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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 06.05.2003
Aktenzeichen: 9 U 16/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, SOG-LSA
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 543 Abs.1 | |
ZPO § 540 Abs.2 Nr.1 | |
SOG-LSA § 3 | |
SOG-LSA § 13 | |
SOG-LSA § 88 Abs.2 S.2 Nr.1 |
Bei der Frage der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung hat eine umfassenden Interessensabwägung stattzufinden. Grundsätzlich zulässig ist es auch, wenn die Parteien in den Vertrag Gründe aufnehmen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen sollen und damit zum Ausdruck bringen, dass sie dem vereinbarten Grund eine erhebliche Bedeutung im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung beimessen wollen. Aus der Feststellung, dass ein vertraglich festgelegter Tatbestand verwirklicht ist, folgt aber nicht zwangsläufig, dass eine auf diesen Grund gestützte fristlose Kündigung stets auch begründet ist. Die Parteien können sich einer Prüfung, ob ein bestimmtes Verhalten ihr Verhältnis tatsächlich nachhaltig erschüttert hat, nicht durch eine bloße Vereinbarung vollständig entziehen. Ansonsten könnte die gesetzliche Vorgabe, dass nur ein Grund von einigem Gewicht in Bezug auf das konkrete Vertragsverhältnis eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, völlig unterlaufen werden, was in der Konsequenz praktisch zu einem freien Kündigungsrecht führen könnte, wenn selbst unwichtige Nebenpunkte wirksam als wichtige Gründe vertraglich vereinbart werden könnten. So hat der Bundesgerichtshof (NJW 1985, 1984 - sog. McDonald's-Entscheidung -) für einen Franchise-Vertrag entschieden, dass nicht alle Verstöße gegen die vom Franchise-Geber aufgestellten Richtlinien (im konkreten Fall: Nichteinhaltung der vorgegebenen Temperatur des Grillgerätes bei der Zubereitung von Hamburgern) eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können, selbst wenn dies in dem Vertrag vereinbart ist. Eine fristlose Kündigung kann danach nur auf solche Verstöße gegen die Richtlinien gestützt werden, die geeignet sind, das unternehmerische Ziel des Franchise-Gebers selbst zu gefährden. Der hinter dieser Überlegung stehende Gedanke, dass ein wirksamer Kündigungsgrund letztlich den Vertragszweck selbst nachhaltig berühren muss, ist auch auf einen gewerblichen Pachtvertrag anzuwenden, selbst wenn die Verflechtung der beiderseitigen Interessen dabei weniger ausgeprägt ist als bei einem Absatzmittlungsverhältnis.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
9 U 16/03 OLG Naumburg
verkündet am: 06.05.2003
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 6.5.2003 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.12.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beklagte pachtete von der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Pachtvertrag vom 21.12.1990 das Naherholungsgebiet "P. " . Der Pachtvertrag war auf den 31.12.2001 befristet. Der Beklagten wurde eine Verlängerungsoption um 2 x 10 Jahre eingeräumt, von der sie unstreitig Gebrauch gemacht hat. In dem Pachtvertrag heißt es u.a.:
§ 6 Ziff.4
Der Pächter hat für den Betrieb des Campingplatzes insbesondere einen etwaigen Bootsverleih eine ausreichende Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen, die eine etwaige Haftung der Verpächterin als Grundstückseigentümerin mit abzudecken hat.
§ 6 Ziff.5
Die Verpächterin kann vom Pächter Nachweis fordern, daß die oben genannten Versicherungen in angemessener Höhe abgeschlossen sind. ...
§ 11 Ziff.1
Die Verpächterin ist berechtigt, den Pachtvertrag fristlos zu kündigen, wenn
- ...
- Der Pächter unberechtigt geschaffene Einrichtungen auf dem gepachteten Gelände nicht binnen vier Wochen nach einer entsprechenden Aufforderung entfernt,
- ...
- der Pächter nicht binnen 3 Monaten nach einer entsprechenden Aufforderung das Bestehen eines ausreichenden Versicherungsschutzes ( vergl. § 6 ) nachweist,
- ...
