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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 15.10.2002
Aktenzeichen: 9 U 126/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 134
Ein Energieversorgungsvertrag den der Kunde unmittelbar nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes vom 28.04.1998 (BGBl I S. 730) mit dem vormaligen Monopolunternehmen abgeschlossen hat, verstößt nicht gegen § 134 BGB, selbst wenn das vormalige Monopolunternehmen wettbewerbswidrig von nunmehr vorhandenen Konkurrenten überhöhte Durchleitungsgebühren für die Nutzung des Leitungssystems verlangt und dies nach dem Vortrag des Kunden dazu führt, das die Konkurrenzunternehmen ihm kein günstigeres Angebot unterbreiten können, als das vormalige Monopolunternehmen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 126/02 OLG Naumburg

verkündet am: 15.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann, des Richters am Landgericht Dr. Otparlik und des Richters am Landgericht zur Nieden auf die mündliche Verhandlung vom 15.10.2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.6.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg - 31 O 19/01 (008) - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 45.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung restlichen Kaufpreises für die Lieferung von Strom für die Monate Juli bis Oktober 2001 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 36.708,13 EUR. Die Parteien schlossen mit Datum vom 9.6./12.6.1998 einen Vertrag über die Lieferung von elektrischer Energie. Bestandteil des Vertrages sind die Allgemeinen Vereinbarungen über die Lieferung elektrischer Energie. Nach § 3 Nr. 1 der Allgemeinen Vereinbarungen (Bl. 22 I) ist die Beklagte (mit zwei Ausnahmen) verpflichtet, ihren gesamten Elektrizitätsbedarf über die Klägerin zu decken.

Der Vertrag ist gemäß § 5 Abs. 2 bis zum 31.12.2006 befristet (Bl. 19 I). In § 6 Nr. 3 des Vertrages heißt es (Bl. 19 I):

Änderungen dieses Vertrages und zusätzliche Abmachungen gelten nur, wenn sie von beiden Seiten schriftlich anerkannt werden.

Im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss schlossen die Parteien am 11.6.1998 eine Stundungsvereinbarung (Bl. 38/39 I). Die Klägerin hatte gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung i.H.v. 165.000,-- DM für die Errichtung einer Trafostation. Mit der Stundungsverein-barung wurde der Beklagten nachgelassen, den Betrag in monatlichen Raten i.H.v. 10.000,-- DM zu tilgen.

Mit Schreiben vom 23.8.2000 (Bl. 40 I) kündigte die M. GmbH & Co. KG für die Beklagte den Strombelieferungsvertrag zum 31.12.2000. Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen. Die Klägerin wies die Kündigung wegen einer fehlenden Vollmacht zurück. Die M. antwortete mit Schreiben vom 12.9.2000 (Bl. 43 I), mit dem auch eine Vollmacht der Beklagten übersandt wurde. In der Folgezeit kam es zu weiterer Korrespondenz zwischen der Klägerin und der M. . Im Ergebnis verständigten sich die Parteien auf eine Anpassungsvereinbarung zum Stromlieferungsvertrag (Bl. 48 I), mit der der Beklagten ein günstigerer Tarif eingeräumt und darüber hinaus vereinbart wurde, dass neu verhandelt werden sollte, wenn die Beklagte Strom von einem anderen Anbieter zu einem Preis angeboten bekomme, der um 10 % unter dem Tarif der Klägerin liege. Die Anpassungsvereinbarung wurde mit Datum vom 7.11.2000 von der Beklagten unterzeichnet.

