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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 9 U 39/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 124
BGB § 141
BGB § 142
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 143
BGB § 143 Abs. 1
BGB § 143 Abs. 2
BGB § 144
BGB § 164 Abs. 1
BGB § 278
BGB § 398
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative
BGB § 985
BGB § 986
Ein Mietinteressent, der beabsichtigt, in bevorzugter Innenstadtlage einer Landeshauptstadt ein Ladengeschäft anzumieten und dort das Warensortiment einer Marke anzubieten, die in der Presseberichterstattung in Zusammenhang mit der rechtsextremen Szene gebracht wird, muss dem Vermieter bei den Vertragsverhandlungen die Marke des Warensortiments ungefragt mitteilen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 39/08 OLG Naumburg

Verkündet am: 28.10.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann, den Richter am Landgericht Dr. Holthaus und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.02.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (5 O 1879/07) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.790,57 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung eines Ladengeschäfts geltend. Mit Vertrag vom 01.06.2007 (Anlage K 1, Bd. I Bl.11 ff. d.A.) vermietete die C. Immobilien GmbH & Co. KG, vertreten durch die Klägerin, dem Beklagten die in dem Objekt Breiter Weg 10 in Magdeburg gelegenen, als Gewerbe 0.02 bezeichneten Räume im Erdgeschoss. Die C. Immobilien GmbH & Co. KG ist Eigentümerin des Objekts. Sie und die Klägerin sind mit dem katholischen Bistum Magdeburg verbunden. Das Anwesen Breiter Weg 10 war von dem Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfen worden; es ist als "Die Grüne Zitadelle von Magdeburg" oder als "Hundertwasser-Haus" bekannt. Das Mietverhältnis wurde gemäß § 2 des Vertrages für die Dauer von 3 Jahren, beginnend am 01.08.2007, fest abgeschlossen.

Gemäß § 1 Nr. 4 des Mietvertrages erfolgt die Vermietung zum Zweck "Verkauf und Vertrieb von Textilien und Sortimenten im Outdoorbereich"; dem Vertrag ist als Anlage 5 eine Sortimentsliste (Anlage K 2, Bd. I Bl. 35 d.A.) beigefügt, die Bestandteil des Vertrages ist. Diese Sortimentsliste enthält allgemeine Angaben zu dem beabsichtigten Verkauf von Textilien und Bekleidungsartikeln. Der Beklagte, der Geschäftsführer der M. GmbH war, beabsichtigte bereits zur Zeit des Vertragsschlusses, in den Mieträumen weit überwiegend das von der M. GmbH vertriebene Warensortiment der Marke "Thor Steinar" anzubieten; ein Hinweis auf diese Marke ist in der Sortimentsliste nicht enthalten.

Am 20.07.2007 wurden die Gewerberäume dem Beklagten übergeben. Am 25.07.2007 wurde die Klägerin von Mietern darüber in Kenntnis gesetzt, dass in der Öffentlichkeit behauptet werde, das vom Beklagten angebotene Warensortiment der Marke "Thor Steinar" sei der rechten Szene zuzuordnen. Daraufhin fand am 26.07.2007 ein Gespräch zwischen dem geschäftsführenden Gründungskommanditisten der Eigentümerin N. D. und dem Beklagten in Anwesenheit der Zeugen Dr. R. L. , G. N. und A. K. statt. Bei dem Gespräch ging es um einen Verzicht des Beklagten auf die Eröffnung des Ladens oder auf den Vertrieb des Warensortiments der Marke "Thor Steinar". Der Zeuge D. schlug vor, eine Erklärung für den Beklagten vorzubereiten, die dieser unterzeichnen möge; die Erklärung sollte in einer Pressekonferenz verlesen werden.

Am 27.07.2007 fand ein Gespräch des Beklagten mit Vertretern der Klägerin und deren Rechtsanwalt J. S. statt. Im Nachgang zu dieser Besprechung unterzeichnete der Beklagte als Mieter folgende "Erklärung zum Mietvertrag" mit der C. Immobilien GmbH & Co. KG:

"1. Vermieterin und Mieter sind über einen Gewerberaummietvertrag vom 01.06.2007 über die im Erdgeschoss der Liegenschaft Breiter Weg 10, 39104 Magdeburg, gelegene Einheit 0.02 zu einer Größe von 67,82 m² mietvertraglich miteinander verbunden.

2. In Zusammenhang mit diesem Mietverhältnis erklärt der Mieter, dass von dem von ihm betriebenen Gewerbe keine verfassungsrechtlich relevanten Aktivitäten ausgehen. Des weiteren erklärt der Mieter, dass er rechts- oder linksextremistische Parteien oder Gruppierungen finanziell nicht unterstützt und dies auch in Zukunft nicht tun wird."

Die Erklärung wurde außer vom Beklagten auch durch Rechtsanwalt S. unterzeichnet. Sie wurde am 27.07.2007 durch Vertreter der Eigentümerin auf einer Pressekonferenz verlesen.

Ebenfalls am 27.07.2007 eröffnete der Beklagte sein Ladengeschäft. Anlässlich der Eröffnung überreichte der geschäftsführende Gründungskommanditist der Vermieterin N. D. dem Beklagten als Geschenk ein Bild von Friedensreich Hundertwasser.

