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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 11.06.2002
Aktenzeichen: 1 U 3939/01
Rechtsgebiete: BGB, StGB, GG


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 10044
StGB § 186
GG Art. 5
1. Der Vorwurf nicht artgerechter Tierhaltung steht unter dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG und ist nicht als Tatsachenbehauptung einzustufen.

2. Für die Forderung auf Herausgabe von Bild- und/oder Filmmaterial, mit dem über die Tierhaltung berichtet worden ist, steht dem Kritisierten keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

1 U 3939/01

Verkündet am 11. Juni 2002

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.4.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 23.10.2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.400,- Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluß:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.500,- Euro (Klageantrag I: 15.000,- EUR Klageantrag II: 2.500,- EUR) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Unterlassung der Behauptung nicht artgerechter Haltung von Enten sowie im Wege einer Stufenklage Auskunft über den Verbleib und Herausgabe von Bild- und/oder Filmmaterial.

Auf die Darstellung des unstreitigen Sachverhaltes, des streitigen Parteivortrages erster Instanz sowie der in erster Instanz gestellten Anträge im Tatbestand des Ersturteils wird Bezug genommen.

Das Landgericht Amberg hat die Klage abgewiesen.

Das Landgericht führt aus, daß es sich bei dem Begriff "artgerecht" nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine von Art. 5 GG gedeckte Meinungsäußerung handele. Vorliegend trete die Meinungsfreiheit auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik gegenüber dem Persönlichkeitsschutz der Klägerin zurück; vielmehr verfolge der Beklagte das sachliche Anliegen, durch eine öffentliche Diskussion den Gesetzgeber dazu zu veranlassen, zumindest vorläufige Mindeststandards zur Entenmast festzulegen.

Eine allgemeine Auskunftspflicht kenne das BGB nicht. Ein Auskunftsanspruch setze vielmehr vorliegend einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin voraus. Ein Eingriff sei hier zu verneinen, da der Beklagte weder Fotos zu gewerblichen Zwecken rechtswidrig gefertigt, noch gewerblich verbreitet habe.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 25.10.2001 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 22.11.2001 Berufung eingelegt. Am 24.1.2002 - innerhalb der bis einschließlich 25.1.2002 verlängerten Frist - hat sie ihr Rechtsmittel begründet.

Im wesentlichen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag erster Instanz. Insbesondere führt sie aus, daß es sich bei dem Vorwurf nicht artgerechter Tierhaltung um eine dem (Sachverständigen-) Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung und - zudem um eine durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckte Beleidigung und Schmähung handle. Durch die Behauptung werde sie eines rechtswidrigen und tierquälerischen Verhaltens bezichtigt. Anliegen des Beklagten sei nicht eine allgemeine und grundsätzliche Diskussion über Massentierhaltung, sondern die Schädigung gerade ihres Gewerbebetriebes. Entgegen den Behauptungen des Beklagten sei ihre Entenhaltung artgerecht; sie entspreche den gesetzlichen Bestimmungen; dies ergebe sich insbesondere aus dem von ihr als Anlage zum Schriftsatz vom 2.4.2001 vorgelegten Gutachten des Sachverständigen vom 15.12.2000.

Gäbe es - wie vom Beklagten behauptet - Bild-/Filmmaterial, das Teile des Betriebes der Klägerin zeigen würde, und wäre es mit der Behauptung angeblich nicht artgerechter Tierhaltung durch die Klägerin verbreitet worden, bestünde der dringende Verdacht, daß diese Szenen gestellt oder das Bild-/Filmmaterial manipuliert worden sei. In diesem Fall bestehe ein berechtigtes und schützenswertes Interesse ihrerseits an der Auskunftserteilung und Herausgabe des Bild-/Filmmaterials, um die Sach- und Rechtslage prüfen und Schaden abwehren zu können.

