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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 18.09.2001
Aktenzeichen: 9 U 91/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 296 a
ZPO § 284
ZPO § 540
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 139 Abs. 1 S. 1
BGB § 138
BGB § 273
BGB § 670
BGB § 812
BGB § 683
BGB § 536 b
BGB § 684 S. 1
BGB § 539 n. F.
BGB § 684 S. 2
BGB § 683 S. 1
BGB § 550 S. 1
BGB § 566 S. 1
BGB § 390 S. 2
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 685 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 578 Abs. 2
BGB § 538 Abs. 2
BGB § 536 a Abs. 2
BGB § 547 Abs. 2 a.F.
BGB § 539 Abs. 1 n.F.
BGB § 812 Abs. 1 Alt. 1
BGB § 812 Abs. 1 Alt. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2
Der Mieter hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen, wenn der Vermieter die Betriebskosten trotz eingetretener Abrechnungsreife bislang noch nicht abgerechnet hat. Der Mieter hat insoweit lediglich ein Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Vorauszahlungen bis zur Abrechnung.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 91/01 OLG Naumburg

verkündet am: 18.09.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Landgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 18.09.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23.03.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Halle - 9 O 349/00 - einschließlich des zu Grunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Halle zurückverwiesen.

Die Beschwer der Parteien übersteigt 60.000.- DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um rückständige bzw. entgangene Gewerberaummiete für den Zeitraum Oktober 1996 bis August 1998 i. H. v. 100.050.- DM (Bl. 115 I).

Mit Verträgen vom 18.12.1991 vermietete die Klägerin das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß in der L. straße 119 in H. . Die vereinbarte monatliche Nettomiete betrug insgesamt 5.000.- DM (Bl. 10, 17 I). Die Parteien schlossen eine Zusatzvereinbarung mit auszugsweise folgendem Inhalt (Bl. 15 I):

"Der Mieter verpflichtet sich, die in der Anlage beschriebenen Modernisierungsarbeiten/ baulichen Veränderungen in den Räumen im Erdgeschoß und im ersten Obergeschoß sowie in der Doppelgarage durchzuführen. Bei Beendigung des Mietverhältnisses wird der Mieter die genannten Räumlichkeiten in dem Zustand belassen, in den er sie versetzt hat.

Als Gegenleistung bleibt die Höhe des Mietzinses für die Dauer von fünf Jahren unverändert.

Sollte das Mietverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren aus einem vom Vermieter zu vertretenden Grund enden, sind die Investitionen anteilig (nach Dauer des Mietverhältnisses) an den Mieter zu erstatten".

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Mietverhältnis betreffend die Räume im ersten Obergeschoß seit dem 15.02.1998 beendet ist (vgl. Bl. 50, 55 f, 115 f I). Mit Schreiben vom 19.07.1998 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis betreffend die Räume im Erdgeschoß fristlos (Bl. 55 f I), die der Beklagte daraufhin unverzüglich räumte (Bl. 50 I) und die seit dem 01.09.1998 weitervermietet sind (Bl. 57 ff I).

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe die vom Beklagen geleistete Kaution auf ältere Mietrückstände verrechnet (Bl. 103 I).

Mit am 07.12.2000 verkündeten Versäumnisurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 15.12.2000 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin am 21.12.2000 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

das am 07.12.2000 verkündete Versäumnisurteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 100.050.- DM nebst 10,5 % Zinsen

aus jeweils 5.000.- DM seit dem 3. Werktag eines jeden Monats im Zeitraum Oktober 1996 bis Januar 1998,

aus 3.850.- DM seit dem 05.02.1998

und aus jeweils 2.700.- DM seit dem 3. Werktag eines jeden Monats im Zeitraum März bis August 1998

