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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 05.04.2002
Aktenzeichen: 8 WF 17/02
Rechtsgebiete: ZPO, GesO, BGB, InsO, KO


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 254
ZPO § 260
GesO § 14
BGB § 1379
InsO § 38
KO § 3 Abs. 1
1. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann eine Stufenklage (Zugewinn) beim Familiengericht anhängig gemacht werden.

2. Die Auskunftsstufe ist gegen den Gemeinschuldner zu richten, für den Zahlungsanspruch hingegen gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 17/02 OLG Naumburg

Naumburg, den 05.04.2002

In der Familiensache

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Aschersleben vom 23. November 2001 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 10. Januar 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht - stufenweise - einen Anspruch auf Auskunft und Zugewinnausgleich geltend.

Sie wurde von dem in Anspruch genommenen Beklagten durch Urteil vom 01. Dezember 2000 geschieden. Am 09. Februar 2001 ist das Scheidungsurteil rechtskräftig geworden. Anschließend hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Magdeburg mit Beschluss vom 29. März 2001 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet. Die vorliegende Stufenklage ist am 13. September 2001 beim Familiengericht eingereicht worden.

Das Familiengericht hat der Klägerin - mit dem angefochtenen Beschluss - Prozesskostenhilfe versagt, weil die geltend gemachte Forderung bis zum 05. Juni 2001 beim Insolvenzgericht hätte angemeldet werden müssen.

II.

Die - zulässige - Beschwerde der Klägerin (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.) ist begründet.

1. Bei der Stufenklage handelt es sich um einen Sonderfall der objektiven Klagehäufung. Ein in erster Stufe erhobener - prozessual selbständiger - Auskunftsanspruch wird nach der gesetzlichen Sonderregelung zu § 254 ZPO mit einem in zweiter Stufe erhobenen - prozessual selbständigen - Leistungsanspruch zu einer Klage verbunden (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 254 Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 254 Rdn. 1 m.w.N.). Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Verbindung mehrerer prozessualer Ansprüche zu einer Klage, die sich aus der Grundregel zu § 260 ZPO ergeben, brauchen nicht erfüllt zu sein. Dies folgt aus der Eigenart der Stufenklage, die darin besteht, dass der in erster Stufe erhobene Auskunftsanspruch lediglich der genauen Bestimmung des in der zweiten Stufe erhobenen, bei der Erhebung der Stufenklage - abweichend von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - noch nicht konkret zu bestimmenden Leistungsanspruchs dient; dem Auskunftsanspruch ist bei der Stufenklage (§ 254 ZPO) mithin eine bloße Hilfsfunktion zur Bestimmung des gleichzeitig geltend gemachten, aber erst nach der Auskunftserteilung konkret zu bestimmenden Hauptanspruchs zugewiesen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 254 Rdn. 4 m.w.N.).

2. Auf Grund der bloßen Hilfsfunktion des - in der ersten Stufe erhobenen - Auskunftsanspruchs und der auf dieser Tatsache beruhenden Sonderregelung zu § 254 ZPO muss die Stufenklage - abweichend von der Grundregel zu § 260 ZPO - bei dem Gericht erhoben werden, das für den - in zweiter Stufe - erhobenen, bei der Erhebung der Stufenklage jedoch noch nicht konkret bestimmten Hauptanspruch zuständig ist (OLG Hamburg, MDR 1958, 343; ferner Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 254 Rdn. 1, Fn. 2 ["Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs"]).

Der mit der Stufenklage der Klägerin in zweiter Stufe geltend gemachte, zur Zeit noch nicht bestimmte Hauptanspruch ist auf Zahlung von Zugewinnausgleich (§ 1378 BGB) gerichtet und daher nicht nur als familienrechtlicher Anspruch, sondern auch als Vermögensanspruch im Sinne der InsO anzusehen (§ 38 InsO; vgl. Kilger/Schmidt, a.a.O., § 3 KO, Anm. 2 a m.w.N.). Insofern kann für ihn nichts anderes als für Unterhaltsansprüche gelten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden (§ 40 InsO; vgl. OLG Koblenz, OLG-Report 2001, S. 219).