Die Klägerin beantragt im zweiten Rechtszug:

I. Das Urteil des LG Amberg vom 23.10.2001 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise für den Fall der Nichtbetreibbarkeit Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorstand, zu unterlassen, die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, die Klägerin würde Enten nicht artgerecht halten.

II. Stufe 1:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, an wen er wann welches Bild- und/oder Filmmaterial mit der Behauptung übergeben hat, das Bild- und/oder Filmmaterial würde den Betrieb der Klägerin bei nicht artgerechter Tierhaltung zeigen, sowie ob der Beklagte noch im Besitz solchen Bild- oder Filmmaterials ist.

Stufe 2:

Der Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit seiner Auskunft an Eidesstatt zu versichern.

Stufe 3:

Der Beklagte wird nach Erfüllung der Stufen 1 und 2 als Besitzer von in Stufe 1 genannten Bild- oder Filmmaterials verurteilt, dieses an die Klägerin vollständig herauszugeben.

Der Beklagte beantragt im zweiten Rechtszug; Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte bleibt bei seinem Standpunkt, daß die Entenhaltung der Klägerin als nicht artgerecht bezeichnet werden müsse. Er weist indes darauf hin, daß die einzelnen am 9.12.2000 protestierenden Mitglieder zunächst nur den Verdacht einer nicht artgerechten Tierhaltung geäußert hätten; zudem lasse der Vortrag der Klägerin eine - insbesondere ihn, d.h. den Beklagten belastende - Zuordnung der in der Tagespresse wiedergegebenen Äußerungen vermissen. Im übrigen weist der Beklagte darauf hin, daß die Klägerin eine Meinungsäußerung bekämpfe, zugleich aber darauf verzichte, gegen Tatsachenbehauptungen vorzugehen, die dieses Urteil stützten.

Wegen der weiteren- Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die schriftlichen Gründe des angefochtenen Urteils sowie auf den Sachvortrag der Parteien und auf die von ihnen übergebenen Schriftstücke Bezug genommen. Die Strafakte 101 Js 6548/01 der Staatsanwaltschaft Amberg hat zu Informationszwecken vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin weder einen Unterlassungsanspruch noch einen Auskunfts-/Herausgabeanspruch zugesprochen.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Behauptung, sie würde Enten nicht artgerecht halten. Der Vorwurf nicht artgerechter Tierhaltung ist nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung einzustufen; er enthält weder eine Formalbeleidigung noch stellt er eine Schmähkritik dar.

Es kann somit dahinstehen, ob sich der Beklagte Äußerungen einiger seiner - zum Teil führenden - Mitglieder während der Demonstration vom 9.12.2000 in zurechnen lassen muß.

a) Die Klägerin kann nicht von dem Beklagten die Unterlassung der Behauptung nicht artgerechter Tierhaltung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Verbreitung unwahrer Tatsachen verlangen (§ 823 Abs. 2, §§ 824, 1004 analog BGB, § 186 StGB): Es fehlt an der Behauptung einer Tatsache.

aa) Die Abgrenzung einer Tatsachenbehauptung von einer Meinungsäußerung kann im Einzelfall schwierig sein.

Tatsachenbehauptungen werden durch eine objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit gekennzeichnet. Sie sind wahr oder unwahr und können mit Mitteln des Beweises überprüft werden (vgl. u.a. BVerfG NJW 96, 1529 f.; BGH NJW 82, 2246; BGHZ 132, 13, 21 = NJW 96, 1131; BGHZ 139, 95, 101 f. = NJW 98, 3047; BGH NJW 2002, 1192 ff.).

Demgegenüber sind Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt; sie werden gekennzeichnet durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens und orientieren sich am jeweiligen von dem sich Äußernden angelegten Wertmaßstab; sie können richtig oder falsch sein, jedoch nicht wahr oder unwahr (BVerfG NJW 96, 1529 f.; BVErfG E 85, 1, 14 f.; BGH NJW 98, 3047 f.; BGH NJW 2002, 1192 f.).