sowie 12,10 DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Mietzins sei überhöht (Bl. 53 I). Die vereinbarte Nutzung sei behördlich nicht genehmigt gewesen (Bl. 54 I). Er habe Zahlungen i. H. v. 22.400.- DM geleistet (Bl. 50, 125 I I). Die Klägerin habe die Nebenkosten nicht abgerechnet (Bl. 51 I) und müsse sich auch die gezahlte Kaution i. H. v. 14.000.- DM anrechnen lassen (Bl. 50, 124 I I). Kurz nach Bezug der Räumlichkeiten habe er diese mit einem Aufwand i. H. v. 600.000.- DM saniert (Bl. 51 I). Im März 1994 habe sich die Klägerin bereit erklärt, "sämtliche vom Beklagten verauslagte Kosten zu vergüten bzw. auf die Miete anzurechnen" (Bl. 53 I) bzw. zugesagt, "dass die entstehenden Umbaukosten mit den jeweils anstehenden Mieten verrechnet werden sollten" (Bl. 125 I). Ferner habe die Klägerin ihm mitgeteilt, er könne die Rechnung für die Kellerfenster i. H. v. 2.254.- DM von der Miete für September 1994 abziehen (Bl. 126 I). Außerdem habe er "letztendlich ... sogar die Tätigkeit des von ihr beauftragten Hausmeisters P. B. " bezahlt (Bl. 53 I).

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme der geltend gemachten Mahnkosten stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Bestreiten des Vorhandenseins älterer Schulden, auf die nach den Angaben der Klägerin die Kautionen i. H. v. jeweils 7.000.- DM verrechnet worden seien, sei verspätet. Da die Klägerin lediglich den Nettomietzins geltend mache, sei unerheblich, dass sie die Nebenkosten nicht abgerechnet habe. Mit seinem Vortrag, er habe viermal 5.600.- DM per Scheck gezahlt, sei der Beklagte gem. § 296 a ZPO ausgeschlossen. Sein Vorbringen zu den auf die Mietsache gemachten Aufwendungen sowie zu der angeblich im März 1994 getroffenen Verrechnungsabrede sei unsubstantiiert. Eine Verrechnung der Aufwendungen für die Fenster bzw. die Balkontür scheitere an § 296 a ZPO. Warum der Beklagte 3.470.- DM an den Hausmeister gezahlt haben sollte, sei nicht nachvollziehbar. Der Mietzins sei nicht überhöht. Die behördliche Genehmigung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Räume habe vorgelegen (Bl. 156 - 159 I).

Gegen das ihm am 06.04.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 07.05.2001 Berufung eingelegt und diese mit am 09.07.2001 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.06.2001 verlängert worden war.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, es sei kein wirksamer Mietvertrag zu Stande gekommen (Bl. 19 - 22 II). Als qm-Preis seien 7,50 DM angemessen (Bl. 22, 28 II). Der Beklagte habe sich (vor Vertragsschluss) bereit erklärt, "die Arbeiten eigenverantwortlich zu führen, wobei klar" gewesen sei, "dass eine Verrechnung auf bestehende Nutzungsentschädigungsansprüche der Klägerin erfolgen sollte" (Bl. 26 II). Insoweit habe er einen Aufwand von 130.000.- DM veranschlagt (Bl. 26 II). Es sei jedoch ein Gesamtaufwand i. H. v. 181.493,01 DM erforderlich geworden (Bl. 27, 31 ff, 67 II). Er habe Gegenstände im Wert von 20.000.- DM in den Räumen zurückgelassen (Bl. 72 II). Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 09.07.2001 (Bl. 18 - 74 II) mit Anlagen verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das am 23.03.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Halle - 9 O 349/00 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, einer Verrechnung der Klageforderung mit einem Aufwendungsersatzanspruch des Beklagten stehe bereits der Wortlaut der Zusatzvereinbarung entgegen. Jedenfalls sei ein derartiger Anspruch verjährt. Soweit der Beklagte Hausmeister beschäftigt habe, sei dies seine Angelegenheit (Bl. 93 f II). Im Übrigen habe der Beklagtenvertreter, der Mieter im zweiten Obergeschoß des Mietobjekts gewesen sei, mit Schreiben vom 12.08.1997 die ihm erteilte Betriebskostenabrechnung mit der Begründung beanstandet, die Hausmeisterkosten seien nicht berücksichtigungsfähig, weil ein entsprechender Hausmeister nicht tätig gewesen sei (Bl. 107 II). Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 24.08.2001 (Bl. 90 - 94 II) und 05.09.2001 (Bl. 106 -109 II) mit Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils, weil das Verfahren des ersten Rechtzuges an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 539 ZPO).