Demnach durfte die Klägerin die Stufenklage nicht nur vor dem Familiengericht, sondern auch vor dem Insolvenzgericht erheben. Ihr hat das Recht zugestanden, zwischen dem ausschließlichen Gerichtsstand für Zugewinnausgleichsansprüche (§ 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO) und dem ausschließlichen Gerichtsstand für die Feststellung von Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Insolvenzmasse entstanden (§ 38, § 174, § 180 Abs. 1 Satz 1 InsO), zu wählen (§ 35 ZPO).

Die Klägerin hat sich - zulässigerweise - für die zuerst genannte Möglichkeit entschieden. Mit der Ausübung ihres Wahlrechts ist - im Ergebnis - der alleinige Gerichtsstand des Familiengerichts begründet worden (vgl. Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, a.a.O., § 35, Rdn. 2, 3 m.w.N.).

3. Aus der bloßen Hilfsfunktion des - in der ersten Stufe erhobenen - Auskunftsanspruchs ergibt sich außerdem, dass die gesamte Stufenklage als unbegründet abgewiesen werden muss, falls für den - in der zweiten Stufe erhobenen - zur Zeit noch nicht bestimmten Hauptanspruch Anspruchsgrundlagen fehlen (Zöller/Greger, a.a.O., § 254 Rdn. 9). Diesen Fall hat das Familiengericht zu Unrecht angenommen.

Hinsichtlich des in zweiter Stufe erhobenen, noch nicht bestimmten Zugewinnausgleichsanspruchs (§ 1378 BGB) ist das Familiengericht zwar zutreffend von der Geltung der Bestimmungen der InsO ausgegangen (vgl. Kilger/Schmidt, a.a.O., § 3 KO, Anm. 2 a; OLG Koblenz a.a.O., jeweils m.w.N.). Danach war der Anspruch innerhalb der Anmeldefrist beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 174, § 175 Satz 2 InsO). Eine Anmeldung nach Ablauf der Anmeldefrist hatte jedoch - abweichend von der Auffassung des Familiengerichts - nicht zur Folge, dass die Forderung nicht mehr geltend gemacht werden darf. Vielmehr bleibt die Reaktion des Insolvenzverwalters und der übrigen Insolvenzgläubiger abzuwarten; widerspricht einer von ihnen der Prüfung der Forderung im Prüfungstermin, hat das Insolvenzgericht auf Kosten des Säumigen einen besonderen Prüfungstermin zu bestimmen oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren anzuordnen (§ 177 Abs. 1 Satz 1, 2 InsO). Die restriktivere Regelung zu § 14 GesO wurde von der InsO nicht übernommen (vgl. Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 177, Rdn. 1).

Das Familiengericht durfte der Stufenklage also nicht allein wegen einer Überschreitung der Anmeldefrist die Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) versagen.

4. Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:

a) Der in erster Stufe erhobene Auskunftsanspruch (§ 1379 BGB) wurde zwar zutreffend gegen den Gemeinschuldner gerichtet, da Auskunftsansprüche nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens sein können. Denn hinsichtlich des Auskunftsanspruchs ist die Klägerin keine Insolvenzgläubigerin (§ 38 InsO), weil Auskunftsansprüche nicht zu Vermögensansprüchen im Sinne der InsO zählen (Schmidt-Räntsch, InsO, 1. Aufl., Anm. zu § 38, wonach die Vorschrift zu § 38 InsO inhaltlich derjenigen zu § 3 Abs. 1 KO entspricht; ferner Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 3 KO, Anm. 2 e m.w.N.).

Der in zweiter Stufe erhobene, zur Zeit noch unbestimmte Zahlungsanspruch (§ 1378 BGB) ist aber nicht gegen den Gemeinschuldner, sondern gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes zu richten. Insoweit darf die Klage auch nicht auf Zahlung lauten, sondern die Klägerin muss ihr Klagebegehren auf die Feststellung des Zugewinnausgleichsanspruchs zur Insolvenztabelle beschränken (§ 175, § 179 Abs. 1, § 181 InsO).

Ende der Entscheidung

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