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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: 9 U 106/06
Rechtsgebiete: EuGVVO


Vorschriften:

EuGVVO Art. 5 lit. a
Macht ein deutscher Kläger gegen ein österreichisches Time-Sharing-Unternehmen (in der Rechtsform eines Vereins) die Rückzahlung der von ihm geleisteten Einlage (im Vertrag als Kaufpreis bezeichnet) mit der Behauptung geltend, der Beitrittsvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig und ihm stehe deshalb ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu, so ist für diese Klage gem. Art. 5 lit. a EuGVVO ein deutsches Gericht örtlich zuständig.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 106/06 OLG Naumburg

Verkündet am: 12.12.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 12.12.2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Landgericht Lienau und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11.7.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau (2 O 1253/05) einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Dessau zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Auf den vom Kläger gestellten Hauptantrag ist das Urteil des Landgerichts gemäß § 538 Abs.2 Nr. 3 ZPO aufzuheben. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass nicht das Landgericht Dessau, sondern ein österreichisches Gericht zuständig sei. Dagegen wendet sich die Berufung mit Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts Dessau ist dessen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO gegeben. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. In einem solchen Fall ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Die Parteien haben eine Vereinbarung über die Aufnahme des Klägers in den Beklagten abgeschlossen (Bl. 22 I). Der Kläger hat die als Kaufpreis bezeichnete Leistung i.H.v. 22.788,-- DM (= 11.651,31 Euro) erbracht und wendet ein, der Vertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Den gezahlten Betrag könne er unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangen. Das Landgericht hat sich zur Begründung seiner Ansicht auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.2.1996 (BGHZ 132, 105, 108 = NJW 1996, 1411) bezogen. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof entgegen der Ansicht des Landgerichts indes nicht festgestellt, dass Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung insgesamt nicht der Vorschrift aus Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO unterfallen, sondern im konkreten Falle lediglich Ansprüche auf Rückforderung von Geschenken gemäß § 1301 BGB nach Auflösung eines Verlöbnisses. Bei einem Verlöbnis handelt es sich nicht um einen Vertrag i.S.d. §§ 145 ff. BGB, sondern um ein auf die Eheschließung hin ausgerichtetes höchstpersönliches Rechtsgeschäft, dessen Hauptpflicht, wie sich aus § 1297 BGB ergibt, nicht einklagbar ist. Der Bundesgerichtshof hatte im konkreten Fall Ansprüche aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis vor Augen. Bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung ist im Hinblick auf Art 5 Nr. 1 lit a. EuGVVO mit der h.M. zu differenzieren: Bei Ansprüchen als Folge eines nichtigen oder unwirksamen Vertragsverhältnisses kommt es entscheidend auf den inneren Zusammenhang mit der vertraglichen Verpflichtung an. Abzustellen ist daher auf die verletzte bzw. nicht erfüllte Primärverpflichtung. Ist diese vertraglich einzuordnen, kommt Art. 5 Nr. 1 lit a EuGVVO zur Anwendung (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Auf., EuGVVO, Art. 5, Rn. 68; Zöller/Geimer, ZPO, 25.Auf., EuGVVO, Art. 5, Rn. 7 ). Demgegenüber unterstehen selbständige Bereicherungsansprüche nicht Art. 5 Nr. 1 lit a EuGVVO (Schlosser, EU - Zivilprozessrecht, 2. Aufl, EuGVVO, Art 5, Rn. 5; Zöller/Geimer a.a.O., Rn. 10a). Der Anknüpfungspunkt bestimmt sich nach dem Klagebegehren des Klägers. Dieser beruft sich mit der Klage auf die Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit. Der streitgegenständliche Anspruch schließt mithin an den Vertrag an mit der Folge, dass sich die Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO ergibt. Zuständig ist damit das Landgericht Dessau. Welches Recht materiell anzuwenden ist (BE S. 5/6 - Bl. 79/80 II -), ist für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit unerheblich. Diese Frage stellt sich erst auf der zweiten Stufe, welches Recht das örtlich zuständige Gericht anzuwenden hat. Es kann weiter dahinstehen, wo der Erfüllungsort für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung ist. Dies kann allenfalls bei selbständigen Bereicherungsansprüchen eine Rolle spielen, nicht aber bei solchen Ansprüchen, die in einem inneren Zusammenhang mit einer vertraglichen Verpflichtung stehen. Bei solchen Ansprüchen ist der Anknüpfungspunkt der Erfüllungsort der - behaupteten - vertraglichen Leistung.

