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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 24.02.2002
Aktenzeichen: 11 UF 682/01
Rechtsgebiete: MSA, BGB


Vorschriften:

MSA Art. 1
MSA Art. 13 Abs. 1
MSA Art. 15 Abs. 2
BGB § 1671
BGB § 1697 a
Das Familiengericht ist zur Regelung der elterlichen Sorge trotz Anhängigkeit eines Trennungsverfahrens nach Art. 150 ff. des italienischen Zivilgesetzbuches zuständig, wenn die Kinder nach einem Aufenthaltswechsel ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.

Das Vorliegen einer im Rahmen des Trennungsverfahrens getroffenen vorläufigen Sorgerechtsregelung des vormaligen Aufenthaltsgerichts steht einer erstmaligen Sorgerechtsregelung des Familiengerichts nicht entgegen, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts in Deutschland keine Rechtswirksamkeit entfaltet.


11 UF 682/01

verkündet am 24.2.2002

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 11. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2002 folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Erlangen vom 05. Januar 2001 abgeändert.

II. Die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder der Parteien D B, geb. 29.07.1995, und K B, geb. 27.11.1997, wird auf die Antragstellerin übertragen.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

V. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 15.06.1993 die Ehe geschlossen. Die Antragstellerin ist deutsche und italienische Staatsangehörige, der Antragsgegner italienischer Staatsangehöriger. Aus der Ehe sind die beiden Kinder D, geb. 29.07.1995 und N geb. 21.11.1997, hervorgegangen. Beide Kinder besitzen jeweils die deutsche und italienische Staatsangehörigkeit.

Bis zum Auszug der Antragstellerin mit den Kindern im Mai 1999 lebte die Familie in O/Italien. Seitdem wohnt die Antragstellerin mit beiden Kindern in H in Deutschland.

Am 08.06.1999 stellte der Antragsgegner einen Antrag auf gerichtliche Trennung seiner Ehe beim Gericht in N/Italien.

Im Rahmen dieses Verfahrens (Nr. 684/99 R.G.G.) erließ die Präsidentin des Gerichts in N im Anschluß an einen Anhörungstermin, zu dem die Antragstellerin trotz zugestellter Ladung nicht erschienen war, am 14.12.1999 einen Beschluß vorläufiger Natur, in dem sie unter anderem

1. die Ehegatten ermächtigte, getrennt zu leben,

2. die Kinder D und N dem Vater zusprach und die Mutter verpflichtete, ihre sofortige Rückkehr nach Italien zu veranlassen und

3. die eheliche Wohnung in O dem Vater zusprach.

Der Beschluß vom 14.12.1999 wurde am 30.12.1999 mit einer Vollstreckungsklausel versehen, am 03.01.2000 wurde ein gesonderter Vollstreckungsbefehl erlassen.

Nach einem Termin am 06.04.2000, in dem beide Eltern anwesend waren, wies das Gericht in N am 20.04.2000 die Einwendungen der Antragstellerin gegen den vorläufigen Beschluß zurück. Das Gericht in N hat. in der Folgezeit in dem bei ihm anhänigigen Trennungsverfahren mehrere Beweistermine anberaumt.

Den Antrag des Antragsgegners, die Gerichtsentscheidung des Tribunale di N vom 14.12.1999 in Deutschland für vollstreckbar zu erklären, hat das Amtsgericht Nürnberg 107 F 2337/00 - mit Beschluß vom 13.12.2001 zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluß vom 27.06.2001 7 UF 910/01 - zurückgewiesen. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Am 17.08.2001 beantragte die Antragstellerin beim Amtsgericht - Familiengericht - Erlangen - 2 F 910/00 -, ihr in Abänderung der Entscheidung des Tribunale di N vom 14.12.1999 die elterliche Sorge für die Kinder D und N gemäß §§ 1696, 1671 BGB zu übertragen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht - Familiengericht - Erlangen mit Beschluß vom 05.01.2001 mit der Begründung zurück, der Antrag sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit - Verfahren vor dem Tribunale di N - unzulässig. Auf die Gründe der Entscheidung des Familiengerichts wird im einzelnen verwiesen (Blatt 49 - 52 d.A.).

