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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 18.08.2008
Aktenzeichen: 8 UF 102/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621e Abs. 1
ZPO § 621e Abs. 3
ZPO § 629a Abs. 2 S. 1
BGB § 1587c Nr. 1
BGB § 1587c Nr. 2
Die Ausübung eines Kapitalwahlrechtes hinsichtlich einer auf Rente lautenden Lebensversicherung und damit der Wegfall der Einbeziehung in den Versorgungsausgleich (§ 1587 Abs. 3 BGB) ist nicht ausreichend, um eine grobe Unbilligkeit anzunehmen. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn im Verhalten des Anrechtsinhabers ein illoyaler und zumindest grob leichtfertiger Verzicht auf eine eigene Altersversorgung zu erblicken wäre (OLG Karlsruhe FamRZ 04, 463; das. FamRZ 06, 1457).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 UF 102/08 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg am 18. August 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Feldmann, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Oberlandesgericht Harms beschlossen:

Tenor:

Die befristete Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Halle (Saale) vom 24.04.2008 (Az.: 28 F 2727/04) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- EUR festgesetzt. Gründe:

I.

Die Parteien haben am 27.05.1988 die Ehe geschlossen und leben seit Juli 2004 räumlich und wirtschaftlich voneinander getrennt. Aus der Ehe der Parteien ist ein am 30.10.1991 geborenes minderjähriges Kind hervorgegangen.

Der Ehescheidungsantrag der Antragstellerin vom 18.02.2005 ist am 18.03.2005 rechtshängig geworden. Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien mit Urteil vom 24.04.2008 geschieden und den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich zu Lasten der Antragstellerin dergestalt durchgeführt, dass von ihrem Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund monatliche und auf das Ende der Ehezeit bezogene Rentenanwartschaften, denen Entgeltpunkte (Ost) zu Grunde liegen, in Höhe von 235,66 € übertragen. Ferner hat es die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs mit Blick auf eine private Leibrentenversicherung der Antragstellerin bei der M. Lebensversicherung AG vorbehalten.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 629a Abs. 2 S. 1, 621e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat jedoch - auch unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens mit Schriftsätzen vom 22.07.2008 und 28.07.2008 - in der Sache keinen Erfolg, denn zutreffend ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen des § 1587c Nr. 1 und 2 BGB für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht vorliegen.

Der Tatbestand der in § 1587c Nr. 1 BGB normierten Härteklausel ist erfüllt, wenn aufgrund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspricht und daher zu grob unbilligen Ergebnissen führen würde (BGH FamRZ 2005, 2052 ff.). Dies ist hier im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Antragstellerin nicht der Fall.

Soweit es um die Rentenversicherung des Antragsgegners bei der A. Lebensversicherung AG geht, führt die Ausübung des Kapitalwahlrechts seitens des Antragsgegners bei ursprünglich vereinbartem Rentenbeginn nicht zur Annahme einer groben Unbilligkeit im vorgenannten Sinne. Diese wäre nur anzunehmen, wenn im Verhalten des Antragsgegners ein illoyaler und zumindest grob leichtfertiger Verzicht auf eine eigene Altersvorsorge zu erblicken wäre (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 463 und FamRZ 2006, 1457). Davon kann aber nach Lage des Sachverhalts nicht ausgegangen werden, denn konkrete Anhaltspunkte für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens fehlen. Vielmehr indiziert die von der Antragstellerin wegen einer durch Urteil des Landgerichts Halle vom 03.02.2006 titulierten Forderung in Höhe von 16.313,80 € in die - gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen - Forderungen des Antragsgegners gegen die A. Lebensversicherung AG, namentlich in die Ansprüche aus privater Rentenversicherung, betriebene Zwangsvollstreckung, dass die Ausübung des Kapitalwahlrechts der Notwendigkeit geschuldet war, die Forderung der Antragstellerin zu befriedigen. Entsprechend hat die A. Lebensversicherung AG den Betrag von 17.844,29 € aus der Versicherungssumme und weitere 1.148,82 € aus der Lebensversicherung des Antragsgegners bei dem vorbezeichneten Versicherungsunternehmen (Haupt- und Nebenforderungen) unter dem 13.07.2007 auf das Anderkonto des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin überwiesen. Dass der Antragsgegner den nach Kapitalauszahlung verbleibenden Differenzbetrag von 25.114,86 € nicht für den Ausgleich anderer Verbindlichkeiten gegenüber der Antragstellerin eingesetzt hat, spricht nicht für ein dem Antragsgegner anzulastendes illoyales und grob leichtfertiges Unterlassen einer eigenen Altersvorsorge.

