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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 05.03.2001
Aktenzeichen: 11 WF 320/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 606 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EGBGB Art. 5
EGBGB Art. 17 Abs. 1
EGBGB Art. 14 Abs. 1 Nrn. 1, 2
ZPO § 606 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EGBGB Art. 5; 17 Abs. 1; 14 Abs. 1 Nrn. 1, 2; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) vom 28.07.1951 Art. I A in Verbindung mit Protokoll vom 21.01.1967 Art. I; BGB § 1565; iranisches ZGB Art. 1130

1. Asylbewerber (hier: iranische Eheleute) haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wenn sie sich bereits längere Zeit (hier: 3 bzw. 7 Jahre) in Deutschland aufhalten und damit auch Aufenthaltswille und Eingliederung in die soziale Umwelt gegeben sind, selbst wenn der Asylantrag abgelehnt und die Ausreise angeordnet wurde.

2. Das für das Scheidungsverfahren maßgebliche materielle Recht (deutsches oder iranisches Recht) ist danach zu bestimmen, ob abgelehnte Asylbewerber Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951 haben oder nicht.


11 WF 320/01 202 F 1263/00 AG Fürth

Nürnberg, den 05.03.2001

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 11. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Fürth vom 26.10.2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die statthafte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Im Ergebnis zutreffend, hat das Familiengericht der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe für ihren Scheidungsantrag versagt, da dieser keine hinreichende Erfolgsaussicht hat (§ 114 ZPO).

1. Die Erfolgsaussicht scheitert nicht an der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, da beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 606 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

Entgegen OLG Bremen (FamRZ 1992, 962 f.) ist der Senat der Auffassung, daß der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 606 a Abs. 1 Nr.2 ZPO keinen gesicherten Aufenthaltsstatus verlangt. Für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalt reicht es vielmehr aus, wenn jemand sich längere Zeit im Inland aufhält und sich aus den Umständen ergibt, daß der Aufenthalt auf längere Zeit angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkts treten soll (BGH FamRZ 1993,798, 800).

Danach haben die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet.

Da Asyl zum Zweck begehrt wird, im Asylland bleiben zu können, ist der Verbleibenswille bei Asylbewerbern regelmäßig gegeben. Die Parteien leben bereits auch über einen längeren Zeitraum in Deutschland - die Antragstellerin seit ca. 3 Jahren, der Antragsgegner seit ca. 7 Jahren -. Die neben der Aufenthaltsdauer und des Aufenthaltswillen geforderte Eingliederung in die soziale Umwelt ist bei der jahrelangen Dauer des Aufenthalts der Parteien in Deutschland gegeben (OLG Nürnberg, FamRZ 1989, 1304 ff.).

Der einmal entstandene gewöhnliche Aufenthalt entfällt nicht dadurch, daß der Asylantrag abgelehnt und die Ausreise angeordnet wurde (Staudinger/Spellenberg (1997) §§ 606 ff. ZPO, Rdnr. 202).

Auch das rechtsstaatliche Gebot der Rechtsschutzgewährung verlangt, den Asylbewerbern als Konsequenz ihres über einen längeren Zeitraum dauernden faktischen und immerhin zumindest geduldeten Aufenthalts die Gelegenheit zu geben, gerade die Probleme des höchstpersönlichen Lebensbereichs, wie die Durchführung eines Scheidungsverfahrens, vor deutschen Gerichten regeln zu lassen (Zöller/Geimer, Zivilprozeßordnung, 23. Auflage, § 606 a ZPO Rdnr. 48; Wieczorek/Schütze/Becker-Eberhard, Kommentar zur ZPO, § 606 ZPO, Rdnr. 55,56 und § 606 a ZPO Rdnr. 44,45; Münchner Kommentar/Walter, Kommentar zur ZPO, § 606 a ZPO, Rdnrn. 21 - 23; OLG Hamm, NJW 1990, 651; OLG Köln, FamRZ 1996, 946 ff.; OLG Nürnberg, FamRZ 1989, Seite 1304 ff.; Spickhoff, IPRax 1990, S. 225 ff.; Kilian, IPRax 1995, Seite 9 ff.).

Für eine Bejahung der Voraussetzungen der Bestimmung des § 606 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist es auch unerheblich, ob eine deutsche Entscheidung im Ausland, hier also dem Iran, anerkannt wird. Es ist erklärtes Ziel der Bestimmung, in Deutschland lebenden Ehegatten unabhängig von einer Anerkennung im Ausland für ihre Ehesachen die Zuständigkeit deutscher Gerichte zu eröffnen.

2. Der Scheidungsantrag hat aber deshalb keine hinreichende Erfolgsaussicht, da die Antragstellerin die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Scheidung nicht dargetan hat.

Aus dem Sachvortrag läßt sich nicht feststellen, ob die Scheidungsvoraussetzungen nach iranischem oder deutschem materiellen Recht zu beurteilen sind. Denn es wird nichts dazu vorgetragen, ob die Parteien trotz der Ablehnung als Asylbewerber Flüchtlingsstatus haben, was grundsätzlich möglich ist (Palandt/Heldrich, BGB, 60. Aufl., Anhang zu Art. 5 EGBGB, Rdnr. 32).

Wenn die Parteien Flüchtlinge im Sinne von Artikel I A des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) vom 28.07.1951 in Verbindung mit Artikel I des Protokolls vom 21.01.1967 (BGBl 1953 II 559; Protokoll: BGBl 1969 II 1294) wären, hätte dies zur Folge, daß nach Artikel 12 des Abkommens sich ihr Personalstatut nach dem Recht des Landes ihres Wohnsitzes oder in Ermangelung eines Wohnsitzes nach dem Recht ihres Aufenthaltslandes, also der Bundesrepublik Deutschland, bestimmte.

Damit wäre deutsches Recht gemäß Artikel 17 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB anzuwenden und nicht iranisches nach Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB (Palandt/Heldrich, BGB, a.a.O. Artikel 17 EGBGB Rdnr. S).

Falls die Parteien jedoch keine Flüchtlinge sind, würde sich die Scheidung nach iranischen Recht richten, da beide die iranische Staatsangehörigkeit haben (Art. 17 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB).

In diesem Fall erlaubt Art. 1130 iranisches ZGB der Antragstellerin die Scheidung, wenn die Fortsetzung der Ehe für sie eine besondere Härte darstellt und sie hierdurch Schuld auf sich lädt.

Ende der Entscheidung

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