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 19.12.2001 an das Oberlandesgericht Nürnberg wird wie folgt begründet:

Eine anderweitige Rechtshängigkeit eines Sorgerechtsverfahrens vor dem Tribunale di N sei nicht gegeben. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Abänderung der Entscheidung vom 20.12.1999 liege vor. Ein Aufenthaltswechsel gegen den willen des Antragsgegners sei nicht erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Abänderung der Entscheidung des Tribunale di N nach deutschem Recht seien gegeben. Wegen fehlender Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung vom 14.12.1999 in Deutschland sei sogar eine Erstentscheidung gemäß § 1671 BGB veranlaßt. Die sachlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung seien wegen des nunmehr mehrjährigen Aufenthalts der Kinder in Deutschland und der damit verbundenen Einbindung in ihrer jetzigen Umgebung zu bejahen.

Die Antragstellerin beantragt daher,

die elterliche Sorge für die Kinder D B, geb. am 29.07.1995, und N B, geb. am 27.11.1997, in Abänderung der Entscheidung des Tribunale di N vom 14.12.1999 auf die Antragstellerin zu übertragen,

hilfsweise die Übertragung der elterlichen Sorge in Form einer Erstentscheidung auf die Antragstellerin auszusprechen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Er führt an, deutsche Gerichte seien zur Entscheidung des Sorgerechtsstreit nicht zuständig. Das Verfahren sei noch beim Tribunale di N rechtshängig. Eine endgültige Entscheidung zu dieser Frage sei noch nicht ergangen und Ende des Jahres 2002 zu erwarten. Die Kinder hätten in Deutschland auch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt, weil die Antragstellerin sie ohne den Willen des Antragsgegners nach Deutschland entführt habe. Der Zeitablauf alleine genüge zur Aufenthaltsbegründung nicht. Im übrigen würden auch die sachlichen Voraussetzungen gemäß § 1671 BGB für die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Antragstellerin nicht vorliegen. Die Übertragung würde nicht dem Kindeswohl entsprechen.

Der Senat hat die Eltern und die Kinder angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.04.2002 verwiesen. Das beteiligte Kreisjugendamt, das Landratsamt E, wurde gehört. Auf den Bericht vom 31.01.2002 einschließlich des Berichts des Kindergartens S in H vom 23.01.2002 wird verwiesen.

Die gemäß Artikel 5 Abs. 2 des Haager Übereinkommens vom 05. Oktober 1961 über die internationale Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) vorzunehmende Mitteilung wurde mit Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 21.02.2002 an das Justizministerium in Rom/Italien vorgenommen.

II.

Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist zulässig.

In der Sache führt sie zu einer Abänderung der Entscheidung des Familiengerichts Erlangen. Die elterliche Sorge für die beiden Kinder D B, geb. am 29.07.1995, und N: B, geb. am 27.11.1997, ist auf die Antragstellerin zu übertragen, weil diese Entscheidung dem Wohl der Kinder am besten entspricht, § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 1697 a BGB i.V.m. Artikel 2 MSA.

A. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Entscheidung des Sorgerechtsstreits ist gemäß Artikel I, 13 Abs. 1 MSA gegeben. Nach dem Wechsel der Antragstellerin mit den Kindern von Italien nach Deutschland haben die Kinder in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Sowohl Deutschland als auch Italien sind Vertragsstaaten des MSA, Deutschland seit 1971, Italien seit 1995. Das MSA geht damit den autonomen Regelungen beider Länder vor.

Beide Kinder befinden "sich seit Mai 1999, somit seit knapp drei Jahren, an ihrem jetzigen Wohnort in Deutschland. Dort haben sie sich inzwischen so eingewöhnt, daß sich ihr faktischer Aufenthalt zu einem dauernden Daseinsmittelpunkt mit sozialer Eingliederung verfestigt hat. Sie besuchen nicht nur den örtlichen Kindergarten, sondern haben ständigen Kontakt zu vielen Freunden und den in der Nähe lebenden Großeltern mütterlicherseits.

