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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 06.07.2007
Aktenzeichen: 8 Wx 22/07
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 70 e |
2. Das rechtliche Interesse des Betroffenen ist verletzt, wenn ihm erst nach Erlass des Einweisungsbeschlusses ein Pfleger für das Verfahren beigeordnet wird (§ 70b FGG).
3. Besteht die Notwendigkeit, dass ein schriftliches Gutachten erläutert werden muss, kann nur derjenige, der das Gutachten erstattet hat, auch dies mündlich erläutern. Ist diese Person aus welchen Gründen auch verhindert, bedarf es einer Beweiserhebung durch förmlichen Beschluss und der bestellte Gutachter erstattet jetzt sein Gutachten, erläutert also nicht das schriftlich vorliegende und nicht ausreichende oder unklare Gutachten.
4. Auch die Fachkompetenz eines Gutachters muss vom Gericht festgestellt werden, da § 70 e FGG nur die Begutachtung durch einen Arzt für Psychiatrie oder einen Arzt mit Erfahrungen auf diesem Gebiet zulässt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
8 Wx 22/07 OLG Naumburg
In der Unterbringungssache
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 06. Juli 2007 durch die Richter am Oberlandesgericht Bisping und Harms sowie die Richterin am Amtsgericht Meier beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 21. Mai 2007 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die am 29. April 2007 angeordnete vorläufige Unterbringung des Betroffenen rechtswidrig gewesen ist.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; die Auslagen des Betroffenen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, hat die Staatskasse zu erstatten.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 3.000.
Gründe:
I.
Der (am 02. Februar 1984 geborene) Betroffene wurde am Samstag, den 28. April 2007, vorläufig in die geschlossene Abteilung der Universitätsklinik M. eingewiesen (§ 15 PsychKG-LSA). Unter dem 29. April 2007 stellte das Gesundheitsamt der Stadt M. - unter Vorlage eines schriftlichen Psychiatrischen Gutachtens des Oberarztes und des Assistenzarztes der Klinik (§ 70e FGG) - beim Vormundschaftsgericht den Antrag, eine entsprechende einstweilige Anordnung zu erlassen (§ 14 PsychKG-LSA i.V.m. § 70h FGG). Das Vormundschaftsgericht hörte den Betroffenen noch am selben Tage persönlich an (§ 70c FGG), und zwar zusammen mit dem Arzt Dr. M. und in Anwesenheit von Rechtsanwalt L. , der im gerichtlichen Anhörungsprotokoll als "Verfahrenspfleger" des Betroffenen bezeichnet wurde. Nach der Anhörung gab das Vormundschaftsgericht dem Betroffenen die einstweilige Anordnung vom 29. April 2007 bekannt, mit der die vorläufige Unterbringung des Betroffenen bis längstens 10. Juni 2007 angeordnet wurde (§ 70h FGG). Die Bestellung von Rechtsanwalt L. zum Verfahrenspfleger erfolgte erst drei Tage später, nämlich mit Beschluss vom 02. Mai 2007 (§ 70b FGG).
Am Montag, den 14. Mai 2007, zeigte der Verfahrenspfleger auch die anwaltliche Vertretung des Betroffenen an und legte in dessen Namen gegen die einstweilige Anordnung sofortige Beschwerde ein (§ 70m FGG). Als der Betroffene am 08. Mai 2007 in die offene Station verlegt wurde, beantragte Rechtsanwalt L. am 14. Mai 2007 in seiner Funktion als Verfahrensbevollmächtigter, die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen festzustellen. Mit Beschluss vom 15. Mai 2007 hob das Vormundschaftsgericht zwar seine einstweilige Anordnung auf, da deren Voraussetzungen weggefallen seien (§ 70i Abs. 1 FGG); der sofortigen Beschwerde half das Vormundschaftsgericht aber nicht ab und übersandte die Akten dem Landgericht zur Entscheidung.
Das Landgericht stellte mit Beschluss vom 21. Mai 2007 bloß die Erledigung des Verfahrens fest, ohne dem Feststellungsantrag von Rechtsanwalt L. zu entsprechen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte mit der weiteren sofortigen Beschwerde.
II.