Das Landgericht hat gegen § 284 ZPO verstoßen, weil es eine notwendige Beweiserhebung nicht durchgeführt hat (vgl. BGH, NJW 1995, 3124, 3125; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 518; OLG Celle, NJW-RR 1995, 1407; OLG München, NJW 1972, 2048 f). Der Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die Klägerin habe sich im März 1994 dazu bereit erklärt, "sämtliche vom Beklagten verauslagten Kosten zu vergüten bzw. auf die Miete anzurechnen" (Bl. 53 I; vgl. auch Bl. 125 I). Dieser Vortrag ist entgegen der Auffassung des Landgerichts (Bl. 157 f I) ausreichend substantiiert.

Zudem darf der Vortrag einer Partei wegen mangelnder Substantiierung nicht abgewiesen werden, bevor auf Ergänzung des Sachvortrags hingewirkt worden ist (§ 139 Abs. 1 ZPO). Vorliegend ist weder der Ladungsverfügung (Bl. 87 I) noch dem Sitzungsprotokoll (Bl. 117 f I) ein Hinweis zu entnehmen. Wenn Hinweise erst im Termin erfolgen, genügt das Gericht seiner Aufklärungspflicht nach § 139 Abs. 1 S. 1 ZPO nur dann, wenn es der Partei, deren Sachvortrag seiner Ansicht nach unvollständig ist, eine angemessene Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags einräumt. Diese Grundsätze gelten auch im Anwaltsprozess (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 441; NJW 1999, 2123, 2124; OLG Frankfurt, NJW 1989, 722).

Von einer eigenen Sachentscheidung nach § 540 ZPO sieht der Senat ab, weil insoweit das Interesse an der Vermeidung der mit einer Zurückverweisung verbundenen Verzögerung und Verteuerung des Verfahrens das Interesse an der Wahrung des vollen Instanzenzuges nicht überwiegt (vgl. BGH, NJW 1993, 2318, 2319).

II. In der Sache selbst weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Die Mietverträge vom 18.12.1991 (Bl. 9 - 14, 16 - 21 I) einschließlich der Zusatzvereinbarung (Bl. 15 I) sind wirksam.

a) Das Schriftformerfordernis (§§ 578 Abs. 2, 550 S. 1 BGB n. F. = § 566 S. 1 BGB a. F.) ist gewahrt. Die Verträge und die Zusatzvereinbarung sind von beiden Vertragsparteien unterzeichnet (Bl. 12, 15, 19 I). Die Zusatzvereinbarung ist in dem das Erdgeschoß betreffenden Mietvertrag in Bezug genommen (Bl. 12 I). Dies reicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Herstellung der Einheit der Urkunde aus (vgl. BGH, NJW 1999, 1004, 1105; NJW 2000, 354, 357).

b) Die Mietverträge sind nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig (§ 138 BGB).

aa) Jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB (Wucher), nämlich die Betätigung einer verwerflichen Gesinnung durch bewusstes Ausnutzen einer Zwangslage in Kenntnis des auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. Jauernig, BGB, 9. Aufl., § 138, Rn. 23 m. w. N.), sind nicht dargelegt.

bb) Die Mietverträge stellen auch kein wucherähnliches Geschäft i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB dar. Dies wäre der Fall, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stünden und weitere sittenwidrige Umstände hinzuträten, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten oder Ausnutzung der Unerfahrenheit des Partners und Ähnliches. Bei einem gewerblichen Mietverhältnis ist ein auffälliges Missverhältnis gegeben, wenn der vereinbarte den ortsüblichen Mietzins um knapp 100 % übersteigt (vgl. BGH, DWW 2000, 20, 22). In einem solchen Fall kann jedoch nur bei privaten Mietern aus den objektiven Umständen auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden (vgl. BGH a. a. O; OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 654 f), da nach der allgemeinen Lebenserfahrung außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Grund zugestanden werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (vgl. BGH, ZIP 1997, 931, 932). Bei einem Kaufmann oder Freiberufler greift diese Vermutung nicht ein; vielmehr muss er die zur Bejahung der Sittenwidrigkeit erforderlichen, über das auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hinausgehenden Umstände darlegen und beweisen (vgl. BGH, NJW 1991, 1810, 1811; NJW 1995, 1019, 1022; OLG Nürnberg, WM 1996, 497, 500). Aus dem Schreiben des Beklagten vom 17.12.1991 (Anlage BK 5), ergibt sich, dass dieser vor dem am 18.12.1991 erfolgten Abschluss der Mietverträge eine "Repräsentanz" der A. GmbH betrieb. Von einer geschäftlichen Unerfahrenheit kann daher keine Rede sein. Im Übrigen würde die Annahme einer verwerflichen Gesinnung voraussetzen, dass die Höhe des marktüblichen Mietzinses für die Klägerin ohne weiteres erkennbar war (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2001 - XII ZR 49/99 -). Auch dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Der Mietzins ist nicht gemindert (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. = § 537 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.).