Da Tatsachenbehauptungen und Werturteile nicht selten miteinander verflochten sind - Meinungen fußen häufig auf Tatsachen, Tatsachenbekundungen enden oft in subjektiven Stellungnahmen - bereitet die Abgrenzung immer wieder Schwierigkeiten. Ausgehend vom Gesamtkontext einer Aussage ist entscheidend, ob bei dem Adressaten mit einem Werturteil zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Da der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen ist, ist eine Äußerung in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die in entscheidender Weise und schwerpunktmäßig durch die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt wird, als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG zu stellen (BVerfG E 85, 1, 15 f.; BGH NJW 2002, 1192 f.; BGH NJW 98, 3047 f.; BGH NJW 96, 1131 f.).

bb) Vorliegend hat der Beklagte mit dem Vorwurf nicht artgerechter Entenhaltung eine Meinung geäußert.

(1) Bereits die sprachliche Auslegung spricht für ein Werturteil: "Gerecht" als Ergänzung eines Basiswortes wie in "artgerecht" bedeutet "dem im Basiswort genannten entsprechend, angemessen" (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch). Ob etwas "angemessen" ist oder nicht, unterliegt aber einer subjektiven Beurteilung anhand ausgewählter Kriterien und Maßstäbe und ist einem Beweis nicht zugänglich.

(2) Zwar stehen, hinter dem Werturteil des Beklagten auf den Betrieb der Klägerin bezogene Tatsachenbehauptungen insbesondere zur Besatzdichte, zu den Beleuchtungsverhältnissen sowie zu Auslauf- und Bademöglichkeiten.

Gegen derartige Tatsachenäußerungen - die zum Teil wie zum Beispiel fehlender Freilauf und fehlende Bademöglichkeit unstreitig sind - wendet sich die Klägerin mit ihrer Unterlassungsklage aber gerade nicht; vielmehr greift sie nur die Äußerung nicht artgerechter Tierhaltung an. Hierbei handelt es sich vorrangig und schwerpunktmäßig um ein Werturteil, dessen Gesamtgepräge durch "mitschwingende" Tatsachen nicht entscheidend beeinflußt wird.

(3) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkt, der Vorwurf nicht artgerechter Tierhaltung sei als Vorwurf rechtswidrigen und tierquälerischen Verhaltens zu verstehen.

Zum einen ist der Begriff "nicht artgerecht" weder mit "rechtswidrig" noch mit "tierquälerisch" gleichzusetzen. Eine bestimmte Art der Tierhaltung kann durchaus geltendem Recht nicht zuwiderlaufen und dennoch bei Anlegung streng auf das Wohl der Tiere angelegter Maßstäbe als nicht artgerecht bezeichnet werden. Wiederum abhängig vom angelegten Wertungsmaßstab kann eine nicht artgerechte Tierhaltung tierquälerisch sein; sie muß es aber nicht stets sein.

Zum anderen ist der Vorwurf rechtswidrigen (illegalen) Verhaltens nur dann nicht als Werturteil geschützt, sondern als - unwahre - Tatsachenbehauptung angreifbar, wenn er mit dem Vorhalt konkreter, einem Beweis zugänglicher Vorgänge verbunden ist (vgl. BGH NJW 82, 2246 ff.). Dies ist vorliegend aber gerade nicht der Fall.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß er die vom 8. Senat des OLG Nürnberg im Verfahren 8 U 1652/01 mit Urteil vom 29.11.2001 vertretene Auffassung, der Vorwurf tierquälerischer Mästerei sei als Werturteil, nicht als Tatsachenbehauptung einzustufen, teilt.