Nach Abschluss des Pachtvertrages schloss die Beklagte mit einer Vielzahl von Personen Unterpachtverträge zur Nutzung als sog. Bungalowflächen (Bl. 4 / 5 I). Mit weiteren Personen bestehen Nutzungsverträge aus der Zeit vor dem 3.10.1990. Mit Schreiben vom 16.7.2001 (Bl. 25 I) teilte der Wasserverband B. der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit, dass eine Kontrolle ergeben habe, dass in 19 Fällen Nutzer der sog. Bungalowflächen ihre Eigengewinnungsanlagen (für Wasser) rechtswidrig mit der öffentlichen Trinkwasserversorgung verbunden hätten. Bereits mit Schreiben vom 20.7.2001 forderte die Verwaltungsgemeinschaft B. (zu der die Rechtsvorgängerin der Klägerin gehörte) die Beklagte auf, die rechtswidrig hergestellten Verbindungen zwischen den Eigengewinnungsanlagen und der öffentlichen Trinkwasserversorgung zu beseitigen. Der Beklagten wurde dafür eine Frist bis zum 10.8.2001 gesetzt (Bl. 28/29 I). In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien streitig, ob sich die rechtswidrigen Verbindungen auf Bungalowflächen befinden, über die die Beklagte Unterpachtverträge abgeschlossen hat, oder auf solche Flächen, für die Nutzungsverträge bereits aus der Zeit vor dem 3.10.1990 bestehen. Weiter ist streitig, ob zwischenzeitlich alle Verbindungen beseitigt wurden. Mit Anwaltsschreiben vom 20.7.2001 (Bl. 31ff. I) wies die Beklagte jede Verantwortung für die rechtswidrigen Verbindungen zurück. Mit Rundschreiben vom 21.7.2001 teilte die Beklagte sämtlichen Nutzern der Bungalowflächen mit, dass die rechtswidrig hergestellten Verbindungen bis zum 1.8.2001 beseitigt werden müssten. Ende Juli 2001 sperrte der Wasserverband B. die Versorgung der Bungalowflächen mit Trinkwasser. Insoweit ist zwischen den Parteien streitig, ob der Grund dafür die beanstandeten Verbindungen waren oder der allgemeine Zustand des Leitungsnetzes. Mit Schreiben vom 1.8.2001 (Bl. 51/54 I) forderte die Verwaltungsgemeinschaft B. die Beklagte (u.a.) erstmals auf, den in § 6 des Pachtvertrages genannten Versicherungsschutz nachzuweisen und setzte dafür eine Frist bis zum 1.11.2001. Insoweit ist zwischen den Parteien streitig, ob die Beklagte (und falls ja, wann) dieser Aufforderung nachgekommen ist und ob tatsächlich ein § 6 des Pachtvertrages entsprechender Versicherungsschutz besteht. Mit Anwaltsschreiben vom 23.8.2001 (Bl. 42f./45f. I) kündigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin das Pachtverhältnis fristlos. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Beklagte innerhalb der gesetzten Frist der Aufforderung zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Trinkwasserleitungszustandes nicht nachgekommen sei. In der Klageschrift vom 19.12.2001 hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine weitere außerordentliche Kündigung ausgesprochen und diese mit dem fehlenden Nachweis eines ausreichenden Versicherungsschutzes begründet (Bl. 16 I). In der Berufungserwiderung vom 23.4.2003 hat die Klägerin aus dem vorgenannten Grund eine weitere fristlose Kündigung ausgesprochen und vorgetragen, dass der Nachweis eines ausreichenden Versicherungsschutzes nach wie vor nicht geführt sei (Bl. 198 II).
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs.2 Nr.1 ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 111 - 118 II).
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Räumung verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass das Pachtverhältnis jedenfalls durch die in der Klageschrift ausgesprochene Kündigung beendet worden sei. Die Beklagte habe bereits nicht hinreichend dargelegt, dass sie gegenüber der Klägerin einen ausreichenden Versicherungsschutz nachgewiesen habe. Die Klägerin sei deshalb gemäß § 11 Abs.1, 4. Spiegelstrich zur Kündigung berechtigt gewesen. Es komme nicht darauf an, dass grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nur bei schweren Pflichtverstößen zulässig sei. Auch wenn tatsächlich kontinuierlich Versicherungsschutz bestanden haben sollte, so wäre die Nichtvorlage von Versicherungsnachweisen ein schwerer Vertragsverstoß. Als solchen hätten ihn die Parteien eingestuft, als sie dieses Verhalten zum Grund für eine außerordentliche Kündigung erhoben hätten. Die Klägerin habe auch ein wirtschaftliches Interesse an der Dokumentation eines ausreichenden Versicherungsschutzes. Eine gesonderte Abmahnung sei im Hinblick auf das Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft B. vom 1.8.2001 entbehrlich gewesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 17.3.2003 (Bl. 162 - 173 II).