Mit Schreiben vom 27.07.2007 kündigte die Klägerin im Namen der Eigentümerin den Mietvertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. Nachdem der Beklagte die mangelnde Bevollmächtigung der Klägerin durch die Eigentümerin gerügt hatte, wiederholte sie die Kündigung unter Vollmachtsvorlage mit Schreiben vom 02.08.2007 (Anlage K 6, Bd. I Bl. 41 ff. d.A.); in diesem Kündigungsschreiben erklärte die Klägerin vorsorglich auch die Anfechtung des Mietvertrages im Namen der C. Immobilien GmbH & Co. KG (Bd. I Bl. 43 d.A.).

Die C. Immobilien GmbH & Co. KG trat ihren Räumungs- und Herausgabeanspruch gegen den Beklagten durch auf den 02.08.2007 datierte schriftliche Vereinbarung (Anlage K 8, Bd. I Bl. 119 d.A.) an die Klägerin ab.

Die Klägerin hat behauptet, am Ende der Vertragsverhandlungen seien für sie keinerlei Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Betrieb des Ladengeschäfts durch den Beklagten erkennbar gewesen. Sie sei davon ausgegangen, dass der Beklagte im Objekt unverfängliche Textilien und Sortimente aus dem Outdoorbereich anbieten werde. Das Sortiment der Marke "Thor Steinar" werde jedoch sehr bevorzugt von Anhängern und Mitgliedern der rechtsradikalen Szene gekauft, getragen und als Erkennungssymbol für die Zugehörigkeit zur rechten Szene genutzt. Erst kurz vor der Eröffnung des Geschäfts sei für die Klägerin erkennbar gewesen, dass der Beklagte das Sortiment der Marke "Thor Steinar" anbieten werde.

Die Klägerin wäre aus eigener Überzeugung und im Hinblick auf die Persönlichkeit des Künstlers Friedensreich Hundertwasser unter keinem Umstand bereit gewesen, mit dem Beklagten oder einem von diesem beauftragten Vertreter einen Mietvertrag abzuschließen, wenn ihr aufgrund ihrer ausdrücklichen Anfrage eine inhaltlich korrekte Sortimentsliste übergeben worden wäre oder wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass auf der Mietfläche das Sortiment der Marke "Thor Steinar" angeboten werden solle.

Dem Beklagten seien die Verbindung der Klägerin mit dem katholischen Bistum Magdeburg und erst recht die Stellung des Mietobjekts, eines von Friedensreich Hundertwasser entworfenen Hauses, bekannt und bewusst gewesen. Ihm sei auch bewusst gewesen, dass die Klägerin im Fall der wahrheitsgemäßen Mitteilung des Vertriebs von Textilien der Marke "Thor Steinar" nicht zum Abschluss des Mietvertrages bereit gewesen wäre. Das Warensortiment des Beklagten sorge in dem Mietobjekt seit der Eröffnung des Ladens für Unruhe.

Die Klägerin hat gemeint, nach der wirksam erklärten Anfechtung sämtlicher Erklärungen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrages vom 01.07.2007 sei der Beklagte zur Räumung des Objekts verpflichtet, da er bei den Vertragsverhandlungen bewusst unvollständige Angaben gemacht habe. Einem Mieter obliege wie einem Vermieter grundsätzlich eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Umstände und Rechtsverhältnisse, die von besonderer Bedeutung für den Entschluss des Vertragspartners zur Eingehung des Vertrages seien.

Die schriftliche Erklärung vom 27.07.2007 sei ausschließlich vom Beklagten abgegeben worden; die Klägerin oder die Eigentümerin sei nicht beteiligt gewesen. Die Unterschrift des Rechtsanwalts S. stelle lediglich eine Bestätigung der Erklärung des Beklagten dar. Mit den Gesprächen vom 26. und 27.07.2007 sei keine Aufgabe der berechtigten Position der Klägerin verbunden gewesen. Eine Vereinbarung über die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei nicht zustande gekommen.

Das Verhalten des Anfechtungsberechtigten dürfe nur dann als stillschweigende Kundgabe eines Bestätigungswillens gewertet werden, wenn jede andere den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung dieses Verhaltens ausscheide.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, das als Gewerbe 0.02 bezeichnete Ladengeschäft, bestehend aus einem Gewerberaum und vier Nebenräumen im Erdgeschoss des Mietobjekts Breiter Weg 10 in 39104 Magdeburg zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat bestritten, die Klägerin über das von ihm angebotene Sortiment getäuscht zu haben. Er hat gemeint, für die von der Klägerin erklärte Anfechtung und die Kündigung bestehe keine Grundlage, weil er die Klägerin stets über alle Umstände informiert habe, hinsichtlich derer die Klägerin Auskunft begehrt habe. Die Klägerin habe - was unstreitig ist - nicht konkret abgefragt, welche Kleidungsmarken der Beklagte zu verkaufen beabsichtige.

Die vom Beklagten vertriebenen Textilien seien unverfänglich. Die überreichte Sortimentsliste (Anlage K 2, Bd. I Bl. 35 d.A.) entspreche den üblichen Angaben, die im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Textiliengeschäfts erteilt würden. Insbesondere sei es unüblich, die jeweils zum Verkauf beabsichtigte Modemarke zu benennen.

Dem Beklagten sei bei Aufnahme der Vertragsverhandlungen nicht bekannt gewesen, dass die Klägerin und die von ihr vertretene Eigentümerin eng mit dem katholischen Bistum Magdeburg verbunden seien.

