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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 04.08.2005
Aktenzeichen: 8 UF 63/05
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 1615 l
EStG § 10
EStG § 33a
EStG § 26c
Eine steuerliche Gestaltung durch Vereinbarung besteht für Nichtverheiratete nach der derzeitigen Rechtslage nicht. Der Unterhaltspflichtige kann daher den nach § 1615 l BGB gezahlten Unterhalt nur im Rahmen des § 33a EStG geltend machen.

Verpflichtet sich der Zahlungspflichtige, dem Empfänger dessen steuerliche Nachteile zu ersetzen und ist auch bei Eheschließung des Unterhaltsberechtigten die Erstattungspflicht ausdrücklich vereinbart, kann der Ausgleichspflichtige nicht verlangen, dass der Empfänger sich wie ein Nichtverheirateter behandeln lassen muss (vgl. auch BGH FamrZ 1992, 534). Ein Recht des Zahlungspflichtigen, an den Steuervorteilen - aufgrund Eheschließung - des Berechtigten zu partizipieren, besteht nicht, sofern dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 63/05 OLG Naumburg

verkündet am: 04. August 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Bisping und die Richterin am Oberlandesgericht Joost auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juli 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Februar 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halle-Saalkreis wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug beträgt EUR 644,23.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) geltend.

Er leistete der Beklagten nach der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Unterhalt für das Jahr 2001 in Höhe von insgesamt DM 21.000, weil die Beklagte ein gemeinschaftliches nichteheliches Kind der Parteien betreut (§ 1615l BGB). Am 13.07.01 heiratete die Beklagte einen anderen Mann. Mit diesem wurde sie für den Veranlagungszeitraum 2001 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Vor Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen wurde eine Einkommensteuer in Höhe von EUR 462,21 (Bescheid vom 19.04.02) und nach Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen eine Einkommensteuer von EUR 2.348,36 festgesetzt (Nachforderungsbescheid vom 23.10.02; Beträge jeweils ohne Berücksichtigung des festgesetzten Solidaritätsbeitrags). In Höhe der steuerlichen Mehrbelastung von EUR 1.886,15 verlangte die Beklagte vom Kläger einen Ausgleich, den ihr dieser mit Schreiben vom 19.12.02 dem Grunde nach zugestand. Mit dem Schreiben überreichte der Kläger dem Bevollmächtigten der Beklagten nämlich einen Verrechnungsscheck über den geforderten Betrag mit der Maßgabe, dass - vorbehaltlich einer Prüfung - nicht steuerliche Nachteile des "Ehepaares", sondern "ausschließlich" Steuernachteile der Beklagten erstattungspflichtig sind. Der Scheck wurde in der Folge eingelöst.

Da der Kläger davon ausging, dass die Beklagte bei einer "Alleinveranlagung" - nach Abzug eines Haushaltsfreibetrages für das gemeinschaftliche Kind der Parteien (§ 32 Abs. 7 EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2003 geltenden Fassung) - im Veranlagungszeitraum 2001 nur Einkommensteuer in Höhe von EUR 126,29 hätte zahlen müssen, hat er eine Rückzahlung überzahlter EUR 1.886,15 abzüglich EUR 126,29 eingeklagt (d.s. EUR 1.759,86 nebst Zinsen).

Das Familiengericht hat dem Kläger lediglich EUR 1.886,15 abzüglich einer Einkommen-steuer von EUR 770,52 zuerkannt (d.s. EUR 1.115,63 nebst Zinsen). Die Parteien hatten nämlich unstreitig gestellt, dass die von der Beklagten zu zahlende Einkommensteuer bei getrennter Veranlagung von ihrem Ehemann - ohne Berücksichtigung des Haushaltsfreibetrages - EUR 770,52 betragen hätte.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er auf die Möglichkeit der Geltendmachung des Haushaltsfreibetrages durch die verheiratete Beklagte nach § 26c EStG verweist.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

