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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 19.10.2004
Aktenzeichen: 9 U 62/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 117
Zur Abgrenzung zwischen einem Strohmanngeschäft und einem - nichtigen - Scheingeschäft kommt es maßgeblich darauf an, wer aus dem abgeschlossenen Geschäft berechtigt und verpflichtet werden soll. Ein Strohmanngeschäft und kein Scheingeschäft ist bei einem Pachtvertrag über eine Gaststätte anzunehmen, wenn die im Pachtvertrag als Pächter bezeichnete Person, nicht aber die tatsächlichen Betreiber, eine Schankerlaubnis erhalten kann.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 62/04 OLG Naumburg

Verkündet am: 19.10.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 19.10.2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Manshausen und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.5.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (24 O 22/04) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte schloss mit der Klägerin einen Mietvertrag über den Betrieb einer Tanzbar. Das Mietverhältnis begann am 15.5.1998 und war auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Beklagte war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Geschäftsführerin der Klägerin. Gesellschafter waren ihr Sohn A. M. und R. H. . Der Mietzins von monatlich ursprünglich 10.000,-- DM wurde mehrfach reduziert. Auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 18.9.1999 (Bl. 64 I) wurde der Beklagten ein Zahlungsrückstand für die Zeit von April bis September 1999 erlassen. Gleichzeitig wurde der laufende Mietzins auf 6.500,-- DM reduziert. Mietzinszahlungen wurden von einem Konto der Beklagten geleistet, für das R. H. eine Vollmacht besaß. Die Beklagte zahlte zuletzt für den Monat Oktober 1999 einen Betrag von 1.200,-- DM; für die Zeit danach erfolgten keine Zahlungen mehr. Gegenstand der vorliegenden Klage ist Mietzins für die Zeit von November 1999 bis Februar 2000 sowie der Restbetrag für den Monat Oktober 1999 in einer (rechnerisch unstreitigen) Gesamthöhe von 16.003,45 Euro.

Die Beklagte wendet ein, dass es sich bei dem Mietvertrag um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Der Beklagten und den Gesellschaftern der Klägerin sei bekannt gewesen, dass Mietzahlungen durch die Beklagte nicht geleistet werden sollten, es sei insbesondere vereinbart worden, dass die Beklagte von sämtlichen Forderungen gegenüber der Klägerin freigestellt werden sollte (Bl. 38 I). Der Vertrag sei vielmehr abgeschlossen worden, weil A. M. und R. H. keine Gaststättenkonzession hätten beantragen und auch nicht Geschäftsführer der GmbH hätten werden können. Aus diesem Grund sei die Beklagte als Strohfrau eingesetzt worden.

Die Klägerin bestreitet, dass es sich bei dem Mietvertrag um ein Scheingeschäft gehandelt habe.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und das Vorliegen eines Scheingeschäftes verneint. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung restlichen Mietzinses verurteilt und das Vorliegen eines Scheingeschäfts verneint. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Der Senat schließt sich insbesondere der Ansicht des Landgerichts an, dass zwar ein Strohmanngeschäft vorliegen mag, dass daraus aber keine Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 117 BGB folgt.