Der Beklagte hat gemeint, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, das Mietverhältnis wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Mit der Unterzeichnung der Zusatzerklärung (Anlage B 2) durch Rechtsanwalt S. habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie in Kenntnis aller nunmehr im Rahmen der Klage behaupteten Umstände bereit gewesen sei, das Mietverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen. Es habe Einverständnis bestanden, dass das Warensortiment bestehen bleiben könne, wenn sich der Beklagte im Rahmen der vorbereiteten Erklärung erkläre.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Geschäftsführerin der Klägerin und den Beklagten angehört. Außerdem hat es die Zeugen A. K. , N. D. , J. S. und G. N. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.11.2007 (Bd. I Bl. 170 ff. d.A.) Bezug genommen. Außerdem hat das Landgericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Dr. R. L. . Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.12.2007 (Bd. I Bl. 247 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.02.2008 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Beklagten stehe aufgrund des Mietvertrages kein Recht zum Besitz zu (§§ 985, 986 BGB). Die Eigentümerin, vertreten durch die Klägerin, habe die Willenserklärung, die zum Abschluss des Mietvertrages geführt habe, nach §§ 123 Abs. 1, 124, 142, 143, 278 BGB wirksam angefochten. Eine arglistige Täuschung liege vor; in der Sortimentsliste fehle die Markenbezeichnung "Thor Steinar". Dadurch habe der Beklagte eine insgesamt unzutreffende Angabe über die beabsichtigte Geschäftstätigkeit gemacht, die für ihn erkennbar die Vermieterin zum Abschluss des Mietvertrags veranlasst habe; in Kenntnis des wahren Sachverhalts hätte die Vermieterin den Mietvertrag mit dem Beklagten nicht geschlossen. Entscheidend für die Relevanz der falschen Angabe in der Sortimentsliste sei das Bild der Marke "Thor Steinar" in der Öffentlichkeit mit den daraus abgeleiteten Reaktionen auf die Marke und mit den daraus sich ergebenden negativen Rückwirkungen auf die Wertschätzung des Mietobjekts Hunderwasserhaus. Solche negativen Umstände seien dem Vertragspartner bei Vertragsschluss mitzuteilen, unabhängig davon, ob der Beklagte die Einschätzung der Öffentlichkeit teile. Unstreitig werde - für die Öffentlichkeit prägend - publiziert, dass die Marke "Thor Steinar" einen ausschließlichen Bezug zur rechtsradikalen Szene habe. Auch der Beklagte wisse, dass der Vertrieb der Marke "Thor Steinar" in einem schon aufgrund der äußeren Erscheinung ersichtlich städtebaulich relevanten Gebäude in zentraler, ansprechender Lage für die Entscheidung des Vermieters Relevanz besitze, weil dadurch die Vermietbarkeit der anderen Objekte an Dritte, die der nationalsozialistischen Ideologie fern stünden, erschwert werde und die Wertschätzung des Gewerbeobjekts in der überwiegend dementsprechend denkenden Öffentlichkeit herabgesetzt werde. Dass die Vermieterin den Mietvertrag in Kenntnis der Umstände mit dem Beklagten nicht abgeschlossen hätte, sei durch die Zeugenaussagen nachgewiesen.

Eine Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts nach § 141 BGB sei nicht erfolgt. Die Behauptung des Beklagten, die Parteien hätten eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag geschlossen, sei durch das Ergebnis der Beweisaufnahme in Zusammenschau mit dem Inhalt des Schriftstücks vom 27.07.2007 widerlegt. Der Beklagte habe nur einen geringen Teil der von der Vermieterseite vorbereiteten Erklärung unterzeichnet. Das Angebot der Klägerin habe er damit nicht angenommen (§ 150 Abs. 2 BGB). Die Unterschrift des Beklagten unter nur einen Teil der Erklärung sei allenfalls ein neues Angebot zur Vertragsergänzung an die Klägerin, das diese jedoch nicht angenommen habe. Ein den Mietvertrag bestätigender Vertrag sei auch aus anderen Gründen zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Keine andere Bewertung ergebe sich aus dem Umstand, dass Rechtsanwalt S. das vom Beklagten Unterschriebene nachträglich rechts unterzeichnet habe. Die Bestätigung der Unterschrift des Beklagten durch Rechtsanwalt S. sei lediglich in "quasinotarieller Form" erfolgt. Dass Herr D. dem Beklagten am Eröffnungstag ein Bild von Hundertwasser mit einem Kreuz übergeben habe, erfülle nicht die Voraussetzungen des § 141 BGB. Denn es habe sich nach der glaubhaften Aussage des Herrn D. um ein Geschenk mit Symbolcharakter gehandelt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 13.02.2008 (Bd. II Bl. 21 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass die Klägerin nicht zur Anfechtung des Mietvertrages berechtigt gewesen sei. Denn er sei nicht verpflichtet gewesen, mitzuteilen, welche Modemarke er zu vertreiben beabsichtige, da die Klägerin ihn hiernach nicht gefragt habe. Das Landgericht habe keine Feststellungen getroffen, weshalb für den Beklagten erkennbar gewesen sein soll, dass für die Vermieterin wichtig sei, welche Marken zum Verkauf im Mietobjekt stehen würden. Der Beklagte meint, auf das Bild der Öffentlichkeit komme es nicht an, weil dieses stark subjektiv geformt sei.

