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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 18.09.2003
Aktenzeichen: 7 U (Hs) 17/03
Rechtsgebiete: GKG, BGB, GmbHG, StPO, ZPO


Vorschriften:

GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
GmbHG § 46 Nr. 5
StPO § 153a
StPO § 467 Abs. 1
StPO § 467 Abs. 5
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3
ZPO § 524 Abs. 1
ZPO § 524 Abs. 3
Zum Nachschieben von Kündigungsgründen im Rechtsstreit über die Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

7 U (Hs) 17/03 OLG Naumburg

verkündet am 18. September 2003

In dem Rechtsstreit

...

wegen Fortbestandes eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Zettel, des Richters am Oberlandesgericht Corcilius und des Richters am Landgericht Ehm

auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 25.02.2003 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 25.02.2003 wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin, die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

und beschlossen:

V. Der Streitwert wird - für die erste Instanz gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG unter Abänderung des am 25.02.2003 verkündeten Beschlusses des Landgerichts Dessau - für beide Instanzen auf 116.247,32 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Klägerin war Geschäftsführerin der Beklagten. Sie begehrt Feststellung, dass die von der Beklagten unter dem 30.11.1995, 18.12.1995, 01.02.1996, 27.03.1996 und 10.05.1996 ausgesprochenen Kündigungen unwirksam seien und das Anstellungsverhältnis fortbestehe. Ferner verlangt sie Nachzahlung ihres Geschäftsführergehaltes samt Weihnachtsgeldes für die Monate Dezember 1995 bis April 1996.

Wegen des Sachverhaltes wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 541 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Erstmals im Termin am 15.05.2002 hat sich die Beklagte darauf berufen, dass es zu dem Anstellungsvertrag der Klägern keinen förmlichen Gesellschafterbeschluss gebe.

Das Landgericht hat mit seinem am 25.02.2003 verkündeten Urteil festgestellt, dass alle genannten Kündigungen mit Ausnahme derjenigen vom 25.05.1996 unwirksam seien; es hat die Beklagte im Übrigen zur Zahlung in Höhe des beantragten Betrages verurteilt. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt hatte, dass auch die Kündigung vom 25.05.1996 unwirksam sei und das Anstellungsverhältnis fortbestehe, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Einwand der Beklagten, der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag sei mangels förmlichen Beschlusses der Gesellschafterversammlung unwirksam, sei treuwidrig, weil an dem Vertragsabschluss die beiden Gesellschafter beteiligt gewesen seien.

Die Kündigung vom 30.11.1995 (Bl. I 11) sei unwirksam, weil sie entgegen § 9 des Anstellungsvertrages nicht durch eingeschriebenen Brief erfolgt sei. Im Übrigen fehle es auch an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB, denn aus dem Erscheinen der Klägerin vor Gericht könne nicht der Schluss gezogen werden, die für diesen Tag bescheinigte Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht gewesen. Weiterhin fehle es an einem zugrunde liegenden Gesellschafterbeschluss: Sollte sich die Kündigung auf den Gesellschafterbeschluss vom 10.11.1995 stützen, sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Mangels eingeschriebenen Briefes und mangels Gesellschafterbeschlusses sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung unwirksam.

Die fristlose Kündigung vom 18.12.1995 (Bl. II 57) sei ebenfalls unwirksam. Auch hier fehle es an einem eingeschriebenen Brief und an einem zugrunde liegenden Gesellschafterbeschluss. Eine nachträgliche Beschlussfassung - etwa am 30.12.1995 - reiche nicht. Außerdem betreffe das der Kündigung zugrunde gelegte Fehlverhalten - die Provisionszahlungen und die vorübergehende Verweigerung eines Generalschlüssels - eine andere Gesellschaft, nämlich die P. GmbH und wirke weder direkt noch indirekt auf den streitgegenständlichen Vertrag. Schließlich sei auch nicht dargelegt, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt sei. Mangels eingeschriebenen Briefes und mangels Gesellschafterbeschlusses sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung unwirksam.

Die Kündigung vom 01.02.1996 (Bl. I 47) sei ebenfalls unwirksam. Zwar sei die Form - eingeschriebener Brief - gewahrt. Es sei aber nicht vorgetragen, dass die Kündigung auf einem wirksamen Gesellschafterbeschluss beruhe; bei einem etwaigen Beschluss auf der Gesellschafterversammlung am 30.12.95 sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Aus diesen Gründen sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung unwirksam.

Die Kündigung vom 27.03.1996 (Bl. I 50) sei bereits deshalb unwirksam, weil der die Kündigung aussprechende Rechtsanwalt keine Originalvollmacht vorgelegt habe. Außerdem fehle wieder ein wirksamer Gesellschafterbeschluss, denn zu der Gesellschafterversammlung am 26.03.1996 sei die Klägerin unstreitig nicht geladen worden. Eine vorangegangene wirksame Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin sei nicht vorgetragen. Nachträgliche Beschlüsse würden keine heilende Wirkung entfalten. Daher sei die Kündigung auch als ordentliche Kündigung unwirksam.

