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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: 9 U 20/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 550
BGB § 580a Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 2
Entspricht der ursprünglich befristete Mietvertrag nicht der Formvorschrift des § 550 BGB (= § 566 BGB a.F.) so wird dieser Mangel nachträglich berichtigt, wenn sich die Mietvertragspartner - nachdem der Vertrag mehrere Jahre durchgeführt wurde - auf eine Nachtragsvereinbarung verständigen, die ihrerseits alle Essentialia eines Mietvertrages enthält und dem Schriftformerfordernis im Übrigen genügt. Dies gilt selbst dann, wenn im ursprünglichen Mietvertrag das Mietobjekt deshalb nicht hinreichend bezeichnet wurde, weil das Objekt im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages noch nicht errichtet war. Nimmt die Nachtragsvereinbarung hinsichtlich der Bezeichnung des Mietobjekts auf den ursprünglichen Vertrag Bezug, genügt dies dem Formerfordernis jedenfalls dann, wenn das Mietobjekt zwischenzeitlich errichtet wurde und die genaue Lage der Räumlichkeit durch Inaugenscheinnahme - auch durch einen möglichen Erwerber - festgestellt werden kann.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 20/05 OLG Naumburg

Verkündet am: 07.06.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 7.6.2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Manshausen und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.2.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg ( 9 O 527/04 ) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.750,37 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus 4.916,79 Euro seit dem 7.1.2004, aus 4.916,79 Euro seit dem 7.2.2004 und aus 4.916,79 Euro seit dem 6.3.2004 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Mietzins für die Monate Januar bis März 2004 in - rechnerisch - unstreitiger Höhe von 14.750,37 Euro ( 3 x 4.916,79 Euro ). Die Parteien unterzeichneten zunächst am 14.8./23.8.1993 eine Mietvertragsurkunde ( Bl. 35-42 I ) über Räume in einem noch zu errichtenden Gebäude. Mit den Daten 6.9./ 10.9.1993 wurde eine weitere Mietvertragsurkunde ( Bl. 4-11 I ) unterzeichnet. In § 1 des Mietvertrages heißt es u.a.:

Der Vermieter wird Eigentümer des im Grundbuch von H. Band Blatt 5165 eingetragenen Grundstücks, Gemarkung H. , Flur 15, Flurstücke 564/21.

Der Vermieter vermietet zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts mit Schuhen und Randsortimenten auf diesem Grundstück einen Gebäudeteil mit 450 qm Gebäudenutzfläche gemäß der beigefügten Grundrißzeichnung.

Unstreitig sollte das Gebäude noch von einem anderen Unternehmen ( "D. ") genutzt werden. Ob die in § 1 des Mietvertrages genannte Grundrißzeichnung der Vertragsurkunde beigefügt war, ist zwischen den Parteien streitig. In § 3 Abs. 1 sowie in § 4 Abs.1 und 2 des Mietvertrages heißt es:

Die Übergabe des bezugsfertigen Objekts ist für den 01.September 1994 geplant.

Das Mietverhältnis beginnt mit dem auf die Übergabe folgenden Monatsersten.

Die Mietzeit beträgt - gerechnet von vorgenanntem Zeitpunkt - 15 Jahre.

Unstreitig beigefügt war dem Mietvertrag eine Anlage zum Mietvertrag H. , Q. Landstraße 7 ( Bl. 12 I ). Am 24.10.1994 wurden die Räumlichkeiten an die Beklagte übergeben. Über die Übergabe wurde ein Protokoll gefertigt ( Bl. 129 I ). Die Beklagte hat das Objekt ab Übergabe zu dem vertraglich vereinbarten Zweck genutzt. In der Folgezeit haben die Parteien mehrfach über die Anpassung des Mietzinses verhandelt. Mit Schreiben vom 1.6.2001 ( Bl. 70/71 I ) unterbreiteten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Angebot, den Mietzins um 10% zu reduzieren und die Laufzeit des Vertrages bis zum 30.11. 2011 zu verlängern. Dieses Angebot hat die Beklagte mit Schreiben vom 25.6. 2001 angenommen ( Bl. 72 I ). Über die vereinbarten Änderungen wurde ein Nachtrag Nr.1 zum Mietvertrag vom 6. September / 10. September 1993 ( Bl. 13 I ) gefertigt, der mit den Daten 2.7./10.7.2001 von Vertretern der Parteien unterzeichnet wurde. Der Nachtrag bezeichnet die Parteien des Mietvertrages, i.ü. heißt es u.a.:

