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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 248/07 H
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 121 | |
StPO § 122 |
1 Ws 248/07 H
Nürnberg, den 24. April 2007
In dem Ermittlungsverfahren
wegen versuchten Mordes u.a.,
hier: Haftprüfung gemäß § 121, 122 StPO,
erlässt der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschuldigten ... wird angeordnet.
II. Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen..
Gründe:
Der Beschuldigte befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Fürth vom 15.07.2006 wegen dringenden Verdachts des versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung seit 15.07.2006 in Untersuchungshaft.
Das Oberlandesgericht hat bereits mit Beschluss vom 26 01.2007 über die Fortdauer der Untersuchungshaft entschieden. Diesen Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 29.03.2007 2 BvR 489/07 aufgehoben. Deshalb ist erneut über die Fortdauer der Untersuchungshaft gemäß §§ 121,122 StPO zu entscheiden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Untersuchungshaft nunmehr über neun Monate andauert. Das Amtsgericht Fürth hat mit Beschluss vom 11.01.2007 die Haftfortdauer für erforderlich gehalten; die Staatsanwaltschaft hält ebenfalls die Haftfortdauer für erforderlich.
Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist anzuordnen.
Der Beschuldigte ist des im genannten Haftbefehl umschriebenen strafrechtlichen Sachverhalts dringend verdächtig. Der Beschuldigte war ebenso wie der Zeuge ... in den 80er Jahren aus ... in die damalige DDR gekommen; nach der Wiedervereinigung waren sie nach Fürth gezogen. Im Februar/März 2006 hatte der Beschuldigte dem Zeugen und dessen Frau auf Bitte des Zeugen gestattet, während Renovierungsarbeiten in der Wohnung des Zeugen die Dusche beim Beschuldigten zu nutzen. Danach war es wiederholt zu Sachbeschädigungshandlungen gegen die Eheleute ... gekommen. Dem Beschuldigten liegt zur Last, am 13.07.2006 nachts an einer Tankstelle 0,9 Liter Benzin gekauft zu haben, die er in eine mitgebrachte Kunststoffflasche füllte, und dann dieses Benzin im Treppenhaus vor der Wohnungstür der Familie ... ausgeschüttet zu haben und das Benzin in Brand gesetzt zu haben. Da das Treppenhaus aus Holz gefertigt war, besteht weiter dringender Verdacht, dass der Beschuldigte eine für die Familie ... tödliche Ausbreitung erwartete und herbeiführen wollte und dass er auch den Tod anderer Hausbewohner billigend in Kauf nahm. Am 14.07.2006 erklärte der Beschuldigte hierzu bei der Polizei, das Ehepaar habe in seinem Bad afrikanische Tradition gemacht (Zauber), so dass er nicht mehr habe schlafen können, schlechte Träume und Ohrenschmerzen gehabt habe. Demgegenüber meint der Zeuge ... das Motiv könne Eifersucht (oder Neid) gewesen sein.
Wegen weiterer Einzelheiten des Tatgeschehens, der rechtlichen Qualifizierung der Sachverhalts und der Beweismittel wird auf den Haftbefehl, den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 04.09.2006 über die Verwerfung einer Haftbeschwerde und den Schlussbericht der Kriminalpolizeiinspektion Fürth vom 0103.2007 Bezug genommen.
Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte muss damit rechnen, dass er wegen der ihm zur Last gelegten Straftat zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wird und diese Strafe verbüßen muss. Daraus ergibt sich für ihn ein erheblicher Anreiz, sich dem Strafverfahren zu entziehen.