Die Kündigung vom 10.05.1996 (Bl. I 154) hingegen sei wirksam. Die Kündigung sei per Einschreiben ausgesprochen worden und basiere auf dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 08.05.1996. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt, es sei nicht ersichtlich, dass sich der Verdacht des Geschäftsführers F. hinsichtlich eines von der Klägerin begangenen Subventionsbetruges bereits Ende 1994 erhärtet hätte. Erst am 26.03.1996 habe die Beklagte Strafanzeige gestellt. Der zum Zeitpunkt der Kündigung bestehende begründete Verdacht eines Subventionsbetruges stelle einen wichtigen Grund für die Kündigung dar. Am 08.05.1996 habe sich der Verdacht für die Beklagte dadurch erhärtet, dass die Klägerin an diesem Tage vorgegeben habe, entsprechende Absprachen mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Regierungspräsidiums getroffen zu haben, was diese gegenüber der Beklagten verneint habe. Der Verdacht habe auch zu Recht bestanden, wie die nachfolgende Verurteilung durch das Amtsgericht Dessau vom 04.09.1998 (Bl. II 116) gezeigt habe.

Der Zahlungsanspruch stehe der Klägerin als Gehalt für die Monate Dezember 1995 bis April 1996 zu. Es sei unstreitig geblieben, dass die Klägerin zuvor statt der vereinbarten 5.000,00 DM monatlich 7.000,00 DM brutto bezogen habe.

Gegen dieses beiden Parteien am 27.02.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung einlegen lassen, die am 27.03.2003 beim Berufungsgericht eingegangen und mit einem am 27.04.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist. Die Klägerin hat gegen das Urteil mit einem am 11.04.2003 eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung einlegen lassen.

Die Beklagte meint zunächst, die Kostenentscheidung sei anzupassen: Der Wert des Feststellungsantrages habe sich an dem Zeitraum ab Ende der Zeit, für die auf Zahlung geklagt wurde, zu orientieren, also für die Zeit von Mai 1996 bis Januar 2004, mithin 93 Monate. Der Streitwert betrage somit insofern 667.800,00 DM, nämlich das auf diesen Zeitraum entfallende Gehalt einschließlich Weihnachtsgeld. Insofern habe die Beklagte obsiegt, entsprechend ändere sich die Kostenquote.

In der Sache vertritt die Beklagte erstmals die Auffassung, der vom Landgericht gebilligte Kündigungsgrund des Tatverdachtes eines Subventionsbetruges wirke nach den Grundsätzen des Nachschiebens von Gründen auf die Kündigung vom 30.11.1995, weil zum damaligen Zeitpunkt diese Gründe nicht bekannt gewesen seien. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei bei nachgeschobenen Gründen niemals versäumt. Auf die fehlende Form könne sich die Klägerin nicht berufen, weil die Kündigung offenbar zugegangen sei. Im Übrigen gelte die Formvorschrift nur für einfache Kündigungen, sie auch auf Kündigungen aus wichtigem Grund zu erstrecken, sei mit dem Schutz-Erfordernis des Kündigenden nicht vereinbar.

Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, die Beklagte dürfe sich nicht darauf berufen, der Anstellungsvertrag sei mangels förmlichen Gesellschafterbeschlusses unwirksam; dies widerspreche der BGH-Rechtsprechung. Eine Treuwidrigkeit sei allenfalls für die Vergangenheit anzunehmen, es sei aber nicht erkennbar, ob und inwieweit sich die Parteien auf den zukünftigen Bestand des Vertragsverhältnisses eingestellt hätten.

Die Beklagte beantragt, hinsichtlich der Berufung wie folgt zu erkennen:

Das erstinstanzliche Urteil wird abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt insofern:

Die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin, wie folgt zu erkennen:

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dessau wird auf die Anschlussberufung festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 10.05.1996 bezüglich des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages unwirksam ist und das Anstellungsverhältnis hierdurch nicht aufgelöst wurde, sondern weiter fortbesteht.

Insofern beantragt die Beklagte :

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es ihr günstig ist, unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags und meint, ein Nachschieben von Gründen sei im Streitfalle nicht möglich: Gründe, die dem Kündigenden länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung bekannt gewesen seien und deshalb nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet seien, könnten nur unterstützend zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden, wenn die früheren Vorgänge mit den innerhalb der Ausschlussfrist bekannt gewordenen in einem so engen sachlichen Zusammenhang stehen, dass die neuen Vorgänge ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bilden. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass sie erst "im März 1996" Kenntnis von dem vermeintlichen Subventionsbetrug erhalten habe. Vielmehr habe sie bereits im September/Oktober 1994 Kenntnis von den Umständen im Zusammenhang mit diesem vermeintlichen Subventionsbetrug gehabt. Bereits aus den Schreiben des ehemaligen Beraters A. sei auf vermeintliche Missstände im Rahmen der Pflegedienstpläne hingewiesen worden; die Beklagte habe sich aber nicht über die Hintergründe informiert. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei somit versäumt.

Die Kündigung vom 30.11.1995 sei auf das dort vorgeworfene Verhalten im Zusammenhang mit der Krankmeldung beschränkt gewesen, ein Nachschieben von Gründen sei insofern nicht möglich.

