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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 16.04.2002
Aktenzeichen: 9 U 206/01
Rechtsgebiete: BGB, SGB X, ZPO, Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes


Vorschriften:

BGB § 174
BGB § 626 Abs. 2
SGB X § 115 Abs. 1
ZPO § 543
ZPO § 296
ZPO § 239 Abs. 1
Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes § 1
Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn sich der Dienstberechtigte mehr als 9 Monate nach Abschluss der außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Geschäftsführer einer GmbH auf einen gänzlich neuen Kündigungsgrund beruft, der in keinen sächlichen Zusammenhang mit dem ursprünglich genannten Grund steht. Fehlt es an einem zeitlichen und jedem sachlichen Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Kündigungsgründen, kann der später genannte Grund nicht mit "nachgeschoben" werden.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 206/01 OLG Naumburg

verkündet am: 16.04.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Landgericht zur Nieden auf die mündliche Verhandlung vom 19.3.2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.9.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 367/00) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.473,30 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes aus

- 5.729,43 EUR ab dem 2.09.2000 - 5.685,11 EUR ab dem 2.10.2000 - 5.729,43 EUR ab dem 2.11.2000 - 5.685,11 EUR ab dem 2.12.2000 - 5.644,22 EUR ab dem 2.01.2001

zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Bundesanstalt für Arbeit 6.821,67 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes aus

- 1.329,56 EUR ab dem 2.09.2000 - 1.373,88 EUR ab dem 2.10.2000 - 1.329,56 EUR ab dem 2.11.2000 - 1.373,88 EUR ab dem 2.12.2000 - 1.414,78 EUR ab dem 2.01.2001

zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 40.000,-- Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten (i. F. Beklagte). Die Beklagte hat das Anstellungsverhältnis mit Anwaltsschreiben vom 7.8.2000 (Bl. 13/14 I), 17.8.2000 (Bl. 19 - 21 I) und 9.5.2001 (Bl. 126/127 I) außerordentlich gekündigt. Zwischen den Parteien ist insoweit streitig, ob das Schreiben vom 9.5.2001 eine neue Kündigung darstellt oder ob damit nur Gründe für die Kündigung vom 7.8.2000 "nachgeschoben" werden sollten. Auf den Inhalt der genannten Schreiben wird Bezug genommen. Der Kläger ist den Kündigungen entgegengetreten. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Gehaltsansprüche für die Zeit von September 2000 bis Januar 2001 geltend. Er stützt seinen Zahlungsanspruch hilfsweise auf die Abfindungsregelung aus § 6 Nr. 4 Abs. 1 des Änderungsvertrages zum Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 14.7.1999 (Bl. 71/72 I).

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 543 ZPO (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: § 26 Nr. 5 EGZPO) Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 63 - 68 II).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Dienstvertrag sei durch die Kündigung vom 7.8.2000 wirksam beendet worden. Zuständig für die Kündigung des Anstellungsvertrages sei nach § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der Aufsichtsrat gewesen. Der Aufsichtsrat habe in seiner Sitzung vom 31.7./1.8.2000 einen Beschluss gefasst, das Anstellungsverhältnis fristlos zu kündigen. Die Kündigung sei dem Kläger zwar persönlich übergeben und nicht wie im Anstellungsvertrag vorgesehen durch eingeschriebenen Brief übermittelt worden. Dies sei für die Wirksamkeit der Kündigung aber unschädlich, weil das Erfordernis des Einschreibens lediglich Beweiszwecken habe dienen sollen. Der Kläger habe der Kündigung nicht gemäß § 174 BGB entgegentreten können. Das Original der Vollmacht zur Kündigung sei vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnet worden. Es fehle zwar der Vertretungszusatz (als Aufsichtsratsvorsitzender). Der Kläger handele aber rechtsmissbräuchlich, wenn er die Kündigung aus diesem Grund zurückweise, weil ihm der Unterzeichner der Vollmacht als Aufsichtsratsvorsitzender bekannt gewesen sei. Es habe auch ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorgelegen. Dieser liege zwar nicht in der von der A. Zeitung zitierten Äußerung des Klägers über den Verkauf des Unternehmens. Die Beklagte habe aber einen wirksamen Kündigungsgrund nachgeschoben. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, am 22.6.2000 einen sog. Fremdwährungsswap über 10 Mio. DM und einer Laufzeit von 10 Jahren abzuschließen. Er habe dieses Geschäft ohne Wissen und Zustimmung des Aufsichtsrates abgeschlossen. Anders als bei vergleichbaren Geschäften aus der Vergangenheit habe der Swap-Vertrag nicht das Zinsrisiko eines bestimmten Darlehnsvertrages absichern sollen. Dem Swap-Vertrag liege kein Darlehnsvertrag zugrunde und stelle damit ein reines Spekulationsgeschäft dar, das für die Beklagten im Hinblick auf das Währungskursrisiko mit erheblichen Gefahren verbunden sei. Der Kläger habe damit gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verstoßen. Der Kläger sei auch deshalb verpflichtet gewesen, den Aufsichtsrat vor Abschluss des Vertrages zu unterrichten, weil im Zeitpunkt des 22.6.2000 bereits in Rede gestanden haben, dass die Vertretungsmacht des Klägers eingeschränkt und der auf den 31.1.2001 befristete Anstellungsvertrag nicht verlängert werden sollte. Der Wirksamkeit der Kündigung stehe nicht § 626 Abs. 2 BGB entgegen. Dem Kläger stehe auch kein Abfindungsanspruch zu. Der Entzug der Abfindung sei im Hinblick auf das Swap-Geschäft und des damit verbundenen Missbrauchs des Vertrauens der Beklagten gerechtfertigt.

