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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 25.01.2002
Aktenzeichen: 10 WF 4230/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 114
Dem Unterhaltsschuldner obliegt es, auf die Aufforderung des Unterhaltsgläubigers den freiwillig gezahlten Unterhaltsbetrag (hier: nachehelicher Ehegattenunterhalt) auf seine Kosten titulieren zu lassen.

Lehnt er dies vorgerichtlich ab, gibt er Veranlassung zur Klage i.S.d. § 93 ZPO. In diesem Fall kann Prozesskostenhilfe für eine Unterhaltsklage über den Gesamtbetrag des geforderten Unterhalts - unstreitiger Sockel- und streitiger Spitzenbetrag - nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden.


10 WF 4230/01

Nürnberg, den 25.1.2002

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwandorf vom 09. November 2001 (1 F 729/01) abgeändert.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin , zu den Bedingungen einer ortsansässigen Rechtsanwältin, Prozesskostenhilfe bewilligt für die Geltendmachung monatlichen nachehelichen Unterhalts in Höhe von 431,00 EURO ab November 2001 und ab Januar 2002 in Höhe von 456,00 EURO, sowie von Unterhaltsrückständen für den Zeitraum August bis einschließlich Oktober 2001 in Höhe von 143,00 EURO.

Im übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

II. Von der Erhebung der Gebühr gemäß KV GKG-Nr. 1952 wird abgesehen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, geschiedene Ehefrau des Antragsgegners, mit dem sie im Güterstand der Gütergemeinschaft lebte, begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf nachehelichen Unterhalt. Ihren zunächst gestellten Antrag, Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung laufenden Unterhalts in Höhe von 933,00 DM monatlich ab November 2001 zu bewilligen, hat das Familiengericht mit Beschluss vom 09.11.2001 lediglich in Höhe von 93,00 DM stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragstellerin stehe zwar ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 843,00 DM monatlich zu, da der Antragsgegner aber seit August 2001 freiwillig monatlich 750,00 DM zahle, bestehe hinsichtlich dieses Sockelbetrages kein Rechtsschutzbedürfnis. Hinsichtlich der geltend gemachten Rückstände für den Zeitraum August mit Oktober 2001 hat das Familiengericht Prozesskostenhilfe für einen Betrag in Höhe von 279,00 DM bewilligt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Auffassung, auch für den geltend gemachten Sockelbetrag sei Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da der Antragsgegner es vorgerichtlich abgelehnt habe, insoweit auf seine Kosten einen Titel zu schaffen.

Im übrigen erhöhte sie ihre Unterhaltsforderung mit der Beschwerde auf monatlich 1.374,00 DM, ab Januar 2002 auf 1.399,00 DM (715,30 EURO) und Rückstände in Höhe von 2.496,00 DM. Hierzu führt sie aus: Der Antragsgegner bewohne die eheliche Wohnung im Anwesen , das im gemeinschaftlichen Eigentum der Parteien stehe, und habe sich deshalb einen Wohnvorteil in Höhe von 800,00 DM zurechnen zu lassen. Außerdem habe sie einen Anspruch auf Teilhabe an den Erträgnissen aus dem Gesamtgut der Gütergemeinschaft, zu dem Immobilien im Wert von etwa 434.000,00 DM gehören.

Der Antragsgegner bestreitet, in der ehemaligen Ehewohnung zu leben und weist darauf hin, dass er ein Darlehen in Höhe von 17.000,00 DM für Erschließungskosten zu bedienen habe. Hierfür zahle er monatlich 400,00 DM, was seine Leistungsfähigkeit entsprechend mindere. Im übrigen habe er weder eine volle Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft verhindert noch die Antragstellerin von der gemeinsamen Verwaltung des Gesamtgutes ausgeschlossen.

Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige (§ 127 Abs. 2 ZPO) Beschwerde ist teilweise begründet.

Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Antragstellerin dem Grunde nach ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zusteht.

Da die Gütergemeinschaft durch die Scheidung endete, fällt das nunmehr anfallende Einkommen der Parteien nicht mehr in das Gesamtgut und unterliegt daher keinen gesamthänderischen Bindungen. Insoweit kann daher eine Verteilung nach allgemeinen Grundsätzen stattfinden (Wendl/Haußleither, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Auflage, § 6, Rn 413 ff).

Das Gesamtgut aus der Gütergemeinschaft bleibt allerdings bis zur Auseindersetzung gemeinschaftliche Vermögensmasse, die der gemeinschaftlichen Verwaltung der geschiedenen Ehegatten unterliegt. Erträge hieraus sind nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung für Unterhaltszwecke zur Verfügung zu stellen. Die Durchsetzung kann durch Klage auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung, aber im Einzelfall auch durch Zahlungsklage erfolgen (vgl. Haußleither, a.a.O., Rn 417).

Aufgrund der Einkünfte der Parteien ergibt sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 843,00 DM (431,00 EURO), ab Januar 2002 in Höhe von 456,00 EURO.

Ein Wohnvorteil kann dem Antragsgegner bereits deshalb nicht zugerechnet werden, da er laut Ummeldebestätigung der Meldebehörde seit 13.12.2000 nicht mehr in der früheren Ehewohnung lebt.

Die Darlehensraten kann der Antragsgegner nicht leistungsmindernd geltend machen. Das Darlehen dient der Finanzierung von Erschließungskosten für ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück. Diese Kosten sind daher aus dem Gesamtgut zu bestreiten. Es ist nicht ersichtlich, dass das Gesamtgut hierzu nicht ausreicht.