Durch die Bestätigungsvereinbarung vom 27.07.2007 und dadurch, dass der Zeuge D. dem Beklagten am Tag der Eröffnung ein Eröffnungsgeschenk zur Verfügung gestellt habe, sei die Anfechtungsmöglichkeit entfallen. Zudem sei nicht bewiesen, dass ein Mietvertrag nicht zustande gekommen wäre, wenn die Marke Thor Steinar im Vorfeld des Vertragsabschlusses benannt worden wäre.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 13.02.2008, Az. 5 O 1879/07 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Sie meint, für eine Aufklärungspflicht des Beklagten spreche auch, dass die Außendarstellung der Marke dem Beklagten bewusst gewesen sei. Auf der Internetseite der Fa. M. GmbH werde - was unstreitig ist - über eine unmittelbar vor Ausfertigung der Sortimentsliste mit der W. GmbH & Co. KG geführte gerichtliche Auseinandersetzung berichtet. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, welche Vorwürfe gegenüber den Käufern des Warensortiments erhoben würden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die C. Immobilien GmbH & Co. KG hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räumlichkeiten gemäß § 985 BGB, den die Klägerin aufgrund der in der Abtretungsvereinbarung vom 02.08.2007 (Anlage K 8, Bd. I Bl. 119 d.A.) enthaltenen Ermächtigung im eigenen Namen geltend machen kann (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 158).

1.

Die C. Immobilien GmbH & Co. KG ist Eigentümerin der streitgegenständlichen Räume, der Beklagte Besitzer. 2.

Der Beklagte hat kein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB. Denn der Mietvertrag vom 01.06.2007, aufgrund dessen die C. Immobilien GmbH & Co. KG dem Beklagten den Besitz überlassen hat, ist gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.

a) Die Klägerin hat im Namen und gemäß § 164 Abs. 1 BGB in Vollmacht der C. Immobilien GmbH & Co. KG den Mietvertrag vom 01.06.2007 innerhalb der Jahresfrist (§ 124 BGB) mit dem Schreiben vom 02.08.2007 (Anlage K 6, Bd. I Bl. 41,43 d.A.) gemäß § 143 Abs. 1, Abs. 2 BGB wirksam angefochten.

b) Die auf den Abschluss des Mietvertrages gerichtete Willenserklärung der C. Immobilien GmbH & Co. KG war gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar, weil die Klägerin zu der Willenserklärung durch arglistige Täuschung seitens des Beklagten bestimmt worden ist. aa) Der Beklagte war, auch wenn sein eigener Sachvortrag zugrunde gelegt wird, verpflichtet, der Klägerin im Zuge der Vertragsverhandlungen selbst ohne ausdrückliche Nachfrage mitzuteilen, dass er weit überwiegend Ware der Marke "Thor Steinar" zu verkaufen beabsichtige.

(1) Das Verschweigen von Tatsachen stellt dann eine Täuschung im Sinne von § 123 BGB dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Grundsätzlich ist es Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht dennoch eine Aufklärungspflicht. Beispielsweise müssen Umstände, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, ungefragt offenbart werden (Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage, § 123 Rn. 5, 5a, 5b; BGH, NJW 1971, 1795, 1799).

(2) Im vorliegenden Fall trägt der Beklagte selbst vor, dass es Presseberichterstattung gebe, die dem von ihm angebotenen Warensortiment eine hohe Affinität zur rechten Szene zuweise. In der Berufungsbegründung auf S. 11 (Bd. III Bl. 28 d.A.) heißt es, dass verschiedene Medien, insbesondere im Pressebereich, ein bestimmtes Bild von der Marke "Thor Steinar" zeichneten, und dass im Regelfall in den entsprechenden Pressemedien die Meinungsäußerung vertreten werde, die Marke "Thor Steinar" werde bevorzugt von Anhängern und Mitgliedern der rechtsradikalen Szene gekauft und getragen, und im Übrigen würden die Kleidungsstücke bevorzugt als Erkennungssymbol für die Zugehörigkeit zur "Rechten Szene" genutzt.

In dem vom Beklagten mit der Berufungsbegründung vorgelegten Artikel aus der TAZ vom 02.05.2008 (Anlage BB1, Bd. III Bl. 35 ff.) heißt es:

"Filialen der einschlägigen Ladenkette ... stoßen bei Antifa-Gruppen wie braven Bürgern jedenfalls stets auf Protest. In mehreren Fußballstadien der neuen Bundesländer, im Bundestag und im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist es verboten, mit Kleidung des Labels "Thor Steinar" aufzukreuzen."

Zwar lässt sich nach Aktenlage nicht feststellen, dass sämtliche der in dem TAZ-Artikel beschriebenen Erscheinungen bereits vor dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages aufgetreten sind. Jedoch spricht auch nichts für das Gegenteil. Zumindest die W. GmbH & Co. KG a.A. hat spätestens am 27.04.2007, also vor Abschluss des streitgegenständlichen Mietvertrages, für Zuschauer mit Kleidung der Marke "Thor Steinar" ein Stadionverbot verhängt, wie die Klägerin mit der Berufungserwiderung vom 14.08.2008 (Bd. III Bl. 72 d.A.) unbestritten vorgetragen hat.

