwerdeverfahren 5 W 115/05:

0,50 Verfahrensgebühr gemäß VV RVG Nr. 3500 aus 5.000 € - 150,50 €

Pauschalentgelt für Post- und Telekommunikation, VV RVG Nr. 7002 - 20,00 €.

Die Gesamtsumme dieser Einzelbeträge lautet 796,90 € und ist im Spruch dieses Beschlusses zuzüglich Zinsen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festgesetzt.

3. Der Beklagte hat hingegen keinen Anspruch auf Erstattung der angemeldeten Verfahrens- und Terminsgebühr seiner Prozessbevollmächtigten.

a) Für die Festsetzung einer Verfahrensgebühr aus 5.000 € gemäß VV RVG Nr. 3100 besteht kein rechtlicher Grund. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Sie gelten seine gesamte Tätigkeit vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit ab, § 15 Abs. 1 RVG. Für diese anwaltliche Tätigkeit ist im vorliegenden Verfahren die Verfahrensgebühr der Beklagtenvertreter nach dem Wert von 30.000 € entstanden und - als ermäßigte Gebühr gemäß VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 - von dem Beklagten auch zur Erstattung angemeldet worden.

Weshalb für das selbe Verfahren, das nach der Erledigung der Hauptsache nicht neu beginnt, noch eine zusätzliche Verfahrensgebühr anfallen soll, lässt sich weder den Kostenfestsetzungsanträgen des Beklagten noch dem Kostenfestsetzungs- oder Nichtabhilfebeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts entnehmen. Die anwaltliche Mitwirkung an der nun noch ausstehenden gerichtlichen Kostenentscheidung nach § 91 a Abs. 1 ZPO bildet auch weder eine verschiedene (§ 17 RVG) noch eine besondere Angelegenheit (§ 18 RVG).

b) Für die Festsetzung einer Terminsgebühr aus 5.000 € gemäß VV RVG Nr. 3104 gibt es ebenfalls keinen Grund.

aa) Weder hat der neue Prozessbevollmächtigte des Beklagten an einem Verhandlungs- Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin mitgewirkt, noch ist einer der Tatbestände erfüllt, nach denen gemäß Absatz 1 Nr. 1 der Anmerkungen zu VV RVG 3104 eine Terminsgebühr entsteht, obwohl das Verfahren ohne mündliche Verhandlung beendet worden ist.

bb) Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte auf die Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 der VV RVG. Nach dieser Bestimmung entsteht die Terminsgebühr auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts.

Eine Terminsgebühr wegen einer außergerichtlichen Besprechung gemäß Abs. 3 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV RVG setzt eine auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung voraus. Das heißt: Es muss sich um ein Gespräch handeln, dessen konkretes Ziel die Erledigung des Verfahrens ist. Davon kann man nur dann sprechen, wenn die Gesprächspartner bei ihrem Gespräch im Auge haben, dass entweder in diesem Gespräch selbst eine verbindliche mündliche Absprache getroffen wird, die zur Verfahrenserledigung führt, oder, wenn das Gespräch zumindest insoweit zu einem Ergebnis führen soll, dass eine eventuell noch unverbindliche mündliche Absprache nur noch schriftlich verbindlich fixiert werden muss (beispielsweise durch Protokollierung eines bereits unverbindlich abgesprochenen Vergleichs oder durch Vollzug einer unverbindlich abgesprochenen Rücknahmeerklärung). Eine Besprechung ist nur dann auf "Erledigung des Verfahrens" gerichtet, wenn die Gesprächspartner davon ausgehen, dass dieses Gespräch (möglicherweise) für die Erledigung des Rechtsstreits entscheidend sein soll. Gleichzeitig ergibt sich daraus, dass beide Seiten dieses konkrete Gesprächsziel verfolgen müssen; denn ein Telefongespräch, bei dem lediglich einer der beiden Gesprächspartner an einer Erledigung des Verfahrens interessiert ist, ist keine auf "Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung" (vgl. OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 2. Dezember 2005 - 15 W 53/05, RVGReport 2006, 61 ff., zitiert nach juris Rn. 11; 15 W 55/05, JurBüro 2006, 192 ff., zitiert nach juris Rn. 11).

Nur eine solche restriktive Interpretation der Voraussetzungen einer Terminsgebühr ist geeignet, die Prüfung der Voraussetzungen der Gebühr praktikabel und handhabbar zu machen. In der Literatur ist bereits die Besorgnis geäußert worden, dass sich die Terminsgebühr zum "Zankapfel" bei der Festsetzung entwickeln werde (Herget in: Zöller: ZPO, 26. Aufl., § 104 ZPO Rn. 21 "Terminsgebühr"). Wenn jedes beiläufige Vorgespräch, in welchem einer der Gesprächspartner in einem Nebensatz auf die Möglichkeit einer einvernehmlichen Erledigung des Verfahrens hinweist, die Terminsgebühr auslösen könnte, wäre die Prüfung der Voraussetzungen für die Praxis erheblich erschwert.

Nur eine restriktive Interpretation entspricht den Motiven des Gesetzgebers. Die außergerichtliche Terminsgebühr soll den Rechtsanwälten ermöglichen, bei einem außergerichtlich ausgehandelten Vergleich auf einen gerichtlichen Verhandlungstermin zur "Erörterung der Sach- und Rechtslage" zu verzichten. Schließen die Parteien mit Hilfe ihrer Anwälte zur Beendigung eines Rechtsstreits einen außergerichtlichen Vergleich, sollen die Anwälte dasselbe Honorar erhalten wie bei einer gerichtlichen Protokollierung nach vorausgegangener gerichtlicher Verhandlung (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 209). Das heißt: Die Neuregelung der Terminsgebühr soll dem Rechtsanwalt ein angemessenes Honorar in erster Linie bei einer erfolgreichen außergerichtlichen Verhandlung sichern. Erfolglose außergerichtliche Verhandlungen - die vom Wortlaut von Anmerkung 3 zur Vorbemerkung 3 VV auch erfasst werden - waren hingegen nicht das entscheidende Motiv für die Neuregelung. Dem entspricht es, wenn erfolglose außergerichtliche Verhandlungen nur unter engen (restriktiven) Voraussetzungen die außergerichtliche Terminsgebühr auslösen können (vgl. OLG Karlsruhe, aaO, Rnrn. 13, 14).

Zu solchen Gesprächen zwischen den beiderseitigen Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte nicht Substanzhaltiges mitgeteilt. Das wirkt sich zu seinen Lasten aus, weil dann der Entstehungsgrund der Terminsgebühr nach Abs. 3 Nr. 3 der Vorbemerkung zu Teil 3 VV RVG nicht dargelegt und erwiesen ist.

Denn die Beweislast dafür, dass anwaltliche Telefongespräche mit dem Ziel und Inhalt der Erledigung des Verfahrens geführt worden sind, trägt derjenige, der die Terminsgebühr zur Erstattung geltend macht (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 8. Juni 2005 - 14 W 366/05, NJW 2005, 2162, zitiert nach juris Rnrn. 10 ff.).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; der wertmäßige Anteil des Unterliegens der Kläger im Beschwerdeverfahren war geringfügig (12,30 €) und hat keine besonderen Kosten verursacht. Der Gebührenstreitwert entspricht dem Wert des Betrages, um den die Kläger mit der Beschwerde die Erstattung gegnerischer Anwaltskosten vermeiden wollten.

Ende der Entscheidung

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