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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 20.09.2005
Aktenzeichen: 9 U 58/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 259
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 158
BGB § 158 Abs. 1
BGB § 281 n. F.
BGB § 550
BGB § 551
Der Antrag auf Stellung einer Bürgschaft (hier: Sicherheitsleistung bei einem Gewerberaummietvertrag) kann nicht mit einem bedingten Antrag auf Schadensersatz für den Fall verbunden werden, dass die Sicherheit nicht fristgemäß erbracht wird.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 58/05 OLG Naumburg

Verkündet am: 20.09.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Oberlandesgericht Manshausen auf die mündliche Verhandlung vom 20.9.2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.4.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (9 O 436/04) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.167,42 Euro nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.192,60 Euro seit dem 23.7.2004 und aus 1.974,82 Euro seit dem 12.11.2004 zu zahlen; der Klägerin eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines deutschen öffentlichen Kreditinstituts im Höchstbetrag von 1.974,82 Euro in Form einer Bürgschaftsurkunde zu übergeben, in der sich der Bürge verpflichtet, auf erste Anforderung zu zahlen und in der auf das Recht auf Hinterlegung sowie auf die Einrede der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit verzichtet wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Mietzins i. H. v. 230,37 Euro für die Zeit vom 24.4. bis 30.4.2004 sowie i. H. v. jeweils 987,41 Euro für die Monate Mai bis September 2004. Die Klägerin verlangt weiter die Übergabe einer Mietsicherheit in Form einer Bankbürgschaft. Die Klägerin ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien beginnend mit dem 24.4.2004 ein auf den 30.6.2011 befristeter Mietvertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb einer Tierarztpraxis besteht. Das Gesamtobjekt, in dem sich auch die streitgegenständlichen Räume befinden, war von der Klägerin an die Firma Sch. vermietet. Teile des Objekts wurden mit Vertrag vom 27.6./4.7.1991 von der Firma Sch. an eine Mietergemeinschaft untervermietet (Bl. 54 - 56 I). Der Untermietvertrag enthält die Klausel, dass das Untermietverhältnis in jedem Fall dann endet, wenn der Hauptmietvertrag beendet wird. Mit einer Beitrittserklärung vom 1.9.1992 (Bl. 57 I) sind die Beklagten dem Mietvertrag der Mietergemeinschaft beigetreten. Seit diesem Zeitpunkt haben die Beklagten die streitgegenständlichen Räume genutzt. Mit Schreiben vom 31.7.2003 (Bl. 25 II) haben die Beklagten gegenüber der Mietergemeinschaft den Mietvertrag zum 31.10.2003 gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt haben die Beklagten die von ihnen genutzten Räume verlassen.

Im Jahre 1999 hatten die Mitglieder der Mietergemeinschaft versucht, darunter auch die Beklagten, direkte Mietverträge mit der Klägerin abzuschließen. Hintergrund dafür war für die Beklagten, dass sie die von ihnen in den Mieträumen getätigten Investitionen durch einen langfristigen Mietvertrag absichern wollten. Am 8.7.1999 unterzeichneten die Parteien den streitgegenständlichen Mietvertrag. Die Mietvertragsurkunde enthält auf Blatt 1 (Bl. 6 I) eine handschriftliche Vorbemerkung:

Unter dem Vorbehalt, dass 1. der Untermietvertrag mit Sch. und 2. die Mietergemeinschaft aufgelöst werden, wird dieser Gewerbe-Mietvertrag geschlossen.

Diese Vorbemerkung wurde von den Parteien mit dem Datum 8.7.1999 unterzeichnet. Die vorformulierte Mietvertragsurkunde beinhaltete zum Mietbeginn und zur Mietdauer in § 2 (Bl. 7 I) folgenden Text:

1.Das Mietverhältnis beginnt am 01.07.1999 und endet am 30.6.2014.