Aus öffentlich zugänglichen Quellen, etwa dem Artikel "Thor Steinar" in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia, ist ersichtlich, dass bereits vor dem 01.06.2007 Presseberichterstattung existierte, die die Marke "Thor Steinar" mit Rechtsextremismus in Verbindung brachte, nämlich die bei Wikipedia zitierten Artikel in der ZEIT vom 23.09.2004, in der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 05.10.2004, in der WELT vom 13.11.2004 und in der TAZ vom 30.11.2005. Aus dem unstreitigen Vortrag der Parteien und allgemeinkundigen Tatsachen ergibt sich mithin, dass bereits vor Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages verschiedene öffentlichkeitswirksame Institutionen die Marke "Thor Steinar" im Hinblick auf eine Nähe zum Rechtsextremismus negativ dargestellt haben und dass diese negative Außendarstellung der Marke von einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen worden ist und wird.

(3) Für den Beklagten war offensichtlich, dass das Hundertwasser-Haus, in dem sich die Mieträume befinden, eine Touristenattraktion in bevorzugter Innenstadtlage der Landeshauptstadt Magdeburg in der Nähe des Domes, des Landtages und der Staatskanzlei darstellt. Für den Vermieter von Gewerberäumen in einem derartigen Objekt ist bei der Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages von ausschlaggebender Bedeutung, ob im Zusammenhang mit dem Mietvertrag eine Presseberichterstattung zu erwarten ist, die das vom Mieter unter einer bestimmten Marke verkaufte Warensortiment und somit den Käuferkreis in Zusammenhang mit der rechtsextremen Szene bringt. Mit einer derartigen Presseberichterstattung sind zwangsläufig erhebliche Unannehmlichkeiten verbunden. Welcher Art diese im Einzelnen sind, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Fest steht, dass der Vermieter aufgrund einer Presseberichterstattung, die das Mietobjekt mit der rechtsextremen Szene in Zusammenhang bringt, selbst in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerät und sich mit dieser Situation auseinandersetzen muss. Der Vermieter hat ein schutzwürdiges Interesse daran, eigenverantwortlich darüber entscheiden zu können, ob er sich den genannten erheblichen Unannehmlichkeiten aussetzen will. Diese Entscheidung kann er nur treffen, wenn ihm bei den Vertragsverhandlungen die notwendigen Informationen gegeben werden.

Angesichts der genannten Umstände hätte der Beklagte der Vermieterin bei den Vertragsverhandlungen auch ungefragt mitteilen müssen, dass er weit überwiegend Waren der Marke "Thor Steinar" anzubieten beabsichtige. Damit hätte er seiner Aufklärungspflicht genügt; denn er hätte der Vermieterin Gelegenheit gegeben, nach eigenem Ermessen Recherchen über "Thor Steinar" anzustellen; hierzu hatte die Vermieterin auf der Grundlage der ihr vorliegenden, unauffälligen Informationen über das Warensortiment und über die Person des Beklagten noch keine Veranlassung.

Ob und inwieweit die Marke "Thor Steinar" tatsächlich von Angehörigen der rechtsextremen Szene bevorzugt wird, lässt sich nach Aktenlage nicht feststellen; dies ist aber für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht maßgeblich. Entscheidend ist, dass die Darstellung der Marke "Thor Steinar" in zumindest wesentlichen Teilen der Öffentlichkeit bereits als solche ein Gesichtspunkt ist, der eine Pflicht des Beklagten begründet hat, die Vermieterin über die Marke des zu verkaufenden Sortiments zu informieren.

bb) Die Verletzung der Aufklärungspflicht ist für die Entscheidung der C. Immobilien GmbH & Co. KG, den Mietvertrag abzuschließen, ursächlich geworden.

(1) Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat. Dass die arglistig hervorgerufene Fehlvorstellung unter Umständen nicht das einzige für den Vertragsschluss bestimmende Moment war, ist unerheblich. Es genügt, dass es mitursächlich war; wenn dies der Fall ist, ist der Beweis der Ursächlichkeit der Täuschung zumindest dem Anschein nach erbracht (BGH, NJW 1995, 2361, 2362).

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Eigentümerin und die Klägerin zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über die das Warensortiment des Beklagten beherrschende Marke nicht informiert waren. Aus der inzwischen umfangreichen Presseberichterstattung und aus den Reaktionen von Institutionen wie Fußballvereinen oder Parlamenten auf die Marke "Thor Steinar" kann der Schluss gezogen werden, dass nach der Lebenserfahrung die Kenntnis oder Unkenntnis des potentiellen Vermieters von dem beabsichtigten Verkauf des Sortiments dieser Marke Einfluss auf die Entschließung eines potentiellen Vermieters hat; dies gilt auch für die C. Immobilien GmbH & Co. KG im vorliegenden Fall. Die Bedeutung der Marke "Thor Steinar" für die Bemühungen der Vermieterseite um eine Beendigung des Vertragsverhältnisses lässt den Schluss zu, dass das Fehlen eines Hinweises auf diese Marke bei den Vertragsverhandlungen für den Vertragsschluss zumindest mitursächlich war, auch wenn es der Vermieterseite oblag, sich selbst nähere Informationen über die Marke "Thor Steinar" zu beschaffen und diese Informationen bei der Entscheidung über den Vertragsschluss zu berücksichtigen. Der somit begründete Anschein der Ursächlichkeit der Täuschung für den Vertragsschluss ist vom Beklagten nicht entkräftet worden. Vielmehr hat das Landgericht aufgrund der Vernehmung der Zeugen D. , N. und Dr. L. die Feststellung getroffen, in Kenntnis der Umstände, zu denen insbesondere die vom Beklagten vertriebene Marke "Thor Steinar" gehört, hätte die Vermieterin den Mietvertrag nicht abgeschlossen; diese Feststellung ist nicht zu beanstanden. (2) Im Übrigen lässt das Beweisergebnis entgegen der Meinung des Beklagten sogar den Schluss zu, dass eine Nennung der Marke während der Vertragsverhandlungen den Vertragsschluss verhindert hätte: Der Zeuge D. hat nämlich glaubhaft bekundet, dass Herr N. recherchiert und die Brisanz der Marke "Thor Steinar" bemerkt hätte, wenn die Marke in der Sortimentsliste erwähnt worden wäre (Sitzungsprotokoll vom 12.11.2007, S. 9, Bd. I Bl. 178 d.A.).