Die Formvorschrift des § 9 des Vertrages gelte erkennbar für alle Kündigungen. Im Übrigen sei die Kündigung vom 30.11.1995 auch in Ermangelung eines Gesellschafterbeschlusses unwirksam.

Hinsichtlich der Wirksamkeit des Anstellungsvertrages wiederholt die Klägerin ihre Auffassung, nach der sich die Beklagte nicht auf den fehlenden förmlichen Gesellschafterbeschluss berufen könne.

Die Anschlussberufung sei begründet, denn die Kündigung vom 10.05.1996 sei unabhängig von der Frage, inwieweit im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein Verdacht auf vermeintlichen Subventionsbetrug bestand, unwirksam wegen Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die unstreitig bereits am 22.03.1996 erstattete Strafanzeige enthalte aus Sicht des Geschäftsführers der Beklagten alle maßgeblichen Umstände.

B.

I.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO). Auf sie finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung in ihrer ab dem 01. Jan. 2002 geltenden Fassung Anwendung.

II.

In der Sache hat die Berufung Erfolg, denn die Klage ist insgesamt abzuweisen. Zwar ist der zwischen den Parteien geschlossene Geschäftsführervertrag nicht schon mangels Gesellschafterbeschlusses unwirksam. Er wurde aber durch die Kündigung vom 30.11.1995 beendet.

Im Einzelnen:

1.

Zu Unrecht stellt die Beklagte die Wirksamkeit des Geschäftsführervertrages mit der Begründung in Frage, es habe bei Abschluss des Vertrages keinen entsprechenden Gesellschafterbeschluss gegeben.

Zwar ist zutreffend, dass ein ausdrücklicher Beschluss der Gesellschafter über die Bestellung der Klägerin als Geschäftsführerin nicht getroffen wurde. An dem Abschluss des sog. Geschäftsführervertrages haben jedoch alle Gesellschafter mitgewirkt, nämlich die Klägerin als anzustellende Geschäftsführerin und der Beklagte, handelnd als Geschäftsführer für die Gesellschaft.

In dieser Mitwirkung aller Gesellschafter am Abschluss dieses Vertrages liegt gleichzeitig ein Gesellschafterbeschluss durch konkludentes Handeln. Durch ihr Verhalten haben die beteiligten Gesellschafter ihrem Einverständnis damit Ausdruck verliehen, dass die Klägerin Geschäftsführerin der Beklagten wird. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Gesellschafter zwar einen Anstellungsvertrag abschließen wollten, ohne auch die gesellschaftsrechtliche Bestellung der Geschäftsführerin gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG gleichzeitig mit zu vollziehen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war auch unter Berücksichtigung der von ihr zitierten höchst- und obergerichtlichen Entscheidungen jedenfalls im Streitfalle ein entsprechender Gesellschafterbeschluss durch schlüssiges Handeln möglich.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.12.2001 (Az.: II ZR 288/99, ZIP 2002, 216 = WM 2002, 287) steht nicht entgegen, denn dort hat der Bundesgerichtshof lediglich auf seine Rechtsprechung verwiesen, wonach Aufsichtsratsbeschlüsse nicht stillschweigend gefasst werden können, sondern es vielmehr insofern eines ausdrücklichen Beschlusses bedarf. Im Streitfalle geht es aber nicht um Aufsichtsratsbeschlüsse, sondern um Beschlüsse von Gesellschaftern einer GmbH.

Nach der Entscheidung des Thüringischen Oberlandesgerichts vom 23.04.1997 (4 U 1088/96) soll die vorzitierte Rechtsprechung des BGH für Gesellschafterbeschlüsse ebenfalls gelten. Dieser Auffassung vermag der Senat jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht zu folgen, weil die tragenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs im Streitfalle nicht einschlägig sind. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.04.1964 (II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285 f) enthält keinerlei Begründung für die dort vertretene Auffassung, wonach "was nicht in einem Beschluss seinen Niederschlag gefunden hat, (...) nicht als eine Stellungnahme des Aufsichtsrats angesehen werden" kann. In der zitierten Entscheidung vom 11.07.1953 (II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 194) stützt der BGH seine Auffassung darauf, dass es bei stillschweigender Beschlussfassung unmöglich wäre, die für eine Abstimmung unerlässlichen Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit Beschlussfähigkeit, Zustimmung und Ablehnung gegeben und Stimmenthaltungen vorgekommen sind (BGH, a. a. O. S. 286). Diese Erwägungen mögen auf den dem Thüringischen Oberlandesgericht seinerzeit vorliegenden Fall übertragbar sein, in dem es um die Beschlussfassung einer Gesellschaft mit sieben Gesellschaftern ging. Auf die Beschlussfassung der Beklagten im hier vorliegenden Streitfalle hingegen lassen sich die genannten Erwägungen des Bundesgerichtshofs nicht übertragen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt handelte es sich bei der Beklagten um eine GmbH mit zwei Gesellschaftern, von denen einer bereits als Geschäftsführer auftrat und mit dessen Mitwirkung der andere durch Abschluss eines Anstellungsvertrages als Geschäftsführer eingesetzt werden sollte. Beide Gesellschafter haben durch ihr Verhalten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass neben dem einen nun auch der andere Gesellschafter zum Geschäftsführer bestellt werden soll. Die Feststellung, inwieweit Beschlussfähigkeit, Zustimmung und Ablehnung gegeben und Stimmenthaltungen vorgekommen sind, lässt sich quasi "mit einem Blick" treffen und nötigt die beteiligten Gesellschafter nicht zu einer im Übrigen unnötigen Förmelei, als die ein förmlicher Gesellschafterbeschluss in der konkreten Situation angesehen werden müsste.