Ein solches Verhalten kann mangels Erkennbarkeit dahingehender Umstände des Einzelfalls auch nicht in der Beitragsfreistellung seiner Renten- und seiner Lebensversicherung durch den Antragsgegner gesehen werden.

Darüber hinaus spricht auch kein Anhaltspunkt im Verfahren dafür, dass dem Antragsgegner über das hierfür eingesetzte Maß hinaus überhaupt finanzielle Mittel aus seiner selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt für den Aufbau einer weitergehenden Altersvorsorge zur Verfügung gestanden haben. Entsprechende Umstände hätte aber die Antragstellerin, zu deren Vorteil sich die Anwendung der Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB auswirken würde, vorbringen müssen (vgl. BGH FamRZ 2007, 366 mwN; FAKomm-FamR/Rehme, 3. Aufl., § 1587c BGB Rn 54). Die von ihr mit Schriftsatz vom 22.07.2008 und 28.07.2008 vorgetragenen steuerrechtlich relevanten Einkünfte des Antragsgegners erlauben keinen Rückschluss auf das ihm im Ergebnis für den Aufbau einer privaten Altersversorgung zur Verfügung stehende Einkommen. Die Gegenüberstellung der Einkünfte von Antragstellerin und Antragsgegner im Zeitraum von 1993 bis 2001 erhellt allerdings, dass - mit Ausnahme der Jahre 1993, 1994 und 1999 - stets die Antragstellerin höhere Einkünfte als der Antragsgegner erzielt hat, was gegen die Annahme eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts zum Nachteil der Antragstellerin bei Durchführung des Versorgungsausgleichs spricht (vgl. PWW/Rehme, BGB, 3. Aufl., § 1587c Rn 6; OLG Karlsruhe FamRZ 2006, 1457). Nur dann, wenn ein derartiges Ungleichgewicht angenommen werden könnte und außerdem die Antragstellerin auf ihre Versorgungsanrechte zur Sicherung ihres Unterhalts dringend angewiesen wäre, läge eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1587c Nr. 1 BGB vor (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587c BGB Rn 30 mwN).

Auch die Äußerung des Antragsgegners aus dem Jahre 1999 gegenüber dem Vater der Antragstellerin vor dem Kauf des Hausgrundstücks der Antragstellerin, zur Finanzierung setze er als Eigenbeteiligung seine Lebensversicherung ein, deren Versicherungssumme er mit 150.000,00 DM angegeben haben soll, führt nicht zur Anwendung des § 1587c Nr. 1 BGB, denn hierin liegt kein Vorspiegeln des Bestehens einer angemessenen Altersvorsorge und kein treuwidriges Verhalten gegenüber der Antragstellerin, zumal auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass die Auskunft des Antragsgegners gegenüber seinem Schwiegervater seinerzeit unzutreffend war.

Soweit die Antragstellerin einen Ausschlussgrund im Sinne des § 1587c Nr. 1 BGB darin sieht, dass der Antragsgegner ab Juli 2004 keine Raten an die PSD-Bank auf den zur Finanzierung des Hausgrundstücks der Antragstellerin gemeinsam aufgenommenen Kredit geleistet hat, was letztlich zur Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens und des Verlustes des Grundeigentums geführt hat, streitet dies ebenfalls nicht für die Antragstellerin, denn sie hätte als Gesamtschuldnerin neben dem Antragsgegner durch Weiterzahlung der Raten wie in der Zeit bis zur Trennung der Parteien das Zwangsversteigerungsverfahren und letztlich den Erwerb des Hausgrundstücks durch eine Freundin des Antragsgegners verhindern können. Soweit die Antragstellerin hierdurch Teile ihres Vermögens verloren hat, fällt dies nicht allein dem Antragsgegner zur Last.

Schließlich greift zu Gunsten der Antragstellerin auch nicht der Ausschlusstatbestand des § 1587c Nr. 2 BGB ein, denn es spricht nichts für eine zumindest mit bedingtem Schädigungsvorsatz des Antragsgegners erfolgte treuwidrige Beeinflussung der Versorgungsbilanz zu seinen Gunsten ohne zureichenden Grund (vgl. FAKomm-FamR/Rehme, 3. Aufl., § 1587c Rn 48).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 49 Nr. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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