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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 8 UF 171/05
Rechtsgebiete: RegelbetragVO


Vorschriften:

RegelbetragVO § 1
RegelbetragVO § 2
Wird gegen ein Unterhaltsurteil Berufung eingelegt mit dem Ziel, ohne Veränderung des Prozentsatzes eine Abänderung von § 2 auf § 1 RegelbetragVO zu erreichen, bestimmt sich die Beschwer aus der Differenz der unterschiedlichen Regelbeträge.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 171/05 OLG Naumburg

verkündet am: 26. Januar 2006

In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 01. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts Zeitz vom 08.07.2005 wird abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Der Berufungsbeklagte wird verurteilt, für den Zeitraum von Mai 2001 bis einschließlich Mai 2002 an den am 24.02.1994 geborenen Kläger zu 1. monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages gemäß § 2 der RegelbetragsVO der jeweiligen Altersstufe zu zahlen, wobei für den Zeitraum August 2001 bis einschließlich Mai 2002 monatlich bezogene Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 141,00 Euro je Monat abgezogen werden.

2. Der Berufungsbeklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger zu 1. ab dem 01.06.2002 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages gemäß § 1 RegelbetragsVO der jeweiligen Altersstufe zu zahlen, abzüglich der geleisteten Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UVG in Höhe von 151,00 Euro monatlich für den Zeitraum Juni 2002 bis Juni 2003 und in Höhe von 164,00 Euro monatlich für den Zeitraum Juli 2003 bis Juni 2005. Eine Anrechnung von Kindergeld erfolgt nicht.

3. Der Berufungsbeklagte wird verurteilt, für den Zeitraum von Mai 2001 bis einschließlich Mai 2002 an die am 24.02.1994 geborene Klägerin zu 2. monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages gemäß § 2 der RegelbetragsVO der jeweiligen Altersstufe zu zahlen, wobei für den Zeitraum August 2001 bis einschließlich Mai 2002 monatlich bezogene Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 141,00 Euro je Monat abgezogen werden.

4. Der Berufungsbeklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin zu 2. ab dem 01.06.2002 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages gemäß § 1 RegelbetragsVO der jeweiligen Altersstufe zu zahlen, abzüglich der geleisteten Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UVG in Höhe von 151,00 Euro monatlich für den Zeitraum Juni 2002 bis Juni 2003 und in Höhe von 164,00 Euro monatlich für den Zeitraum Juli 2003 bis Juni 2005. Eine Anrechnung von Kindergeld erfolgt nicht.

5. Die Anschlussberufung des Berufungsbeklagten wird zurückgewiesen.

6. Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Berufungsbeklagte.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für die Berufung und Anschlussberufung: 5.784,00 Euro.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Unterhaltsverpflichtung des Berufungsbeklagten für die beiden Zwillinge S. und K. F. , geboren am 24.02.1994. Erstinstanzlich begehrten die beiden ehelich geborenen Zwillinge für den Zeitraum ab Mai 2001 Kindesunterhalt von ihrem Vater. Nach dem das Amtsgericht gegen den von der Kindesmutter getrennt lebenden Kindesvater zur Zahlung von je 210,14 Euro im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hatte und sodann im Hauptverfahren ein Teilurteil mit einer Auskunftsverpflichtung für den Kindesvater erlassen hat, erfolgte anschließend eine Verurteilung des Kindesvaters zu monatlichen Unterhaltsleistungen in Höhe von 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß § 2 der RegelbetragsVO. Hierbei hat das Amtsgericht berücksichtigt, dass die Unterhaltsvorschusskassen - zunächst des Burgenlandkreises und dann ab Juni 2002 Berlin - Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 141,00 Euro je Kind/151,00 Euro monatlich geleistet haben.

Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung begehren die Kinder lediglich eine Änderung der Verurteilung derart, dass der Kindesvater im Hinblick auf den Wohnsitzwechsel der beiden Zwillinge nicht zu Leistungen nach § 2 der RegelbetragsVO, sondern nach § 1 der RegelbetragsVO verurteilt wird.

