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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.06.2003
Aktenzeichen: 8 WF 79/03
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 n.F. |
Durch das Rechtsinstitut der einstweiligen Anordnung wird die einstweilige Verfügung verdrängt. Im Gegensatz zu dieser bedarf es keines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für eine Eilentscheidung. Ausreichend ist ein wirtschaftliches Interesse des Gläubigers; der Anspruch auf laufenden Unterhalt ist schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
8 WF 79/03 OLG Naumburg
Naumburg, den 19.06.2003
In der Familiensache
Tenor:
Der als sofortige Beschwerde wertende Rechtsbehelf der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Merseburg vom 15. April 2003 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 05. Juni 2003 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe:
1. Die Entscheidung richtet sich nach dem am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen neuen Zivilprozessrecht, da der angefochtene Beschluss - mit dem der Klägerin für das einstweilige Anordnungsverfahren Prozesskostenhilfe versagt worden ist - weder vor dem 01. Januar 2002 verkündet noch vor diesem Zeitpunkt der Geschäftsstelle übergeben worden ist (§ 26 Nr. 10 EGZPO). Nach neuem Zivilprozessrecht ist gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe allenfalls noch die - sofortige - Beschwerde statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F.), über die der originäre Einzelrichter des Senats zu entscheiden hat, falls er die Entscheidung nicht - wie hier - dem Senat in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen hat (§ 568 ZPO n.F.). Daneben bleibt - bei krassem Unrecht - die außerordentliche Beschwerde zulässig.
2. Der - als sofortige Beschwerde zu wertende - Rechtsbehelf gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren ist unzulässig:
Das Familiengericht hat die Prozesskostenhilfe nämlich nicht mangels Kostenarmut, sondern mangels Erfolgsaussicht des von der - in Prozessstandschaft (§ 1629 Abs. 3 BGB) klagenden - Kindesmutter angestrengten einstweiligen Anordnungsverfahrens versagt. Wird Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung versagt (§ 114 ZPO), ist eine sofortige Beschwerde gegen eine solche Entscheidung nur zulässig, wenn auch die Entscheidung in der Hauptsache - hier also die Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren - einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf unterliegt. Dies ergibt sich aus der Bestimmung zu § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F., wie inzwischen allgemein anerkannt ist; die abweichende Ansicht, die zu der bis 31. Dezember 2001 geltenden alten Zivilprozessordnung vertreten wurde, kann auf Grund der am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen neuen Zivilprozessordnung nicht mehr aufrechterhalten werden, wie von den Vertretern dieser Ansicht eingeräumt wird (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 127 Rdn. 47).
Einstweilige Unterhaltsanordnungen (§ 620 Nr. 4, § 644 ZPO) unterliegen keinem Rechtsbehelf, da eine sofortigen Beschwerde nicht statthaft ist (§ 620 c Satz 2, § 644 Satz 2 ZPO). Unanfechtbar ist auch die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung (Zöller/Philippi, a.a.O., § 620 c, Rdn. 3 m.w.N.).
Infolgedessen ist auch keine sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe eröffnet.
3. Die unzulässige sofortige Beschwerde kann auch nicht in eine - innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist (entsprechend § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F.) zulässige - außerordentliche Beschwerde gegen eine greifbar gesetzwidrige Entscheidung (vgl. Senat, Beschl. v. 24.01.03 - 8 WF 14/03 -; ferner OLG Frankfurt, FamRZ 1985, 193, 194; Zöller/Philippi, a.a.O., § 620 c, Rdn. 12 ff.) umgedeutet werden, weil außerordentliche Beschwerden auf Ausnahmefälle krassen Unrechts beschränkt sind, in denen Entscheidungen mit dem geltenden Recht schlechthin unvereinbar (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 620 c, Rdn. 12 m.w.N.), d.h. der Rechtsordnung "fremd" sind (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 567 Rdn. 18 b m.w.N.).
Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, obgleich das Familiengericht die begehrte Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren im Ergebnis zu Unrecht versagt hat. Zwar hat das Familiengericht die an den Erlass einer einstweiligen Unterhaltsanordnung zu stellenden Anforderungen überspannt, indem es - im Wege einer teleologischen Reduktion des Gesetzes - ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Eilentscheidung verlangt. Denn nicht einstweilige Anordnungen (§ 620, § 644 ZPO), sondern nur einstweilige Leistungsverfügungen sind nach geltendem Recht erst zulässig, wenn ihr Erlass zur Abwendung wesentlicher Nachteile "nötig erscheint" (§ 940 ZPO). Durch die - mittlerweile vom Gesetzgeber geschaffenen - Sonderregelungen zur einstweiligen Anordnung (§ 620, § 644 ZPO) wird das Rechtsinstitut der einstweiligen Verfügung verdrängt (Zöller/Philippi, a.a.O., § 620 Rdn. 23, § 644 Rdn. 2 m.w.N.). Nach diesen Sonderregelungen können einstweilige Anordnungen, die auf eine Zahlung von - laufendem (Zöller/Philippi, a.a.O., § 620 Rdn. 57 m.w.N.) - Unterhalt gerichtet sind (§ 620 Nr. 4 und 6, § 644 ZPO), ohne Weiteres ergehen, wenn der Unterhaltsgläubiger seinen Unterhaltsanspruch schlüssig darlegt und glaubhaft macht (§ 620 a Abs. 2 Satz 3, § 644 Satz 2 ZPO). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch das schlichte Titulierungsinteresse des Unterhaltsgläubigers von Bedeutung. Andererseits ist eine teleologische Reduktion gesetzlicher Normen der deutschen Rechtsordnung aber nicht grundsätzlich "fremd" (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 567 Rdn. 19 unter Bezugnahme auf die Rspr. des BGH).
Im übrigen ist der Klägerin - auf Grund der nun mehr erfolgten rechtlichen Klarstellung - der Weg eines erneuten Prozesskostenhilfegesuchs eröffnet, da das einstweilige Anordnungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Mit einer anschließenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe würden die Gebühren und Auslagen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin voll abgedeckt, soweit die Bevollmächtigte im einstweiligen Anordnungsverfahren weiter tätig bleibt. Auch aus diesem Grund besteht nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand für die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde kein Bedürfnis (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 620 c, Rdn. 12 [am Ende]).
Ende der Entscheidung
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