2.

Der somit wirksam geschlossene Vertrag wurde durch die Kündigung vom 30.11.1995 beendet.

a)

Ein Kündigungsgrund lag bzw. liegt unter zwei Gesichtspunkten vor:

aa)

Zum einen bestand über einen gewissen Zeitraum der Verdacht, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der Beklagten Subventionsbetrügereien begangen habe.

Dieses Verhalten ist als Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB ausreichend, wie das Landgericht unangefochten ausgeführt hat.

Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kann schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 18. November 1999, Az: 2 AZR 743/98, NJW 2000, 1211 - 1214 mit Hinweisen zur ständigen Rechtsprechung des BAG).

Dabei kommt der Verdachtskündigung gegenüber der Tatkündigung eine eigene Bedeutung zu: Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG liegt eine Verdachtskündigung dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist.

Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. BAG, a. a. O.).

Ein solcher Verdacht bestand jedenfalls während des laufenden Strafverfahrens. Wann genau dieser Verdacht sich zu einem Kündigungsgrund verdichtet hat, muss der Senat nicht im Einzelnen feststellen.

bb)

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Differenzierung stellt auch der Abschluss des Strafverfahrens einen weiteren, von dem erstgenannten unabhängigen Kündigungsgrund dar. Zwar endete das Strafverfahren nicht mit einer rechtskräftigen Verurteilung der Klägerin, sondern wurde nach einer erstinstanzlichen Verurteilung auf die Berufung der Klägerin durch die Berufungskammer des Landgerichts Dessau nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Auflage von 18.000,00 DM eingestellt. Allein dieser Umstand deutet jedoch so stark auf eine tatsächliche Begehung der erstinstanzlich ausgeurteilten Taten hin, dass hierin ein weiterer, vom soeben dargestellten Verdacht unabhängiger Kündigungsgrund zu sehen ist.

b)

Mit Schreiben vom 30.11.1995 (Bl. I 11) wurde die Kündigung ausgesprochen.

c)

Zwar hat die Kündigung vom 30.11.1995 nicht die vertraglich vereinbarte Form des eingeschriebenen Briefes eingehalten. Da die Klägerin das Kündigungsschreiben aber unstreitig erhalten hat, ist dieser Formmangel unschädlich, denn bei einer Einschreibebrief-Klausel kommt der gewillkürten Übermittlungsform im Zweifel nur Beweisfunktion zu; die gleichzeitig ausbedungene Schriftform hat die Beklagte gewahrt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 03.11.1999, I ZR 145/97, NJW-RR 2000, 1560; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.01.1999, 4 U 61/98, NJW-RR 1999, 955).

d)

Im Ergebnis unschädlich ist auch, dass die Kündigung vom 30.11.1995 nicht auf den Vorwurf des Subventionsbetruges gestützt wurde, sondern darauf, dass die Klägerin trotz angeblicher Arbeitsunfähigkeit Gerichtstermine wahrgenommen hatte.

Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass dieser Kündigungsgrund nicht durchgreift. Insofern kann auf die zutreffenden und nicht angefochtenen Gründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen werden.

Die Kündigung hat den Anstellungsvertrag dennoch wirksam beendet, denn mit der Berufungsbegründung stützt die Beklagte ihre Kündigung vom 30.11.1995 nunmehr auf den hinreichenden Tatverdacht des Subventionsbetruges bzw. auf den Subventionsbetrug selbst (Bl. III 52).

Ein solches Nachschieben von Gründen ist grundsätzlich zulässig:

Nach der ständigen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung können Kündigungsgründe grundsätzlich ohne materiellrechtliche Einschränkungen nachgeschoben werden, wenn sie bereits vor der Kündigung entstanden waren und bei Ausspruch der Kündigung noch nicht länger als zwei Wochen bekannt gewesen sind (vgl. grundlegend BGH, Urt. v. 05.05.1958, II ZR 245/56, BGHZ 27, 220, 225; ferner Urt. v. 18.12.1975, VII RZ 75/75, DB 1976, 386; Urt. v. 05.12.1979, VIII ZR 155/78, DB 1980, 967, 968; BAG, Urteil vom 4. Juni 1997, Az: 2 AZR 362/96, NJW 1998, 101-102; Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 24. November 1998, Az: 2 Sa 1185/96, zit. nach JURIS Nr: KARE538990436).