1. Die weitere sofortige Beschwerde des - anwaltlich vertretenen - Betroffenen ist zulässig (§§ 27 ff., § 70m FGG) und begründet:
a) Zwar stellt das Beschwerdegericht zutreffend fest, dass mit der Verlegung des Betroffenen aus der geschlossenen Abteilung der Klinik und der Aufhebung seiner vorläufigen Unterbringung durch das Vormundschaftsgericht eine Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens eingetreten ist. Diese Erledigung hinderte den Betroffenen aber nicht daran, sein Rechtsschutzziel umzustellen und nun eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme zu beantragen (vgl. BayObLG, FamRZ 2001, 1645, 1646 m.w.N.). Auch eine nur vorläufige Unterbringungsmaßnahme nach § 70h FGG stellt nämlich einen so tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, dass der Betroffene ein nach Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse daran hat, die Rechtslage feststellen zu lassen. Dies gilt selbst dann, wenn seine Unterbringung - wie im vorliegenden Fall - endet. Denn dadurch kann das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage nicht mehr in Frage gestellt werden (§ 70h Abs. 2 S. 1 FGG; BVerfG, NJW 2002, 2456 f. unter Bezugnahme auf BVerfG, NJW 1998, 2432 f.).
b) Das erstinstanzliche einstweilige Anordnungsverfahren leidet bereits daran, dass der Verfahrenspfleger (§ 70b FGG) erst bestellt wurde, nachdem die vorläufige Unterbringung des Betroffenen schon beschlossen war. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers bedarf eines vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses, und ein solcher Beschluss ist hier erst drei Tage nach der einstweiligen Anordnung vom 29. April 2007 ergangen. Das Vormundschaftsgericht bejahte also zwar die Notwendigkeit der Bestellung eines Pflegers für das Verfahren (§ 70b FGG), ließ den Pfleger aber gleichwohl nicht in solcher Funktion am Verfahren mitwirken. Dadurch ist das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt worden (Art. 103 Abs. 1 GG; Senat, Beschluss vom 19.09.01 - 8 Wx 17/01 - unter Bezugnahme auf Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FGG, 15. Auflage, § 70b Rn 9 m.w.N.). Dieser Mangel konnte im Beschwerderechtszug nicht mehr geheilt werden; denn zu diesem Zeitpunkt war die vorläufige Unterbringung des Betroffenen bereits wieder aufgehoben.
Auch die Vernehmung des Arztes Dr. M. hätte wohl kaum ohne vormundschaftsgerichtlichen Beschluss oder zumindest eine entsprechende Anordnung erfolgen dürfen. Das schriftliche Sachverständigengutachten war nämlich nicht von diesem Arzt erstattet worden. Erachtet ein Gericht in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Beweisaufnahme für erforderlich, hat es die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden (§ 15 FGG). Nach diesen Bestimmungen kann ein schriftliches Sachverständigengutachten nur von seinem Autor mündlich erläutert werden (§ 411 Abs. 3 ZPO). Denn hält das Gericht eine mündliche Erläuterung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens für notwendig, will es seine Entscheidung ersichtlich nicht nur auf das - seiner Ansicht nach unvollständige - schriftliche Gutachten stützen; erst die mündliche Ergänzung soll die vollständige - einheitliche - Begutachtung ergeben. Kommt eine mündliche Erläuterung durch den ursprünglichen Sachverständigen dagegen nicht in Betracht, etwa weil er verhindert ist, kann das Gericht eine Beweiserhebung nur auf Grund eines förmlichen Beweisbeschlusses (§§ 358 ff. ZPO) oder auf Grund einer im FGG-Verfahren zulässigen gerichtlichen Beweisanordnung durchführen (Senat a.a.O. m.w.N.). Auch diese Verfahrensvoraussetzungen sind vom Vormundschaftsgericht nicht beachtet worden. Schließlich kann auch die Fachkompetenz des Arztes Dr. M. nicht festgestellt werden. Auch eine solche Feststellung müsste den Akten entnommen werden können. In Unterbringungsverfahren kann nämlich nur ein Arzt für Psychiatrie oder ein Arzt mit Erfahrungen auf diesem Gebiet als Sachverständiger fungieren (§ 70e FGG).
2. Nach alledem war die Entscheidung des Beschwerdegerichtes mit den Nebenfolgen aus § 13a Abs. 2 FGG und §§ 128b,, 30 Abs. 2 KostO abzuändern.
Ende der Entscheidung
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