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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: 9 U 111/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 125
BGB § 151 S. 1
BGB § 151 S. 2
BGB § 550
BGB § 566 a. F.
BGB § 578 Abs. 2
HGB § 350
Bei einem Mietvertrag für längere Zeit als 1 Jahr unterliegt der Schuldbeitritt dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB. Mangelt es dem Schuldbeitritt an dieser Form, ist er unwirksam.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 111/04 OLG Naumburg

Verkündet am: 01.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 15.2.2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Manshausen und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das am 14.9.2004 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Halle (12 O 2/04) abgeändert:

Die Klage wird gegenüber der Beklagten zu 2) abgewiesen.

Die Gerichtskosten der ersten Instanz tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) zu jeweils 1/2 . Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster Instanz trägt zu 1/2 der Beklagte zu 1). Im übrigen trägt die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) erster Instanz. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2) gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 5.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über restlichen Mietzins in - rechnerisch - unstreitiger Höhe von 24.308,03 Euro für die Monate April, Mai, September und Dezember 2002 und Februar, März, Mai, Juni, Juli und August 2003.

Zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) bestand ein Mietvertrag (Mietvertrag vom 22.6.1993 - Bl. 72 ff. I - i. V. m. dem 1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 28.6.1993 vom 1.3.2001 - Bl. 24, 25 I -). Der Beklagte zu 1) hat das Mietobjekt an die Beklagte zu 2) untervermietet, deren Geschäftsführer er ist. Gegenüber dem Beklagten zu 1) erging über die streitige Forderung ein - rechtskräftiges - Versäumnisurteil des Landgerichts Halle vom 30.4.2004 (Bl. 82/83 I).

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin einen Schuldbeitritt erklärt hat, nachdem sich der Beklagte zu 1) mit der Zahlung des Mietzinses im Verzug befand. Unstreitig richtete die Beklagte zu 2) mit Datum vom 5.2.2003 zwei Daueraufträge bei der Dresdner Bank ein. Der eine Dauerauftrag betraf den monatlich laufend zu zahlenden Mietzins (2.530,67 Euro - Bl. 26 I -), der zweite Dauerauftrag betraf ratenweise Zahlungen i. H. v. monatlich 500,-- Euro (Bl. 27 I) auf einen bestehenden Mietzinsrückstand. Ebenfalls mit Datum vom 5.2.2003 richtete die Beklagte zu 2) ein Schreiben an die Klägerin, in dem es (Bl. 28 I) u. a. heißt:

Bezug nehmend auf das vorhin geführte Telefonat möchte ich Ihnen mitteilen, dass ab dem Monat April 2003 ein Dauerauftrag für die Mietzahlung eingerichtet wurde. Des Weiteren haben wir zur Abtragung der bisher angelaufenen Mietschulden einen weiteren Dauerauftrag in Höhe von 500,00 Euro eingerichtet, welcher zusammen mit der Miete an Sie ausgelöst werden soll.

...

Dem Schreiben voraus ging am selben Tag ein Telefonat zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten zu 2) Frau St. (die Unterzeichnerin des Schreibens) und dem Prokuristen der Klägerin R. . Der Inhalt des Telefonats ist streitig. In erster Instanz hat die Klägerin dazu mit Schriftsatz vom 24.5.2004 (S. 2 - Bl. 98 I -) vorgetragen, die Beklagte zu 2) hat darauf mit Schriftsatz vom 28.6.2004 (S. 2 - Bl. 104 I -) erwidert. Auf den Inhalt der genannten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 152 - 159 I).

Das Landgericht hat die Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch neben dem Beklagten zu 1) zur Zahlung des restlichen Mietzinses verurteilt. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte zu 2) mit dem Schreiben vom 5.2.2003 einen Schuldbeitritt erklärt habe und somit neben dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldner für laufenden und rückständigen Mietzins hafte. Bedenken gegen die formelle Wirksamkeit des Schuldbeitritts bestünden nicht. Der Schuldbeitritt sei - unabhängig von der für den Mietvertrag geltenden Regelung des § 566 BGB a. F. bzw. §§ 578 Abs. 2, 550 BGB n. F. - formlos wirksam.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte zu 2) mit der Berufung. Sie tritt der Begründung des Landgerichts entgegen, dass sie einen Schuldbeitritt erklärt habe, insbesondere habe die Klägerin im Telefonat vom 5.2.2003 keine Forderungen zur Absicherung des Mietzinses und der aufgelaufenen Rückstände gestellt. Selbst wenn man grundsätzlich von einem Schuldbeitritt ausgehe, könne die Erklärung nur so aufgefasst werden, dass er allenfalls für die Zeit des Bestehens des Untermietverhältnisses gelten sollte.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 5.10.2004 (Bl. 1 - 8 II) und den Schriftsatz vom 27.1.2005 (Bl. 62 - 65 II).

Die Beklagte zu 2) beantragt,

das am 14.9.2004 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Halle (12 O 2/04) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. Insbesondere trägt sie zum Inhalt des Telefonats vom 5.2.2003 neu vor: Ihr Prokurist R. habe in dem Telefonat mit Frau St. das Verlangen der Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass ein Verzicht auf die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten zu 1) nur unter der Voraussetzung in Betracht komme, dass die Beklagte zu 2) neben dem Beklagten zu 1) für die Mietzahlungen hafte. Darauf sei erklärt worden: Wir zahlen alles.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 9.12.2004 (Bl. 36 - 40 II) und die Schriftsätze vom 26.1.2005 (Bl. 57 - 59 II) und 14.2.2005 (Bl. 81 - 84 II).