Es ergibt sich somit folgende Unterhaltsberechnung:

Pension Antragsgegner 2.268,16 DM Einkommen Antragstellerin 637,30 DM ./. unstreitiger Werbungskosten 312,00 DM bereinigtes Einkommen 355,30 DM ./. Erwerbsbonus 36,00 DM Unterhaltsrelevantes Einkommen der Antragstellerin 319.00 DM gemeinsames Einkommen der Parteien 2.587,00 DM Hälfte 1.294,00 DM ./. Einkommen Antragstellerin 319,00 DM 975,00 DM.

Dem Antragsgegner ist jedoch mindestens der notwendige Selbstbehalt von 1.425,00 DM (BayL Nr. 20 b) zu belassen, so dass ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 843,00 DM monatlich in Betracht kommt.

Ab Januar 2002 erhöht sich das Renteneinkommen des Antragsgegners unstreitig auf rund 2.317,00 DM. Seine Leistungsfähigkeit steigt daher auf 892,00 DM (= 456,00 EURO).

Rückstände werden geltend gemacht für den Zeitraum August bis einschließlich Oktober 2001. Insoweit sind unter Berücksichtigung der monatlichen Zahlungen von 750,00 DM Rückstände in Höhe von 279,00 DM (143,00 EURO) angefallen.

Erträge aus dem Gesamtgut der in Liquidation befindlichen Gütergemeinschaft können derzeit nicht berücksichtigt werden, da der Sachvortrag der Antragstellerin insoweit nicht substantiiert ist. Dies will die Antragstellerin offenbar mit dem weiteren Prozesskostenhilfeantrag vom 06.12.2001 erreichen. Inwieweit allerdings für eine gesonderte Geltendmachung Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Nach dem Sachvortrag der Antragstellerin ist in diesem Verfahren derzeit lediglich der sich aus den beiderseitigen Einkommen der Parteien ergebende Unterhaltsanspruch zu berücksichtigen.

Prozesskostenhilfe kann nicht bewilligt werden, soweit eigenes Vermögen einzusetzen ist. Da die Antragstellerin den Wert des Gesamtgutes mit 434.000,00 DM angibt, wäre sie grundsätzlich darauf zu verweisen, vom Antragsgegner Mitwirkung zur Bereitstellung der erforderlichen Mittel für den Unterhaltsprozess zu verlangen. Ein derartiger Anspruch erscheint jedoch kurzfristig nicht durchsetzbar. Er steht daher zunächst der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Entsprechende Auslagen der Staatskasse werden jedoch letztlich aus dem Gesamtgut zu erstatten sein, sofern dieses hierfür ausreicht.

Der Antragstellerin ist somit für die beabsichtigte Klage, soweit sie nach den obigen Ausführungen Erfolg verspricht, Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner einen Sockelbetrag in Höhe von 750,00 DM freiwillig zahlt und bereit ist, insoweit Anerkenntnis zu erklären. Dies lässt das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin an voller Titulierung des Unterhalts, einschließlich regelmäßig und freiwillig gezahlter Beträge, nicht entfallen (BGH FamRZ 98, 1165). Prozesskostenhilfe könnte daher nur mit der Erwägung verweigert werden, dass die Rechtsverfolgung insoweit mutwillig i.S.d. § 114 ZPO sei, da eine Partei, die auf eigene Kosten prozessieren müsste, hiervon Abstand nehmen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Antragsgegner die Verfahrenskosten für den unstreitigen Sockelbetrag zu tragen hat. Er hat nämlich insoweit Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, da er es abgelehnt hat, den unstreitigen Sockelbetrag auf eigene Kosten titulieren zu lassen. Sein Anerkenntnis ist daher kein sofortiges i.S.d. § 93 ZPO.

Da der Unterhaltsgläubiger in aller Regel auf pünktliche und vollständige Erfüllung seines Unterhaltsanspruchs angewiesen ist, wird ihm ein Rechtsschutzbedürfnis an der Titulierung eingeräumt. Es besteht daher eine Titulierungsobliegenheit des Unterhaltsschuldners (Schwab-Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Auflage I., Rn 573), die dieser grundsätzlich auf seine Kosten zu erfüllen hat. Dies erscheint auch sachgerecht. Der Unterhaltsgläubiger benötigt nämlich den Unterhalt zur Bestreitung seines Lebensbedarfs, während der Unterhaltsschuldner in der Regel eher die Möglichkeit hat, die Notarkosten für eine außergerichtliche Titulierung - Kindesunterhalt kann ohnehin kostenfrei bei den Jugendämtern tituliert werden - aufzubringen. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, kann auch beim Notar gemäß § 17 Abs. 2 BundesNotarO Prozesskostenhilfe beantragt werden. Der Senat folgt daher der Rechtsauffassung der OLG Düsseldorf (FamRZ 94, 1484) und München (FamRZ 94, 313), die den Unterhaltsgläubiger verpflichtet halten, den Unterhalt nach Aufforderung auf eigene Kosten titulieren zu lassen. Da der Antragsgegner dies abgelehnt hat, hat er insoweit Veranlassung zur Klage gegeben und auch bei Anerkenntnis die Verfahrenskosten zu tragen. Die Beantragung von Prozesskostenhilfe über den vollen Unterhalt ist daher nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO. Der Antragstellerin ist somit Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Ende der Entscheidung

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