Dass die vertragsgemäße Nutzung bis August 1992 nicht genehmigt war (vgl. Bl. 54, 104 I, 29 II), stellt keinen Mangel der Mietsache dar, da eine öffentlich-rechtliche Beschränkung solange unbeachtlich ist, wie die Behörden nicht gegen den Gebrauch der Mietsache einschreiten (vgl. OLG Köln, DWW 1993, 278, 279; OLG München, ZMR 1996, 496, 498; OLG Hamburg, NJW-RR 1996, 1356). Dies muss erst recht gelten, wenn die Genehmigung wie hier nachträglich erteilt wird (Bl. 112 I).

3. Die Forderung der Klägerin ist nicht durch Erfüllung teilweise erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB):

Dass der Beklagte in den Monaten März bis Mai und November 1997 jeweils 5.600.- DM gezahlt hat (Bl. 124 f I), ist durch die Vorlage der Verrechnungsschecks (Bl. 127 ff I) nicht bewiesen; vielmehr müsste der Beklagte - worauf bereits die Klägerin zutreffend hingewiesen hat (Bl. 94 II) - insoweit die Kontoauszüge vorlegen, die eine Einlösung durch die Klägerin belegen.

4. Hinsichtlich der vom Kläger im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Gegenansprüche gilt Folgendes:

a) Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen, die die Klägerin trotz eingetretener Abrechnungsreife (vgl. hierzu Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III A Rn. 46; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rn. 806) bislang noch nicht abgerechnet hat.

aa) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der Mieter dann, wenn der Vermieter die Betriebskosten nicht fristgemäß abrechnet, diese wieder zurückverlangen kann:

bb) Ein diesbezüglicher Anspruch wird teilweise ohne jede Begründung bejaht (vgl. LG Lüneburg, WuM 1992, 380; LG Gießen, WuM 1995, 442; AG Oberhausen, WuM 1993, 68), teilweise aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. LG München II, WuM 1991, 158; LG Hamburg, WuM 1997, 180 f; Schmid, WuM 1997, 158, 159) bzw. einer positiven Vertragsverletzung hergeleitet (vgl. LG Stade, WuM 1995, 34 f; zust. Geldmacher, DWW 1995, 105, der a. a. O., 106 f allerdings auch PVV oder § 812 BGB für möglich hält) und teilweise auf § 812 BGB gestützt (vgl. LG Essen, WuM 1992, 200; AG Stuttgart, WuM 1990, 159).