Die sozialen Bindungen des geschiedenen Beschuldigten können die Fluchtgefahr nicht hinlänglich mindern. Die Ihm zur Last liegende Tat, für die ein reales Motiv nicht ersichtlich ist, lässt auch unbeherrschte und maßlose Reaktionen auf das Verfahren, insbesondere Flucht oder Untertauchen besorgen. Er stammt aus ... hat dieses Land noch im Jahr 2000 oder 2001 besucht (Aussage des Zeugen ... ) und könnte dorthin fliehen. Darüber hinaus ist der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO gegeben, weil ein Verbrechen wider das Leben den Gegenstand des Verfahrens bildet und Fluchtgefahr bei der hohen Straferwartung nicht ausgeschlossen werden kann (vielmehr zu bejahen ist). Nach Sachlage kann der Haftzweck, der auch der Sicherung der Strafvollstreckung dient, nur durch Haftfortdauer erreicht werden; weniger einschneidende Maßnahmen (§ 116 StPO) reichen nicht aus.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird durch die Haftentscheidung nicht in Frage gestellt (§ 120 Abs. 1 S. 1 StPO), auch wenn die bisherige Gesamtdauer der Untersuchungshaft von etwa neun Monaten berücksichtigt wird.
Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist gerechtfertigt, weil ein wichtiger Grund i. S. v. § 121 Abs. 1 StPO ein Urteil noch nicht zugelassen hat und die Fortdauer der Haft rechtfertigt. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist nicht verletzt.
1. Der Umfang der bis zur Entscheidung über die Anklageerhebung notwendigen Ermittlungen bestimmt sich zum einen nach dem Gegenstand des Verfahrens, zum andern nach dem Zweck der Anklageschrift. Diese soll dem Gericht die Entscheidung über die Eröffnung ermöglichen, auch wenn im Einzelfall das Gericht noch zusätzliche Ermittlungen anordnen kann. Da mit dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugleich die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird (§ 207 Abs. 1 StPO), müssen die Ermittlungen grundsätzlich soweit geführt werden, dass anschließend die Hauptverhandlung terminiert und - außer bei nicht absehbaren Entwicklungen - ohne Aussetzung durchgeführt werden kann. Im Einzelfall kann dann das Beschleunigungsgebot dazu führen, dass insoweit Risiken in Kauf genommen werden, oder dass einzelne Punkte, die den hinreichenden Tatverdacht nicht grundsätzlich in Frage stellen, erst nach Anklageerhebung geklärt werden. In der Regel wird die größtmögliche Beschleunigung auf die Gesamtdauer des Verfahrens bis zum Urteil gerechnet dann herbeigeführt, wenn bereits bis zu Anklageerhebung, spätestens bis zur Entscheidung über die Eröffnung, die Punkte vorbereitend geklärt werden, über die dann in der Hauptverhandlung Beweis zu erheben sein wird. Dabei ist angesichts der Schwierigkeit einer Prognose, was die größere Beschleunigung zur Folge hat, den mit der Sache vertrauten Ermittlungsbehörden ein erheblicher Spielraum für die Wahl der Vorgehensweise zuzubilligen.
2. Hier liegt dem Beschuldigten ... versuchter Mord (wegen der Arglosigkeit der Opfer) mit schwerer Brandstiftung zur Last. Als Motiv gab der Beschuldigte seinen Verdacht an, dass das Ehepaar ... einen Zauber ausgeübt habe.
Damit waren zum einen Ermittlungen zum Brand, dessen Ursache, dessen tatsächliche Auswirkungen und den Auswirkungen notwendig, die er gehabt hätte, wenn Frau ... den Brand nicht noch wahrgenommen hätte. Die Holztreppe, aber auch Türstock und Türblatt der Wohnungstür ... hatten bereits Feuer gefangen, und toxische Gase waren auch schon in den Wohnbereich der Familie eingedrungen. In der Wohnung ist durch die Hitze des Brandes ein Innenrollo am Fenster geschmolzen. Zum andern war neben der polizeilichen Vernehmung der Hausbewohner zu den Beobachtungen in der Tatnacht eine Aufklärung der Vorgeschichte notwendig.
