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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 01.12.2008
Aktenzeichen: 8 UF 182/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 621a |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
8 UF 182/08 OLG Naumburg
In der Familiensache
betreffend den Umgang des Kindesvaters mit seinem (am 09. Februar 2007 geb.) Kind ...
hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Feldmann und die Richter am Oberlandesgericht Bisping und Harms am 01. Dezember 2008 beschlossen:
Tenor:
Auf die befristete Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Merseburg vom 24. September 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Familiengericht zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 3.000.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin nahmen in der ersten Hälfte des Jahres 2006 eine nichteheliche Beziehung auf. Kurz danach wurde die Antragsgegnerin schwanger. Im Juli 2006 nahm sie eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann, nämlich M. M. , auf. Im November 2006 trennte sie sich endgültig vom Antragsteller und zog zu ihrer Mutter. Am 09. Februar 2007 brachte sie das Kind N. zur Welt, das seitdem in ihrer Obhut lebt. Zu Umgangskontakten zwischen dem Antragsteller und seinem Kind kam es zu keiner Zeit. Am 02. August 2008 heiratete die Antragsgegnerin ihren Lebensgefährten M. M. . Seit September 2008 besucht das Kind eine Kindereinrichtung.
Am 26. März 2007 hat der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Regelung des Umgangs mit seinem Kind eingereicht. Mit Urteil des Familiengerichts vom 07. November 2007 wurde die Vaterschaft des Antragstellers - rechtskräftig - festgestellt (Vorprozess 2 F 137/07 AG Merseburg). Im Umgangsrechtsverfahren hat das Familiengericht das Jugendamt angehört und, ohne dem Kind einen Verfahrenspfleger zu bestellen, am 08. September 2008 mit den Verfahrensbevollmächtigten der Kindeseltern sowie mit der Kindesmutter mündlich verhandelt; zwar war auch das persönliche Erscheinen des Kindesvaters angeordnet, er erschien zur mündlichen Verhandlung jedoch nicht. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat das Familiengericht den angefochtenen Beschluss erlassen, mit dem der Antrag des Antragstellers als unbegründet "zurückgewiesen" worden ist.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller befristete Beschwerde eingelegt.
II.
Die zulässige befristete Beschwerde des Antragstellers (§ 621e ZPO) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht nur an Verfahrensfehlern leidet, sondern auch in der Sache einer Überprüfung nicht standhält:
1. Das Familiengericht durfte nicht ohne vorherige persönliche Anhörung des Kindesvaters (§ 621a ZPO in Verbindung mit § 50a FGG) entscheiden; von einer persönlichen Anhörung durfte nicht abgesehen werden, weil der Kindesvater trotz angeordneten persönlichen Erscheinens nicht zum Termin erschienen ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 50a Rn 16 m.w.N.).
Verfahrensfehlerhaft war es auch, dass dem Kind kein Verfahrenspfleger bestellt worden ist. Ein Verfahrenspfleger (§ 50 FGG) ist einem Kind stets zu bestellen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die "Möglichkeit" besteht, dass ein sorgeberechtigter Elternteil - wie hier die allein sorgeberechtigte Kindesmutter (§ 1626a Abs. 2 BGB) - die Interessen des Kindes nicht sachgerecht vertritt. Diese Möglichkeit ist hier schon deshalb nicht auszuschließen, weil die Kindesmutter, obgleich der Kindesvater sein Kind noch nie gesehen hat, in der mündlichen Verhandlung vom 08. September 2008 beantragt hat, dass der Antrag des Kindesvaters "zurückgewiesen" wird. Ein Kind hat nämlich ein Recht auf Umgang mit beiden Eltern, und zwar gerade auch dann, wenn ein Elternteil nicht das Sorgerecht hat (§ 1684 BGB). Anderenfalls wird es seiner "Wurzeln" beraubt (vgl. EGMR, FamRZ 2004, 1456).
2. Auch in der Sache hält die angefochtene Entscheidung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand:
Das Familiengericht hat den Umgang des Kindesvaters mit seinem Kind zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, es hat jedoch eine gerichtliche Regelung des Umgangs abgelehnt. Durch die Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Regelung des Umgangs tritt ein Zustand ein, der weder für die Beteiligten zumutbar erscheint noch dem verfassungsrechtlichen Schutz gerecht wird, unter dem das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils steht. Denn durch eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt wird, die aber gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigert, bleibt das Umgangsrecht nur scheinbar "unberührt". Der umgangsberechtigte Elternteil weiß nämlich nicht, in welcher Weise er das Recht tatsächlich wahrnehmen darf und in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt ist. Ohne Entscheidung ist er auf die willkürliche Gewährung eines Umgangs durch den Inhaber der alleinigen elterlichen Sorge angewiesen, eine Rechtsfolge, gegen die der Bundesgerichtshof schon wiederholt Bedenken geäußert hat (vgl. u.a. BGH, FamRZ 1994, 158, 159 f.). Denn ein solcher Rechtszustand steht nicht im Einklang mit der besonderen Bedeutung, die dem Umgangsrecht als einer unter dem Schutz des Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes stehenden Rechtsposition zukommt. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsrechts, dass in Fällen, in denen sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen können, die Gerichte eine Entscheidung zu treffen haben, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Das zur Umgangsregelung angerufene Familiengericht hat daher entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret zu regeln oder, falls dies zum Wohl des Kindes notwendig ist, die Umgangsbefugnis konkret einzuschränken; auf die Ablehnung einer gerichtlichen Regelung beschränken darf es sich nicht (BGH a.a.O.).
Ein Ausschluss des Umgangs kommt hier - auch angesichts der von der Kindesmutter vorgebrachten Bedenken - nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Kindesvater keiner Arbeit nachgeht, sowie sein angebliches Alkohol- und Drogenproblem und die - von ihm bestrittenen - Auseinandersetzungen mit der Kindesmutter sowie die - bestrittenen - Nachstellungen und Drohungen der Kindesmutter gegenüber rechtfertigen noch keinen Ausschluss des Umgangs mit seinem Kind. Dies gilt auch für seine angeblichen Selbstmorddrohungen, zumal das letzte von der Kindesmutter behauptete Vorkommnis vom 09. Februar 2007 datiert, also bereits mehr als eineinhalb Jahre zurückliegt, und die Kindesmutter den Kindesvater seitdem nicht mehr gesehen hat. Selbst wenn die Beziehung zwischen den Kindeseltern aber immer noch konfliktbeladen sein sollte - wozu, wie ausgeführt wurde, bislang keine Feststellungen getroffen worden sind -, ist damit noch nicht die weitere Feststellung verbunden, dass dieser Konflikt auch auf das Kindeswohl "durchschlägt". Denn nur in einem solchen Falle kommt eine Einschränkung des Umgangs in Betracht.
Nach alledem wird das Familiengericht nach Anhörung der Kindeseltern und eines Verfahrenspflegers des Kindes zu prüfen haben, welche konkrete Umgangsregelung in Betracht kommt. Bei Kleinkindern ist häufiger, wenn auch kürzerer Umgang notwendig. Das Familiengericht wird auch berücksichtigen müssen, dass der Umgang des Kindesvaters mit dem Kind erst angebahnt werden muss. Diesem Umstand könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass der Umgang in der Anfangszeit in begleiteter Weise in den Räumen des Jugendamtes oder einer Erziehungsberatungsstelle stattfindet, wie das Jugendamt angeregt hat.
Ende der Entscheidung
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