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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 10 UF 329/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1603
BGB § 1606 Abs. 3
Zur Barunterhaltspflicht eines die Kinder betreuenden Ehegatten bei unterschiedlichem Einkommen der Eltern und beiderseits vorhandenem Vermögen; keine Verpflichtung zum Vermögenseinsatz bei Leistungsfähigkeit des betreuenden Elternteils aus laufendem Einkommen.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

10 UF 329/07

Verkündet am 13. August 2007

In der Familiensache

hat der 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Breitinger und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Söllner und Weikl aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 1.3.2007 wie folgt abgeändert:

1) Die Beklagte hat ab 1.9.2007 für die Kinder ... geboren am 11.9.1992 und ... geboren am 3.11.1994, einen monatlichen, monatlich vorauszahlbaren Unterhalt in Höhe von je 37,50 € zu Händen des Klägers zu bezahlen.

2) Für die Zeit von April 2006 bis August 2007 hat die Beklagte an den Kläger für das Kind ... 658,50 € und für das Kind ... 616,50 €, für beide Kinder also 1.275,00 € zu bezahlen.

II. Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Rechtsmittel beider Parteien zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 86/100, die Beklagte 14/100.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 7.840,00 € (Berufung Kläger: 2.800,00 €, Berufung Beklagte: 5.040,00 €).

Gründe:

I.

Die Parteien sind die Eltern dreier Kinder, die nach der Trennung im September 2005 beim Vater in dem früheren ehelichen Anwesen leben und von diesem betreut werden. Zwei der Kinder sind minderjährig, nämlich ... geboren am 11.9.1992 und ... geboren am 3.11.1994. Für diese Kinder macht der Vater Kindesunterhalt gegen die Mutter geltend. Diese war in der Ehe Hausfrau und hat sich aus der Ehe gelöst; sie lebt mit einem anderen Mann zusammen, der als Zollbeamter vollschichtig berufstätig ist. Die Beklagte leidet nach dem Sachverständigengutachten des vom Amtsgericht beauftragten Landgerichtsarztes ... an einer mittelgradigen Depression mit einer hierfür typischen Minussymptomatik.

Hieraus ergebe sich eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf eine tägliche Arbeitsleistung von ca. fünf Stunden. Sie ist, da sie in ihrem erlernten Beruf einer Industriekauffrau kaum vermittelbar ist, als Teilzeitkraft mit ca. 20 Wochenstunden bei der Firma ...-Markt beschäftigt.

Der Kläger ist Soldat der Besoldungsgruppe A 8 und hat nach Wegfall des Kindergelds und des Familienzuschlags für das älteste Kind ... ein monatliches Einkommen von mindestens 2.200,00 € (aus einer Abrechnung für Juni 2006 ergibt sich ein Einkommen von ca. 2.400,00 €). Der Kläger nutzt das im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Haus, trägt die hierfür anfallenden Zins- und Tilgungslasten sowie die laufenden Unkosten. Eine Nutzungsentschädigung an die Beklagte bezahlt er nicht. Diese ist bislang nicht gefordert.

Mit seiner Klage vom 17.5.2006 begehrt der Vater 100 % des Regelbetrags für die beiden minderjährigen Kinder ab April 2006. Die Beklagte beantragt Klageabweisung im Hinblick auf fehlende Leistungsfähigkeit. Sie verweist auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen.

Das Amtsgericht hat den Kindern im Ergebnis einen monatlichen, monatlich vorauszahlbaren Kindesunterhalt von 64,31 % des Regelbetrags zugesprochen und ist dabei von einem erzielbaren Einkommen von 8,00 € brutto wie netto bei 22 Arbeitstagen à 5 Stunden ausgegangen. Bei Ansatz eines wegen Zusammenlebens und Haushaltsführung herabgesetzten Selbstbehalts von 490,00 € gelangte das Amtsgericht zu einem einsetzbaren verbleibenden Betrag von 346,00 €.

Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Der Ehemann beantragt weiterhin einen monatlichen, monatlich vorauszahlbaren Kindesunterhalt von 100 % des Regelbetrags abzüglich des anzurechnenden staatlichen Kindergelds.

Die Ehefrau beantragt weiterhin die Klageabweisung.

Der Senat hat mit den Parteien mündlich verhandelt. Eine gütliche Lösung unter Einbeziehung der weiteren Nutzung des ehelichen Anwesens durch Ehemann und Kinder konnte nicht erzielt werden.