Darüber hinaus hatten die Ermittlungen durch Klärung des Tatablaufs sowie der Vorgeschichte und von Umständen zur Person des Täters eine zuverlässige Grundlage für ein psychiatrisches Gutachten zu schaffen, das auf die entsprechenden Anknüpfungstatsachen angewiesen ist und darum in der Regel und so auch hier erst nach Abschluss der Ermittlungen erstattet werden kann.
a. Zur Befragung der Vielzahl der heranzuziehhenden Zeugen wurden neben de Sachbearbeiter KOK ... sechs weitere Beamte eingesetzt, KHKin ..., KHK ..., KK ..., KOK ..., KOK..., und KOK ... Das war zur Beweissicherung (Vernehmungen zeitnah zur Tat) und raschen Gewinnung eines vorläufigen Gesamtbildes geboten, auch wenn es für später erheblichen zusätzlichen Aufwand bedeutete, weil der Sachbearbeiter viele Vernehmungen nicht selbst geführt hatte.
b. Die Frage der Klärung des objektiven Ausmaßes des Brandes und der Gefahr für die Bewohner konnte rasch vorangebracht werden (vgl. die Aussage des Einsatzleiters der Feuerwehr als sachverständigen Zeugen vom 20.07.2006).
c. Ursprünglich hatte der Beschuldigte die Tat abgestritten, nach Vorhalt der Videoaufzeichnung von seinem Benzinkauf das Inbrandsetzen des Benzins eingeräumt, jedoch erklärt, er habe ... nur erschrecken wollen. Am 25.07.2006 erklärte er dem Sachbearbeiter, er habe mit der Sache nichts zu tun. Mit Schriftsatz vom 11.08.2006 hat dann der Verteidiger geltend gemacht, die polizeiliche Vernehmung sei nicht verwertbar. Zur belastenden Videoaufnahme von der Tankstelle ist auf die Reaktion eines der die Aufnahme am 06.09.2006 in Augenschein nehmenden Verteidigers zu verweisen (Aktenvermerk vom 06.09.2006). Es ist zwar richtig, dass beim gegenwärtiger Stand ein Verwertungsverbot für das Geständnis nicht anzunehmen ist (vgl. den oben zitierten Beschluss der Strafkammer). Das bedeutet aber nicht, dass die Verteidigung daran gehindert ist, die Glaubwürdigkeit des frühzeitig widerrufenen Geständnisses anzugreifen, auch wenn es durch Vernehmung des Polizeibeamten in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann. Nach der bisherigen Verteidigungsstrategie musste und muss vielmehr mit Beweisanträgen auch noch in der Hauptverhandlung gerechnet werden, die sich gegen eine Feststellung der Täterschaft des Beschuldigten richten. Ihnen würde - von Ausnahmefällen abgesehen - nicht entgegengehalten werden können, das Gericht glaube schon dem Geständnis. Damit waren weitere Ermittlungen dringend veranlasst, die auf eine Klärung der Täterschaft des Beschuldigten durch objektive Nachweise abzielten.
Demgegenüber geht der Beschluss des OLG Hamm vom 17.07.2006 (abgedruckt bei Paeffgen NStZ 2007,79,80) von nicht widerrufenen Geständnissen vor dem Richter bei einfacher Sachlage aus.
d. Die Kriminalpolizei hatte bereits mit Schreiben vom 20.07.2006 einen Untersuchungsantrag zur Klärung objektiver Nachweise für die Täterschaft des Beschuldigten in Auftrag gegeben, was auch damals trotz des Geständnisses veranlasst war. Das Gutachten wurde unter dem 05.09.2006 erstellt.
Ergänzende Untersuchungsaufträge an das BLKA wurden nach dem Widerruf des Geständnisses am 24.08.2006 bzw. 28.08.2006 erteilt. Die Auswertung des PC des Beschuldigten war ebenfalls notwendig. Die geschiedene Ehefrau des Beschuldigten wurde am 26.10.2006 an ihrem Wohnort von der Kriminalpolizei Gera vernommen.
Die weiteren Gutachten stammen vom 18.10. und 14.11.2006. Das Gutachten vom 14.11.2006 ging am 21.11.2006 bei der Kriminalpolizei ein. Es erbrachte keine Übereinstimmung des Materials zwischen dem in der Kunststoffflasche am Tatort gefundenen Textilstreifen und Textilien aus der Wohnung des Beschuldigten.