Gegen das am 19.9.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Die Kündigung vom 7.8.2000 sei bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht durch einen ein-geschriebenen Brief übermittelt worden sei. Der Kläger habe die Kündigung auch gemäß § 174 BGB zurückweisen dürfen. Der Aufsichtsratsvorsitzende sei außerdem Bürgermeister der Stadt S. und Aufsichtsratsvorsitzender einer weiteren Gesellschaft gewesen, bei der der Kläger ebenfalls Geschäftsführer gewesen sei. Aus diesem Grunde habe er die Vollmacht zwingend mit dem Vertretungszusatz als Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten unterzeichnen müssen, weil nur dann eindeutig festgestanden hätte, dass er auch in dieser Funktion habe handeln wollen. Der Vortrag der Beklagten zu dem Beschluss des Aufsichtsrates sei gemäß § 296 ZPO verspätet. Es liege zudem kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Ein solcher liege weder in seinen Äußerungen gegenüber der A. Zeitung noch in seinem Verhalten im Gespräch vom 7.8.2000 gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten. Aber auch der Abschluss des Fremdwährungsswaps bilde keinen Grund zur fristlosen Kündigung. Es handele sich zum einen nicht um einen nachgeschobenen Kündigungsgrund, sondern das Schreiben vom 9.5.2001 bilde eine eigenständige und neue Kündigung. Es verstoße auch gegen Treu und Glauben, wenn bei einer offensichtlich unbegründeten Kündigung diese durch das Nachschieben von Gründen dennoch Wirksamkeit erlangen könne. Der Abschluss des Fremdwährungsswaps stelle kein Spekulationsgeschäft dar. Der Kläger sei weder grundsätzlich noch allgemein verpflichtet gewesen, vorab die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen, da es sich dabei lediglich um ein übliches Geschäft gehandelt habe. Auch der Fremdwährungsswap habe im Zusammenhang mit einem Darlehen gestanden. Der Kläger habe bei anderen Swapgeschäften keine Zustimmung des Aufsichtsrates eingeholt. Es sei auch üblich gewesen, die Vereinbarungen mündlich abzuschließen. Der wichtige Grund zur fristlosen Kündigung folge auch nicht aus dem Zeitpunkt des Abschlusses des Swapgeschäftes, weil ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei, dass der Aufsichtsrat bereits in seiner Sitzung vom 13.6.2000 eine Beschränkung seiner Vertretungsmacht beschlossen habe. Selbst wenn die Kündigung berechtigt gewesen sein sollte, stehe ihm immer noch ein Abfindungsanspruch gemäß § 6 Abs. 4 S. 2 des Änderungsvertrages zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 23.11.2001 (Bl. 117 - 138 II) und den Schriftsatz vom 16.3.2002 (Bl. 210 - 226 II).