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 21.10.2008 und mit Schriftsatz vom 25.10.2008 die Auffassung vertreten hat, die Ursächlichkeit einer möglichen Nennung der Marke "Thor Steinar" für den Vertragsschluss sei als innere Tatsache einer Beweiserhebung nicht zugänglich, weil es an einer erkennbaren Außenwirkung der inneren Tatsache der Entscheidung gegen den Vertragsschluss fehle, verhilft dies der Rechtsverteidigung nicht zum Erfolg.

Zwar bedarf es, wenn eine innere Tatsache, die bei einer Person vorliegen soll, unter Beweis durch das Zeugnis einer anderen Person gestellt wird, näherer Darlegung, anhand welcher Anknüpfungstatsachen diese inneren Tatsachen nach außen in Erscheinung getreten sein sollen; ansonsten ist dem Zeugenbeweis nicht nachzugehen (BGH, Beschluss vom 12.06.2008, V ZR 223/07, zitiert nach Juris; BGH, NJW 2000, 2986 f.). Dieser Rechtssatz betrifft jedoch die vorliegende Fallgestaltung nicht.

Da die Vermieterseite während der Vertragsverhandlungen von dem beabsichtigten Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" keine Kenntnis hatte, konnte die nicht vorhandene Kenntnis naturgemäß nicht nach außen zu Tage treten; das Gleiche gilt für hypothetisches Verhalten der Vermieterseite, das nicht tatsächlich stattgefunden hat. Insofern hätte die Klägerin keine Anknüpfungstatsachen vortragen können, anhand deren innere Tatsachen nach außen hätten in Erscheinung treten können. Das Problem besteht hier nicht in dem Nachweis einer inneren Tatsache, sondern in dem Nachweis eines hypothetischen Kausalverlaufs, der, wenn er sich realisiert hätte, ohne weiteres nach außen in Erscheinung getreten wäre. Dasjenige, was in diesem Zusammenhang nach außen in Erscheinung treten konnte, hat sich realisiert: Als die Vermieterseite von dem beabsichtigten Verkauf des streitgegenständlichen Warensortiments Kenntnis erlangt hatte, hat sie umgehend Recherchen angestellt und in deren Folge die Beendigung des Vertragsverhältnisses veranlasst. Dies folgt aus der Einlassung der Geschäftsführerin der Klägerin bei ihrer Anhörung durch das Landgericht (Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2007, Bd. I Bl. 171 d.A.) und aus der glaubhaften Aussage des Zeugen N. (Bd. I Bl. 188 f.).

cc) Die subjektiven Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung durch Verschweigen eines zu offenbarenden Umstandes sind gegeben. Ein arglistiges Verschweigen setzt voraus, dass der (z. B.) Verkäufer den Fehler kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der (z. B.) Käufer den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, NJW-RR 2003, 989, 990). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte mindestens ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Mietvertrag nicht zustande gekommen wäre, wenn die Vermieterin vor Vertragsschluss von der Marke des angebotenen Sortiments Kenntnis erlangt hätte und sich daraufhin Informationen über die Darstellung der Marke "Thor Steinar" in den Medien verschafft hätte. Wie ausgeführt, hatte es bereits vor Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages kritische Presseberichterstattung gegeben; und das Tragen von "Thor-Steinar"-Kleidung im Stadion von W. war bereits verboten worden. Wie aus dem Inhalt der betreffenden Berichterstattung und aus der Internetseite der Marke "Thor Steinar" (Anlage K 19, Bd. III Bl. 75 d.A.) ersichtlich ist, waren dem Beklagten diese Umstände bekannt. Dies stellt ein hinreichendes Indiz dafür dar, dass dem Beklagten die Bedeutung der Marke des Warensortiments für die Willensbildung eines potentiellen Vermieters mindestens im Sinne eines - hier ausreichenden - Eventualvorsatzes bekannt war.

c) Die Anfechtung ist nicht gemäß § 144 BGB ausgeschlossen.

aa) Eine Bestätigung des anfechtbaren Geschäfts im Sinne des § 144 BGB liegt nur vor, wenn ein Verhalten gegeben ist, das den Willen offenbart, trotz der Anfechtbarkeit an dem Rechtsgeschäft festzuhalten; jede andere den Umständen nach mögliche Deutung muss ausgeschlossen sein. Eine Bestätigung setzt in der Regel voraus, dass der Bestätigende die Anfechtbarkeit kannte oder mit ihr rechnete (BGH, NJW 1990,1106; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 144 Rn. 2).