Die beiden Daten wurden handschriftlich in 1.9.1999 und 30.06.2011 geändert. Das Hauptmietverhältnis mit der Firma Sch. sowie das Untermietverhältnis mit der Mietergemeinschaft wurden zum 23.4.2004 beendet. Die Klägerin ist der Ansicht, dass beginnend mit dem 24.4.2004 das Mietverhältnis mit den Beklagten gemäß dem Mietvertrag vom 8.7.1999 zu laufen begonnen habe. Sie habe den Beklagten die Räumlichkeiten zum 24.4.2004 angeboten, sodass diese den vertraglich vereinbarten Mietzins schuldeten und zudem die in § 5 des Mietvertrages vereinbarte Mietsicherheit stellen müssten. Die Beklagten sind demgegenüber der Ansicht, dass es sich bei der handschriftlichen Vorbemerkung um eine Bedingung für den Abschluss des Mietvertrages gehandelt habe. Diese Bedingung sei im Hinblick auf die handschriftliche Änderung des Mietbeginns in § 2 des Mietvertrages auf den 1.9.1999 befristet gewesen. Da bis zu diesem Zeitpunkt unstreitig weder das Hauptmietverhältnis mit der Firma Sch. noch das Untermietverhältnis mit der Mietergemeinschaft beendet worden sei, sei die Bedingung nicht eingetreten, sodass kein Mietvertrag mit der Klägerin bestehe.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat ganz überwiegend Erfolg. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass zwischen den Parteien ab dem 24.4.2004 ein Mietvertrag besteht.

Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landgerichts, dass es sich bei der handschriftlichen Vorbemerkung um eine aufschiebende Bedingung gemäß § 158 Abs. 1 BGB handelt. Die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt der Bedingung trägt die Klägerin. Insoweit ist unstreitig, dass sowohl der Hauptmietvertrag mit der Firma Sch. als auch der Untermietvertrag mit der Mietergemeinschaft zum 23.4.2004 beendet wurde. Bei der durch den Parteiwillen in ein Rechtsgeschäft eingefügten Bestimmung, wonach ein zukünftiges gewisses Ereignis für das Ende der Rechtswirkungen maßgeblich sein soll, handelt es sich demgegenüber um eine Befristung, für die § 158 BGB zu berücksichtigen ist (§ 163 BGB). Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts ein Endtermin bestimmt worden, finden die Regelungen über die auflösende Bedingung entsprechende Anwendung. Die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt einer auflösenden Bedingung tragen als Gegenpartei im vorliegenden Fall die Beklagten (Palandt/Heinrichs BGB, 64. Aufl., Einf v § 158, Rn. 14). Die Beklagten berufen sich insoweit auf die handschriftlichen Änderungen in § 2 des Mietvertrages. Dem Wortlaut von § 2 des Mietvertrages kann nicht entnommen werden, dass es sich bei der handschriftlichen Änderung des Anfangsdatums um eine Befristung für den Eintritt der Bedingungen handeln sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das vorgedruckte Datum (1.7.1999) schon deshalb nicht bestehen bleiben konnte, da dieses Datum im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung bereits in der Vergangenheit lag und eine Rückwirkung nicht gewollt und angesichts der noch nicht eingetretenen Bedingungen auch nicht möglich war. Auch über den Wortlaut hinaus finden sich keine zwingenden Anhaltspunkte, die für eine Befristung sprechen könnten. Zwar ist der Beklagtenseite zuzugestehen, dass es für den Fall, dass das Datum keine weitere Bedeutung haben sollte, nahe gelegen hätte, das Datum des Zeitpunktes der Unterzeichnung als Anfangstermin zu benennen. Da aber völlig ungewiss war, wann die Bedingungen eintreten würden, konnte einem zeitnah zum Unterzeichnungsdatum liegenden Zeitpunkt ohnehin keine entscheidende Bedeutung für die Frage zukommen, ob eine Befristung gewollt war. Die Beklagten wollten unstreitig ihre Investitionen durch einen langfristigen Mietvertrag direkt mit der Klägerin absichern. Bezogen auf den Zeitpunkt 8.7.1999 hatten die Beklagten die Vorstellung, die Räumlichkeiten jedenfalls bis zum 30.6.2011 nutzen zu wollen. Damit kommt dem Argument der Beklagten, zeitnah Klarheit über die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Vertrages zu bekommen, keine Bedeutung zu. Für die Beklagten änderte sich an der Nutzungsmöglichkeit der Räumlichkeiten unabhängig davon nichts, ob bis zum 30.6.2011 das Untermietverhältnis mit der Mietergemeinschaft bestand oder nach Eintritt der Bedingungen das Mietverhältnis mit der Klägerin wirksam wurde. Es ist deshalb auch kein zwingendes Argument, wenn die Beklagten darlegen, dass sie nicht nebeneinander an zwei Mietverträge gleichzeitig gebunden sein wollten. Dieser Fall konnte bei der gewählten Vertragskonstruktion nicht eintreten, da die Wirksamkeit des Mietvertrages mit der Klägerin, die Beendigung des Untermietvertrages mit der Mietergemeinschaft voraussetzte. Unerheblich ist auch das in der Berufungserwiderung vorgebrachte Argument, für die Annahme einer Befristung spreche, dass das Mietverhältnis nicht sofort habe beginnen können, nachdem die Beklagten das Untermietverhältnis mit der Mietergemeinschaft zum 31.10.2003 gekündigt hätten. Die Kündigung beruht ausschließlich auf einer Entscheidung der Beklagten. Die Klägerin schuldete nach dem Vertrag nicht die Überlassung der Räumlichkeiten, wenn der Untermietvertrag von den Beklagten beendet wurde, sondern erst dann, wenn beide Bedingungen eingetreten waren. Aus dem Umstand der Kündigung durch die Beklagten lässt sich für den Erklärungsinhalt von § 2 des Mietvertrages im Ergebnis nichts herleiten. Es bleibt zwar letztlich ungeklärt, warum das Datum 1.9.1999 gewählt wurde, den Nachweis indes, dass es sich dabei um eine Befristung für den Bedingungseintritt handeln sollte, vermögen die Beklagten nicht zu führen.