Unstreitig hat die Klägerin die Anpassungsvereinbarung vom 7.11.2000 nicht unterschrieben. Die Klägerin rechnete in der Folgezeit die Stromlieferungen zunächst weiter nach dem ursprünglichen Tarif ab. Mit Datum vom 26.7.2001 erteilte sie der Beklagten eine Gutschrift für die Zeit von Oktober 2000 bis Juni 2001 über 70.347,66 DM (Bl. 104 I). Diesen Betrag hat die Beklagte entgegengenommen. Das Angebot zu einer zweiten Anpassungsvereinbarung (Bl. 52 I) hat die Beklagte nicht angenommen. In der - streitgegenständlichen - Zeit von Juli 2001 bis Oktober 2001 glich die Beklagte die Rechnungen der Klägerin nur teilweise aus:

Monat Rechnungsbetrag Zahlung

Juli 2001 47.715,27 DM 32.629,03 DM

August 2001 48.423,45 DM 28.244,48 DM

September 2001 41.831,46 DM 23.764,22 DM

Oktober 2001 40.755,05 DM 18.462,23 DM

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr der volle vertraglich vereinbarte Preis zustehe.

Demgegenüber trägt die Beklagte vor, dass der Vertrag wegen seiner Laufzeit in Verbindung mit dem gegenüber dem marktüblichen um wenigstens 30 % überhöhten Preis wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig sei. Sie habe den Vertrag auch aus wichtigem Grund kündigen können, weil sich die Geschäftsgrundlage nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts am 28.4.1998 (BGBl. I S. 730) wesentlich geändert habe. Die erste Anpassungsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 6 Nr. 3 des Stromliefervertrages nicht wirksam zustandegekommen. Der Vertrag sei zudem wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig. Die Klägerin mißbrauche ihre marktbeherrschende Stellung dadurch, dass sie von Mitbewerbern überhöhte Durchleitungsgebühren für die Nutzung des in ihrem Alleineigentum stehenden Leitungsnetzes erhebe. Dies mache es Mitbewerbern unmöglich, den Tarif der Klägerin zu unterbieten. Sie habe ein Angebot der G. AG, einem Wettbewerber der Klägerin, eingeholt. Die G. habe ihr aber im Hinblick auf die Höhe der Durchleitungsgebühren der Klägerin kein besseres Angebot unterbreiten können. Der Wettbewerbsverstoß der Klägerin (§§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4 GWB i.V.m. § 6 Abs. 1 EnWG) gegenüber ihren Mitbewerbern, führe dazu, dass ihr Vertrag mit der Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) nichtig sei.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 110 - 119 I).

Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil des Landgerichts mit der Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 12.8.2002 (Bl. 152 - 162 I) und den Schriftsatz vom 15.10.2002 (Bl. 29 - 31 II).

Die Beklagte beantragt,

das am 11.6.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg - 31 O 19/02 (008) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 26.9.2002 (Bl. 20 - 27 II).

B.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klägerin Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises für die Monate Juli bis Oktober 2001 hat (§ 433 Abs. 2 BGB i.V.m. der Anlage 1 zum Stromliefervertrag und der 1. Anpassungsvereinbarung).

1. Der Vertrag vom 9.6.1998/12.6.1998 ist ebenso wirksam wie die erste Anpassungsvereinbarung. Dass der Ursprungsvertrag formal wirksam (insbesondere unter Beachtung der Formvorschrift aus § 6 Nr. 3) zustandegekommen ist, wird von der Beklagten nicht bestritten. Gegen die Wirksamkeit der Anpassungsvereinbarung wendet sie lediglich ein, dass diese - weil von der Klägerin nicht unterzeichnet - wegen Verletzung der Schriftform unwirksam sei. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt (LGU S. 9 - Bl. 118 -), dass im vorliegenden Fall von einer stillschweigenden Aufhebung der Formabrede auszugehen ist. Spätestens mit der widerspruchslosen Entgegennahme der Gutschrift hat auch die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie die Vereinbarung für wirksam hält. Soweit die Berufung der Ansicht ist, dass eine formlose Aufhebung der Schriftformklausel eine Einigung über die Änderung der Schriftformklausel voraussetze (BB S. 10 - Bl. 161 -), kann dem nicht gefolgt werden. Hinsichtlich der Frage, wann von der Aufhebung einer Schriftformklausel auszugehen ist, muß zwischen dem einfachen und dem sog. qualifizierten Schriftformerfordernis (auch die Aufhebung der Schriftformklausel kann nur schriftlich erfolgen) differenziert werden. Der Bundesgerichtshof (BGH NJW 1965, 293; BGH DN 1967, 80; BGHZ 71, 162, 164; BGH NJW 1975, 1657) hat mehrfach entschieden, dass die einfache Schriftformklausel mündlich oder konkludent aufgehoben werden kann, wenn die Parteien das Vereinbarte gewollt haben und zwar auch dann, wenn sie dabei nicht an das Schriftformerfordernis gedacht haben. Dieser Ansicht hat sich der Senat angeschlossen (z.B. Urteil vom 19.2.2002 - 9 U 198/ 01 -; Urteil vom 19.3.2002 - 9 U 222/01 -). Die von der Berufung zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH NJW-RR 1991, 1289, 1290; BGHZ 119, 283, 291) und des Bundesfinanzhofs (BFH NJW 1997, 1327, 1328) stehen der vorgenannten Ansicht nicht entgegen, weil es sich dabei um Fälle eines - vorliegend nicht gegebenen - qualifizierten Schriftformerfordernisses handelte.