bb) Nach diesen Grundsätzen hat weder die Klägerin noch die von ihr vertretene C. Immobilien GmbH & Co. KG eine Bestätigungserklärung abgegeben. Es kann nicht festgestellt werden, dass jede andere den Umständen nach mögliche Deutung des Verhaltens der Vermieterin ausgeschlossen ist. (1) Eine Bestätigungserklärung der Vermieterin liegt nicht in der "Erklärung zum Mietvertrag" vom 27.07.2007 (Anlage B 2, Bd. I Bl. 74 d.A.). Der Schwerpunkt der Erklärung liegt darin, dass der Mieter erklärt, von ihm gingen keine verfassungsrechtlich relevanten Aktivitäten aus; der Satz unter Ziffer 1 stellt in der Art einer Präambel, ohne einen eigenständigen Erklärungsgehalt zum Ausdruck zu bringen, lediglich klar, worauf sich der Satz unter Ziffer 2 bezieht. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass jede andere Deutung als diejenige, dass der Fortbestand des Mietverhältnisses trotz Kenntnis des Vermieters von der Anfechtbarkeit des Mietvertrages bekräftigt werden sollte, ausgeschlossen ist.

Dass aus der Erklärung vom 27.07.2007 nicht zwingend auf einen Bestätigungswillen der Vermieterin zu schließen ist, ergibt sich auch daraus, dass der ausgedruckte Text eine Unterschrift des Vermieters nicht vorsieht, sondern nur eine Unterschrift des Mieters. Dieser Gesichtspunkt wird durch die Unterschriftsleistung des Rechtsanwalts S. nicht entkräftet. Denn deren Grund ist nicht vollständig klar; zumindest steht nicht fest, dass Rechtsanwalt S. als Vertreter der Vermieterin unterschrieben hat, um für diese eine mit der Erklärung des Beklagten korrespondierende Willenserklärung abzugeben. Ein - nach dem Beklagtenvorbringen naheliegender - Vertretungszusatz fehlt genauso wie ein - nach dem Klagevorbringen naheliegender - Beglaubigungsvermerk. Der Zeuge S. hat zudem bei seiner Aussage vor dem Landgericht den Vortrag der Klägerin gestützt, er habe unterschrieben, um die Unterschrift des Beklagten zu bestätigen; wenn sein Auftraggeber eine Erklärung zur Bestätigung eines Mietverhältnisses gewünscht hätte, hätte er, S. , das anders formuliert. Diese in sich nachvollziehbare Aussage ist nicht widerlegt worden.

(2) Die mündlichen Besprechungen im Zusammenhang mit der Abfassung der Erklärung vom 27.07.2007 und im Vorfeld der Pressekonferenz, bei der die Erklärung vom 27.07.2007 verlesen wurde, sind ebenfalls nicht als Bestätigung im Sinne des § 144 BGB zu verstehen.

Die Behauptung des Beklagten, am 27.07.2007 vormittags habe Einverständnis bestanden, dass das Warensortiment bestehen bleiben könne, soweit sich der Beklagte im Rahmen der vorbreiteten Erklärung erkläre, ist nicht bewiesen worden. Der Zeuge D. hat vor dem Landgericht ausgesagt, Ziel der Besprechung am Vortag der Eröffnung sei gewesen, dass der Beklagte einlenke und den Laden nicht zum 01. August eröffne. Im Lauf des Gesprächs sei klar geworden, dass der Mietvertrag nicht ohne weiteres gekündigt werden könne. Das Ziel der weiteren Besprechungen sei dennoch gewesen, dass der Beklagte ausziehe. Es könne allerdings sein, dass es während des Gesprächs ein gewisses "Hin und Her" gegeben habe. Diese Aussage lässt nicht erkennen, dass D. auf ein Anfechtungsrecht hätte verzichten und dem Beklagten den Verkauf des Sortiments der Marke "Thor Steinar" verbindlich hätte gestatten wollen; vielmehr hat D. sich bei den Verhandlungen alle Optionen offen gehalten, die einen Auszug des Beklagten aus dem Objekt hätten zur Folge haben können. Angesichts der zeitweilig als gering eingeschätzten Aussicht des Erfolgs einer Räumungsklage hat D. die Möglichkeit, dass der Beklagte vorerst bis zu einer gütlichen Einigung im Objekt verbleibt, in die Erwägungen einbezogen. In diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung "Jetzt drehen wir den Spieß um" zu sehen, in deren Folge die erwähnte schriftliche Erklärung des Beklagten formuliert und später in einer Pressekonferenz verlesen worden ist. Nach der Aussage des Zeugen D. wurde so verfahren, weil die Vermieterin wegen der Bedenken bezüglich des Vorgehens bei Gericht nicht einfach kündigen konnte. Ein Wille, den Vertrag trotz bestehenden Anfechtungsrechts zu bestätigen, lässt sich dieser Aussage nicht entnehmen; die Aussage deutet vielmehr darauf hin, dass D. den Vertrag hätte kündigen wollen, wenn er die Möglichkeit dazu gesehen hätte.