1.a) Bei Ehegatten wird eine Nebenpflicht zum Ausgleich unterhaltsbedingter steuerlicher Nachteile des unterhaltsberechtigten Ehegatten aus dem Wesen der Ehe hergeleitet (BGH, FamRZ 1977, 38, 40). Der Ausgleichsanspruch wird dem unterhaltsberechtigten Ehegatten aus Billigkeitsgründen (§ 242 BGB) gewährt, damit ihm die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting des unterhaltspflichtigen Ehegatten - Absetzung der Unterhaltszahlungen als Sonderausgabe nach § 10 EStG auf Seiten des Unterhaltspflichtigen mit der Folge einer Versteuerung der Unterhaltsleistungen auf Seiten des Unterhaltsberechtigten (§ 22 EStG; OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 832, 833; Schulze, FamRZ 1990, 415) - zumutbar ist. Bei dem Ausgleichsanspruch - den die Ehegatten auch vertraglich regeln können - handelt es sich nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern um einen Anspruch eigener Art (BGH, FamRZ 1985, 1232, 1233). Dieser Anspruch, der aus Gründen der nachehelichen Solidarität auch noch zwischen geschiedenen Ehegatten entstehen kann, ist bei gemeinsamer Veranlagung eines unterhaltsberechtigten Ex-Ehegatten mit seinem neuen Ehegatten (§ 26 EStG) auf einen Ausgleich desjenigen steuerlichen Nachteils begrenzt, der bei getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) entstanden wäre. Der Unterhaltsschuldner soll nämlich nicht für Mehrsteuern haften, die durch Einkünfte des neuen Ehegatten des Unterhaltsgläubigers bedingt sind (BGH, FamRZ 1992, 534 f.).

b) War der Unterhaltsschuldner dagegen - wie hier - zu keiner Zeit mit dem Unterhaltsgläubiger verheiratet, gelten die besagten Regeln nicht. In diesem Fall besteht nämlich für den nach § 1615l BGB Unterhaltspflichtigen nur die Möglichkeit, seine Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung abzusetzen (33a EStG), und den Unterhaltsberechtigten trifft - ohne Rücksicht auf eine Zustimmung - eine Pflicht zur Versteuerung des geleisteten Unterhalts (§ 22 EStG; AnwK-BGB/Schilling, 2005, § 1615l Rn 45).

Gleichwohl hat sich der Kläger mit Schreiben vom 19.12.02 für den Veranlagungszeitraum 2001 zu einem Ausgleich des unterhaltsbedingten steuerlichen Nachteils der Beklagten verpflichtet. Diese Verpflichtung ist er in Kenntnis der Tatsache eingegangen, dass die Beklagte inzwischen einen anderen Mann geheiratet hatte und mit diesem für den besagten Veranlagungszeitraum gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden ist. Die Eheschließung der Beklagten wurde also zur Geschäftsgrundlage der Vereinbarung der Parteien gemacht. Damit haben die Parteien die Beklagte für den Veranlagungszeitraum 2001 rechtlich einer vom Kläger geschiedenen Ehefrau gleichgestellt, die inzwischen mit einem neuen Ehegatten verheiratet ist. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage nicht von Fällen, in denen einem unterhaltsberechtigten Ex-Ehegatten, der einen neuen Ehegatten geheiratet hat, aus Billigkeitsgründen (§ 242 BGB) ein Anspruch auf Ausgleich unterhaltsbedingter steuerlicher Nachteile gewährt wird.