Der Kläger beantragt,

das am 19.9.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 367/00 ) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 35.294,96 Euro nebst 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes auf jeweils 7.058,99 Euro ab dem 2. Kalendertag eines Monats, beginnend ab dem 2.9.2000, zu zahlen, abzüglich der gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangener Ansprüche hinsichtlich der Zahlungen für:

- September 2000 i.H.v. 1.329,56 EUR - Oktober 2000 i.H.v. 1.373,88 EUR - November 2000 i.H.v. 1.329,56 EUR - Dezember 2000 i.H.v. 1.373,88 EUR - Januar 2001 i.H.v. 1.414,78 EUR

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. Die Berufung sei bereits unzulässig, weil der Kläger nicht angebe, in welcher Höhe ein Anspruch auf das Arbeitsamt übergegangen sei. Die Kündigung sei auch ohne Einhaltung der Form des eingeschriebenen Briefes wirksam gewesen. Dem Kläger habe kein Zurückweisungsrecht gemäß § 174 BGB zugestanden. Sie halte an ihrer Ansicht fest, dass bereits die Äußerungen des Klägers in der A. Zeitung die fristlose Kündigung gerechtfertigt habe. Die Äußerungen hätten den Verkauf der Geschäftsanteile erschwert. Der Kläger habe zudem in dem Gespräch vom 7.8.2000 über den Zeitungsartikel die Unwahrheit gesagt. Den Fremdwährungsswap habe der Kläger nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates abschließen dürfen, zumal dieser nicht mit einem Darlehensvertrag in einem Zusammenhang stehe. Der Swap sei mit nicht kalkulierbaren Wechselkursschwankungen verbunden. Dieser Kündigungsgrund sei wirksam nachgeschoben worden, ohne dass die Frist aus § 626 Abs. 2 BGB verletzt worden sei. Der vertraglich vereinbarte Abfindungsanspruch sei unwirksam, weil dadurch das Kündigungsrecht des Dienstherrn unzulässig eingeschränkt werde.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 15.2.2002 (Bl. 179 - 191 II) und den Schriftsatz vom 11.3.2002 (Bl. 207/208 II).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Beklagte hat durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit gemäß § 239 Abs. 1 ZPO aufgenommen. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung restlichen Gehalts für die Zeit von September 2000 bis Januar 2001 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 35.294,96 Euro (= 69.030,95 DM). Soweit Ansprüche gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf das Arbeitsamt übergegangen sind, hat der Kläger seinen Antrag entsprechend dem rechtlichen Hinweis vom 8.3.2002 (Bl. 198 II) auf Zahlung an die Bundesanstalt für Arbeit umgestellt.

Das Anstellungsverhältnis des Klägers zur Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde nicht durch die Kündigung vom 7.8.2000 beendet. Der Senat geht mit dem Landgericht (LGU S. 10 - Bl. 85 II -) davon aus, dass die im Schreiben vom 7.8.2000 (Bl. 13/14 I) genannten Gründe allein die fristlose Kündigung nicht rechtfertigen konnten. Dem Geschäftsführer einer GmbH kann man im Hinblick auf seine Verantwortlichkeit für die Gesellschaft nicht grundsätzlich untersagen, sich auch öffentlich kritisch mit der Geschäftspolitik der Gesellschafter auseinanderzusetzen, wenn er diese gemessen am Interesse der Gesellschaft für verfehlt hält. Die Kritik muß sachbezogen und sachlich sein und die besondere Treuepflicht zu den Gesellschaftern berücksichtigen und außerdem in Rechnung stellen, dass für grundlegende Änderungen der Geschäftspolitik letztlich allein die Gesellschafterversammlung zuständig ist.