Die Aussagen der Zeugen N. und Dr. L. lassen ebenfalls keine andere Deutung zu. Soweit Dr. L. bekundet hat, die Vermieterseite habe sich gefragt, ob sie sich mit der Kündigung einen Gefallen tue, kann dieser Gesichtspunkt dahingestellt bleiben; denn ein unzweifelhafter Wille, das Mietverhältnis trotz der arglistigen Täuschung fortzuführen und auf das Anfechtungsrecht zu verzichten, ist den taktischen Erwägungen der Vermieterseite zum weiteren Vorgehen nicht zu entnehmen.

Die Äußerungen der Vermieterseite im Umfeld der Unterzeichnung der schriftlichen Erklärung des Beklagten vom 27.07.2007 und der Verlesung der Erklärung in der Pressekonferenz waren mithin so zu verstehen, dass angesichts der Problematik einer Kündigung und der gerichtlichen Durchsetzung des Räumungsanspruchs zunächst versucht werden sollte, die Öffentlichkeit durch die Erklärung des Beklagten zu beruhigen, damit ohne Druck erwogen werden konnte, ob und wie das Vertragsverhältnis einvernehmlich aufgehoben werden konnte; Vergleichsverhandlungen werden typischerweise geführt, ohne dass die Beteiligten ihren jeweiligen Rechtsstandpunkt aufgeben. So hat es sich auch hier verhalten. Eine derartige Deutung des Verhaltens des geschäftsführenden Gründungskommanditisten der Vermieterin ist jedenfalls nicht fernliegender als die Annahme, die Vermieterin habe auf die Geltendmachung von Anfechtungsgründen verzichten wollen. Es kann nicht festgestellt werden, dass jede andere den Umständen nach mögliche Deutung als eine Bestätigung des Vertrages ausgeschlossen ist.

(3) Die Überreichung des Hundertwasser-Bildes mit einem Kreuz anlässlich der Geschäftseröffnung ist dem außerjuristischen, gesellschaftlichen Bereich zuzuordnen. Ein Wille, auf Rechtspositionen zu verzichten, ist durch die Überreichung des Geschenks nicht zum Ausdruck gebracht worden, jedenfalls nicht mit der im Anwendungsbereich des § 144 BGB erforderlichen Eindeutigkeit. Deshalb ist nicht entscheidend, ob es sich um ein Abschiedsgeschenk oder um ein Eröffnungsgeschenk gehandelt hat. Dass die erste Alternative zutrifft, ist zudem nicht widerlegt worden. Der Zeuge D. hat bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht bekundet, es habe sich um ein Abschlussgeschenk gehandelt, und er habe bei der Überreichung des Geschenks zum Beklagten gesagt, sie hätten nun einen Kreuzweg vor sich, von dem er hoffe, dass der nicht so lange gehe, wie ihn ein anderer gegangen sei. Der Hinweis des Zeugen D. auf einen hoffentlich nicht so langen Kreuzweg lässt sich mit dem Wunsch nach einem baldigen Ende der beiderseitigen rechtlichen Beziehungen nicht schlechter in Zusammenhang bringen als mit einem Wunsch nach einem baldigen Ende der Presseberichterstattung und einer ungestörten Durchführung des Mietverhältnisses. Die Aussage des Zeugen D. , er habe zum Beklagten gesagt, er wäre schwer enttäuscht und würde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln rechtlich gegen ihn vorgehen, wenn das Bild, das der Beklagte ihm gegenüber gezeichnet habe, nicht richtig sein sollte, spricht eher dagegen, dass D. auf das Recht zur Anfechtung seiner auf den Mietvertragsabschluss gerichteten Willenserklärung verzichten wollte. Der vom Beklagten benannte Zeuge K. hat zu dem Inhalt des Gesprächs anlässlich der Geschenkübergabe keine Angaben gemacht, die so präzise wären, dass sie die Aussage des Zeugen D. entkräften könnten; er hat ausgesagt, er könne sich inhaltlich nicht mehr genau daran erinnern, was D. gesagt habe.

3.

Ein Anspruch auf Herausgabe und Räumung der streitgegenständlichen Räume steht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative, BGB i.V.m. § 398 BGB auch der Klägerin selbst zu; der bereicherungsrechtliche Anspruch wird durch den Anspruch gemäß § 985 BGB nicht verdrängt, wenn es, wie hier, um die Rückabwicklung eines nichtigen Vertragsverhältnisses geht (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage, Einf v § 812 Rn. 14). Die Beklagte hat durch Leistung der C. Immobilien GmbH & Co. KG "etwas", nämlich den unmittelbaren Besitz an dem streitgegenständlichen Ladengeschäft, erlangt. Die Leistung ist aus denselben Gründen, aus denen der Beklagte kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB hat, ohne rechtlichen Grund erfolgt. Der Herausgabeanspruch ist durch die Abtretungsvereinbarung vom 02.08.2007 (Anlage K 8, Bd. I Bl. 119 d.A.) auf die Klägerin übergegangen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 ZPO zugelassen, weil die Frage, ob die in der Presse verbreitete negative Darstellung der Geschäftstätigkeit eines potentiellen Mieters von Gewerberäumen als solche für den Vermieter - unabhängig von der sachlichen Richtigkeit der Presseberichterstattung - von ausschlaggebender Bedeutung ist und deshalb den potentiellen Mieter bei den Vertragsverhandlungen zu einer besonders konkreten Bezeichnung der betreffenden Geschäftstätigkeit verpflichtet, grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 41 Abs. 2 S. 2, 47, 48 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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