2.a) Da es der Beklagten frei stand, einen anderen Mann zu heiraten, und die Parteien die Eheschließung der Beklagten zur Geschäftsgrundlage ihrer Vereinbarung gemacht haben, kann der Kläger nicht einwenden, dass sich die verheiratete Beklagte hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2001 als unverheiratet ("Alleinveranlagung") behandeln lassen muss (vgl. auch BGH, FamRZ 1992 a.a.O. unter Bezugnahme auf OLG Stuttgart, FamRZ 1991, 1063, 1064). Er kann daher auch nicht ohne Weiteres einwenden, dass von den versteuerten Unterhaltsleistungen ein Haushaltsfreibetrag für das gemeinschaftliche Kind der Parteien abzusetzen ist. Denn dieser Haushaltsfreibetrag wurde im Veranlagungszeitraum 2001 nur unverheirateten Alleinerziehenden mit Kind gewährt (§ 32 Abs. 7 EStG a.F.). Nach der geschlossenen Vereinbarung hat der Kläger also denjenigen unterhaltsbedingten steuerlichen Nachteil auszugleichen, der der verheirateten Beklagten bei getrennter Veranlagung entstanden wäre (BGH, FamRZ 1992 a.a.O.). Bei getrennter Veranlagung von Ehegatten (§ 26a EStG) besteht keine Möglichkeit zur Absetzung eines Haushaltsfreibetrages für ein Kind, und zwar unabhängig davon, ob das Kind aus der Ehe oder aus einer anderen Beziehung hervorgegangen ist (§ 32 Abs. 7 EStG a.F.; Schmidt, EStG, 23. Aufl. [2003], § 26 Rn 3, § 26c Rn 4).

b) Diesem Ergebnis steht - abweichend von der Ansicht des Beklagten - nicht entgegen, dass die verheiratete Beklagte eventuell die Möglichkeit der Wahl einer besonderen Veranlagung nach § 26c EStG gehabt hat.

Nach § 26c EStG haben Ehegatten zwar die Möglichkeit, für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung statt einer getrennten Veranlagung (§ 26a EStG) eine besondere Veranlagung zu wählen mit der Folge, dass sie steuerlich so behandelt werden, als ob sie die Ehe nicht geschlossen hätten (§ 26c Abs. 1 S. 1 EStG). Die besondere Veranlagung eröffnet einem einkommensteuerpflichtigen Elternteil also die Möglichkeit, dass wie bei alleinerziehenden Unverheirateten ein Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 7 EStG a.F.) bzw. - ab dem Veranlagungszeitraum 2004 - ein Entlastungsbetrag (§ 24b EStG n.F.) für ein Kind absetzbar ist. Dieser steuerliche Vorteil wird dem Elternteil unabhängig davon gewährt, ob sein Kind aus der Ehe mit seinem jetzigen Ehegatten oder aus einer anderen Beziehung stammt (vgl. u.a. Schmidt a.a.O., § 26c Rn 6 m.w.N.).

Während die getrennte Veranlagung jedoch schon auf Antrag eines Ehegatten durchzuführen ist (§ 26 Abs. 2 S. 1 EStG), findet eine besondere Veranlagung erst auf Antrag beider Ehegatten statt (§ 26 Abs. 2 S. 2 EStG). Und gegen den Ehemann der Beklagten hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Wahl dieser Veranlagungsart, da er zu ihm in keinerlei Rechtsbeziehung steht (vgl. BGH, FamRZ 1992 a.a.O. unter Bezugnahme auf Schulze a.a.O. und Philippi, FamRZ 1989, 1086). Auch die Beklagte hat sich - in der mit dem Kläger geschlossenen Vereinbarung - nicht zur Wahl der besonderen Veranlagung verpflichtet. Infolgedessen hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass er über § 26c EStG an von der Beklagten gezogenen oder zu ziehenden Steuervorteilen partizipiert. Vielmehr hat es bei der gesetzlichen Regelung sein Bewenden, die Folgendes besagt: Der über § 26c EStG geltend zu machende Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 7 EStG a.F.) berücksichtigt - ebenso wie der Entlastungsbetrag (§ 24b EStG n.F.) - lediglich die höheren Lebenshaltungskosten, die der alleinerziehende Elternteil gegenüber dem anderen Elternteil hat (Schmidt a.a.O, § 24b Rn 1 m.w.N.). Und wenn die Steuergesetzgebung einem alleinerziehenden Elternteil wegen solcher Kosten steuerliche Vorteile gewährt, dann entspricht es nur der Billigkeit (§ 242 BGB), dass die Steuerersparnis auch bei diesem Elternteil verbleibt (vgl. BGH, FamRZ 1977 a.a.O., S. 40 f.).

Ende der Entscheidung

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