§ 4 - Absatz 2 erhält folgende Fassung:

Die Mietlaufzeit beträgt - gerechnet vom vorgenannten Zeitpunkt - 17 Jahre und endet am 30.November 2011.

§ 6 - erhält folgende Fassung:

Der Mietzins beträgt monatlich ab Januar 1999 7.290,-- DM ( ... ) für die Gebäudefläche gemäß § 1 inkl. Parkplatz und Zufahrtbenutzung. ...

Alle übrigen Bestimmungen des Mietvertrages bleiben unberührt und gelten unverändert fort.

Mit Schreiben vom 30.6.2003 - der Klägerin am 2.7.2003 zugegangen - hat die Beklagte das Mietverhältnis zum 31.12.2003 gekündigt ( Bl. 32 I ). Die Klägerin ist der Kündigung unter Hinweis auf die vereinbarte Laufzeit des Vertrages mit Schreiben vom 3.7.2003 entgegengetreten ( Bl. 34 I ). Ob die Beklagte das Mietobjekt vollständig zum 31.12.2003 geräumt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Das Landgericht hat die Zahlungsklage mit der Begründung abgewiesen, dass die Kündigung vom 30.6.2003 das Mietverhältnis beendet habe. Der Mietvertrag verstoße gegen die Formvorschrift des § 550 BGB ( § 566 BGB a.F. ) und habe daher ordentlich gemäß § 580a Abs.2 BGB zum 31.12.2003 gekündigt werden können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs.2 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Klägerin steht der vertraglich vereinbarte Mietzins für die Monate Januar bis März 2004 zu. Die Kündigung der Beklagten vom 30.6.2003 konnte das Mietverhältnis im Hinblick auf die vereinbarte Festlaufzeit nicht wirksam zum 31.12.2003 beenden. Der Mietvertrag ist entgegen der Ansicht des Landgerichts formwirksam:

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Mietvertrag vom 6./10.9.1993 aus den vom Landgericht genannten Gründen oder deshalb formunwirksam ist, weil der Vertragsurkunde ( insbesondere § 3 Abs.1 und § 4 Abs.1 ) der Beginn des Mietverhältnisses nicht zu entnehmen ist ( dazu: Senat, Urteil vom 1.2.2005 - 9 U 108/ 04 -; OLG Rostock NZM 2001, 426; OLG Dresden ZMR 2005, 41 ). Das Landgericht verkennt die Bedeutung des Nachtrages Nr.1 vom 2./10.7.2001 ( Bl. 13 I ). Der Nachtrag Nr.1 enthält selbst alle Essentialia eines Mietvertrages. Dazu rechnen vorrangig die Bezeichnung der Vertragsparteien, des Mietgegenstandes, des Mietpreises und der Mietdauer ( h.M. z.B.: Palandt/Weidenkaff BGB, 64. Aufl., § 550, Rn. 10; Emmerich/Sonnenschein Miete, 8. Aufl., § 550, Rn. 10, jeweils m.w.N. ). Im Rubrum der Nachtragsvereinbarung werden die Mietvertragsparteien genau - und damit für einen Erwerber zweifelsfrei erkennbar - bezeichnet. Die Vertragslaufzeit wird bis zum 30.11.2011 festgelegt. Dass auch die Nachtragsvereinbarung den Beginn des Vertrages nicht konkretisiert, ist vorliegend - anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall ( a.a.O. ) - unerheblich, weil der Mietvertrag im Juli 2001 bereits seit mehreren Jahren ( seit Oktober 1994 ) durchgeführt wurde und für einen Erwerber des Objekts nunmehr nur noch die restliche Vertragslaufzeit von Interesse sein kann, nicht aber die bis zum Erwerb bereits abgelaufene Zeit. Die Nachtragsvereinbarung enthält weiter die genaue Bezifferung des Mietzinses ( einschließlich der Umsatzsteuer ). Im übrigen nimmt die Nachtragsvereinbarung ausdrücklich Bezug auf den ursprünglichen Mietvertrag.