Die Beklagte beantragt,
das am 18.12.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 391/01) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 23.4.2003 (Bl. 194 - 202 II).
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Das Pachtverhältnis wurde weder durch die Kündigung vom 23.4.2001 noch durch die in der Klageschrift bzw. in der Berufungserwiderung erklärten Kündigungen beendet.
Soweit das Landgericht davon ausgeht, dass in der Nichtvorlage von Versicherungsnachweisen ein schwerer Vertragsverstoß liege, weil dies in § 11 des Pachtvertrages so vereinbart sei, kann dem im Ergebnis nicht gefolgt werden. Auf die in der Klageerwiderung und die in der Berufungserwiderung erklärten Kündigungen sind die Kündigungsregelungen in der ab dem 1.9.2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 3 Abs.1 Ziff.1 EGBGB). Ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs.1 BGB ist dann gegeben, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlagen derart gefährdet war, dass sie dem Kündigenden auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zuzumuten war. An dieser vor dem 1.9.2001 aus § 242 BGB hergeleiteten Definition des wichtigen Grunde, hat sich auch unter der Geltung von § 543 Abs.1 BGB im Grundsatz nichts geändert (vgl. dazu: Kraemer, W&M 2001, 163, 167f., sowie § 314 BGB in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung). Bei der Frage der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung hat eine umfassenden Interessensabwägung stattzufinden. Grundsätzlich zulässig ist es auch, wenn die Parteien in den Vertrag Gründe aufnehmen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen sollen. Dem Landgericht ist im Grundsatz darin zuzustimmen, dass die Parteien damit zum Ausdruck bringen, dass sie dem vereinbarten Grund eine erhebliche Bedeutung im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung beimessen wollen. Aus der Feststellung, dass ein vertraglich festgelegter Tatbestand verwirklicht ist, folgt aber nicht zwangsläufig, dass eine auf diesen Grund gestützte fristlose Kündigung stets auch begründet ist. Die Parteien können sich einer Prüfung, ob ein bestimmtes Verhalten ihr Verhältnis tatsächlich nachhaltig erschüttert hat, nicht durch eine bloße Vereinbarung vollständig entziehen. Ansonsten könnte die gesetzliche Vorgabe, dass nur ein Grund von einigem Gewicht in Bezug auf das konkrete Vertragsverhältnis eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, völlig unterlaufen werden, was in der Konsequenz praktisch zu einem freien Kündigungsrecht führen könnte, wenn selbst unwichtige Nebenpunkte wirksam als wichtige Gründe vertraglich vereinbart werden könnten. So hat der Bundesgerichtshof (NJW 1985, 1984 - sog. McDonald's-Entscheidung -) für einen Franchise-Vertrag entschieden, dass nicht alle Verstöße gegen die vom Franchise-Geber aufgestellten Richtlinien (im konkreten Fall: Nichteinhaltung der vorgegebenen Temperatur des Grillgerätes bei der Zubereitung von Hamburgern) eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können, selbst wenn dies in dem Vertrag vereinbart ist. Eine fristlose Kündigung kann danach nur auf solche Verstöße gegen die Richtlinien gestützt werden, die geeignet sind, das unternehmerische Ziel des Franchise-Gebers selbst zu gefährden. Der hinter dieser Überlegung stehende Gedanke, dass ein wirksamer Kündigungsgrund letztlich den Vertragszweck selbst nachhaltig berühren muss, ist auch auf einen gewerblichen Pachtvertrag anzuwenden, selbst wenn die Verflechtung der beiderseitigen Interessen dabei weniger ausgeprägt ist als bei einem Absatzmittlungsverhältnis. Dass der Vertragszweck selbst durch die - an dieser Stelle zugunsten der Klägerin unterstellte - Nichtvorlage von Versicherungsunterlagen berührt wird, kann nicht festgestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin erstmals rund 10 Jahre nach Vertragsbeginn die Vorlage der Versicherungsunterlagen forderte. Die Anforderung erfolgte zudem zu einem Zeitpunkt, als der Beklagten bereits aus einem anderen Grunde die fristlose Kündigung angedroht worden war. Die gesetzte Frist bis zum 1.11.2001 musste vor dem Hintergrund, dass bereits mit Anwaltsschreiben vom 23.8.2001 die Kündigung ausgesprochen wurde, ins Leere laufen. In der Kündigung vom 23.8.2001 wird die unterbliebene Vorlage von Unterlagen nicht einmal erwähnt. Die Kündigung wird allein mit dem Zustand des Trinkwasserleitungsnetzes begründet. Auch in der Klageschrift wird der Räumungsantrag vorrangig mit diesem Umstand begründet und die Kündigung im Hinblick auf die Versicherungsunterlagen lediglich hilfsweise nachgeschoben. Dieses Verhalten der Klägerin belegt, dass sie selbst den Vertragszweck durch einen ganz anderen Grund als gefährdet ansah als durch die unterbliebene Vorlage von Versicherungsunterlagen, der sie lediglich eine hilfsweise Bedeutung beigemessen hat. Dass ein ausreichender Versicherungsschutz besteht, liegt zudem vorrangig im Interesse der Beklagten. Worin das eigene wirtschaftliche Interesse der Klägerin an einer durchgängigen Dokumentation des Versicherungsschutzes der Beklagten liegen soll, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen und wird von der Klägerin auch nicht näher dargelegt. Für die Klägerin ist der Nachweis des Versicherungsschutzes von untergeordneter Bedeutung. Dies bringt die Klägerin auch selbst so zum Ausdruck, wenn sie den Nachweis erst viele Jahre nach Vertragsbeginn fordert und später eine Kündigung lediglich hilfsweise auf diesen Grund stützt. Bei einer Gesamtbetrachtung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der fehlende Versicherungsnachweis - auch aus der Sicht der Klägerin - den Vertragszweck nachhaltig gefährdet, sodass eine fristlose Kündigung darauf auch dann nicht gestützt werden kann, wenn dies als Kündigungsgrund im Vertrag vereinbart wurde.
Das Vertragsverhältnis wurde auch nicht durch die fristlose Kündigung vom 23.8.2001 beendet. Dabei kann unterstellt werden, dass es rechtwidrige Anschlüsse an das Trinkwasserversorgungsnetz auch durch solche Nutzer gegeben hat, mit denen die Beklagte selbst Unterpachtverträge abgeschlossen hat. Weiter kann unterstellt werden, dass diese Anschlüsse im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung nicht vollständig beseitigt waren. Die Beklagte selbst hat keine rechtswidrigen Handlungen begangen. Zwar muss sie sich schuldhaftes Verhalten ihrer Unterpächter zurechnen lassen (§ 549 Abs.3 BGB a.F. = § 540 Abs.2 BGB i.V.m. § 581 Abs.2 BGB). Der Kündigungsgrund liegt indes auch aus der Sicht der Klägerin nicht in der Existenz der rechtswidrigen Verbindungen selbst, sondern darin, dass die Beklagte innerhalb der gesetzten Frist nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Verbindungen beseitigt wurden. Besteht der Sachverhalt, der der Kündigung zugrunde liegt, in einem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Bestimmungen und verlangt eine Behörde (oder vorliegend der zuständige Zweckverband), dass ein rechtmäßiger Zustand hergestellt wird, so ist zwar vorrangig der Pächter zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verpflichtet. Die Pflicht dazu trifft aber auch den Verpächter jedenfalls dann, wenn er selbst zur Beseitigung des rechtwidrigen Zustandes in der Lage ist. In diesem Sinne folgerichtig hat sich der Wasserverband B. auch zunächst an die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewandt (Schreiben vom 16.7.2001 - Bl. 25f. I -). Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen, ob ein Verhalten oder Unterlassen der Beklagten einen wichtigen Kündigungsgrund bildet, muss vorliegend berücksichtigt werden, wer schneller und mit der größeren Aussicht auf Erfolg den rechtswidrigen Zustand beseitigen konnte. Die Beklagte hat die Nutzer mit dem Rundbrief aufgefordert, die rechtswidrigen Verbindungen zurückzubauen. Dies war für die Beklagte die einzige formlose Möglichkeit, die Nutzer zum Handeln anzuhalten. Sie hatte tatsächlich keine Möglichkeit gegen den Willen der Nutzer deren gepachtete Grundstücke zu betreten und die Verbindungen zur öffentlichen Trinkwasserversorgung selbst zurückzubauen. Ihr blieb somit nur die Möglichkeit, die Nutzungsverträge zu kündigen, wobei sie zur Durchsetzung der Räumung u.U. gerichtliche Hilfe hätte in Anspruch nehmen müssen. Dies hätte auch dann gegolten, wenn die Beklagte einen Unterlassungsanspruch geltend gemacht hätte (§ 550 BGB a.F. = § 541 BGB). In keinem Fall war die mit Schreiben vom 20.7.2001 gesetzte Frist bis zum 10.8.2001 ausreichend. Selbst wenn man davon ausgeht, dass damit jedenfalls eine angemessene Frist in Gang gesetzt wurde, war eine solche auch bei Ausspruch der Kündigung vom 23.8.2001 noch nicht abgelaufen. Der Beklagten wäre es somit nur sehr zeitaufwändig möglich gewesen, den rechtswidrigen Zustand selbst zu beseitigen. Bestand durch die rechtswidrigen Verbindungen eine Gesundheitsgefährdung für Menschen durch Verunreinigung von Trinkwasser, wie die Klägerin selbst behauptet, dann hätte sie im konkreten Fall nicht nur sofort tätig werden können, sondern auch müssen. Es kann im vorliegenden Fall nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht nur Verpächterin war. Die Verwaltungsgemeinschaft, der sie angehörte, war die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständige Verwaltungsbehörde (§ 84 Abs.1 Nr.1 SOG-LSA). Bei einer Verunreinigung von Trinkwasser ergab sich die Zuständigkeit der Verwaltungsgemeinschaft bei Kenntnis davon jedenfalls aus § 88 Abs.2 S.2 Nr.1 SOG-LSA. Die Verunreinigung von Trinkwasser stellte eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S.v. § 3 SOG-LSA dar. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte nach Eingang des Schreibens des Wasserverbandes unverzüglich die Verwaltungsgemeinschaft über den Sachverhalt informieren müssen, damit diese die nach § 13 SOG-LSA erforderlichen Maßnahmen gegen die Zustandsstörer (§ 8 SOG-LSA) ergreifen konnte. Gegen die Störer hätte unmittelbar eine Ordnungsverfügung erlassen werden können, die selbst bei Weigerung der Grundstücksnutzer sofort hätte umgesetzt werden können (§§ 9, 55 SOG-LSA ggfs. i.V.m. § 80 VwGO). Der Rechtsvorgängerin der Klägerin (bzw. der für sie handelnden Verwaltungsgemeinschaft) wäre es im Ergebnis schneller möglich gewesen, den Sachverhalt zu beseitigen, auf den die fristlose Kündigung später gegenüber der Beklagten gestützt wurde. Es handelt sich zwar vorliegend um einen speziellen Sonderfall, dass die Verpächterin gleichzeitig die Möglichkeit hatte, eine Störung ggfs. zugleich unter Einsatz hoheitliche Zwangsmitteln beseitigen zu können bzw. beseitigen zu lassen. Da es aber um die Beurteilung der Kündigung eines konkret zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestehenden Vertrages geht, kann bei der Abwägung der Interessen (auch wenn diese hinsichtlich der Kündigung vom 23.8.2001 nicht aus § 543 Abs.1 BGB, sondern auf § 242 BGB folgt) diese besondere "Doppelstellung" der Klägerin (bzw. ihrer Rechtsvorgängerin) nicht unberücksichtigt bleiben. Konnte und musste die Verpächterin die Störung schneller beseitigen, als dies der Pächterin bei normalem Ablauf der Dinge möglich gewesen wäre, kann die Verpächterin später ihr Unterlassen nicht dazu nutzen, auf diesen Sachverhalt die fristlose Kündigung des Pachtvertrages zu stützen. Im Ergebnis ist damit auch die Kündigung vom 23.8.2001 unwirksam und das Pachtverhältnis besteht fort.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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