cc) Anderer Ansicht nach scheidet ein derartiger Anspruch jedenfalls bei fortdauerndem Mietverhältnis aus (vgl. OLG Hamm, WuM 1998, 476 ff). Der Senat schließt sich - wie bereits im Urt. v. 27.03.2001 - 9 U 211/00 - der letztgenannten Auffassung auch für den Fall eines beendeten Mietverhältnisses an: Die teilweise befürwortete ergänzende Vertragsauslegung widerspräche dem erklärten Parteiwillen, wonach die anteiligen Nebenkosten auf den Mieter umgelegt werden dürfen. Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung scheidet aus, weil das Unterlassen der Abrechnung weder für die Zahlung der Vorschüsse noch für einen Schaden in Höhe der Vorschüsse ursächlich ist. Da die Vorauszahlungen ihren rechtlichen Grund im Mietvertrag haben, der rechtliche Grund wegen der unterlassenen Abrechnung nicht entfällt und letztere nicht als der mit den Vorauszahlungen des Mieters bezweckte Erfolg angesehen werden kann, kommen auch keine Bereicherungsansprüche aus § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB oder § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB in Betracht. Dieses Ergebnis ist nicht unbillig, denn dem Mieter steht mit dem Recht aus § 273 BGB, die laufenden Vorauszahlungen bis zur Abrechnung des vergangenen Zeitraums einzustellen, ein starkes Druckmittel zur Verfügung, das ihn auch hinreichend vor der Gefahr schützt, einen eventuellen Erstattungsanspruch aus der Abrechnung nicht mehr durchsetzen zu können (vgl. OLG Hamm, WuM 1998, 477 f; zust. Schmidt-Futterer-Langeberg, Mietrecht, 7. Aufl., § 546, Rn. 202). Bei beendetem Mietverhältnis scheidet ein Einbehalt der laufenden Vorauszahlung zwar aus. Dem Mieter - der für die Nichtgeltendmachung seines Zurückbehaltungsrechts selbst verantwortlich ist - bleibt jedoch immer noch die Möglichkeit, auf Erteilung der Abrechnung zu klagen und seinen Anspruch nach rechtskräftiger Verurteilung des Vermieters im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen (Schmidt-Futterer-Langenberg a. a. O.).

b) Die gezahlte Kaution i. H. v. 14.000.- DM kann nicht mit dem Mietzinsanspruch verrechnet werden, weil dies dem Zweck der Kaution als Sicherung des Vermieters widersprechen würde (vgl. BGH, WM 1967, 515, 518; NJW 1972, 721, 723). Im Übrigen ist die Kaution gem. § 16 Ziff. 4 der Mietverträge bei Beendigung des Mietverhältnisses erst dann an den Mieter zurückzuzahlen, wenn feststeht, dass gegen diesen keine Ansprüche mehr bestehen (Bl. 12, 19 I).

c) aa) Der Beklagte hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Sanierungs-, Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen:

(1) Ein gesetzlicher Aufwendungsersatzanspruch scheidet vorliegend bereits deshalb aus, weil sich der Beklagte in der Zusatzvereinbarung zu den Mietverträgen (Bl. 15 I) zur Vornahme der Aufwendungen vertraglich verpflichtet hat (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 142, 143; ZMR 1996, 122, 123; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V B Rn. 409). Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten war es seine Sache, Sanierungs-, Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten durchzuführen (Bl. 25 f I). Er führt selbst aus, dass die in seinem Schreiben vom 17.12.1991 genannten Arbeiten, deren Gesamtkosten er ursprünglich mit 130.000.- DM veranschlagt hat (BK 6), lediglich die Arbeiten waren, die "mindestens durchgeführt werden mussten" (Bl. 26 II). Bereits aus seinem Schreiben vom 23.05.1992 (BK 7) ergibt sich, dass er sich insoweit verkalkuliert hatte. In der Berufungsbegründung beziffert er den Gesamtaufwand dann auf 181.493,01 DM (Bl. 67 II). Hinsichtlich der Differenz i. H. v. 51.493,01 DM ist nicht die Geschäftsgrundlage der Zusatzvereinbarung entfallen. Vielmehr handelt es sich bei der einseitigen Erwartung des Beklagten, die Arbeiten mit einem Aufwand von 130.000.- DM durchführen zu können, um einen allein in seinen Risikobereich fallenden Umstand, zumal sich seinem Schreiben vom 23.05.1992 (BK 7), in dem er darauf hinweist, dass die erforderlichen Investitionen weit über das hinausgingen, was er kalkuliert habe, nicht ansatzweise die Absicht entnehmen lässt, insoweit Ersatz verlangen zu wollen.

