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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.10.2007
Aktenzeichen: 1 U 1757/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 322
Der Anspruch auf Nachforderung von Ersatzvornahmekosten unterliegt auch dann der kurzen Verjährung, wenn zuvor ein rechtskräftiges Vorschussurteil erwirkt worden ist.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

1 U 1757/07

Verkündet am 30.10.2007

In Sachen

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 14. August 2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Ersatz weiterer Aufwendungen in Zusammenhang mit der Selbstvornahme einer Mangelbeseitigung.

Bezüglich des unstreitigen Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz, sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Ersturteils (Seiten 3 bis 5) Bezug genommen.

Das Landgericht Amberg hat mit Endurteil 14. August 2007 (Az. 13 O 224/07) die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgesteift, dass der geltend gemachte Anspruch verjährt sei.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihren erstinstanzlich erhobenen Anspruch weiter. Sie sind der Auffassung, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durchgreift, weil der geltend gemachte Anspruch bereits durch das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 29. Juni 2004 (Az. 12 O 1331/03) rechtskräftig festgestellt worden sei und deshalb nach § 197 Abs. 1 Satz 3 BGB erst in 30 Jahren verjähre. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 27. August 2007 (Seiten 16 bis 19) Bezug genommen.

Die Kläger haben beantragt,

1. Das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 14. August 2007 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 7.049,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.02.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Ersturteil und hält an der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung fest.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Anspruch verjährt ist und die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat

1. Der auf § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B gestützte Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner restlichen Aufwendungen für die selbst vorgenommene Mangelbeseitigung ist verjährt.

Die Parteien haben in Ziffer 9 des zwischen ihnen geschlossenen Bauvertrages eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren vereinbart. Diese Gewährleistungsfrist hat nach den unangegriffenen Feststellungen des Erstgerichtes spätestens mit der am 24. Juli 1997 erfolgten Schlusszahlung zu laufen begonnen.

Durch die am 10. August 2001 von den Klägern innerhalb der Gewährleistungsfrist erhobene Mangelrüge nebst Beseitigungsverlangen wurde die Regelverjährungsfrist des § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B in Lauf gesetzt und eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist über das vertraglich vereinbarte Ende hinaus bis zum 10, August 2003 herbeigeführt 13 Nr. 5 Abs.1 Satz 2 VOB/B).

Der Ablauf dieser Frist wurde durch den Antrag der Kläger auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens vom 16. Oktober 2002 und die anschließende Vorschussklage gehemmt, ohne dass es zwischenzeitlich zu einem erneuten Lauf der Verjährungsfrist kam (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz EGBGB iVm. § 204 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 1, Abs. 2 BGB n. F.). Das Klageverfahren wurde am 27. Oktober 2004 mit der Zurückweisung der Berufung der Beklagten rechtskräftig abgeschlossen, sodass die durch das Verfahren ausgelöste Hemmung der Verjährung am 27. April 2005 beendet war (§ 204 Abs. 2 BGB n. F.).

Nach § 209 BGB n. F. hat sich die am 10. August 2001 angelaufene Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche der Kläger damit um die Hemmungszeit von zwei Jahren, sechs Monaten und 11 Tagen verlängert ( vgl. BGH Urt.v.29.06.1989 NJW 1990,176,178 mwN.). Sie endete am 21. Februar 2006, ohne dass es bis dahin zu einer erneuten Hemmung gekommen wäre. Die von den Klägern erst am 02. März 2007 erhobene Klage vermochte keine Hemmung der Verjährung mehr herbeizuführen.

2. Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei dem von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Erstattung restlicher Ersatzvornahmekosten nicht um eine bereits titulierte Forderung im Sinne des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB, die erst nach 30 Jahren verjährt.

a) Die Kläger haben vor dem Landgericht Amberg gegen die Beklagte am 29. Juni 2004 ein rechtskräftiges Leistungsurteil erstritten, in dem ihnen ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für zu erwartende Ersatzvornahmekosten in Höhe von 10.760,- Euro zugesprochen worden ist. Der nunmehr geltend gemachte Anspruch auf Erstattung restlicher Ersatzvornahmekosten war nicht Gegenstand dieses Urteils und wurde damit auch nicht im Sinne des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtskräftig festgestellt.