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Auch wenn die Kriminalpolizei nunmehr weitere Ermittlungen als sinnlos angesehen und sich auf die Auswertung der bisherigen Erkenntnisse beschränkt hätte und auch wenn die Staatsanwaltschaft auf das - in Wirklichkeit unerlässliche - psychiatrische Gutachten verzichtet hätte, hätte die Hauptverhandlung nicht mehr innerhalb der Sechsmonatsfrist - bis 14.01.2007 - durchgeführt werden können. Denn für die abschließende Sichtung und Auswertung durch den polizeilichen Sachbearbeiter, an deren Ende die schriftliche Formulierung des Schlussberichts steht, dann die Überprüfung durch den Staatsanwalt mit Fertigung der Anklage und schließlich die Vorbereitung der Eröffnung durch das Gericht und "seine Arbeit" an der Terminierung ist angesichts der Umstände des Falles und des Aktenumfangs ein hoher, ganz erheblich über den Endpunkt der Frist hinausreichender Zeitaufwand zu veranschlagen.
3. Die Kriminalpolizei, die ursprünglich den Abschluss der Ermittlungen nach Vorliegen des letzten Gutachtens des BLKA geplant hatte, wollte jedoch, da der erwartete objektive Nachweis ausgeblieben war, die schon seit längerem angestrebte Vernehmung des Zeugen ... noch mitverwerten können (vgl. Stellungnahme des Sachbearbeiters KHK ... vom 16.04.2006). Der Zeuge ... ebenfalls ... hatte in seiner Aussage vom 14.08.2006 angegeben, er kenne den Beschuldigten nur flüchtig; dieser sei ein Einzelgänger. Über seine Glaubensvorstellungen wisse er nichts. Er wisse jedoch, dass sich dieser von einem anderen Landsmann, ... (er gab die Schreibweise falsch an), Geld geliehen und zunächst grundlos die Rückzahlung verweigert habe. Der Sachbearbeiter erwartete sich von diesem offenbar näher mit dem Beschuldigten bekannten ... wertvolle Informationen zu dessen Person und Gedankenwelt .Die Ermittlungen, wo man den Zeugen erreichen könne, nahmen erhebliche Zeit in Anspruch. Anfang 2007 konnte ihm schließlich eine Vorladung gesandt werden, die er aber nicht befolgte. Nach Ermittlung seines Arbeitsplatzes konnte er dort am 20.02.2007 vernommen werden.
Die Vernehmung ergab weder Aufschlüsse über etwaige abergläubische Vorstellungen des Beschuldigten noch über Wahnideen oder Aggressionen.
In der Zwischenzeit war die abschließende Bearbeitung des Falles - die auch ohne diese Nachforschungen einen erheblichen Zeitaufwand erfordert hätten - so weit gediehen, dass der Schlussbericht zum 01.03.2007 fertig gestellt werden konnte. Die Staatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 16.03.2006 ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit gemäß §§ 20,21 StGB und einer etwaigen Unterbringung gemäß §§ 63,64 StGB in Auftrag gegeben; der Sachverständige ... hat das Gutachten für ca. 15.05.2007 in Aussicht gestellt. Wie der sachbearbeitende Staatsanwalt erklärt hat, wird parallel hierzu an der Abschlussverfügung gearbeitet werden können.
4. Eine längere Unterbrechung der Ermittlungshandlungen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts S. 12: schon mehrere Wochen können genügen) ist nicht ersichtlich. Jedoch kann eine Verzögerung auch in nur schleppender Bearbeitung statt der in Haftsachen gebotenen zügigen Bearbeitung, etwa wegen ungenügenden Personaleinsatzes, oder in verfehlter Planung der Ermittlungen, etwa wegen überflüssiger Ermittlungen oder Verzichts auf gebotene Beschleunigungsmöglichkeiten, bestehen. Andererseits bedeutet nicht schon jede Vorgehensweise, für die es objektiv betrachtet eine bessere Alternative gegeben hätte, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots.