Da somit die Äußerung nicht artgerechter Tierhaltung als Werturteil und nicht als Tatsachenbehauptung einzustufen ist, oblag es dem Senat nicht, durch Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen, ob die von der Klägerin betriebene Tierhaltung artgerecht ist oder nicht.

b) Ein Unterlassungsanspruch läßt sich vorliegend auch nicht gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb herleiten.

aa) Zwar genießt auch die Klägerin als juristische Person des Handelsrechts Persönlichkeitsschutz; ihr "Persönlichkeitsrecht" bedeutet Handlungs- insbesondere wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (Palandt/Thomas, BGB, 61. Auflage, § 823 Rn. 181 m.w.N.).

In dieses Recht und das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird durch den Vorwurf nicht artgerechter Tierhaltung eingegriffen.

bb) Indes ist der Eingriff nicht rechtswidrig.

(1) Die Feststellung, daß jemand in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt ist bzw. daß in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen würde, indiziert - anders als bei den in § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannten absoluten Rechten und Rechtsgütern - nicht die Rechtswidrigkeit; notwendig ist vielmehr eine Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände bei besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Palandt/Thomas, a.a.O., § 823, 184 und 19 jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Wird das Persönlichkeitsrecht/Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wie hier durch ein Werturteil/eine Meinungsäußerung beeinträchtigt, so hat der Schutz des Rechtsinhabers grundsätzlich nur dann Vorrang, wenn sich die Äußerung als Formalbeleidigung oder bloße Schmähkritik darstellt (Palandt/Thomas, a.a.O., § 823, 189 b nebst Nachweisen aus der Rechtsprechung; vgl. insbesondere BVerfG E 85, 1, 16; BVerfG NJW 91, 1475 ff.; BGH NJW 94, 124 f.; BGH NJW 2002, 1192, 1193).

(2) Vorliegend hat der Ehrenschutz der Klägerin hinter dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.

Eine Formalbeleidigung liegt ebenso wenig vor wie eine Schmähkritik.

Die Bewertung einer Tierhaltung als nicht artgerecht ist bereits von der Form her sachlich, weder überspitzt noch polemisierend oder persönlich verletzend. Vielmehr wird der Ausdruck, wie die vorgelegten Gutachten und Empfehlungen zeigen, in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung verwendet und durchaus kontrovers diskutiert.

Satzungsmäßiger Zweck des Beklagten ist, die Tierwelt zu schützen und zu bewahren, Tieren in Not zu helfen, die Zerstörung der Lebensgrundlagen von Mensch, Tier und Pflanzen zu verhindern, die Bevölkerung hierüber aufzuklären, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen und die Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet des Tierschutzes zu fördern (sh. § 2 der Satzung des Beklagten, Bl. 68 d.A.). Es ist daher ein besonderes Anliegen des Beklagten, sich aktiv in die schon seit Jahren bestehende Diskussion über die derzeitigen Methoden der Landwirtschaft insbesondere in der Intensivtierhaltung einzuschalten.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß es dem Beklagten nicht um die Diffamierung der Klägerin geht; es ist nicht isolierter Selbstzweck der Aussage, die Klägerin an den Pranger zu stellen. Dabei verkennt der Senat nicht, daß - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - der Beklagte keine grundsätzliche Diskussion über Probleme der Massentierhaltung führt, sondern gerade den Betrieb der Klägerin zum Gegenstand seiner Kritik macht. Der Beklagte hat indes das Unternehmen der Klägerin nicht willkürlich herausgegriffen. Aufgrund des ihm zugespielten Materials hatte er einen konkreten Anlaß, Vorwürfe direkt gegen die Klägerin zu richten. Daß diese Vorwürfe nicht völlig aus der Luft gegriffen und haltlos sind, belegt der Erlaß eines Strafbefehls in dem auf Veranlassung des Beklagten eingeleiteten Strafverfahren 101 Js 6543/01 gegen einen Mitarbeiter der Klägerin. Dieses Argument besteht unabhängig vom eventuellen endgültigen Ausgang des Strafverfahrens. Zudem sind konkrete, repräsentative Beispiele notwendig, sollen tierethische Probleme öffentlichkeitswirksam diskutiert werden. Auf der anderen Seite muß sich die Klägerin, wenn sie sich auf einem gerade in letzter Zeit besonders umstrittenen Gebiet gewerblich betätigt, der öffentlichen Diskussion und Kritik stellen.