In diesem Rahmen bewegen sich die Äußerungen des Klägers in dem Artikel der A. Zeitung noch. Zwar ist eine Abmahnung gegenüber einem Geschäftsführer einer GmbH i.d.R. nicht erforderlich (BGH NJW 2000,1638, 1639). In die Bewertung einzubeziehen ist aber, dass die fristlose Kündigung grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn ein Festhalten am Vertrag bis zur nächsten ordentlichen Beendigungsmöglichkeit unzumutbar ist. Der Anstellungsvertrag des Klägers war aber ohnehin auf den 31.1.2001 befristet, und die Entscheidung gegen eine Verlängerung des Vertrages war bereits gefallen. Aus demselben Grund sind auch die Äußerungen des Klägers im Gespräch mit dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten - an dieser Stelle unterstellt, dass der Kläger dabei unzutreffende Angaben im Zusammenhang mit dem Zeitungsartikel gemacht hat - vom 7.8.2000 nicht geeignet eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Mit dem Landgericht ist zwar davon auszugehen, dass der im Schreiben vom 9.5. 2001 (Bl. 126/127 I) genannte Kündigungsgrund die fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte. Der Senat nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf die angefochtene Entscheidung (LGU S. 11 - 13/Bl. 86 - 88 II). Entgegen der Ansicht des Landgerichts konnte der Kündigungsgrund aber nicht mehr nachgeschoben werden. Das Bundesarbeitsgericht hat es bislang offengelassen, ob ein Auswechseln der Kündigungsgründe im Prozess in dem Sinne möglich ist, dass die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält (BAG NJW 1980, 2486; BAG NJW 1998, 101, 102; unklar: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl., § 125, Rn. 24). Den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die sich mit der Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen befassen, nehmen nur dazu Stellung, dass dies i.d.R. möglich ist, wenn der Kündigungsgrund vor der Kündigungserklärung entstanden, aber erst später bekannt wird, wobei den Entscheidungen (soweit sie abgedruckt sind) nichts zu dem Verhältnis der nachgeschobenen Kündigungsgründen zu den ursprünglich mitgeteilten Gründen zu entnehmen ist (z. B. BGH DB 1976, 386; BGH DB 1980, 967, 968). In zwei weiteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof zu den Grenzen des Nachschiebens Stellung genommen. Im Einzelfall verstoße das Nachschieben von Gründen gegen Treu und Glauben, wenn der Kündigungsempfänger nach den Umständen des Falles davon ausgehen könne, dass der die Kündigung Erklärende sich auf den angegebenen Kündigungsgrund beschränken werde (BGHZ 27, 220, 225 f.). Eine weitere Einschränkung hat der Bundesgerichtshof für solche Kündigungsgründe gemacht, die dem für die Entscheidung zuständigen Gremium bei der Beschlussfassung nicht bekannt waren. Solche Gründe können nur dann nachgeschoben werden, wenn sie mit den für die Kündigung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem das kündigende Organ bei seinem Entschluss ausgegangen ist (BGHZ 60, 333, 336; ebenso: OLG Köln OLGR 1995, 179, 181). In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass die nachgeschobenen Gründe nicht in einem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit den ursprünglichen Gründen stehen müssen (Staudinger/Preiss BGB, 13. Bearbeitung, § 626, Rn. 66 - allerdings u.a. unter Hinweis auf das Urteil des BAG vom 18.1.1980