1. Infolge des Aufenthaltswechsels und der erfolgten Eingliederung in die neue Umgebung in H ist die zunächst gegebene internationale Zuständigkeit des Gerichts in N entfallen und die neue der deutschen Gerichte begründet worden (Palandt/Heldrich, BGB, 61. Aufl., Anhang zu Artikel 24 EGBGB, Rdnr.9; BGH NJW 1981, 520 ff.; OLG Düsseldorf, 1984, FamRZ 194 ff.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1352 ff.; OLG Hamm, FamRZ 1974, 155 ff.; OLG Stuttgart, FamRZ 1989, 1110 ff.; OLG Hamm, FamRZ 1991, 1346 ff.; OLG Köln, FamRZ 1991, 363 ff.; OLG Celle, FamRZ 1993, 96 ff.; OLG Stuttgart, FamRZ 1997, 51 ff.).

Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt nicht (Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 621 Rdnr. 80, Roth, IPrax 1994, 19, 20).

2. Es kann dahinstehen, ob der Aufenthaltswechsel gegen den Willen des Antragsgegners vorgenommen wurde oder nicht. Auch gegen den Willen eines Sorgeberechtigten kann ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden. Dieses Ergebnis steht mit dem Sinn und Zweck des MSA in Einklang. Das Abkommen ist in erster Linie auf den Schutz des Minderjährigen und nicht auf die Wahrung der Elternrechte ausgerichtet. Es will gewährleisten, daß Schutzmaßnahmen im Interesse des Minderjährigen jedenfalls auch im Aufenthaltsstaat möglich sind, weil sie dort in erster Linie erforderlich werden. Die dortigen Gerichte sind wegen der bestehenden Sachnähe in aller Regel zu einer sachgerechten Beurteilung der Verhältnisse besser in der Lage und können auch die Gewähr für eine rasche Durchsetzbarkeit der getroffenen Maßnahmen bieten. Diese Erwägungen gelten auch in sogenannten Entführungsfällen (BGH FamRZ 1981, 135 ff.; Staudinger-Kropholler, 2000, Rdnr. 406 zur Vorbemerkung zu Artikel 19 EGBGB; OLG Düsseldorf, FamRZ 1989, 204 ff.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1984, 194 ff.).

Der Antragsgegner hat es trotz seiner Behauptung einer Entführung unterlassen, innerhalb der Jahresfrist von Artikel 12 Abs. 2 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ) - BGBl. 90 II, 206 - einen Antrag auf Rückführung der Kinder zu stellen, obwohl er hierzu rechtlich die Möglichkeit gehabt hätte.

3. Der Zuständigkeit der deutschen Gerichte steht auch nicht ein möglicherweise in Italien kraft Gesetzes begründetes Gewaltverhältnis entgegen (Artikel 3 MSA). Beide Kinder sind sogenannte Mehrstaater. Sie haben neben der nach dem Abstammungsprinzip erworbenen italienischen Staatsangehörigkeit (vgl. Artikel 1 Nr. 1 des italienischen Gesetzes Nr. 91/1992 vom 05.02.1992 Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht unter "Italien", S. 6 ff -) als Abkömmlinge einer deutschen Mutter gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine ausdrückliche Regelung für die Anwendung eines der innerstaatlichen Rechte hat das MSA nicht getroffen. Nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist deutsches Recht anzuwenden, da die Kinder auch Deutsche sind. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man auf die effektive Staatsangehörigkeit (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) abstellt. Durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland sind sie mit diesem Staat am engsten verbunden, so daß deutsches Recht anzuwenden ist.

4. Der Zuständigkeit der deutschen Gerichte steht auch Artikel 4 MSA nicht entgegen. Da die Kinder auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ist nach Artikel 5 Abs. 1, Satz 2 EGBGB nur diese maßgeblich (Palandt/Heldrich, a.a.O., Rdnr. 31). Auch führt die effektive Staatsangehörigkeit der Kinder zur Zuständigkeit deutscher Gerichte (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).

B. Für eine Entscheidung in Deutschland besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat das Gericht in N eine vorläufige Regelung des Sorgerechts getroffen. Diese ist aber in Deutschland nicht vollstreckbar.

Durch die die Vollstreckbarkeit ablehnenden Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 13.02.2001 107 F 2337/00 - und des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27.06.2002 - 7 UF 910/01 -, die sich darauf stützen, daß eine Rückführung der Kinder nach Italien wegen der inzwischen erfolgten dauernden Daseinsmittelpunktsverlagerung nach Deutschland nicht dem Kindeswohl entspräche, kann die italienische vorläufige Sorgerechtsregelung keine Rechtswirksamkeit in Deutschland entfalten.