Nach § 322 Abs. 1 ZPO reicht die Rechtskraft eines Urteils nur soweit als in diesem Urteil über den erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Werden Teilansprüche geltend gemacht, ergreift die Rechtskraft nur diesen Teil. Ein Urteil, das einen Teilanspruch zuspricht, bewirkt keine Rechtskraft darüber, ob dem Kläger mehr als der geltend gemachte Teil oder noch andere Ansprüche aus dem Sachverhalt zustehen (BGH Urtv.27.02.1961 NJW 1961, 917; Urt.v.14.02.1962 NJW 1962, 1109; Urt.v.30.01.1985 NJW 1985, 1340, 1341; Urt.v.15.06.1994 NJW 1994,3165). Dies hat zur Folge, dass auch nur der von der Rechtskraft erfasste Teilanspruch der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterliegt während der rechtskraftfreie Anspruchsteil weiterhin nach den allgemeinen Vorschriften verjährt (RG Urt. v. 25.01.1907 RGZ 66, 266, 271; Münch.Komm.BGB/Grothe 5. Aufl. [2006]§ 197 Rn. 19; Palandt/Heinrichs 66. Aufl. [2007] § 197 Rn. 11).

Der Anspruch auf einen Kostenvorschuss ist seiner Natur nach ein vorweggenommener und abzurechnender Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten (BGH Urt. v.14.04.1983 NJW 1983, 2191; Urt.v.07.12.1988 NJW-RR 1989, 405, 406 mwN.). Seine Höhe ist nach den zu erwartenden Kosten für eine selbst vorgenommene Mangelbeseitigung zu bestimmen. Der auf dieser Prognose beruhende Betrag stellt dabei keine endgültige Bezifferung dar und kann erhöht werden, wenn sich die Prognosegrundlagen entsprechend ändern (BGH Urt.v.18.03.1976 NJW 1976, 956, 957 mwN.). Bleibt der ausgeurteilte Vorschussbetrag im Ergebnis hinter den für die Mangelbeseitigung tatsächlich erforderlichen Aufwendungen zurück, ist der zur Ersatzvornahme berechtigte Besteller nicht gehindert, den Restbetrag geltend zu machen. Das Vorschussurteil steht einem Urteil über einen Teilanspruch gleich, dem keine Rechtskraft in Bezug auf die Nachforderung zukommt (OLG München Urt.v.26.01.1994 NJW-RR 1995, 785 mwN.). Dies hat auch zur Folge, dass die 30-jährige Verjährung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur den titulierten Vorschussanspruch ergreift und die weiterhin einklagbare Nachforderung nach den allgemeinen Vorschriften verjährt.

b) Die Kläger vertreten die Auffassung, die Rechtskraft des Vorschussurteils sei nicht auf den bezifferten Anspruch beschränkt weil die Verurteilung zur Zahlung eines Vorschusses gleichzeitig Elemente eines Feststellungsurteils enthalte ( vgl. Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 04.01.2007, § 637 Rn77). Dies trifft aber nicht zu.

Ein Urteil, mit dem einer Vorschussklage stattgegeben wird, ist ein Leistungsurteil, das als Rechtsfolge anordnet, dass der Beklagte dem Kläger eine Geldsumme zu bezahlen hat. Nach den allgemeinen Regeln beschränkt sich die Rechtskraft eines solchen Urteils auf das Bestehen der aufgrund des zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalts geltend gemachten Rechtsfolge ( BGH Urt.v.09.02.1953 NJW 1953, 663, 664; Urt.v.08.02.1996 NJW-RR 1996, 826, 827 mwN.). Präjudizielle Rechtsverhältnisse sowie sonstige Vorfragen, aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der von der Klagepartei beanspruchten Rechtsfolge zieht, nehmen als bloße Urteilselemente nicht an der Rechtskraft teil (BGH Urt. v.26.02.1985 NJW 1985, 2481, 2482; Urt. v. 07.07.1993 NJW 1993, 2684, 2685 mwN.).

Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, indem er in § 256 Abs. 2 ZPO ausdrücklich die Zwischenfeststellungsklage hinsichtlich präjudizieller Rechtsfragen zulässt. Diese Regelung wäre entbehrlich, wenn solche Vorfragen ohne gesonderten Feststellungsantrag von der Rechtskraft eines Leistungsurteils umfasst wären.

Die Rechtsprechnung hat das Eigentum des Klägers bei der erfolgreichen Räumungsklage (BGH Urt.v.13.11.1998 NJW-RR 1999, 376,377 mwN.) und das Bestehen eines Darlehensvertrages bei der erfolgreichen Klage auf Zahlung von Zinsen (RG Urt. v. 04.11.1908 RGZ 70, 25, 27) nur als präjudizielle Vorfrage und damit nicht an der Rechtskraft teilnehmendes Urteilselement angesehen. Für das Vorliegen der Ersatzvornahmevoraussetzungen bei der erfolgreichen Vorschussklage kann nichts anderes gelten.