Eindeutig im Vordergrund steht somit das Bestreben des Beklagten, Anliegen des Tierschutzes in der Sache zu fördern.

2. Auch ein Anspruch auf Auskunft über den Verbleib von Foto-/Filmmaterial und Herausgabe des Materials steht der Klägerin nicht zu.

a) Der Vortrag der Klägerin zur Art des auszuhändigenden Materials ist vage und teilweise widersprüchlich: Das Material sei rechtswidrig gefertigt worden (Bl. 3 der Klage vom 29.1.2001 = Bl. 3 d.A.); die Bilder würden nicht die Tierhaltung der Klägerin widerspiegeln (Seite 12 des Schriftsatzes vom 2.4.2001 = Bl. 66 d.A. und Seite 36 der Berufungsbegründung vom 23.1.2002 = Bl. 236 d.A.); es bestehe der dringende Verdacht, daß Szenen gestellt und das Bild-/Filmmaterial manipuliert worden sei (Seite 39 der Berufungsbegründung = Bl. 239 d.A.). Letztlich bestreitet die Klägerin den Vortrag des Beklagten, das Material sei ihm zugespielt worden, nicht (vgl. Seite 9 des Ersturteils = Bl. 153 d.A.).

Eine Auslegung des Klageantrags II. unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags ergibt, daß es der Klägerin darum geht, in Zukunft umfassend Vorwürfe des Beklagten, ihre Tierhaltung sei nicht artgerecht, bei gleichzeitiger Vorlage von entsprechendem Bild-/Filmmaterial zu unterbinden.

b) Zweifel bestehen bereits an einer ausreichenden Bestimmtheit des Herausgabeanspruchs:

Der Beklagte soll in Stufe 3 zur Herausgabe des in Stufe 1 genannten Bild-/Filmmaterials - sofern in seinem Besitz - verurteilt werden. In Stufe 1 soll er verpflichtet werden, Auskunft zu erteilen, an welche Dritte er Material mit der Behauptung, das Material zeige den Betrieb der Klägerin bei nicht artgerechter Tierhaltung, übergeben habe, sowie, ob er noch im Besitz von solchem Material sei.

Soweit die Klägerin Auskunft darüber will, welches Material an Dritte weitergereicht wurde - mit der Folge, daß es nicht unter das im Klageantrag II. Stufe 3 geltend gemachte Herausgabeverlangen fällt -, ist das Auskunftsverlangen im Rahmen der Stufenklage unzulässig, weil die Auskunft nicht dem Zweck der Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient, sondern der Klägerin sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen verschaffen soll (vgl. BGH MJW 2000, 1645 ff.). Eine Prüfung unter dem Aspekt eines selbständigen Auskunftsanspruchs erfolgt unter c) aa).

Weiter ist unklar, welches Material letztlich herausgegeben werden soll: Hat der Beklagte nämlich Material mit der Behauptung, es zeige die nicht artgerechte Entenhaltung der Klägerin an Dritte weitergegeben, hat er es nicht mehr im Besitz und kann es nicht mehr herausgeben; die Definition, er habe solches Material herauszugeben, liefe somit leer.