Der Senat hat den Parteien einen schriftlichen rechtlichen Hinweis erteilt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 52 II).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten zu 2) kein Anspruch auf Zahlung des restlichen Mietzinses zu.

Vertragliche Beziehungen bestehen zwischen dem Vermieter und dem Untermieter nicht. Insbesondere hat der Vermieter gegenüber dem Untermieter keinen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses (Palandt/Weidenkaff BGB, 64. Aufl., § 540, Rn. 17).

Ob der Inhalt des Schreibens der Beklagten zu 2) vom 5.2.2003 in Verbindung mit dem Inhalt des Telefonats vom selben Tag (insbesondere mit dem von der Klägerin in der Berufungserwiderung vorgetragenen Inhalt) die Annahme rechtfertigt, dass ein Schuldbeitritt erklärt werden sollte, kann dahinstehen. Selbst man dies zugunsten der Klägerin annimmt, wäre die Erklärung wegen mangelnder Schriftform (§§ 550, 126,125 BGB) unwirksam. Entgegen der Ansicht des Landgerichts (LGU S. - Bl. 166 I -) unterlag der Schuldbeitritt vorliegend der Schriftform des Mietvertrages. Der Schuldbeitritt bedarf zwar als solcher keiner besonderen Form. Er unterliegt aber als Verpflichtungsgeschäft den Formerfordernissen, die allgemein mit Rücksicht auf den Leistungsgegenstand aufgestellt sind (BGH NJW 1991, 3095, 3098). Auszugehen ist davon, dass es für die Frage der Formbedürftigkeit eines Schuldbeitritts auf den Zweck der jeweils in Betracht kommenden Formvorschrift ankommt. Hat eine Formvorschrift die Funktion, zu warnen oder vor Übereilung zu schützen, so muss sie auch dem Schuldübernehmer oder Beitretenden zugute kommen (BGH NJW 1993, 584). Der Zweck des § 550 BGB besteht - u. a. - auch darin, die Parteien vor einer unbedachten Eingehung einer übermäßig langen Bindung zu schützen. Die Vorschrift hat damit zugunsten des sich Verpflichtenden auch eine Warnfunktion (BGH NJW 1998, 58, 61; BGHZ 139, 123, 130; BGH NZM 2003, 281, 282; Staudinger/ Emmerich BGB, Neubearbeitung 2003, § 550, Rn. 3; Erman/Jendrek BGB, 11. Aufl., § 550, Rn. 3; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Auf., Rn. 94; a. A. MK- Voelskov BGB, 3. Aufl. - 1995 -, § 566, Rn. 4). Kommt der Formvorschrift des § 550 BGB eine Warnfunktion zu, dann muss die Vorschrift auch für den Schuldbeitritt Anwendung finden (ebenso: Edenfeld, Offene Fragen des Beitritts zur Dauerschuld JZ 1997, 1034, 1038). Der im Schriftsatz vom 26.1.2005 (Bl. 57 II) geäußerten Ansicht der Klägerin, dass auch bei einem Verstoß gegen das Formerfordernis aus § 550 BGB ein Vertrag mit einer Dauer von mindestens 1 Jahr zustande gekommen sei, kann nicht gefolgt werden. Es handelt sich nicht um den Abschluss eines Mietvertrages, sondern um die Vereinbarung eines Schuldbeitritts zu einem bestehenden Mietvertrag. Die Rechtsfolgen des Formverstoßes folgen dann nicht aus § 550 BGB, sondern aus § 125 BGB. Auch der Hinweis auf § 350 HGB geht fehl. Der Schuldbeitritt wird in der Vorschrift gerade nicht erwähnt.

Dem Schriftformerfordernis genügt das Schreiben der Beklagten zu 2) vom 5.2.2003 nicht. Die Willensübereinstimmung der Parteien muss sich aus einer Urkunde ergeben, ein Briefwechsel, etwa die Übersendung eines Angebots und die Rücksendung einer Annahmeerklärung reicht zur Wahrung der Schriftform nicht aus (BGH NJW 2004, 2962, 2963). Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass das Schreiben vom 5.2.2003 von ihr innerhalb der Frist aus § 151 S. 2 BGB unterzeichnet wurde, geschweige denn, dass die Voraussetzungen von § 151 S. 1 BGB vorliegen. Unstreitig hat die Klägerin das Schreiben nicht unterzeichnet an die Beklagte zu 2) zurückgesandt.

Die Annahme eines die Beklagte zu 2) zur Zahlung verpflichtenden Schuldbeitritts scheitert somit jedenfalls an der fehlenden Schriftform.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (hier: OLG Düsseldorf ZMR 2001, 882, 883) kommt nur dann in Betracht, wenn der aufgestellte abstrakte Rechtssatz (hier: Formfreiheit des Schuldbeitritts) für das Urteil entscheidungserheblich war (BGHZ 152, 182, 186). Dies trifft indes für die Frage der Formfreiheit des Schuldbeitritts in der Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht zu. Zu beurteilen war allein die Frage, ob es sich bei der streitgegenständlichen Vereinbarung um einen Schuldbeitritt oder um eine Bürgschaft handelte. Das OLG Düsseldorf führt insoweit aus, das es sich um einen Schuldbeitritt handelte und die vom Beklagten des dortigen Verfahrens erhobene Einrede der Vorausklage schon deshalb ins Leere gehen musste, weil es eine § 771 BGB entsprechende Vorschrift für den Schuldbeitritt nicht gibt.

Ende der Entscheidung

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