Für ein Abweichen von diesen allgemeinen Grundsätzen besteht kein Anlass. Der Umstand, dass die Zuerkennung eines Vorschussanspruches keine endgültige materielle Zuweisung des ausgeurteilten Betrages enthält und deshalb Nachforderungen ebenso wie Rückerstattungen möglich bleiben, ändert nichts daran, dass es sich bei dem Vorschussurteil um ein Leistungsurteil handelt, für das die allgemeinen Regeln über den Umfang und die Reichweite der Rechtskraft Gültigkeit haben.

c) Ein praktisches Bedürfnis für eine auch Vorschussurteile erfassende extensive Auslegung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB besteht nicht. Es ist anerkannt, dass § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB auch für Feststellungsurteile gilt, die allgemein eine Ersatzpflicht aussprechen. Die Rechtskraft eines solchen Feststellungsurteils bewirkt, dass für alle aus dem festgestellten Rechtsverhältnis erwachsenden Ansprüche nicht mehr die allgemeine Verjährungsfrist gilt, sondern die Fristen des § 197 Abs. 1 Nr. 3 iVm. Abs. 2 BGB anzuwenden sind (BGH Urt.v.03.11.1988 NJW-RR 1989, 215 mwN.). Ein solcher Feststellungsantrag hätte auch den Klägern in unverjährter Zeit offen gestanden (BGH Urt,v.20.02.1986 NJW-RR 1986, 1026, 1027 mwN.); er wäre gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ohne weiteres im Rahmen des Vorschussprozesses zulässig gewesen.

Der Umstand, dass der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen (Urtv.18.03.1976; Urt.v.20,02.1986 jew.aaO.) die Erhebung einer Feststellungsklage für entbehrlich gehalten hat stellt dieses Ergebnis nicht in Frage. In beiden Fällen ging es allein darum, in welchen Umfang die Verjährung durch eine Kostenvorschussklage nach § 209 Abs. 1 BGB a. F. unterbrochen wird. Der Bundesgerichtshof führte dazu aus, dass der Vorschussanspruch als eine Einheit aufzufassen sei und mit der Erhebung der Klage insgesamt rechtshängig werde. Die dadurch bewirkte Unterbrechung der Verjährung decke deshalb auch eine spätere Erhöhung des Anspruchs ab, ohne dass es dazu einer gesonderten Feststellungsklage bedürfe. Zugleich wurde aber auch ausdrücklich klar gestellt, dass eine Feststellungsklage des Bestellers dadurch nicht unzulässig werde. Ein rechtliches Interesse für eine neben einer Leistungsklage erhobene Feststellungsklage sei immer schon dann gegeben, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfang durch den Antrag auf Zahlung erfasst werde. Ein Besteller, der nicht zu überblicken vermag, ob der von ihm verlangte Vorschuss für die Mängelbeseitigung ausreicht, könne deshalb nicht gehindert werden, ergänzend die den Vorschuss übersteigende Kostentragungspflicht des Unternehmers feststellen zu lassen, auch wenn dies für die Unterbrechung der Verjährung unnötig erscheine.

Diese Entscheidungen lassen keinen Rückschluss zu, dass nach einem rechtskräftigen Vorschussurteil auch nicht ausgeurteilte Anspruchsteile als rechtskräftig festgestellt zu gelten haben und nun der Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterfallen. Der ausdrückliche Hinweis auf die fortbestehende Zulässigkeit einer Feststellungsklage und die Bezugnahme auf die Rechtslage bei noch nicht abschließend bezifferbaren Schadensersatzansprüchen legen vielmehr die Annahme nahe, dass der Bundesgerichtshof nur den in diesen Fällen typischerweise drohenden Rechtsverlust durch Verjährung (vgl. BGH Beschluss vom 04.04.1952 NJW 1952, 740) im Auge hatte. Wäre der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass ein Vorschussurteil auch die rechtskräftige Feststellung der Ersatzvornahmevoraussetzungen beinhalte, wären seine Ausführungen zu der fortbestehenden Zulässigkeit einer Feststellungsklage überflüssig.

Es bleibt damit bei der vertraglich vereinbarten Verjährungsfrist sodass dem geltend gemachten Klageanspruch die erhobene Einrede der Verjährung wirksam entgegensteht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Zu ihr werden abweichende Ansichten vertreten ( vgl. Kniffka aaO. mwN.). Durch die zum 01. Januar 2002 erfolgte Änderung des Verjährungsrechtes hat sich die Problemlage verschärft, weil die Vorschussklage nur noch zu einer Hemmung der Verjährung führt ( § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F.) und die Verjährungsfrist nicht mehr, wie nach altem Recht ( §§ 209 Abs. 1, 211 Abs. 1, 217 BGB a. F.), mit der Rechtskraft des Vorschussurteils neu in Lauf gesetzt wird.

Ende der Entscheidung

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