- NJW 1980, 2486 - wo diese Frage gerade offen gelassen wird). Der Bundesgerichtshof führt zur Begründung für die Zulassung von nachgeschobenen Kündigungsgründen aus: Wenn man es dem Kündigenden versagte, sich auf im Zeitpunkt der Kündigung objektiv gegebene Kündigungsgründe zu berufen, derjenige Vertragsteil besser gestellt wäre, der es verstanden habe, einen wichtigen Kündigungsgrund vor seinem Vertragspartner zu verheimlichen (ausdrücklich: in NJW 1976, 386). Der Zulassung nachgeschobener Kündigungsgründe ist aber dann eine Grenze gesetzt, wenn der fehlende zeitliche Zusammenhang allein der Sphäre des Kündigenden zuzurechnen ist. Vorliegend ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger das Devisenswapgeschäft in irgendeiner Weise verschleiert hätte. Das Geschäft ist im Zusammenhang mit der Überprüfung der wirtschaftlichen Situation durch die Beklagte nach Übergang der Geschäftsanteile auf sie bekannt geworden (Bl. 134/135 I). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte bis zum 31.12.2000 eine solche Überprüfung nicht vorgenommen, obgleich es nahe gelegen hätte, dies zu tun, nachdem dem Kläger fristlos gekündigt worden war. Die Überprüfung erfolgte auch nicht speziell im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers, sondern wegen des hohen Anteils der Verbindlichkeiten. Der Vorgang des Devisenswaps wurde zufällig aufgefunden. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung unterlag mithin allein dem Zufall. Den Entscheidungsgremien der Beklagten hätte das Geschäft noch jahrelang verborgen bleiben können. Lässt man auch zeitlich uneingeschränkt ein Nachschieben von Gründen zu, ergäbe sich für den Betroffenen keine "Rechtssicherheit" mehr. Wurde das Dienstverhältnis fortgesetzt, könnten Gründe für eine fristlose Kündigung noch nach Jahren nachgeschoben werden, auch wenn sich der Kündigungsgrund durch Zeitablauf erledigt hätte. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen kann dies dem Betroffenen nur dann zugemutet werden, wenn er selbst (oder ihm zurechenbar) dafür gesorgt hat, dass der Kündigungsgrund verschleiert und deshalb nicht zeitnah erkannt wurde. Der Zweck des § 626 Abs. 2 BGB liegt darin, schnell Klarheit zu schaffen, ob im Hinblick auf ein bestimmtes Verhalten das Dienstverhältnis fortgesetzt werden soll oder nicht. Die Frist selbst kann dann zwar nicht gelten, wenn der Dienstberechtigte von dem Verhalten keine Kenntnis hat. Die Frist zeigt aber, dass der Gesamtkomplex fristlose Beendigung des Vertrages einen Zeitfaktor beinhaltet, der es dem Dienstberechtigten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben versagt, sich einschränkungslos auf ihm zunächst unbekannte Gründe zu berufen. Vorliegend tritt hinzu, dass auch der Kündigungsgrund selbst vollständig ausgewechselt wurde. Der Kündigungsgrund "Devisenswapgeschäft" steht in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit den im Schreiben vom 7.8.2000 genannten Gründen. Das Dienstverhältnis war faktisch am 7.8.2000 und tatsächlich zum 31.1.2001 beendet. Mehr als 9 Monate nach Ausspruch der Kündigung musste der Kläger nicht mehr damit rechnen, dass die Entscheidung nachträglich auf einen Grund gestützt wurde, den die Beklagte tatsächlich viel früher hätte erkennen können, und der Umstand, dass der Grund nicht erkannt wurde, allein in ihrer Sphäre liegt. Bei einer Gesamtbetrachtung würde es im Ergebnis gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sich der Dienstberechtigte mehr als 9 Monate nach Ausspruch der Kündigung auf einen gänzlich neuen Kündigungsgrund berufen könnte, der in keinem sachlichen Zusammenhang mit den ursprünglich genannten Gründen steht.

Das Vertragsverhältnis wurde auch nicht durch die Kündigung vom 17.8.2000 (Bl. 19 - 21 I) beendet. Soweit dort erneut auf das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Zeitungsartikel und das Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden vom 7.8.2000 abgestellt wird, gilt das oben Gesagte. Ein Fehlverhalten des Klägers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer rechtlich von der Beklagten unabhängigen Gesellschaft, kann das Dienstverhältnis zur Beklagten nicht berühren.

Da somit das Dienstverhältnis ordentlich erst zum 31.1.2001 endete, steht dem Kläger noch die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Zeit von September 2000 bis Januar 2001 zu.

Im Tenor gesondert auszuweisen waren die Beträge, die das Arbeitsamt für den streitgegenständlichen Zeitraum an den Kläger gezahlt hat. Die Beträge ergeben sich unstreitig aus der vom Kläger als Anlage K 22 (Bl. 227 II) zur Gerichtsakte gereichten Aufstellung. In diesem Umfang ist Anspruch gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf das Arbeitsamt übergegangen.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 27.3.2002 (Bl. 242/243 II) und 9.4.2002 (Bl. 244 - 252 II) geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kündigungsgrund "nachgeschoben" werden kann, der in keinerlei inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit den im Kündigungsschreiben genannten Gründen steht, höchstrichterlich bislang - soweit ersichtlich - nicht abschließend geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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