Im Streitfalle kommt es nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Kündigung - also am 30.11.1995 - bereits ein Verdacht bestand, die Klägerin könnte in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der Beklagten Subventionsbetrügereien begangen haben. Die Beklagte stützt die Kündigung im Nachhinein nämlich nicht auf den anfänglich vorliegenden Verdacht, sondern auf die Begehung der Tat selbst bzw. auf die neuen Erkenntnisse, die sich aus dem Abschluss des Strafverfahrens ergeben haben. Die Taten waren im November 1995 bereits begangen, die Beklagte hatte aber noch keine hinreichend sichere Kenntnis davon.

Die Rechtsprechung gesteht dem Arbeitgeber zu, seinen Kündigungsentschluss vom Fortgang eines Strafermittlungs- bzw. Strafverfahrens abhängig zu machen: Auch die erstmalige, nicht rechtskräftige Verurteilung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung nehmen, so dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ab Kenntniserlangung des Arbeitgebers von der Verurteilung zu laufen beginnt (vgl. BAG, Urteil vom 14. Februar 1996, Az: 2 AZR 274/95, NJW 1996, 2253 - 2254). Für die Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld gegen Auflagen kann nichts anderes gelten.

Die Beklagte war somit nicht gehalten, bereits bei Entstehen der ersten Verdachtsmomente - etwa bei Eintreffen der Briefe des ehemaligen Beraters der Beklagten A. im September 1994 - die Kündigung auf der Grundlage eines noch vagen Verdachts auszusprechen. Sie musst die Kündigung auch nicht im Zeitpunkt der Strafanzeige vom 22.03.1996 aussprechen, sondern durfte das Ende des Strafverfahrens abwarten. Dieses Verfahren endete durch den Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Dessau vom 21.07.2000, mit dem das Strafverfahren gegen die Klägerin nach §§ 153 a, 467 Abs. 1 und Abs. 5 StPO endgültig eingestellt wurde, nachdem sie die Auflage der Zahlung von 18.000,00 DM erfüllt hatte.

Auch zu diesem Zeitpunkt lief aber nicht etwa die Frist des § 626 Abs. 2 BGB an, die Beklagte war nicht gehalten, binnen der dort geregelten Zwei-Wochen-Frist die nunmehr bekannt gewordenen Gründe der Kündigung vom 30.11.1996 nachzuschieben, denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, findet beim Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe für eine außerordentliche Kündigung § 626 Abs. 2 BGB keine Anwendung (BAG, Urteil vom 4. Juni 1997, Az: 2 AZR 362/96, NJW 1998, 101 - 102).

e)

Das Nachschieben der nunmehr geltend gemachten Kündigungsgründe ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Kündigung vom 30.11.1996 dadurch das einen völlig anderen Charakter erhält.

Zwar ist eine solche grundlegende Änderung des Charakters der Kündigung nicht zu verkennen: Die Kündigung war zunächst darauf gestützt, dass die Klägerin unter Verstoß gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten im Krankenstande Gerichtstermine wahrnahm. Nunmehr wird sie darauf gestützt, dass sie in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der Beklagten Straftaten begangen hat. Sowohl die Schwere des Vorwurfs als auch dessen Zielrichtung hat sich damit nachhaltig geändert: Ging es zunächst darum, dass die Klägerin sich womöglich hatte krankschreiben lassen, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen, also um einen Verstoß gegen ihre vertragliche Arbeitspflicht, so geht es jetzt darum, dass sie durch die in ihrer Funktion als Geschäftsführerin begangenen Subventionsbetrugstatbestände der Beklagten immateriellen und / oder materiellen Schaden zugefügt hat, der eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar macht.

Dennoch hindert dieser Umstand die Beklagte nicht daran, nunmehr im Berufungsrechtszug nachträglich die Kündigung vom 30.11.1995 auch auf den von der Klägerin begangenen Subventionsbetrug zu stützen. Die Klägerin konnte nämlich nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, dass die Beklagte nicht nachträglich auf die später bekannt gewordenen, aber zum Zeitpunkt der Kündigung bereits vorliegenden Gründe zurückgreifen würde.

Im Einzelnen:

aa)

Ob ein Auswechseln der Kündigungsgründe im Prozess in dem Sinne, dass die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, möglich ist oder ob in einem solchen Fall derartige Kündigungsgründe nur eine neue Kündigung rechtfertigen, ist - soweit erkennbar - in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Frage in seinen Urteilen vom 18. Januar 1980 (Az: 7 AZR 260/78 NJW 1980, 2486) und vom 4. Juni 1997 (Az: 2 AZR 362/96; NJW 1998, 101 - 102) ausdrücklich offen gelassen, ebenso das Landesarbeitsgericht Frankfurt in seinem Urteil vom 20. September 1999 (Az: 16 Sa 2617/98, NZA-RR 2000, 413 - 418).

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat in seinem Urteil vom 11. Mai 2000 (Az: 9 Sa 684/99, zit. nach JURIS-Nr: KARE600002252) die Auffassung vertreten, durch den im Verfahren nachgeschobenen Sachverhaltskomplex "Urkundenfälschung" erhalte die Kündigung, die zunächst auf verspätete Auszahlung der Gehälter und Löhne gestützt worden war, einen völlig anderen Charakter. Es handele sich nicht um vergleichbare Pflichtverletzungen, daher sei der nachgeschobene Kündigungsgrund bereits deshalb nicht geeignet, für die außerordentliche Kündigung nachträglich einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abzugeben.

