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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 23.11.2001
Aktenzeichen: 9 U 171/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 288 | |
BGB § 286 Abs. 1 | |
BGB § 284 Abs. 2 S. 1 | |
ZPO § 240 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 92 Abs. 2 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 546 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
9 U 171/01 OLG Naumburg
verkündet am: 23.11.2001
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Landgericht Dr. Otparlik als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 23.11.2001 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 30.07.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Halle - 5 O 422/00 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.738,86 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 22.03.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt nicht 60.000.- DM.
Von der Darstellung des
Tatbestand:
wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Verfahren ist nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen.
Nach der eingeholten amtlichen Auskunft des AG Duisburg vom 02.11.2001 wurde mit Beschluss vom 09.10.2001 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und ein Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. Fall 2 InsO) angeordnet (Bl. 61 II). Solange kein allgemeines Verfügungsverbot (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1, 22 Abs. 1 S. 1 InsO) erlassen worden ist, liegt eine Unterbrechung i. S. d. § 240 ZPO nicht vor (vgl. BGH, NJW 1999, 2822).
II. 1. Die zulässige Berufung hat lediglich hinsichtlich der geltend gemachten Elektroinstalla-tionskosten i. H. v. 1.783,86 DM Erfolg.
Der von den Klägern bei Übergabe der Mietsache geschuldete Zustand umfasste die Elektroinstallation nur bis zur Unterverteilung (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 S. des Mietvertrages). Die Kläger waren jedoch bereit, die nicht von ihnen zu erbringenden Leistungen im Rahmen der allgemeinen Baumaßnahmen zu Lasten der Beklagten durchführen zu lassen (§ 5 Abs. 4). Alle von der Beklagten gewünschten oder für die beabsichtigte Nutzung erforderlichen baulichen und sonstigen Leistungen, insbesondere, soweit sie über den Zustand der Mietsache bei Übergabe hinausgingen oder sonst davon abwichen, sollten zu ihren Lasten gehen (§ 5 Abs. 5 S. 2). Die Rechnung der Fa. Elektrobau M. vom 30.06.1997 betrifft nicht - wie von der Beklagten ursprünglich behauptet (Bl. 66) - den Starkstromanschluss (vgl. Anlage K 12 = Bl. 83 I), sondern zusätzliche Elektroarbeiten ab Unterverteilung (Bl. 37 f I). Die entsprechenden Arbeiten hat die Beklagte mit dem Vermerk "wurde ausgeführt" abgezeichnet (Bl. 157 I). Bei dieser Sachlage handelt es sich um von der Beklagten gewünschte Leistungen i. S. d. § 5 Abs. 5 S. 2 des Mietvertrages. Dass die Beklagte die Arbeiten nicht selbst in Auftrag gegeben hat (Bl. 155 f), entspricht der in § 5 Abs. 4 des Vertrages getroffenen Regelung.
2. Die Kläger haben nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) keinen Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten.
a) Inwieweit der Vermieter Betriebskosten nachfordern kann, die die vereinbarten Vorauszahlungen wesentlich übersteigen, ist umstritten:
aa) Teilweise wird angenommen, da es dem Vermieter freistehe, überhaupt keine Vorauszahlungen zu vereinbaren, stehe es ihm auch frei, sich mit dem Mieter auf Vorauszahlungen zu einigen, die deutlich geringer seien als der voraussichtliche Abrechnungsbetrag (OLG Stuttgart, WuM 1982, 272 f; zust. Geldmacher, DWW 1997, 7, 9; abl. Lechner, WuM 1983, 5 ff).
bb) Nach der wohl überwiegenden Meinung kann der Vermieter Betriebskostennachforderungen nicht durchsetzen, wenn er in Kenntnis der Höhe der voraussichtlichen tatsächlichen Betriebskosten mit dem Mieter wesentlich geringere Vorauszahlungen vereinbart hat. Dies wird teilweise mit dem Grundsatz von Treu und Glauben und teilweise mit einem Freihaltungsanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen begründet (vgl. OLG Düsseldorf, WuM 2000, 591; LG Frankfurt, WuM 1979, 24; LG Arnsberg, NJW-RR 1988, 397 f; LG Celle, DWW 1996, 193; LG Karlsruhe, WuM 1998, 479).
b) Ob die erstgenannte Ansicht abzulehnen ist, weil es in der Praxis immer wieder vorkommt, dass der Vermieter bei hoher Nettomiete die Betriebskostenvorauszahlungen niedrig ansetzt, um die monatliche Gesamtbelastung nicht zu hoch erscheinen zu lassen und den Mieter anschließend mit unerwartet hohen Nachforderungen konfrontiert, die diesen bei engem finanziellen Spielraum erheblich in Bedrängnis bringen (Schmidt-Futterer, Langenberg, Mietrecht, 7. Aufl., § 546 Rn. 362), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, wonach dem Vermieter die Geltendmachung der Nebenkostenvorauszahlung verwehrt ist, wenn bei vereinbarter Nebenkostenvorauszahlung die sich aus der Abrechnung ergebenden Nachforderungen den Vorauszahlungsbetrag wesentlich übersteigen, gilt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) doch etwas anderes, wenn besondere Umstände hinzutreten (vgl. OLG Stuttgart, LG Arnsberg, LG Celle a. a. O.). Ein derartiger besonderer Umstand liegt im vorliegenden Fall darin begründet, dass die Nachforderung die gem. § 6 des Mietvertrages als "angemessen" angesehenen Vorauszahlungen um das 7,5- bzw. 8-fache übersteigt. Bei einem derartig auffälligen Missverhältnis kann sich ein gewerblicher Vermieter nicht darauf berufen, er habe die tatsächlichen Kosten nicht zutreffend einschätzen können, weil das Objekt erst zeitgleich mit Beginn des Mietverhältnisses eröffnet worden sei (Bl. 28 II). Zwar mag es sein, dass die Höhe der Nebenkosten pro Quadratmeter in einem gewissen Rahmen vom konkreten Mietobjekt abhängt. Es gibt jedoch Erfahrungswerte aus vergleichbaren Einkaufszentren, deren Zugrundelegung eine Fehlkalkulation in der vorgenannten Größenordnung ausschließt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten die in einem derartigen Einkaufszentrum anfallenden tatsächlichen Betriebskosten bekannt waren, liegen nicht vor. Dass diese zum größten Teil auf dem Eigenverbrauch der Beklagten beruhen (vgl. Bl. 29 II), liegt zum einen in der Natur der Sache und ist zum anderen deshalb unerheblich, weil ein etwaiger durch die zur Straße hin offene Verkaufstheke erhöhter Energie-verbrauch für den Vermieter jedenfalls vorhersehbar war. Das der Beklagten in § 2 des Mietvertrages eingeräumte Sonderkündigungsrecht steht entgegen der Auffassung der Kläger (Bl. 30 II) in keinem inneren Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Höhe der Gesamtmiete.
III. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 284 Abs. 2 S. 1, 286 Abs. 1, 288 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Beschwer wurde gem. § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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