Als Strohmann wird eine vorgeschobene Person bezeichnet, durch die ein Dritter einen Gegenstand erwirbt oder veräußert (vorliegend Anmietung eines Gewerbeobjekts). Der Strohmann ist echter Treuhänder. Aus den von ihm abgeschlossenen Geschäften wird er allein berechtigt und verpflichtet. Strohmanngeschäfte sind in der Regel keine Scheingeschäfte nach § 117 BGB, sondern ernstlich gemeint, weil sich der bezweckte Erfolg nur durch wirklichen Abschluss des Geschäfts erreichen lässt. Die Geschäfte sind auch dann nicht unwirksam, wenn der Strohmann kein eigenes Interesse am Abschluss hat (Erman/ Palm BGB, 11. Aufl., Vor § 164, Rn. 21) und der Dritte, mit dem er sein Geschäft tätigt, von der Strohmanneigenschaft Kenntnis hat (MK-Kramer BGB, 4. Aufl., § 117, Rn. 14). Charakteristisch für das Strohmanngeschäft ist, dass der Mittelsmann die Rechte und Pflichten des Geschäfts auch im Außenverhältnis ernstlich übernehmen soll. Dagegen ist ein Scheingeschäft anzunehmen, wenn die Beteiligten zur Erreichung ihrer Zwecke einen Scheinvertrag für genügend erachten und sich darüber einig sind, dass der Mittelsmann nur seinen Namen abgibt, nicht aber selbst (vorliegend) Mieter werden soll (OLG Köln NJW 1993, 2623). Ob die Vertragsschließenden einen solchen Willen hatten, ist eine Frage, die der Tatrichter unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Falles zu entscheiden hat (BGH NJW-RR 1993, 238). Der Annahme eines Strohmanngeschäfts steht nicht entgegen, dass nach dem Vortrag der Beklagten tatsächlich A. M. und R. H. das Lokal betreiben sollten. Ein Strohmanngeschäft (und kein Scheingeschäft) ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Mietvertrag begründet wurde, weil zwar die Beklagte, nicht aber A. M. und R. H. eine Gaststättenkonzession erhalten konnten (KG OLGR 2002, 300). Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, ob A. M. und R. H. das Lokal tatsächlich betrieben haben (so Schriftsatz vom 30.9.2004, S. 2 - Bl. 43 II -) keine entscheidende Bedeutung zu. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Mietzins vor dem streitgegenständlichen Zeitraum von der Beklagten gezahlt wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte R. H. eine Kontovollmacht erteilt hat (Bl. 79/80 I). Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass dieser abredewidrig von der Vollmacht Gebrauch gemacht hat oder, dass es sich bei den überwiesenen Beträgen nicht um ihr Geld gehandelt hat bzw., dass ihr die Beträge von A. M. und/oder R. H. erstattet worden sind. Soweit sie im Schriftsatz vom 30.9.2004 (S. 2/3 - Bl. 43/44 II -) erstmals behauptet, dass die Gelder zuvor von einem Konto der Herren M. bzw. H. auf das Konto der Beklagten überwiesen worden seien und erst dann durch (den mit Kontovollmacht ausgestatteten) R. H. an die Klägerin überwiesen worden seien, ist dieser Vortrag zum einen in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen. Unabhängig davon würde die behauptete Vorgehensweise gerade dafür sprechen, dass kein Scheingeschäft gewollt war. Im Verhältnis zur Klägerin trat die Beklagte als Zahlende auf. Wenn ein Scheingeschäft gewollt gewesen wäre, hätten A. M. und R. H. den Mietzins direkt an die Klägerin zahlen können. Der "Umweg" über das Konto der Beklagten ist mithin ein weiteres Indiz dafür, dass allenfalls ein Strohmann - nicht aber ein Scheingeschäft gewollt war. Zutreffend hat das Landgericht auch den Vortrag der Beklagten zu einer Freistellungsvereinbarung gewürdigt (LGU S. 5 - Bl. 104 I -), worauf Bezug genommen wird. Eine Freistellungserklärung machte zudem nur dann Sinn, wenn sie von den - nach dem Vortrag der Beklagten - tatsächlichen Betreibern (also A. M. und R. H. ) abgegeben worden wäre; tatsächlich soll sie aber (KE S. 3 - Bl. 38 I -) von der Klägerin erteilt worden sein. Als Erklärung der Klägerin macht eine solche Erklärung keinen Sinn, da in diesem Verhältnis die Nichterhebung des Mietzinses in Betracht gekommen wäre, dies dann aber tatsächlich nicht erfolgt ist, der Mietzins vielmehr gezahlt wurde. In diesen Zusammenhang gehört auch der Umstand, dass der Beklagten in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 18.9.1999 nur ein Teilbetrag des Mietzinses für die Vergangenheit erlassen wurde, für die Zukunft indes der Mietzins neu festgesetzt wurde. Auch ist nur nachvollziehbar, wenn die Durchführung des Mietvertrages mit der Beklagten auch tatsächlich erfolgen sollte. Vor dem Hintergrund dieser Indizien, die für die Mieterstellung der Beklagten sprechen, ist der Vortrag, dass der Beklagten und den Gesellschaftern der Klägerin bekannt gewesen sei, dass Mietzahlungen nicht zu leisten gewesen seien (KE S. 3 - Bl. 38 I -; wiederholt: BB S. 2 - Bl. 19 II -), nicht ausreichend, um da-rauf eine Beweisaufnahme stützen zu können. Das Landgericht konnte deshalb verfahrensfehlerfrei von der Durchführung einer Beweisaufnahme absehen. Abgesehen davon, dass auch in diesem Zusammenhang § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zu prüfen wäre, wird der Vortrag substanziell auch im Schriftsatz 30.9.2004 (S. 1 - Bl. 42 II) zu diesem Punkt nicht ergänzt.

Die Höhe des Mietzinses für den streitgegenständlichen Zeitraum ist unstreitig.

Die Berufung ist somit im Ergebnis insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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