In der hierzu ergangenen Revisionsentscheidung vom 17. Januar 2002 2 (AZR 494/00, BAGReport 2002, 375-379, zit. nach JURIS-Nr. Nr: KARE600006456) hat das BAG es dahingestellt gelassen, ob ein solcher möglicher wichtiger Kündigungsgrund vorliegt und der Kläger ihn materiell-rechtlich wirksam nachschieben konnte, weil der nachgeschobene Grund erst nach der Kündigungserklärung entstanden sei.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem bereits zitierten grundlegenden Urteil vom 05.05.1958 (BGHZ 27, 220, 225) ausgeführt, im Einzelfall könnte sich aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben die Notwendigkeit ergeben, mit der Kündigung sogleich sämtliche Kündigungsgründe anzugeben; dies soll insbesondere dann anzunehmen sei, wenn bei Ausspruch der Kündigung ein bestimmter Kündigungsgrund angegeben worden sei, so dass der Gekündigte womöglich nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Kündigende werde sich auf diesen Grund beschränken. Ob dieses Vertrauen des Gekündigten tatsächlich schutzwürdig ist, soll auch davon abhängen, ob es sich bei den nicht angegebenen Kündigungsgründen um solche handelt, die von dem Dienstverpflichteten selbst veranlasst worden sind, oder ob sie in der Sphäre des Dienstberechtigten liegen. Wenn Kündigungsgründe in Frage stehen, die der Dienstverpflichtete vorsätzlich herbeigeführt hat, dann dürfe der Gekündigte nicht darauf vertrauen, dass der Dienstberechtigte, wenn er schon einmal die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, sich auf diese Gründe nicht berufen will. In einem solchen Falle könnten nur besondere Umstände den Dienstverpflichteten berechtigten, die Kündigungserklärung dahin aufzufassen, dass der Dienstberechtigte nur wegen des ausdrücklich angegebenen Grundes kündigen, die anderen ihm bekannten Gründe jedoch nicht zum Anlass der Kündigung nehmen wolle. Soweit es sich um bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorhandene, dem Kündigenden jedoch erst später bekannt gewordene Gründe aus der Sphäre des Dienstverpflichteten handele, werde in aller Regel in der nachträglichen Geltendmachung kein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen.

Unter Berufung auf diese Entscheidung hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg in seinem Urteil vom 16. April 2002 (Az: 9 U 206/01, DB 2002, 2316 - 2317 = OLGR Naumburg 2002, 540 - 541) es für unzulässig gehalten, eine Kündigung, die zunächst auf unternehmenskritische Äußerungen des Geschäftsführers in einer Zeitung gestützt war, mehr als neun Monate später darauf zu stützen, der gekündigte Geschäftsführer habe es pflichtwidrig unterlassen, vor Abschluss eines sog. Fremdwährungs-Swap über 10 Mio. DM und einer Laufzeit von 10 Jahren die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen.

Zur Begründung hat der 9. Zivilsenat des OLG Naumburg ausgeführt, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger das Devisenswapgeschäft in irgendeiner Weise verschleiert hätte. Das Geschäft sei vielmehr eher zufällig im Zusammenhang mit einer allgemeinen Überprüfung der wirtschaftlichen Situation bekannt geworden. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung habe mithin allein dem Zufall unterlegen, den Entscheidungsgremien der Beklagten hätte das Geschäft noch jahrelang verborgen bleiben können. Lasse man auch zeitlich uneingeschränkt ein Nachschieben von Gründen zu, ergebe sich für den Betroffenen keine Rechtssicherheit mehr. Werde das Dienstverhältnis nach - zunächst erfolglosem Ausspruch einer Kündigung - fortgesetzt, so könnten Gründe für eine fristlose Kündigung noch nach Jahren nachgeschoben werden, auch wenn sich der Kündigungsgrund durch Zeitablauf erledigt hätte. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen könne dies dem Betroffenen nur dann zugemutet werden, wenn er selbst (oder ihm zurechenbar) dafür gesorgt hat, dass der Kündigungsgrund verschleiert und deshalb nicht zeitnah erkannt wurde.

bb)

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat der Senat keine Bedenken dagegen, dass die Beklagte ihre Kündigung vom 30.11.1995 nachträglich auf die von der Klägerin begangenen Subventionsbetrügereien stützt.

Es handelt sich nämlich dabei um Gründe, die von der Klägerin vorsätzlich herbeigeführt wurden und die der Beklagten bei Ausspruch der Kündigung jedenfalls nicht in ihrer gesamten Tragweite bekannt waren, so dass die Klägerin nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen weniger schutzbedürftig ist.