Mit seiner Anschlussberufung begehrt der Kindesvater eine Klageabweisung, weil er zu Kindesunterhaltszahlungen nicht leistungsfähig sei.

II.

Die zulässige Berufung der Kinder ist begründet. Da hier die beiden Kinder lediglich die Änderungen der Tenorierung von § 2 auf § 1 der RegelbetragsVO ihrer Berufung begehren, ist ihre Beschwer ausgehend von der Differenz der unterschiedlichen Regelbeträge zu ermitteln. Im Ergebnis bedeutet dies, dass hier eine Beschwer von über 600,00 Euro gegeben ist, die Berufung ist mithin zulässig.

Die Kläger sind auch aktivlegitimiert, weil zwar die Unterhaltsvorschusskassen, ohne dass Rückabtretungen erfolgt sind, Unterhaltsvorschussleistungen gezahlt haben, deren Höhe jedoch nach UVG lediglich 100 % des Regelbetrages minus hälftigem Kindergeld beträgt. Ein vollständiger Anspruchsübergang nach dem UVG kann insoweit nicht erfolgt sein. Denn nach § 1612 b Abs. 5 BGB erfolgt bei einer Unterhaltsverpflichtung von lediglich 100 % des Regelbetrages noch keine hälftige Kindergeldanrechnung, die Kinder sind mithin hinsichtlich des von ihnen geltend gemachten Teils ihres Unterhaltsanspruches auch berechtigt, diesen gegen ihren Vater gerichtlich geltend zu machen. Das Amtsgericht hat insofern zutreffend die monatlichen Unterhaltsvorschussleistungen im Tenor berücksichtigt.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht haben die Kinder erstinstanzlich nicht ausdrücklich die Anwendung von § 2 der RegelbetragsVO beantragt, sondern lediglich eine Verurteilung auf 100 % des Regelbetrages begehrt. Deshalb war das Amtsgericht nicht nur gehalten, den gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB zu bestimmenden Regelbetrag der Höhe nach selbst festzulegen, sondern auch zu entscheiden, ob § 1 oder § 2 der RegelbetragsVO zu Grunde zu legen ist. Nach dem Wortlaut von §§ 1, 2 der RegelbetragsVO richtet sich die Höhe des jeweils zu tragenden Regelbetrages ausschließlich nach dem Wohnsitz des unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindes. Danach ist nur dann, wenn der Haushalt des betreuenden Elternteils sich in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet befindet, ein geringerer monatlicher Regelbetrag festgesetzt als bei den Kindern, die im Haushalt eines Elternteiles im alten Bundesgebiet leben. Insoweit hätte das Amtsgericht hier zwischen den beiden unterschiedlichen Wohnsitzen der Kinder unterscheiden und durch eine unterschiedliche Tenorierung berücksichtigen müssen. Dies ist durch die Berufungsentscheidung nunmehr erfolgt.

Die Anschlussberufung des Kindesvaters, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiter verfolgt, keinen Unterhalt zahlen zu müssen, ist unbegründet. Da hier die beiden Kinder eine erstmalige Titulierung ihrer Unterhaltsansprüche begehren, liegt die vollständige Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht 100 % des Regelbetrages zahlen kann, bei dem Kindesvater. Hier hat er lediglich vorgetragen, dass er 1960 geboren wurde und den Beruf eines Wirtschaftsberaters gelernt hat. Allerdings beschränkte sich seine Tätigkeit in den letzten Jahren auf die Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter. Auch mit der Berufung hat der Kindesvater weder die Höhe seines Einkommens, noch seine Erwerbsbemühungen annähernd ausführlich bzw. schlüssig dargelegt. Nach seinem Vortrag ist nicht erkennbar, warum er nicht in der Lage sein soll, in dem von ihm ausgeübten Beruf das notwendige Einkommen in Höhe von ca. 1.500,00 Euro zur Bedarfsdeckung der beiden minderjährigen Kinder zu erzielen. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug. Da auch mit der Berufung kein weiterer Vortrag erfolgte, der an der Begründung des Amtsgerichts Anlass zum Zweifeln weckt, musste es bei der erstinstanzlichen Entscheidung insoweit bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO.

Ende der Entscheidung

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