II.

Die Unterhaltsklage und die Berufung des Klägers gegen das Ersturteil sind weitgehend nicht begründet, da die Beklagte bedingt durch gesundheitliche Einschränkungen nur eingeschränkt arbeitsfähig und damit nur eingeschränkt leistungsfähig ist. Ihr stehen auch nach Zurechnung weiterer zumutbarer Arbeitseinkünfte und einer Haushaltsführung unter Berücksichtigung eines angemessenen Selbstbehalts nur 75,00 € für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Im übrigen ist ihre Leistungsfähigkeit eingeschränkt, § 1603 Abs. 1, Abs. 2 BGB, bei Haftung des Ehemanns gemäß § 1606 Abs. 3 BGB für den offenen Unterhaltsbedarf der Kinder.

Zwar ist die Beklagte dem Grunde nach den minderjährigen Kindern gemäß § 1603 Abs. 2 BGB "erweitert" unterhaltspflichtig; der betreuende Ehemann erfüllt seine Unterhaltspflicht grundsätzlich gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Betreuung der Kinder.

Die erweiterte Unterhaltspflicht der Beklagten gemäß § 1603 Abs. 2 BGB findet aber Grenzen in der gesundheitsbedingten Einschränkung ihrer Arbeitskraft. Der dem Senat als erfahren und zuverlässig bekannte Landgerichtsarzt ... hat die Beklagte untersucht und gelangt zu dem Ergebnis einer erheblichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit infolge einer mittelgradigen Depression. Dieser Einschränkung der Arbeitsfähigkeit stehen auch die vom Kläger hervorgehobenen weiteren Beschäftigungen der Beklagten (innerhalb der Kirche und eines Altenheims sowie zeitweise Mehrarbeit bei der Firma ... bei auch nur halbwegs sachlicher Würdigung dieser Tätigkeiten nicht entgegen. Damit kann grundsätzlich nur von dem erzielten Einkommen der Beklagten ausgegangen werden. Dieses beträgt 553,00 € abzüglich 5 % pauschaler Erwerbsaufwand = 525,00 €. Da der Beklagten nach dem Gutachten des Sachverständigen ca. fünf weitere Arbeitsstunden wöchentlich zumutbar sind und insoweit keine ausreichenden Nachweise über darauf gerichtete Bemühungen vorgelegt wurden, sind weitere 100,00 € netto erzielbares Arbeitseinkommen hinzuzusetzen, ferner 200,00 € für die Haushaltsführung aus dem Zusammenleben mit einem vollerwerbstätigen und zur Bezahlung eines angemessenen Haushaltsführungsentgelts auch leistungsfähigen Partners. Eine Übertragung der sogenannten Hausmannrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2001,1065) auf das nichteheliche Zusammenleben kann nicht erfolgen, da die nichtehelich in Lebensgemeinschaft lebende Frau keinen Anspruch auf Familienunterhalt hat. Zur Verfügung stehen damit aus tatsächlich erzielten und zuzurechnenden Einkünften insgesamt 825,00 €. Gemäß den SüdL ist der mit einem anderen Mann in Haushaltsgemeinschaft lebenden Beklagten ein Selbstbehalt von 650,00 € zuzurechnen. Dieser würde gelten, wenn die Beklagte unter Wahrung ihres angemessenen Selbstbehalts im Verhältnis zu dem Ehemann damit in der Lage wäre, den Kindesunterhalt sicherzustellen. Im vorliegenden Fall ist jedoch der gesetzliche Vertreter der Kinder, der Kläger, als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB neben der Betreuung zum Barunterhalt der Kinder verpflichtet (vgl. BGH, FamRZ 1991, Seite 182 ff, Gerhardt in FA-FamR, 5. Aufl., 6. Kap., Rnr. 177 und 141). Dies folgt aus dem erheblichen Ungleichgewicht in dem den Eltern verbleibenden Einkommen. Der Bundesgerichtshof hat deswegen festgestellt, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB dort ihre Grenze findet, wo die Möglichkeit der Fortexistenz des Unterhaltspflichtigen selbst in Frage gestellt würde. Die dem Tatrichter vorbehaltene Abwägung unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB spricht nach Ansicht des Senates dafür, der Beklagten im Verhältnis zu der Haftung des betreuenden Vaters einen um 100,00 € erhöhten Selbstbehalt, also 750,00 € zu belassen. Dies gebietet die Fairness im Hinblick auf die Dauer der Ehe. die langjährige Kinderbetreuung und die dadurch bedingte Einschränkung eigener beruflicher Entwicklung, auch wenn den Kläger die Aufkündigung des Ehebandes durch die Beklagte tief getroffen haben mag. Dem Kläger verbleibt nämlich, wenn er den von der Beklagten nicht gedeckten Barunterhaltsbedarf der Kinder trägt, immer noch deutlich mehr zur Verfügung als der Beklagten. Dazu kommt die günstige Nutzung des ehelichen Anwesens. Nach Angaben des Klägers sind für Hausschulden ca. 361,00 € im Monat zu zahlen.