2. Der Vertrag wurde nicht durch die Kündigung vom 23.8./12.9.2000 beendet. Eine Kündigung unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheidet schon deshalb aus, weil das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts bereits vor Abschluss des Ursprungsvertrages (9.6./12.6. 1998) inkraftgetreten ist (28.4.1998 - Art. 5 Abs. 1 [BGBl. I S. 730, 736] -). Die Regelungen dieses Gesetzes sind damit selbst Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden. Sie hätten von der Beklagten bei Abschluss des Vertrages berücksichtigt werden können, selbst wenn sich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses faktisch noch keine Wettbewerber der Klägerin am Markt etabliert hatten.

Die Kündigung ist auch nicht aus den Gründen wirksam, die die Beklagte im Rahmen der §§ 138 und 134 BGB vorträgt.

Ein Verstoß gegen § 134 BGB liegt nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt zu dem von den §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4, 20 GWB (i.V.m. § 130 Abs. 3 GWB ) und § 6 EnWG erfassten Personenkreis gehört, und deshalb eine Anwendung von § 134 BGB in Betracht zu ziehen wäre (so offenbar: Immenga/Mestmäcker GWB, 3. Aufl., § 19, Rn. 248; Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl., S. 219 f. jeweils ohne nähere Begründung), weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 134 BGB nicht vorliegen. Das Rechtsgeschäft muß den objektiven Tatbestand des Verbotsgesetzes erfüllen (Palandt/Heinrichs BGB, 61. Aufl. § 134, Rn. 12/12a m.w.N.). Verbotsgesetze können im vorliegenden Fall nur die oben genannten Vorschriften des GWB und des Energiewirtschaftsgesetzes sein. Diese gesetzlichen Vorschriften berühren aber den streitgegenständlichen Vertrag in keiner Weise. Der streitgegenständliche Vertrag regelt die Belieferung der Beklagten mit elektrischer Energie durch die Klägerin. Die genannten gesetzlichen Vorschriften regeln demgegenüber den Wettbewerb auf diesem Gebiet. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht somit nicht. Das Verbotsgesetz wird nach dem Vortrag der Beklagten durch das wettbewerbswidrige Verhalten der Klägerin gegenüber Mitbewerbern dadurch verletzt, dass sie von diesen überhöhte Durchleitungsgebühren verlangt. Auch dieses - an dieser Stelle unterstellte - Verhalten der Klägerin berührt den konkreten Vertrag schon deshalb nicht unmittelbar, weil die wettbewerbswidrige Handlung nach dem eigenen Vortrag der Beklagten erst nach dem Abschluss des Vertrages erfolgte. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Klägerin nach unstreitigen Vortrag der Beklagten die einzige Anbieterin. Da das konkrete Geschäft die Verbotsgesetze überhaupt nicht und das - unterstellte - wettbewerbswidrige Verhalten jedenfalls im Zeitpunkt seines Abschlusses den Vertrag nicht berührte, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 134 BGB selbst bei unterstelltem Wettbewerbsverstoß nicht vor. Es führt auch die in anderem Zusammenhang diskutierte Frage nicht weiter, ob bei rechtswidrigen Kartellabsprachen auch die nachfolgend abgeschlossenen Ausführungs- und Folgeverträge von der Rechtsfolge aus § 134 BGB erfasst werden (dazu: MK/Mayer-Maly/Armbrüster BGB, 4. Aufl., § 134, Rn. 64/65 m.w.N.). Der Vertragsabschluss kann im vorliegenden Fall von dem behaupteten Wettbewerbsverstoß nicht beeinflusst gewesen sein, wenn dieser dem Vertragsabschluss zeitlich nachfolgte.