Die Nachtragsvereinbarung selbst enthält mithin keine genaue Bezeichnung des Mietgegenstandes. Zunächst ist in einer Nachtragsvereinbarung die Bezugnahme auf den ursprünglichen Vertrag möglich, wenn es - wie vorliegend - eindeutig ist, dass die Parteien die Fortgeltung der dort niedergelegten Vereinbarungen wollen ( vgl. BGH NJW-RR 2000, 744, 745 ). Das Mietobjekt selbst muss im Vertrag nicht mit letzter Genauigkeit bezeichnet werden, wenn verbleibende Zweifel an der exakten Lage durch Auslegung ( BGH NJW 1999, 3257, 3259 ) auch unter Berücksichtigung von außerhalb der Urkunde liegenden Umständen ( BGH NJW 2002, 3389, 3391 ) beseitigt werden können. In § 1 Abs.1 des Mietvertrages wird das Grundstück, auf dem das Mietobjekt errichtet werden sollte, genau bezeichnet. In § 1 Abs.2 des Mietvertrages wird die Fläche des vermieteten Gebäudeteils mit 450 qm angegeben. Wäre die Beklagte die einzige Mieterin gewesen, könnten vernünftige Zweifel an der genauen Lage des Mietobjekts nicht bestehen. Im vorliegenden Fall ändert sich im Ergebnis aber nicht dadurch etwas, dass ein zweiter Mieter das Objekt nutzt. Die Bestimmbarkeit des Mietobjekts ( bzw. die Vertragslaufzeit; Senat a.a.O. ) muss zwar im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben sein. Dies trifft für September 1993 nicht zu, da das Objekt zu diesem Zeitpunkt erst noch erbaut werden musste. Etwas anderes gilt aber für den Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung. Im Juli 2001 existierte das Gebäude. Die Beklagte nutzte bestimmte Räume in dem Objekt. Die Lage des Mietgegenstandes auf dem im Mietvertrag genau bezeichneten Grundstück konnte mithin im Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung jederzeit durch schlichte Inaugenscheinsnahme - auch durch einen Erwerber - festgestellt werden. Dieser Gesichtspunkt muss jedenfalls bei einem bereits seit Jahren durchgeführten Mietvertrag als Umstand bei der Auslegung des Vertrages berücksichtigt werden. Die Nachtragsvereinbarung ist damit als eigenständiger Mietvertrag formwirksam. Die Beklagte ist somit bis zum 30.11.2011 an den Vertrag gebunden. Sie konnte den Mietvertrag nicht ordentlich mit der Kündigung vom 30.6.2003 zum 31.12. 2003 beenden und schuldet daher den vertraglich vereinbarten Mietzins für die Monate Januar bis März 2004. Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Grundsätze zur Beantwortung der Frage der Formwirksamkeit bzw. der Formunwirksamkeit von langfristigen Mietverträgen hat der Bundesgerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen geklärt ( z.B. NJW-RR 1992, 654; NJW 1999, 2591; NJW 1999, 3257; NJW-RR 2000, 744; NJW 2002, 3389; NJW 2003, 1248; NJW 2004, 1103 ). Es handelt sich vorliegend nur noch um die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall. Dies erfüllt weder die Revisionszulassungsgründe aus § 543 Abs.2 Nr.1 ZPO noch aus § 543 Abs.2 Nr.2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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