(2) Darüber hinaus sind die Tatbestandsvoraussetzungen der entsprechenden Normen nicht erfüllt:

(a) Aufwendungen zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes fallen unter § 536 a Abs. 2 BGB n. F. = § 538 Abs. 2 BGB a. F. (vgl. BGH, NJW 1984, 1552), außer wenn die Mietsache von Anfang an in stark renovierungsbedürftigem Zustand war und mit Rücksicht darauf ein entsprechend geringer Mietzins vereinbart worden ist (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 522, 523). Ein etwaiger Anspruch aus § 536 a Abs. 2 BGB ist entsprechend § 536 b BGB n. F. = § 539 BGB a.F. verwirkt, weil der Beklagte die Miete, wenn auch schleppend und unregelmäßig - bis September 1995 vorbehaltlos weitergezahlt hat (vgl. BGH, NJW 1997, 2674).

(b) Ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 539 Abs. 1 BGB n. F. (= § 547 Abs. 2 BGB a. F.) i. V. m. §§ 683 S. 1, 670 BGB setzt einen Fremdgeschäftsführungswillen voraus, an dem es fehlt, wenn der Mieter die Aufwendungen wie vorliegend im eigenen Interesse und zu eigenen Zwecken macht (vgl. OLG Köln, WuM 1996, 269; OLG München, ZMR 1997, 236, 238; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, V B, Rn. 398; Staudinger-Emmerich, BGB, 13. Bearb. 1995, § 547, Rn. 31).

(c) Ein Anspruch aus § 539 Abs. 1 BGB n. F. = § 547 Abs. 2 BGB a.F. i. V. m. §§ 684 S. 2, 683, 670 BGB setzt eine Genehmigung des Vermieters voraus, die allein in der Zustimmung zu den baulichen Veränderungen nicht gesehen werden kann (vgl. Staudinger-Emmerich, BGB, 13. Bearb. 1995, § 547, Rn. 33).

(d) Ein grundsätzlich möglicher (auf Ersatz der Wertsteigerung gerichteter) Bereicherungsanspruch aus § 539 BGB n. F. i. V. m. §§ 684 S. 1, 812 Abs. 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB entfällt, wenn der Beklagte keinen Ersatz verlangen wollte (§ 685 Abs. 1 BGB), insbesondere wenn er wie hier auf Grund des Vertrages zur Vornahme der fraglichen Maßnahmen verpflichtet war (siehe oben).

(e) Da das Mietverhältnis nicht vor Ablauf der ursprünglichen Mietzeit von fünf Jahren beendet worden ist, besteht auch kein Bereicherungsanspruch, der darauf beruht, dass die Klägerin vorzeitig in den Genuss eines durch die Mieterleistungen geschaffenen höheren Ertragswertes des Mietobjekts gelangt ist (vgl. BGH, ZMR 1996, 122, 123), wozu es im Übrigen an jeglichem Vortrag fehlt.

bb) Der Beklagte hat daher lediglich dann einen (vertraglichen) Aufwendungsersatzanspruch, wenn die Parteien eine die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag überlagernde Verrechnungsabrede getroffen haben. Die bestrittene (Bl. 94 II) Behauptung des Beklagten, bereits bei Vertragsschluss sei "klar" gewesen, dass hinsichtlich der vom Beklagten übernommenen Aufwendungen "eine Verrechnung auf bestehende Nutzungsentschädigungsansprüche der Klägerin erfolgen sollte" (Bl. 26 II), ist angesichts des Umstandes, dass zu diesem Zeitpunkt beide Parteien von der Wirksamkeit der Mietverträge ausgegangen sind, ins Blaue hinein aufgestellt. Zudem fehlt es insoweit an einem Beweisantritt. Über die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe sich im März 1994 dazu bereit erklärt, "sämtliche vom Beklagten verauslagten Kosten zu vergüten bzw. auf die Miete anzurechnen" (Bl. 53 I) bzw. zugesagt, "dass die entstehenden Umbaukosten mit den jeweils anstehenden Mieten verrechnet werden sollten" (Bl. 125 I); es habe "eindeutig und unstreitig eine Verrechnungsabrede" gegeben (Bl. 71 II), ist durch Vernehmung der Zeugin G. (Bl. 53, 125 I) und ggf. durch Parteivernehmung Beweis zu erheben.