C. Das beim Gericht in N anhängige Trennungsverfahren nach Artikel 150 ff. des italienischen Zivilgesetzbuches (CG) begründet keine vorrangige anderweitige Rechtshängigkeit für das hier anhängige Sorgerechtsverfahren. Denn das italienische Gericht ist: für eine Sorgerechtsregelung nicht mehr zuständig, so daß eine Anerkennung einer solchen Entscheidung in Deutschland nicht in Betracht kommt.

Zwar hat das Gericht in N beim Trennungsausspruch darüber zu bestimmen, welchem der Elternteile die Kinder anzuvertrauen sind (Artikel 155 CC). Diese Verbundzuständigkeit hat aber keinen Vorrang vor der Zuständigkeit nach dem MSA (BGH, FamRZ 1984, 350). Überdies ist es zweifelhaft, ob die Maßnahmen, die aufgrund Verbundzuständigkeit getroffen werden, in Deutschland anerkannt werden, da hierzu keine Verpflichtung besteht (Artikel 15 Abs. 2 MSA).

D. Der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgend ist auch die eigentliche Sorgerechtsentscheidung als Schutzmaßnahme im Sinne des MSA nach deutschem Recht zu treffen. Dies folgt aus dem sogenannten Gleichlaufgrundsatz des Artikel 2 MSA, der die Anwendung innerstaatlichen Rechts der zuständigen Behörden und Gerichte vorsieht.

Die Sorgerechtsentscheidung selbst beruht auf §§ 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 1697 a BGB.

Die Parteien leben seit Mai 1999 unstreitig voneinander getrennt. Antragsgemäß ist der Antragstellerin das Sorgerecht für die Kinder zu übertragen, da zu erwarten ist, daß die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und Übertragung auf die Antragstellerin alleine dem Wohl der beiden Kinder am besten entspricht.

1. Es ist eine erstmalige Sorgerechtsregelung nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB zu treffen und keine Abänderungsentscheidung gemäß § 1696 BGB. Denn die von dem Gericht in N getroffene vorläufige Entscheidung ist in Deutschland nicht anerkennungsfähig (BGH NJW-RR, 1986, Seite 1130 ff.).

2. Eine Entscheidung über das Sorgerecht ist auch erforderlich, da bislang in Deutschland eine solche Regelung nicht vorliegt, die Eltern über den Aufenthaltsort der Kinder streiten und täglich mit der Notwendigkeit weiterer wichtiger Entscheidungen für die Belange der Kinder (Unterhalt, Gesundheit, Schule, etc.) zu rechnen ist. Aufgrund der räumlichen Trennung der bisher mitsorgeberechtigten Parteien ist eine dem Kindeswohl entsprechende Regelung sonst nicht gewährleistet.

3. Ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern kommt nicht in Betracht. Voraussetzung dafür wäre ein Mindestmaß an Kooperationsfähigkeit und -willigkeit beider Elternteile. (Johannsen-Henrich, Eherecht, 3. Auflage, Rdnr. 36 zu § 1671 BGB). Hierzu sind die Eltern nicht fähig. Sie streiten bereits über den Aufenthalt der Kinder. Die zwischen den Parteien bestehenden Spannungen übertragen sich automatisch auf die Kinder, die wegen ihres noch kindlichen Alters dem Verständnis- und hilflos gegenüberstehen. Der Antragsgegner beharrt nach wie vor auf dem Aufenthalt der Kinder in Italien. Dabei geht es ihm darum, den Umgang mit den Kindern bequemer durchführen zu können. Die Mutter lehnt einen Umzug nach Italien ab. Eine Einigung ist zwischen den Parteien nicht zu erzielen.

Es ist auch nicht zu erwarten, daß die Eltern in anderen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung (Gesundheit, Schule, Unterhalt etc.) das erforderliche gegenseitige Einvernehmen finden werden.

4. Es entspricht dem Wohle der Kinder am besten, das Sorgerecht auf die Mutter zu übertragen. Dies geschieht in Übereinstimmung mit dem Vorschlag des beteiligten Jugendamts.

