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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.10.2003
Aktenzeichen: 10 UF 2204/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1610 Abs. 1
BGB § 1610 Abs. 2
Besucht ein Kind einen Ganztagskindergarten, um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, können die hierfür anfallenden Kosten nur beim erwerbstätigen Elternteil, nicht aber beim Kind bedarfserhöhend eingestellt werden. Dies gilt in der Regel auch für die darin enthaltenen Kosten einer nur halbtägigen - üblichen - Kindergartenbetreuung, jedenfalls dann, wenn der Kindesunterhalt nach Gruppe 6 und höher der Düsseldorfer Tabelle bezahlt wird.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

10 UF 2204/03

In der Familiensache

hat der 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Söllner als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht Weikl und Müller aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 3.6.2003, Az. 205 F 387/03, abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 654,80 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am 25.6.1998 geborene Kläger ist der eheliche Sohn des Beklagten.

Die Ehe der Eltern ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 17.12.2002, rechtskräftig seit 31.1.2003, geschieden worden. Zugleich ist der Mutter die alleinige elterliche Sorge für den Kläger übertragen worden.

Der Kläger wohnt bei der Mutter. Seit September 2001 besucht er an 5 Tagen in der Woche den Kindergarten. Die Regelbetreuung läuft von 7.15 Uhr bis 16.30 Uhr.

Die Mutter ist zur Zeit an 3 Tagen in der Woche berufstätig; sie strebt die Ausweitung auf 4 Tage an.

Der Beklagte hat sich mit Vergleich vom 1.8.2001 (Az. 5 F 1101/01 Amtsgericht Regensburg) zur Zahlung von 135 % des Regelbetrages abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes an den Kläger verpflichtet. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hat er "Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 184,00 EUR gezahlt.

Der Kläger hat mit der Klage vom Beklagten darüberhinaus die Zahlung des Kindergartenbeitrages in Höhe von monatlich 130,38 EUR ab November 2002 verlangt.

Diesem Begehren ist der Beklagte unter Berufung auf fehlende Leistungsfähigkeit entgegengetreten.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Regensburg hat mit Urteil vom 3.6.2003 den Beklagten zur Zahlung eines Rückstandes von 164,00 EUR und eines monatlichen Kindergartenbeitrages in Höhe von 40,90 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus ab 1.3.2003 verurteilt.

Das Amtsgericht hat den Kindergartenbeitrag in Höhe des Grundbeitrages von 81,81 EUR als Mehrbedarf des Klägers anerkannt und den Rest (40,93 EUR für Essen; 5,11 EUR für Getränke; 2,56 EUR für Bettwäsche) als durch die Zahlung des Elementarunterhalts abgegolten angesehen. Es ist ferner davon ausgegangen, dass der Beklagte und die Mutter den Mehrbedarf des Klägers je zur Hälfte zu übernehmen haben. Die Leistungsfähigkeit beider hat es bejaht, wobei es auf Seiten des Beklagten ein monatliches Nettoeinkommen von 1.777,00 EUR und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten von monatlich 902,00 EUR sowie auf Seiten der Mutter ein monatliches Nettoeinkommen von 1.125,00 EUR zugrundegelegt hat.

Gegen das am 11.6.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch ein am 10.7.2003 beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangenes Faxschreiben seines Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt, die mit Faxschreiben seines Prozessbevollmächtigten, eingegangen beim Oberlandesgericht Nürnberg am 6.8.2003, begründet worden ist.

Der Beklagte erstrebt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung, die Abweisung der Klage.

Er macht weiterhin fehlende Leistungsfähigkeit geltend.

Er rügt, dass das Amtsgericht bei ihm von dem einen am 27.11.2002 geschlossenen Vergleich zum Trennungsunterhalt zugrundegelegten monatlichen Nettoeinkommen von 1.777,00 EUR ausgegangen sei.

Zwar sei er der gerichtlichen Anordnung vom 8.4.2003 zur Vorlage der Jahresbescheinigung für 2002 nicht rechtzeitig nachgekommen. Aus den mit Schriftsatz vom 4.4.2003 vorgelegten Anlagen hätte das Amtsgericht jedoch ein unterhaltsrelevantes Einkommen ermitteln können, das deutlich niedriger als das zugrundegelegte sei.

Zudem habe das Amtsgericht die von ihm im Jahre 2003 an seine geschiedene Ehefrau geleisteten Steuererstattungen in Höhe von 1.332,53 EUR nicht berücksichtigt.