Dabei ist der Verfahrensgang weiterhin nach dem oben unter 1 genannten Ziel des Ermittlungsverfahrens und nach den unter 2 zum Teil bereits genannten Umständen und Besonderheiten des konkreten Falles zu bewerten.
a. Ein reales Motiv für die Tat ist trotz der Vermutung des Zeugen ... nicht zu erkennen. Damit behalfen die eigenen Angaben des Beschuldigten hierzu, die er bei der Polizei gemacht hat, eine zentrale Bedeutung. Sie werfen die Frage auf, ob abergläubische Vorstellungen eine entscheidende Mitursache der zur Tat führenden psychischen Dynamik waren oder ob beispielsweise eine Psychose zu Grunde liegt, die zur Aufnahme solcher Vorstellungen führte. Da der Beschuldigte bisher unauffällig war und eine entsprechende Krankheitsvorgeschichte nicht bekannt ist, war es besonders wichtig, für die Arbeit des Gutachters Anhaltspunkte aus dem Umfeld des Beschuldigten zu gewinnen. Hier lag nahe, den Zeugen ... zu vernehmen, da er Landsmann des Beschuldigten war und mit ihm bereits einen ernsthaften Konflikt gehabt hatte. Deshalb war es berechtigt, dass der Sachbearbeiter die Suche nach dem Zeugen fortsetzte; dass sie derart lange dauern wurde, war dabei zunächst nicht abzusehen.
b. Soweit er als Erschwernis auf seinen Einsatz in anderen Verfahren verweist, ist zu bemerken: Es ist zwar richtig, dass der Staat die Polizei ebenso wie die Gerichte mit den persönlichen und sachlichen Mitteln ausstatten muss, die zur ordnungsgemäßen Bewältigung der anfallenden Arbeit erforderlich sind (so bereits BVerfGE 36,264,274). Das bedeutet aber nicht, dass für jeden neuen Haftfall jemand bereit stehen muss, der sich bis zum Abschluss allein diesem Fall widmen kann. Das zu erfüllen wäre unmöglich, und eine solche Forderung würde den von der Verfassung dem Staat gegebenen Auftrag, Straftaten zu verfolgen und die Bürger zu schützen, undurchführbar machen. Vielmehr wird eine Ausstattung gefordert, die ein zügiges Bearbeiten der anstehenden Fälle mit Ineinandergreifen der einzelnen Sachbearbeitungen bei sachgerechtem und flexiblem Einsatz der Kräfte ermöglicht. Wie zu Beginn der Ermittlungen der Sachbearbeiter zur Beweissicherung und Gewinnung eines Überblicks eine Vielzahl anderer Kriminalbeamter hinzuziehen konnte (die Tätigkeit des Erkennungsdienstes kommt noch hinzu) und in Kürze eine Vielzahl von Daten aufgenommen werden musste, muss später ein ruhiges, sorgfältiges Durcharbeiten der gewonnenen Daten mit Zeit zum Überlegen und Planen und etwaigen zusätzlichen Ermittlungen zugebilligt werden, und der Sachbearbeiter muss, wie er hier weitere Beamte hinzuziehen konnte, erforderlichenfalls wegen der gebotenen Zusammenarbeit und des gebotenen Ineinandergreifens der anstehenden Sachbearbeitungen umgekehrt auch in anderen Fällen tätig sein können.
Die Planung, wie die verschiedenen anhängigen Fälle so neben- und nacheinander bearbeitet werden können, dass die eingesetzten Kräfte möglichst effektiv genutzt werden und in einer Gesamtbetrachtung die Haftsachen beschleunigt und doch zugleich mit solidem Ermittlungsergebnis gefördert werden können, ohne dass der Einsatz für die Haftsachen auch in Nichthaftsachen notwendige Eilmaßnahmen, z B. Durchsuchungen, verhindern und bei ihnen unverhältnismäßige Verzögerungen verursachen darf, erfordert genaue Kenntnis der einzelnen Ermittlungsaufgaben einschließlich der für die Bewertung notwendigen Einzelheiten und dazu der besonderen Befähigungen der einsetzbaren Personen sowie eine große praktische Erfahrung. Der Senat sieht keinen Anlass, die Erforderlichkeit des Einsatzes des Sachbearbeiters in anderen Fällen anzuzweifeln und deshalb hierzu im vorliegenden Fall eine zusätzliche Dokumentation anzufordern.