Legt man den Herausgabeantrag der Klägerin dahingehend aus, der Beklagte solle in seinem Besitz befindliches Foto-/Filmmaterial, das den Betrieb der Klägerin bzw. den Betrieb der Klägerin bei angeblich nicht artgerechter Tierhaltung zeige, herausgeben, so ist zweifelhaft, ob ein entsprechend titulierter Herausgabeanspruch, auf den Klageantrag II. letztlich zielt, überhaupt vollstreckungsfähig wäre.

c) Dies kann indes dahingestellt bleiben, denn die Klägerin hat keinen Auskunfts-/Herausgabeanspruch bezüglich sie möglicherweise inkriminierendem Foto-/Filmmaterial,

aa) Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, daß eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht unserer Rechtsordnung fremd ist. Unzulässig ist insbesondere ein Auskunftsverlangen, das darauf gerichtet ist, erst die Voraussetzungen für einen Anspruch zu schaffen. Auskunftsansprüche setzen nach der Rechtsprechung grundsätzlich vielmehr bereits bestehende besondere rechtliche Beziehungen zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten voraus. Solche Beziehungen können sein Verträge oder gesetzliche Schuldverhältnisse, die gesteigerte Verhaltenspflichten oder besondere Schutzpflichten zum Gegenstand haben, und außerdem unerlaubte Handlungen (BGH NJW 81, 1739; BGH NJW 90, 1358 f.).

bb) Indes ist vorliegend der Zusammenhang des in der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsanspruch mit der in dritter Stufe verlangten Herausgabe zu sehen: Hat die Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe des Foto-/Filmmaterials aus unerlaubter Handlung - die hier allein in Betracht käme -, so wird ihr auch ein Anspruch zu erfahren, wo sich das Material derzeit befindet, um ihr Herausgabeverlangen konkretisieren zu können, zuzubilligen sein. Die Voraussetzungen eines Herausgabeanspruchs liegen jedoch nicht vor.

(1) Denkbar sind zwar Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung, Vernichtung und eventuell sogar Herausgabe von Foto-/Filmmaterial, mit dem eine zu unterlassende Äußerung unterlegt wird. Vorliegend fehlt es aber bereits - wie unter 1. ausgeführt - an einer zu untersagenden Äußerung des Beklagten.

(2) Allerdings hätte es der Beklagte zu unterlassen, seine - an sich zulässige - Äußerung nicht artgerechter Tierhaltung mit falschem bzw. manipuliertem Material zu belegen. Ob neben einem in diesem Fall möglicherweise gegebenen vorbeugenden Unterlassungsanspruch ein Anspruch auch auf Vernichtung oder insbesondere Herausgabe des Materials gerichtet sein könnte, kann indes dahinstehen, denn die Klägerin erhebt den Vorwurf möglicherweise falschen bzw. manipulierten Materials ins Blaue hinein.

Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch - hier in der Form eines (wenn überhaupt zulässigen) vorbeugenden Herausgabeanspruchs - setzt die ernsthafte Besorgnis einer künftigen, unmittelbar bevorstehenden und bereits konkret faßbaren Rechtsverletzung voraus; nicht genügend ist die Behauptung einer bloßen Möglichkeit, daß sich die Gefahr eines Eingriffs ergeben könnte (BGHZ 117, 264, 271; NJW 90, 2469 f.).

Die Voraussetzungen für vorbeugende Ansprüche sind vorliegend nicht erfüllt. Weder zeichnet sich eine konkrete zukünftige Verwendung des Materials durch den Beklagten bereits jetzt ab, noch liegen bestimmte Anhaltspunkte dafür vor, daß "falsches" bzw. manipuliertes Material verwendet wurde und/oder verwendet werden soll. So hat es die Klägerin trotz Einsicht in die Strafakten 101 Js 6543/01 Staatsanwaltschaft Amberg am 26.10.2001 (vgl. Bl. 18l der beigezogenen Strafakten) unterlassen, zum Beispiel zu den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vom Beklagten der Polizeistation übergebenen Fotos Stellung zu nehmen und anzumerken, welche Bilder - möglicherweise - gar nicht aus dem Betrieb der Klägerin stammen könnten bzw. - in welcher Form? - manipuliert worden seien.

[3) Ein Verlangen auf Unterlassung der Verwendung bzw. Vernichtung oder eventuell auch Herausgabe des Foto-/Filmmaterials kann weiter unter dem Aspekt erwogen werden, daß der Anspruchsgegner das Material rechtswidrig gefertigt hat und. hierdurch das Eigentum, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt hat.