Im Termin am 6.10.2003. hat der Beklagte sein Begehren zusätzlich auf die vom Senat vertretene Auffassung, dass der vorliegende Mehrbedarf nur bei einem eventuellen Bedarf der Mutter zu berücksichtigen sei, gestützt.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Er hält die Berufungsbegründung für unzureichend. Nach seiner Auffassung hat der Beklagte keine Berufungsgründe i.S.d. § 513 ZPO dargetan.

Im übrigen sieht er das Ersturteil als zutreffend an. Auf sein erstinstanzliches Vorbringen nimmt er ergänzend Bezug.

Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).

Der Beklagte legt hinreichend dar, aus welchen Gründen das Erstgericht nach seiner Auffassung zu Unrecht von seiner uneingeschränkten Leistungsfähigkeit ausgegangen ist. Ob das Vorbringen geeignet ist, diese Annahme zu rechtfertigen, ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels.

2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht nämlich der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Der Kindergartenbeitrag stellt keinen vom Beklagten nach § 1610 BGB zu tragenden Mehrbedarf des Klägers dar.

Ob es sich bei Kosten für die anderweitige Betreuung eines Kindes durch Dritte um (zusätzlichen) Bedarf des Kindes oder um berufsbedingte Aufwendungen des sorgeberechtigten erwerbstätigen Elternteils handelt, ist danach zu beurteilen, aus welchen Gründen der Sorgeberechtigte einen Dritten zur Betreuung heranzieht.

Stehen zum Beispiel pädagogische Gründe im Vordergrund, ist von einem (Mehr)bedarf des Kindes auszugehen; fallen die Kosten hingegen an, um den betreuenden Elternteil eine Berufstätigkeit zu ermöglichen, liegen berufsbedingte Aufwendungen dieses Elternteils vor (vgl. Gerhardt in FA-FamR, 4. Aufl., 6. Kap., Rn. 153).

Diese Differenzierung führt im vorliegenden Fall zur Annahme eines Mehrbedarfs der Mutter. Auch wenn der Besuch des Kindergartens im allgemeinen als erzieherisch wertvoll anzusehen ist, bedeutet dies nicht, dass die dadurch anfallenden Kosten zwingend dem angemessenen Unterhalt des Kindes zuzurechnen sind. Steht eindeutig im Vordergrund, dass das Kind von dem die Fürsorge wahrnehmenden Elternteil im eigenen Interesse in einen Ganztagskindergarten gegeben wird, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, stellen sich die diesbezüglichen Kosten als Erwerbsaufwand dieses Elternteils dar (vgl. BGH FamRZ 2001, 350, 352).

Dies ist hier offenkundig der Fall. Nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers soll die ganztägige Kinderbetreuung die Berufstätigkeit der Mutter ermöglichen (vgl. Schriftsatz vom 19.2.2003, S. 3; Schriftsatz vom. 9.5.2003, S. 2; Schriftsatz vom 16.5.2003, S. 2). Dass der Besuch des Kindergartens (auch) aus in der Person des Klägers liegenden besonderen Gründen notwendig ist, ist nicht ersichtlich.

In einem solchen Fall, in dem die Ganztagsunterbringung des Kindes in einem Kindergarten aus Gründen der beruflichen Betätigung des sorgeberechtigten Elternteils erfolgt, ist auch keine Aufspaltung dahingehend vorzunehmen, dass zumindest der Beitrag für einen "üblichen" (halbtägigen) Kindergartenbesuch zum Bedarf des Kindes gezählt wird (a.A. wohl OLG Stuttgart NJW 1998, 3129).

Selbst wenn man die durch einen "üblichen" Kindergartenbesuch entstehenden Kosten zum Bedarf des Kindes rechnet, führt dies im vorliegenden Fall zu keiner zusätzlichen Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Kläger. Nach Auffassung des Senates ist zumindest im Tabellenbetrag der Gruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle der diesbezügliche Aufwand enthalten. Inwieweit dies für die niedrigere Gruppen zutrifft, kann dahinstehen.

Auf die Frage der Leistungsfähigkeit des Beklagten kommt es somit nicht mehr an.

Die Klage war daher unter Abänderung des Ersturteils abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 8 und 10, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, um eine Klärung durch den Bundesgerichtshof zu ermöglichen, von wem und inwieweit ein Kindergartenbeitrag als Mehrbedarf geltend gemacht werden kann.



Ende der Entscheidung

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