cc) Der vertragliche Aufwendungsersatzanspruch ist, worauf sich die Klägerin ausdrücklich berufen hat (Bl. 94 II), ebenso wie die gesetzlichen Aufwendungsersatzansprüche sechs Monate nach der am 19.07.1998 erfolgten Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. Bl. 50, 55 f, 115 I) verjährt (vgl. BGH, NJW 1974, 743, 744; NJW 1986, 254; OLG Hamm, ZMR 1996, 653). Da der Aufwendungsersatzanspruch bei Entstehen der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war (die Verjährung begann erst mit der Beendigung des Mietverhältnisses), kann der Beklagte mit der mittlerweile verjährten Forderung aufrechnen (§ 390 S. 2 BGB). Die Aufrechnung scheitert nach erfolgter Vertragsbeendigung auch nicht an der in § 8 der Mietverträge enthaltenen (Bl. 11, 18 I) und grundsätzlich wirksamen (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II, Rn. 429 m. w. N.) Aufrechnungsbeschränkung, wonach der Mieter nur aufrechnen kann, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor der Fälligkeit der Miete schriftlich angezeigt hat. Durch diese Regelung soll der Vermieter lediglich gegen einen ihn unvorbereitet treffenden Ausfall der laufenden Einnahmen geschützt werden. Sie verliert ihren Sinn, wenn das Mietverhältnis wie hier beendet worden ist, der Mieter das Mietobjekt geräumt und herausgegeben hat und lediglich noch die wechselseitigen Ansprüche abzurechnen und auszugleichen sind (BGH, WuM 1988, 159).

d) Der Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz von Hausmeisterkosten.

aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der Beklagte in § 7 Ziff. 3 der Mietverträge wirksam (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 1997, 248, 249) verpflichtet hat, die Mieträume in ordnungsgemäßem Zustand zu halten (Bl. 10, 17 I), und es allein seine Sache ist, ob er sich insoweit eines Hausmeisters bedient oder die erforderlichen Arbeiten selbst ausführt bzw. durch seine Angestellten ausführen lässt.

bb) Unabhängig davon sind die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nicht gegeben:

(1) Die Hausmeisterkosten stellen keine Verwendungen i. S. d. § 539 Abs. 1 BGB n. F. = § 547 Abs. 2 BGB a. F. dar (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V.B Rn. 396 m. w. N.).

(2) Für einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff BGB) fehlt es am Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens (vgl. Bub/Treier, a. a. O., Rn. 398 m. w. N.). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Vergütungen an Frau D. und Herrn B. für Leistungen gezahlt wurden, zu denen die vorgenannten Personen gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet waren, zumal die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, Frau D. habe zwar einerseits für sie Hausmeistertätigkeiten durchgeführt und hierfür einen Mietnachlass erhalten, sei andererseits aber in der Firma des Beklagten mit der Reinigung der Büroräume beschäftigt gewesen (Bl. 107 II). Auch spricht die unterschiedliche Höhe der im Einzelnen geltend gemachten Beträge dafür, dass es sich insoweit um speziell vom Beklagten in Auftrag gegebene (insbesondere Reinigungs-) Arbeiten handelte. Jedenfalls scheitern Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag an § 685 Abs. 1 BGB, weil der Beklagte die Vergütungen ohne die Absicht gezahlt hat, von der Klägerin Ersatz verlangen zu wollen (vgl. BGH, ZMR 1989, 371, 373). Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum niemals um Kostenersatz nachgesucht hat (vgl. LG Mannheim, NJW-RR 1996, 1357; Bub/ Treier, a. a. O., V.B, Rn. 398).

(3) Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 ff BGB) ist ebenfalls nicht gegeben, weil die Klägerin im Hinblick auf § 7 Ziff. 3 der Mietverträge keine Aufwendungen erspart hat, sodass es bereits an einer Bereicherung fehlt. Selbst wenn eine solche zu bejahen wäre, würde es sich jedenfalls um eine nicht erstattungsfähige aufgedrängte Bereicherung handeln (vgl. Bub/Treier, a. a. O., V.B, Rn. 407). Im Übrigen ist der Anspruch auch insoweit nach dem Rechtsgedanken des § 685 BGB ausgeschlossen (vgl. BGH, WM 1984, 1613, 1614).

III. Die Beschwer hat der Senat gem. § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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