c. Die Verteidigung verweist im Schriftsatz vom 20.04.2007 auf die lange Zeit, die es gedauert hat, bis der Zeuge ... schließlich vernommen wurde (Ersterwähnung durch den Zeugen ... am 14.08.2006, Vernehmung am 20.02.2007). Dieser lange Zeitraum erklärt sich durch das Zusammenwirken und die Aufeinanderfolge einer Reihe von Umständen, die der Sachbearbeiter in seiner Stellungnahme geschildert hat und die in ihrer Verkettung nicht voraussehbar waren.
d. Die Verteidigung verweist weiter darauf, dass die Notwendigkeit eines psychiatrischen Gutachtens sofort erkennbar war. Das trifft zu (oben 2 vor a). Wie oben bereits festgehalten, ist der Sachverständige auf die entsprechenden Anknüpfungstatsachen angewiesen; er muss deshalb wissen, von welchem Ermittlungsergebnis er diesbezüglich auszugehen hat. Darum war es geboten, vorher den Schlussbericht, also das nach Einschätzung der Kriminalpolizei zutreffende und vollständige Ergebnis der Ermittlungen zu erarbeiten, das nach Überprüfung durch den Staatsanwalt als Grundlage für den Gutachtensauftrag gelten kann, auch wenn der Sachverständige den Akteninhalt selbst noch einmal kritisch prüft.
e. Der Sachbearbeiter hätte zwar trotz der Suche nach dem Zeugen ... die Fertigstellung des Schlussberichts vorziehen können. Doch auch hier ist dem ermittelnden Kriminalbeamten ein erheblicher Spielraum zuzubilligen (vgl. oben 1 am Schluss); die Arbeit am Ermittlungsabschluss wurde dabei von ihm fortgeführt und nicht auf die Zeit nach dem Ermittlungsabschluss verschoben.
Im Nachhinein - im Wissen, wie die Sache weitergelaufen ist und welche Verwicklungen eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass der Schlussbericht erst am 01.03.2007 fertig gestellt war - kann man zwar zum Ergebnis kommen, dass es besser gewesen wäre, entweder die Suche nach dem Zeugen mit größerem Aufwand zu betreiben als ihn die Stellungnahme ergibt oder nach dem Eingang des letzten Gutachtens des BLKA die Fertigung des Schlussberichts vorzuziehen, so dass man dem Sachverständigen die Aussage des Zeugen, sobald sie vorlag, nachgereicht hätte. Trotzdem hätte sich nach der Erfahrung des Senats auch dann noch ein ganz erheblicher Zeitaufwand ergeben (vgl. vorstehende, am Ende). Ein späteres Umsteuern hätte bereits geringere Vorteile gebracht, und die Möglichkeit, den Zeugen zu vernehmen, lag dann greifbar nahe.
Die Entscheidungen können aber stets nur ausgehend vom jeweils vorhandenen Wissensstand getroffen werden. Die Vorgehensweise des Sachbearbeiters, die Ermittlungen zunächst insgesamt abzuschließen, kann deshalb auch unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen, die das Beschleunigungsgebot stellt, nicht beanstandet werden.
Für die Zukunft ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in Fällen, in denen sich eine deutliche Verzögerung des Ermittlungsabschlusses durch unvorhergesehene Umstände abzeichnet, möglichst umgehend mit dem Staatsanwalt Rücksprache zu nehmen ist, damit dieser gegebenenfalls eine andere Weisung erteilen kann, wenn er das für sinnvoll hält.
Die Übertragung der Haftprüfung beruht auf § 122 Abs. 3 S. 3 StPO.
Ende der Entscheidung
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