Damit stehen 75,00 € für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Dieser beträgt bis Oktober 2006 aufgrund der unterschiedlichen Altersstufe der Kinder 40,50 € für ... und 34,50 € für ... ab November 2006 37,50 € je Kind. Gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB unterbleibt eine Anrechnung des vom Vater bezogenen Kindergelds.

Eine weitergehende Haftung der Beklagten kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Unterhaltspflichtige grundsätzlich auch sein Vermögen einzusetzen hat, um den Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder zu decken. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer Entscheidung, veröffentlicht in FamRZ 1997, Seite 281, 284 hervorgehoben, dass eine derartige Haftung nur dann eintritt, wenn dem Unterhaltspflichtigen angesonnen werden kann, den Stamm seines Vermögens zu verwerten. Es ist somit eine Zumutbarkeitsabwägung vorzunehmen. In diese Abwägung ist zunächst die subsidiäre Barunterhaltspflicht des betreuenden Ehegatten aus laufenden Einkünften einzubeziehen sowie die Höhe des beiderseitigen Vermögens der Eitern. Derzeit haben die Eltern nach dem Sachvortrag des Klägers ein Barvermögen von zusammen ca. 23.000,00 €, ferner das gemeinschaftliche Eigentum an der vom Kläger und den Kindern genutzten Doppelhaushälfte. Das der Ehefrau verbleibende Barvermögen liegt unter dem beim sonstigen Verwandtenunterhalt zu belassenden Schonbetrag (vgl. Gerhardt, FA-FamR, 5. Aufl., 6. Kap., Rn 207 c). Auch wenn der Kläger zustimmt, dass die Beklagte auf ihre Hälfteanteile zugreift, um den Kindesunterhalt bedienen zu können, erscheint dies im vorliegenden Fall nicht zumutbar. Zum einen kann der Kläger ohne seinen eigenen eheangemessenen Bedarf zu gefährden den ihm verbleibenden überwiegenden Barbedarf der Kinder decken. Zum anderen ist der auf die Beklagte fallende Hälfteanteil am Barvermögen eher gering und wird auch für die Kosten der Scheidung zumindest teilweise benötigt. Eine Beleihung des Hälfteanteils an dem vom Ehemann genutzten Haus ist zum einen banktechnisch nicht machbar, da die Beklagte über kein ausreichendes Eigeneinkommen verfügt, zum anderen auch nicht zumutbar im Hinblick auf die anstehende Auseinandersetzung und die Nutzung durch Ehemann und Kinder, welcher die Beklagte offensichtlich nicht im Wege stehen will. Jedenfalls derzeit kann die Beklagte daher nicht auf eine Vermögensverwertung zum alleinigen Bestreiten des Regelunterhalts der Kinder verwiesen werden. Damit muss es bei der errechneten anteiligen Haftung der Beklagten für den Kindesunterhalt aus dem laufenden Unterhalt verbleiben. Dies führt zur weitgehenden Abweisung der Klage und Berufung des Klägers mit den entsprechenden Kostenquoten.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 8, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Zwar ist die Frage, wie sich Barunterhaltspflicht aus laufendem Einkommen und Zumutbarkeit der Verwertung des Vermögensstammes zueinander verhalten und abzuwägen sind, in der Rechtsprechung wenig geklärt. Dies ist jedoch auch Folge der im Einzelfall zu treffenden Zumutbarkeitsabwägung. Diese ist im vorliegenden Fall jedenfalls im Zeitpunkt der Trennung ohne erfolgte Vermögensauseinandersetzung hinsichtlich des Hausanwesens so eindeutig, dass eine Vorlage an das Revisionsgericht nicht veranlasst ist.

Ende der Entscheidung

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