Das Mietverhältnis wurde nicht vor dem streitgegenständlichen Zeitraum von den Beklagten wirksam gekündigt. Eine ordentliche Kündigung scheidet schon deshalb aus, weil es sich um einen befristeten Vertrag handelt. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt kein Verstoß gegen § 550 BGB (§ 566 BGB a. F.) vor, weil sich aus dem Vertrag selbst nicht das Anfangsdatum entnehmen lässt. Dies ist vorliegend unerheblich, weil im Vertrag ein festes Enddatum (30.6.2011) genannt wird und ein Erwerber aus dem Vertrag erkennen kann, wie lange der Vertrag noch läuft. Ohne Bedeutung ist für ihn die Frage, wie viel von der Vertragslaufzeit im Zeitpunkt des Erwerbs bereits abgelaufen war. Dem von den Beklagten in diesem Zusammenhang genannten Schreiben vom 30.1.2002 (Bl. 115 I) kann außerdem auch keine Kündigungserklärung entnommen werden. Die Kündigung gegenüber der Mietergemeinschaft berührt - wie ausgeführt - das streitgegenständliche Vertragsverhältnis nicht.

Die Beklagten schulden den Mietzins auch in voller Höhe. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagten Mängel überhaupt hinreichend dargelegt haben. Sie behaupten insoweit lediglich (Bl. 51 I), dass nach dem vorgelegten Untersuchungsbericht zum Datum 18.6.2002 Schimmelschäden zu beobachten waren. Selbst wenn dem so war, besagt dies über die Mangelhaftigkeit des Mietobjekt im streitgegenständlichen Zeitraum (24.4.2004 - 30.9.2004) nichts. Dies gilt in gleicher Weise für das Schreiben des Landesamtes für Verbraucherschutz vom 1.12.2003 (Bl. 116 I) sowie die Stellungnahme des Gutachters L. vom 10.03.2004.

Darüber hinaus hat die Klägerin in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen (Bl. 71 I), dass die Schimmelschäden vor dem 23.4.2004 beseitigt worden seien.

Die Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft der im Tenor genannten Art folgt aus § 5 Nr. 1 des Mietvertrages. Im Gewerberaummietrecht sind von § 551 BGB abweichende Vereinbarungen zulässig (Emmerich/Sonnenschein Miete, 8. Aufl., § 551, Rn. 26). Der weitergehende Antrag auf bedingte Verurteilung zum Schadensersatz für den Fall, dass die Beklagten die Bürgschaft nicht fristgemäß an die Klägerin übergeben, ist unbegründet. Zwar wird die Möglichkeit eines bedingten Schadensersatzverlangens im Rahmen einer Leistungsklage erörtert (Wieser, NJW 2003, 3458; im Ergebnis offen gelassen: Staudinger/Otto, Neubearbeitung 2004, § 281, Anm. B15). Dieser Ansicht kann indes nicht gefolgt werden, weil der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung erst dann fällig wird, wenn der Schuldner die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt (Bamberger/Roth/Grünberger BGB, § 281, Rn. 49). Ob eine Verbindung beider Anträge unter den Voraussetzungen von § 259 ZPO auch im Rahmen von § 281 BGB (n. F.) möglich ist (dazu: Palandt/Heinrichs BGB, 61. Aufl., § 283 [a. F.], Rn. 7), bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da diese Voraussetzungen nicht dargetan sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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