Ein solcher Anspruch scheitert indes schon daran, daß die Klägerin, nicht bzw. nicht substantiiert behauptet, der Beklagte habe das Bild-/Filmmaterial selbst gefertigt.

(4) Letztlich bleibt ein Anspruch der Klägerin unter dem Aspekt eines Verwertungsverbotes bezüglich des zugespielten Film-/Fotomaterials zu prüfen. Aber auch ein derartiger Anspruch greift nicht.

Das dem Beklagten zugespielte Material kann von einem Dritten unter Verletzung insbesondere des Hausrechts der Klägerin gewonnen worden sein. Möglich ist jedoch auch, daß das Material dem Beklagten von einem Betriebsangehörigen der Klägerin und somit unter Verletzung eventueller vertraglicher Treuepflichten zugänglich gemacht wurde.

In beiden Fällen stellt sich indes bei einer Güter- und Interessenabwägung die Frage nach der Rechtswidrigkeit: Den Rechten der Klägerin insbesondere aus Eigentum und am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stehen auf seiten der Fertiger des Materials und des Beklagten als Verwender das Grundrecht auf Meinungsfreiheit sowie das Interesse der Allgemeinheit, über für die Gemeinschaft wesentliche Fragen umfassend informiert zu werden, gegenüber (vgl. auch die "Wallraff-Entscheidung" des BGH, NJW 81, 1089 ff.). Soweit vorliegend eine abschließende Beurteilung angesichts der wenigen und dünnen Fakten über die Erstellung des Materials überhaupt möglich ist, ist der Senat der Auffassung, daß der Öffentlichkeitswert der mitgeteilten Informationen die grundsätzlich schutzwürdigen Belange der Klägerin deutlich übersteigt.

Bei der Frage der Züchtung und Nutzung von Tieren in Großbetrieben (Intensivtierhaltung) handelt es sich um einen in der Öffentlichkeit viel und kontrovers diskutierten Bereich und damit um eine Frage von wesentlicher öffentlicher Bedeutung. Exemplarisch sei nur auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Hennenhaltungsverordnung hingewiesen (BVerfG NJW 99, 3253 ff.). Der Beklagte ist auch als gemeinnütziger Verein, der Fragen der Tierethik und des Tierschutzes zu seinem Betätigungsgegenstand gemacht hat und machen durfte, für die Problematik besonders legitimiert. Auf der anderen Seite muß gerade die Klägerin als Großproduzent von Entenfleisch auf die öffentliche Diskussion des Für und Wider ihrer Tierhaltung eingestellt sein. Da besonders verwerfliche Umstände bei der Anfertigung des Bild-/Filmmaterials nicht ersichtlich sind, die unter Umständen eine andere Bewertung rechtfertigen würden, ist im vorliegenden Zusammenhang ein Verbot der Verwertung des dem Beklagten zugespielten Materials zu verneinen.

Somit steht der Klägerin auch unter dem Aspekt eines eventuellen Verwertungsverbotes ein vorbeugender Abwehranspruch nicht zu: Ausreichend bestimmte Anhaltspunkte für eine konkret sich abzeichnende rechtswidrige Wieder-/Erstverwendung von Bild-/Filmmaterial sind jedenfalls derzeit nicht gegeben. Vielmehr läuft das Auskunfts- und Herausgabebegehren der Klägerin auf eine - unzulässige - Ausforschung des Beklagten hinaus: Der Klägerin geht es vorrangig darum, das Material aus dem Besitz des Beklagten in ihren Besitz zu bringen, um es erst dann auf die äußerst vage Vermutung hin, es stamme nicht aus ihrem Betrieb bzw. sei manipuliert, zu überprüfen.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO zugrunde.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 12 Abs. 2 GKG.

III.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Vorliegend werden anerkannte Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf einen konkreten Fall angewendet.

Ende der Entscheidung

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