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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 27.11.2001
Aktenzeichen: 9 U 191/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 985
ZPO § 935
ZPO § 938
ZPO § 308
ZPO § 356
ZPO § 713
ZPO § 711 S. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 545 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
Die Unterlassung der Nutzung von Inventargegenständen kann der Eigentümer im Wege einer einstweiligen Verfügung jedenfalls dann verlangen, wenn der Verfügungsbeklagte sich den Besitz in unredlicher Weise verschafft hat. Richtet sich der Tenor der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Nutzung, ist das Berufungsgericht durch die §§ 308, 356 ZPO nicht gehindert, auch ohne Antrag die einstweilige Verfügung dahingehend zu ändern, dass die Gegenstände an einen Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben sind.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 191/01 OLG Naumburg

verkündet am: 27.11.2001

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann, der Richterin am Oberlandesgericht Hahn und des Richters am Landgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 27.11.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 06.08.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Halle - 8 O 281/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass der Verfügungsbeklagten nicht untersagt wird, die in der einstweiligen Verfügung vom 05.07.2001 bezeichneten Gegenstände zu nutzen, sondern die Herausgabe an einen von der Verfügungsklägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher als Sequester angeordnet wird.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des

Tatbestand:

wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 545 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Verfügungsgrund ergibt sich aus § 985 BGB. Vorliegend geht es nicht um eine auf Unterlassen gerichtete Leistungsverfügung (§§ 1004 Abs. 1 BGB, 940 ZPO), sondern um die Durchsetzung einer Unterlassungsnebenpflicht im Wege eines Benutzungsverbots, durch das sichergestellt werden soll, dass der von der Verfügungsklägerin verfolgte Herausgabeanspruch (vgl. Seite 18 der Antragsschrift) erfüllbar bleibt und nicht durch weitere Abnutzung der herausverlangten Gegenstände entwertet wird (vgl. Stein-Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 938 Rn. 25; vor § 935, Rn. 47).

Inwieweit die Abnutzung durch weiteren Gebrauch einen Verfügungsgrund i. S. d. § 935 ZPO darstellt, ist im Einzelnen umstritten. Teilweise wird dies mit der Begründung bejaht, dass bereits durch die bloße Weiterbenutzung ein Wertverlust eintritt. Anderer Auffassung nach ist eine weitergehende Beeinträchtigung, etwa durch einen übermäßigen Gebrauch erforderlich (vgl. zum Meinungsstand zuletzt OLG Koblenz, OLGR 1999, 455 m. w. N.). Diese Streitfrage braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, denn es ist anerkannt, dass eine einstweilige Verfügung zur Durchsetzung eines Herausgabeanspruches jedenfalls dann zulässig ist, wenn der Verfügungsbeklagte sich den Besitz in unredlicher Weise verschafft hat (OLG Koblenz a. a. O.). So liegt der Fall hier. Die Verfügungsklägerin hat die Gegenstände nicht der Verfügungsbeklagten, sondern der D. GmbH überlassen. Dabei wurde vom früheren Geschäftsführer der D. GmbH und jetzigem Geschäftsführer der Beklagten am 05.04.2000 ein Übernahmeprotokoll gefertigt und unterzeichnet, auf dem mit den Buchstaben "S" und "K" jeweils gekennzeichnet wurde, welche Inventargegenstände der Verfügungsklägerin und welche der Fa. K. gehörten (Bl. 137 ff I). Nach Beendigung des zwischen der Verfügungsklägerin und der D. GmbH bestehenden Untermietverhältnisses hat der (ehemalige) Geschäftsführer der D. GmbH in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten einen direkten Mietvertrag mit der Rechtsnachfolgerin der Fa. K. abgeschlossen. Das dabei angeblich (Bl. 69 I) aufgesetzte "Gewerbeübergabeprotokoll" vom 20.09.2000 (Bl. 77 ff I) stellt eine Kopie der Inventarliste vom 05.04.2000 dar, bei der das erste Blatt ausgetauscht sowie die Kennzeichnungen "S" bzw. "K" und die auf jeder Seite angebrachte Unterschrift (auch) des Beklagten abgedeckt wurden. Bei dieser Sachlage musste dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten bewusst sein, dass ihm Inventar überlassen wurde, welches im Eigentum der Verfügungsklägerin stand. Soweit die Verfügungsbeklagte nunmehr vorträgt, ihr Geschäftsführer habe die Inventarliste ungeachtet der Kennzeichnungen "S" und "K" unterschrieben; etwaige Abdeckungen seien (ohne sein Wissen) durch die K. erfolgt (Bl. 41 II), erscheint dies nicht glaubhaft, zumal er verschiedene Inventargegenstände selbst für die Klägerin angeschafft hat (vgl. Bl. 66, 79 ff II).

Wie das Landgericht daher zutreffend entschieden hat, hat die Verfügungsklägerin Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund durch die eidesstattliche Versicherung des H. S. vom 29.06.2001 (Bl. 24 ff I) ausreichend glaubhaft gemacht, wohingegen die versuchte Gegenglaubhaftmachung der Verfügungsbeklagten im Hinblick auf die Vorlage der manipulierten Inventarliste sowie die wörtliche Übereinstimmung der eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Beklagten und des R. P. (Bl. 123 f I) nicht gelungen ist.

Das vom Landgericht angeordnete Benutzungsverbot führt - wie sich im Hinblick auf seinen Beschluss vom 18.10.2001 (Bl. 25 ff II) bereits gezeigt hat - jedoch nicht zum Ziel, da es mangels Kontrollmöglichkeit praktisch nicht durchsetzbar ist. Es erscheint daher zur Erreichung des Zwecks (§ 938 Abs. 1 ZPO) erforderlich, dass die Verfügungsbeklagte die Gegenstände zum Zwecke der Aufbewahrung an einen Gerichtsvollzieher als Sequester (§ 938 Abs. 2 ZPO) herausgibt (vgl. LG Ravensburg, NJW 1987, 139, 140; Bornhorst, WM 1998, 1668, 1669; Saenger, JZ 1999, 970, 974). An einer entsprechenden Abänderung der einstweiligen Verfügung ist der Senat nicht durch die §§ 308, 536 ZPO gehindert, denn § 938 ZPO verwischt die scharfe Grenzziehung zwischen minus und aliud, solange die beantragte und die angeordnete Maßnahme in die gleiche Richtung gehen (vgl. Münchener Kommentar-Heinze, ZPO, 2. Aufl., § 938, Rn. 9). Durch die Abänderung wird auch der Befürchtung der Verfügungsbeklagten, der Verfügungsklägerin gehe es in Wirklichkeit darum, "den Betrieb der Antragsgegnerin auf jede erdenkliche Weise zu stören und zu behindern, um sich unberechtigt wieder in den Besitz des Objekts zu setzen" (Bl. 71 I), die Grundlage entzogen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Da sich die getroffene Sicherungsanordnung auf Herausgabe an den Gerichtsvollzieher im Rahmen des Ermessens des Gerichts nach § 938 ZPO hält, liegt ein Teilunterliegen der Verfügungsklägerin nicht vor (vgl. LG Ravensburg a. a. O.). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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