Selbst wenn man aber von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 134 BGB ausgehen würde, würde dies im vorliegenden Fall immer noch nicht zur Nichtigkeit führen. Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt vielmehr nur dann ein, wenn das gesetzliche Verbot schon bei Vornahme des Rechtsgeschäfts bestand (OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 249, 250; offengelassen in BGHZ 45, 322, 326). Wie bereits dargelegt, folgte der behauptete Wettbewerbsverstoß aber dem Abschluss des Vertrages nach und kann diesen nicht mehr nichtig machen. [Dieses Ergebnis ergibt sich auch bei folgender Kontrollüberlegung: Unterstellt, die Klägerin hätte sich in dem von der Beklagten genannten Sinne wettbewerbskonform verhalten, hätte somit von ihren Mitbewerbern nur eine Durchleitungsgebühr verlangt, die es z.B. der G. erlaubt hätte, der Beklagten ein günstigeres Angebot zu unterbreiten als die Klägerin, dann läge nach der Argumentation der Beklagten kein Wettbewerbsverstoß vor. Der Vertrag wäre daher auch aus Sicht der Beklagten nicht gemäß § 134 BGB nichtig. In diesem Fall hätte die Beklagte das Angebot der G. aber nicht annehmen können, weil sie dann auch aus ihrer Sicht weiter durch den bestehenden Vertrag an die Klägerin gebunden wäre. Die Beklagte steht somit nunmehr nur genauso da, wie sie stehen würde, wenn sich die Klägerin in ihrem Sinne verhalten hätte].

An der Zahlungsverpflichtung der Beklagten würde sich aber im vorliegenden Fall auch aus einem weiteren Grund nichts ändern, wenn man von einer Nichtigkeit gemäß § 134 BGB ausgehen würde. Dies würde nicht dazu führen, dass die Beklagte keinerlei Kaufpreis mehr zu zahlen hätte. Bei Verstößen gegen Preisbestimmungen bleiben die Geschäfte mit dem zulässigen Preis aufrechterhalten, da sie preiswidrige Verträge nicht gänzlich unterbinden wollen, sondern nur die preisgünstige Versorgung der Abnehmer durch Aufrechterhaltung der Rechtsgeschäfte bezwecken (Immenga/Mestmäcker a.a.O.). Die Beklagte hat aber nicht hinreichend dargelegt, dass der von der Klägerin geforderte Kaufpreis gegenüber dem Marktpreis überhöht ist. In erster Instanz hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass der Bezugspreis um mehr als 30 % über dem Marktpreis liege (Klageerwiderung S. 4 - Bl. 79 I -). Zum Beweis hat sie sich auf ein Sachverständigengutachten berufen. Dabei handelte es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, weil keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte benannt wurden. Ob die Beklagte mit der Vorlage von Preisblättern anderer Anbieter (BB S. 7 - Bl. 158 I -) ihrer Darlegungslast nachgekommen ist, kann im Ergebnis dahinstehen, weil es sich jedenfalls um neues Verteidigungsvorbringen handelt (dazu: Zöller/Gummer ZPO, 22. Aufl., § 531, Rn. 22), das nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen ist. Selbst wenn man dem nicht folgen würde, müßte der überhöhte Marktpreis im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben gewesen sein. Es aber weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sich die Angaben in den vorgelegten Preisblättern auf diesen Zeitpunkt beziehen (die Preisblätter der Energiewerke Isernhagen - Stand 1.4.2002 - [Bl. 167 I] und der Stadtwerke Wittenberg - Stand 1.1.2002 - [Bl. 168 I] beziehen sich ausdrücklich auf andere Zeitpunkte), sodass die Beklagte selbst bei Zulassung dieses neuen Vortrages weiter darlegungsfällig bleibt. Steht nicht fest, dass der Kaufpreis überhöht ist, ist davon auszugehen, dass er dem Marktpreis entspricht und deshalb auch dann geschuldet würde, wenn der Vertrag gemäß § 134 BGB nichtig wäre.