Hierfür spricht zunächst der Grundsatz der Kontinuität, nämlich die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Erziehung. Die Antragstellerin war und ist für die beiden Kinder die Hauptbezugs- und Hauptbetreuungsperson. Die Kinder wurden seit der Geburt vornehmlich von der Antragstellerin betreut und erzogen, auch wenn der Antragsgegner sich während der Zeitspanne des Aufenthalts der Kinder in Italien, soweit es seine berufliche Tätigkeit erlaubte, um die Kinder gekümmert hat. Die Kinder haben auch zur Mutter die engeren gefühlsmäßigen Bindungen. Dies ergibt sich bereits aus den Bekundungen des angehörten Kindes, die auch nachvollziehbar sind. Die Kinder leben seit der Trennung im Mai 1999 im Haushalt der Mutter. Die Kinder sind am Wohnort der Mutter in H sozial integriert und besuchen dort den Kindergarten. Sie fühlen sich, wie der Bericht der Kindergärtnerinnen ergibt, sehr wohl, sie haben dort und auch in der Umgebung der Wohnung der Mutter viele Freunde. Zu den in der Nähe lebenden Großeltern unterhalten sie einen intensiven Kontakt. Die Kinder fühlen sich im Umfeld der Mutter zu Hause.

Die erzieherische Eignung der Antragstellerin ist gegeben. Wie sich aus dem Bericht des beteiligten Jugendamts ersehen läßt, sind die persönlichen und räumlichen Vorausset2ungen für eine ordnungsgemäße Betreuung und Erziehung bei der Mutter gegeben. Die Antragstellerin ist aufgrund ihrer Persönlichkeit in der Lage, die elterliche Sorge für die Kinder auszuüben und ihnen die für ihre körperliche, seelische und geistige Entwicklung erforderliche Sicherheit und Orientierung zu geben. Sie ist bestrebt, die Kinder nach besten Kräften zu fördern. Die tatsächliche Betreuung der Kinder im Haushalt der Mutter ist gewährleistet. Soweit die Antragstellerin wegen ihrer Berufstätigkeit sich nicht um die Kinder kümmern kann, werden sie für diese Zeitspanne von den Großeltern betreut und versorgt.

Nicht zuletzt hat die gefühlsmäßig enge Bindung der noch recht jungen Kinder an ihre Mutter die Entscheidung beeinflußt. Insoweit ist auch der bei der Anhörung von D der auch für seinen Bruder N gesprochen hat, geäußerte Wunsch, bei der Antragstellerin in Deutschland zu bleiben und nicht nach Italien zurückzukehren, bei der Entscheidung berücksichtigt worden.

Sollte die Antragstellerin die Kinder gegen den Willen des Antragsgegners, wie dieser, von der Antragstellerin entschieden bestritten, behauptet, im Mai 1999 nach Deutschland verbracht haben, so kann zwar dieses Vorgehen nicht gebilligt werden. Andererseits aber sprechen die aufgezeigten Umstände dafür, daß dadurch - und alleine darauf kommt es an - das Wohl der Kinder nicht gelitten hat. Davon konnte sich der Senat anlässlich der Anhörung vom 10.04.2002 überzeugen.

Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsgegner wäre wegen der angesprochenen Kontinuität der Erziehung, die der Aufenthalt bei der Antragstellerin und Mutter gewährleistet, nicht dem Wohl der Kinder am besten dienlich. Die zukünftige Entwicklung der Kinder bei einer Versorgung durch den Antragsgegner wäre zumindest Ungewisser. Er ist ganztags berufstätig. Anhaltspunkte, die für eine vergleichbare Betreuung und Obhut wie bei der Antragstellerin sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Von der Erziehungsfähigkeit des Antragsgegners und dem Vorhandensein einer guten Beziehung zwischen dem Antragsgegner und den Kindern ist grundsätzlich auszugehen.

Die Kinder haben auch ihren Vater gern. Es ist zu hoffen, daß in der Zukunft durch eine entsprechende kindeswohlfördernde Art der Umgangsdurchführung auch unter Beachtung der Entfernung der Wohnorte die Beziehungen zum Vater gefördert werden. Dabei sollte auch der Überlegung Rechnung getragen werden, daß die Kinder dem italienischen Kulturkreis, auch der italienischen Sprache, nicht entfremdet werden.

Die angeführten Umstände rechtfertigen es auch, die gesamte elterliche Sorge, nicht nur Teilaspekte, der Antragstellerin zu übertragen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erscheint nicht billig (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 1, 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 KostO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht "zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§§ 621 e Abs. 2 Nr. 1, 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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