Ferner hat die Klägerin unstreitig versucht, die Einzelheiten der Tatbegehung vor der Beklagten geheim zu halten: So hat sie unstreitig auf der Gesellschafterversammlung am 08.05.1996 wahrheitswidrig angegeben, sie habe die gewählte Verfahrensweise mit der zuständigen Stelle bei der Bezirksregierung abgesprochen, wobei sie sich jedoch ohne erkennbaren Grund weigerte, den Namen der zuständigen Mitarbeiterin der Bezirksregierung zu nennen. Allein der Umstand, dass bis zu diesem Zeitpunkt auch für den Geschäftsführer der Beklagten F. ersichtlich immer dieselbe Mitarbeiterin der Bezirksregierung für die Beklagte zuständig gewesen war, nämlich die Mitarbeiterein D. , ändert insofern nichts, denn dadurch war keineswegs offensichtlich, dass die angebliche Absprache ebenfalls mit dieser Mitarbeiterin getroffen worden sei.

Wegen dieser Umstände liegt der Fall auch anders als derjenige, der der zitierten Entscheidung des 9. Zivilsenates des OLG Naumburg zugrunde lag: Anders als im dortigen Falle hatte die Klägerin sehr wohl versucht, ihre Handlungsweisen zu verschleiern, und die Aufklärung war auch nicht etwa dem Zufall überlassen, sondern hing vom Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen und strafgerichtlichen Verfahren ab. Ein schützenswertes Interesse an Rechtssicherheit hatte die Klägerin daher nicht, und sie konnte auch nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte ihre Kündigung vom November 1995 nicht nachträglich auch auf den Subventionsbetrug stützen würde, denn spätestens nach der gerade hierauf gestützten Kündigung vom 27.03.1996 (Bl. I 50) musste die Klägerin damit rechnen, dass die Beklagte auch diese Vorfälle zum Anlass nehmen würde, sich von der Klägerin zu trennen.

f)

Das Nachschieben der Kündigungsgründe ist auch nicht etwa aus prozessualen Gründen unberücksichtigt zu lassen.

Zwar hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie ohne Verschulden daran gehindert gewesen sei, die Kündigung vom 30.11.1995 bereits in erster Instanz auf den Vorwurf des Subventionsbetruges zu stützen.

Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist nämlich unstreitig und deshalb trotz der in § 531 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 ZPO getroffenen Neuregelung des Novenrechts zuzulassen, da er den Rechtsstreit nicht verzögert. Eine solche Ausnahme vom Wortlaut der genannten Vorschrift ist bereits anerkannt für den Fall, dass erstmals in der Berufungsinstanz zunächst bestrittener Gegnervortrag unstreitig gestellt wird; für diesen Fall sei das mit der Neuregelung des Berufungsrechts verfolgte Interesse der schonenden Inanspruchnahme der Ressource Recht und die Konzentration des Tatsachenvortrags in der 1. Instanz nicht tangiert, da die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme und damit ein weiterer über die Rechtsanwendung hinausgehender Aufwand entfällt (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. Rn. 10 zu § 531).

Gleiches kann man für erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachten, aber unstreitig bleibenden Vortrag annehmen.

g)

Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht etwa daran, dass es insofern an einem wirksamen Gesellschafterbeschluss fehlt.

Der Kündigung vom 30.11.95 selbst lag ein Gesellschafterbeschluss vom 10.11.1995 zugrunde. Dies hat die Beklagte mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.05.19998 (Bl. I 186 der GA) vortragen lassen, ohne dass dies nachfolgend bestritten worden wäre. Insbesondere ist ein solches Bestreiten nicht im Schriftsatz der Klägervertreter vom 17.03.1998 (dort S. 3, Bl. II 3 der GA) enthalten, denn der dortige Vortrag bezieht sich nicht auf den Gesellschafterbeschluss vom 10.11.1995.

Auch hinsichtlich des Nachschiebens der nachträglich bekannt gewordenen Kündigungsgründe fehlt es nicht an dem erforderlichen Gesellschafterbeschluss. Zwar ist nicht vorgetragen, dass sich der Gesellschafterbeschluss vom 08.05.1996 auch auf das Nachschieben von Gründen bezieht. Unstreitig ist aber der Geschäftsführer der Beklagten F. inzwischen deren Alleingesellschafter, so dass ein diesbezüglicher Gesellschafterbeschluss durch schlüssiges Verhalten mit Geltendmachung des Nachschiebens der Kündigungsgründe im Prozess erfolgt ist.

III.

Die Anschlussberufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1.

Sie ist zulässig, insbesondere sind Frist und Form des § 524 Abs. 1, Abs. 3 ZPO gewahrt.

2.

Sie ist jedoch unbegründet, da aus den vorstehend genannten Gründen der Vertrag bereits durch die Kündigung vom 30.11.1995 beendet wurde.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 2 ZPO: Die Kosten der ersten Instanz waren der im Ergebnis unterliegenden Klägerin aufzuerlegen. Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat in des nach § 97 Abs. 2 ZPO die Beklagte zu tragen, denn sie obsiegt allein deshalb, weil sie in zweiter Instanz erstmals die Kündigung vom 30.11.1995 auf neue, nachgeschobene Gründe gestützt hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Dabei war der Streit für die Feststellungsanträge gem. § 12 I GKG i. V. m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgebend ist das vom Gericht zu schützende Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung.