Der Zuständigkeit des Landgerichts Dessau steht nicht die Gerichtsstandsvereinbarung aus § 16 der Vereinsstatuten entgegen (Bl. 55 I). Die Vereinbarung gilt nur bei Streitigkeiten in Vereinsangelegenheiten zwischen Verein und Mitgliedern. Ob eine solche Klausel entsprechend § 22 ZPO so auszulegen ist, dass sie Streitigkeiten zwischen aktuellen und auch ehemaligen Mitgliedern mit dem Verein betrifft, bedarf keiner Entscheidung. Zwar soll eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 EuGVVO grundsätzlich nicht eng ausgelegt werden. Der insoweit eindeutige Wortlaut von § 16 der Vereinsstatuten verlangt aber, dass eine Mitgliedschaft jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt bestanden hat, dies bestreitet der Kläger mit dem von ihm geltend gemachten Anspruch aber gerade.

Es besteht kein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß Art. 22 Nr. 1 EuGVVO, weil kein dingliches Recht begründet wurde. Ein Nutzungsrecht aus einem Time-Sharing-Vertrag kann zwar als Dauerwohnrecht - und damit als dingliches Recht - i.S.v. § 31 WEG begründet werden (Bärmann/Pick/Merle WEG, 9. Aufl., § 31, Rn. 53 m.w.N.). Dies setzt aber die Eintragung im Grundbuch voraus. Nach § 3 Abs. 6 der Vereinsstatuten wird das Ferienwohnrecht durch Aufnahme in den Verein erworben. Es erfolgt sodann eine Registrierung bei der registerführenden Stelle, bei der es sich um eine Bank oder einen Notar handelt (§ 4 Nr. 1 und Nr. 2 der Vereinsstatuten - Bl. 52 I -). Das Ferienwohnrecht wird somit rein schuldrechtlich und nicht dinglich begründet.

Letztlich steht einer Entscheidung des Landgerichts nicht das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Dessau vom 2.5.2000 (C 1555/99 - Bl. 57 - 59 II -) entgegen. Das dortige Urteil und der vorliegend streitgegenständliche Anspruch sind nicht identisch. Vor dem Amtsgericht hatte der Beklagte (als dortiger Kläger) Beitragszahlungen geltend gemacht. Soweit das Amtsgericht ausführt, dass der Kläger (als dortiger Beklagter) ordentliches Mitglied des Beklagten geworden sei, handelte es sich allenfalls um eine Vorfrage für die Beantwortung der Frage, ob der (hier) Kläger zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet war. Streitgegenstand war die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen, nicht aber die Feststellung, dass der (hier) Kläger Mitglied des Beklagten ist oder war. Die Mitgliedschaft war für einen Anspruch des (hier) Beklagten auf Zahlung von Beiträgen lediglich eine Vorfrage, die an der Rechtskraft des Urteils nicht teilnahm (Zöller/Vollkommer ZPO, 25. Aufl., Vor § 322, Rn. 34).

Von einer eigenen Entscheidung in der Sache sieht der Senat ab, um den Parteien keine Tatsacheninstanz zu nehmen. Es kann deshalb an dieser Stelle dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers in der Sache besteht (insbesondere, ob der Vertrag tatsächlich wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist) oder ob ihm (z.B.) die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (BE S. 10 - Bl. 84 II -) entgegensteht.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen. Der Senat geht davon aus, dass der Bundesgerichtshof - entgegen der Ansicht des Beklagten - über den konkreten Einzelfall hinaus keine generelle Entscheidung für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung treffen wollte.

Ende der Entscheidung

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