Der Vertrag ist auch nicht gemäß § 138 BGB nichtig. Gemäß § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das jemand unter Ausbeutung einer Zwangslage eines anderen sich Vermögensvorteile versprechen läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung steht. Es steht nicht fest, dass sich die Beklagte bei Abschluss des Vertrages in einer Zwangslage befand. Dass die Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die einzige Anbieterin war, ist unerheblich, solange nicht ebenfalls feststeht, dass sie einen gegenüber dem Marktpreis überhöhten Kaufpreis verlangte. Soweit die Beklagte weiter vorträgt, dass die Klägerin ihre Zustimmung zu der Stundungsvereinbarung vom Abschluss des Vertrages abhängig gemacht hat, würde sich daraus allenfalls dann eine Zwangslage ergeben können, wenn feststehen würde, dass es der Beklagten unmöglich war, das der Klägerin unstreitig geschuldete Entgelt anderweitig (z.B. durch Bankkredit) zu erlangen. Dafür trägt die Beklagte aber keinerlei Anhaltspunkte vor. Der Vertrag ist aber auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Alleiniger noch zu prüfender Gesichtspunkt ist die Vertragslaufzeit. Dabei kann offen bleiben, inwieweit ältere Rechtsprechung (z.B. BGHZ 64, 288 f.; BGH NJW 1987, 1622; OLG Hamm DB 1996, 2608 f.) nach der Änderung des GWB (insbesondere Wegfall des § 103 a GWB a.F.) und des Energiewirtschaftsgesetzes noch berücksichtigt werden kann. Eine überlange Laufzeit eines Vertrages führt nicht zu seiner Unwirksamkeit, vielmehr beschränkt sich die Folge auf eine Verkürzung der Laufzeit (Thüringer OLG OLG-NL 1998, 38, 40 mit dem zutreffenden Hinweis auf die Rechtsprechung z.B. zu Bierlieferungsverträgen). Abzustellen ist mithin nicht auf die Vertragslaufzeit von rund 8,5 Jahren, sondern auf die Zeit zwischen dem Vertragsschluss und dem streitgegenständlichen Zeitraum. Dieser Zeitraum beträgt rund 3 Jahre und 4 Monate. Gründe, aus denen sich ergeben würde, dass die Beklagte bei einer solchen Vertragslaufzeit unangemessen in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde, sind nicht ersichtlich. Dies zudem vor dem Hintergrund, dass die Klägerin der Beklagten das Entgelt für die Errichtung der Trafoanlage stundete.

Da die Kündigung zum 31.12.2000 unwirksam und der Vertrag weder gemäß § 138 BGB noch gemäß § 134 BGB nichtig ist, schuldet die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum den restlichen Kaufpreis für die bezogene Energiemenge.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist für die Beklagte zuzulassen, weil die Frage, ob ein Wettbewerbsverstoß der Klägerin gemäß § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4, 20 GWB (i.V.m. § 6 Abs. 1 EnWG) gegenüber einem Wettbewerber dazu führen kann, dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Vertrag über die Lieferung von Strom gemäß § 134 BGB nichtig ist, sowie, ob dies auch dann gilt, wenn der Wettbewerbsverstoß erst nach dem Abschluss des Vertrages zwischen den Parteien erfolgte, höchstrichterlich - soweit ersichtlich - nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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