Nach inzwischen einhelliger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, findet dabei keine Anwendung die Regelung § 12 VII 1 ArbGG, nach dem für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend ist. Diese Vorschrift gilt nur für das arbeitsgerichtliche Verfahren (vgl. grundlegend BGH IX. Zivilsenat Beschluss vom 13. Februar 1986, Az: IX ZR 114/85, NJW-RR 1986, 676; ebenso etwa KG Berlin, Beschluss vom 21.6.1996 - 5 W 2444/96, KGR 1996, 249 = NJW-RR 1997, 543-544 mit Nachweisen). Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn der Rechtsstreit - wie hier - zunächst beim Arbeitsgericht rechtshängig war und sodann auf Antrag der Klägerin an das Landgericht verwiesen worden ist, denn aufgrund des rechtskräftig gewordenen Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Dessau vom 24.01.1996 ist der Rechtsstreit beim Landgericht rechtshängig geworden. (vgl. zu einem solchen Fall KG Berlin, Beschluss vom 21.6.1996 - 5 W 2444/96, a. a. O.)

Für den Streitwert einer Leistungsklage auf fortlaufende Vergütung wäre nach § 17 III GKG der dreifache Jahresbetrag der vereinbarten Vergütung maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistung geringer ist; im letzteren Fall gilt der geringere Betrag. Für Feststellungsklagen von Mitgliedern des Vertretungsorgans einer GmbH über das Fortbestehen des Anstellungsverhältnisses wird danach gemeinhin der Streitwert nach Maßgabe der Bruttovergütung bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin festgesetzt, jedoch nach oben begrenzt auf den dreifachen Jahresbetrag, bei positiven Feststellungsklagen mit einem Feststellungsabschlag von 20 % (vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom 22.6.1994 - 20 W 12/94; OLGR 1994, 298 (zum Vorstand einer Genossenschaft); OLG Köln, Beschluss vom 8.9.1994 - 19 W 31/94, OLGR 1994, 268; ebenso Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen 2. Zivilsenat Beschluss vom 16. September 1991, Az: 2 U 36/91, a. a. O.). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Klageeinreichung im Dezember 1995 hatte die Beklagte die Möglichkeit, den im März 1994 geschlossenen Anstellungsvertrag mit 6-monatiger Kündigungsfrist zum Jahresende, also zum Ende 1996 zu kündigen (vgl. § 9 des Vertrages, Bl. I 9 der GA). Die Klägerin hätte dann noch ihr Gehalt für die Monate Dezember 1995 bis Dezember 1996 in Höhe von 13 x 7.000,00 = 91.000,00 DM bezogen. Hiervon sind allerdings abzuziehen die im Wege der Leistungsklage verfolgen Ansprüche für die Monate Dezember 1995 bis April 1996 in Höhe von 5 x 7.000,00 = 35.000,00 DM. Für das Feststellungsinteresse sind also zunächst Gehaltszahlungen in Höhe von 91.000,00 -35.000,00 = 56.000,00 DM zu berücksichtigen.

Ferner hätte die Klägerin im Falle der ordentlichen Kündigung einen Anspruch auf zwei Brutto-Jahresgehälter, mithin in Höhe von 26 x 7.000,00 = 182.000,00 DM.

Für die Klägerin standen also Forderungen in Höhe von 56.000,00 +182.000,00 = 238.000,00 DM auf dem Spiel.

Weitere Forderungen, insbesondere etwaige Ansprüche auf Weihnachtsgeld, sind nicht zu berücksichtigen, denn wie auch im Wortlaut des § 17 III GKG zum Ausdruck kommt, sollen bei der Wertberechnung nur die turnusmäßig "wiederkehrenden Leistungen" maßgebend sein, so dass in erster Linie das Monatsgehalt, insbesondere auch soweit es dreizehnmal gezahlt wird, dagegen nicht nur gelegentliche Leistungen wie Weihnachts- und Urlaubszuwendungen, Beihilfen u. ä., der Berechnung zugrunde zu legen ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 22.6.1994 - 20 W 12/94 a. a. O.).

Unter Berücksichtigung eines Abschlages von 20 % im Hinblick darauf, dass keine Zahlungsklage, sondern eine positive Feststellungsklage erhoben wurde, ergibt sich für den Feststellungsantrag ein Streitwert von 238.000,00 x 0,8 = 190.400,00 DM = 97.349,97 €.

Der Streitwert des Zahlungsantrages ist im Hinblick auf den geforderten Betrag auf 18.897,35 € festzusetzen.

Der Gesamtstreitwert beläuft sich somit für beide Instanzen auf 97.349,97 + 18.897,35 = 116.247,32 €.

Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht. Anzuwenden ist gemäß § 26 Nr. 7 EGZPO die Vorschrift des § 543 ZPO n. F. Die Angelegenheit hat aber weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die Frage, ob das Nachschieben von Kündigungsgründen auch dann zulässig ist, wenn die Kündigung dadurch ihren Charakter verändert, denn insofern hat sich der Senat strikt an die Kriterien des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 05.05.1958 (BGHZ 27, 220, 225) gehalten.

Ende der Entscheidung

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