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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 08.01.2004
Aktenzeichen: 11 WF 3859/03
Rechtsgebiete: BGB, EStG, SGB V


Vorschriften:

BGB § 1353
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1
SGB V § 10
1. Der Anspruch des Unterhaltspflichtigen auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting ist mit dem Anspruch des Unterhaltsberechtigten, ihn von der Einkommenssteuerschuld freizustellen, die ihm als Folge der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltsleistungen erwächst, so eng verbunden, dass der Zustimmungsanspruch im Grundsatz von vornherein nur auf Zustimmung Zug um Zug gegen die Verpflichtung zur Freistellung von den entstehenden steuerlichen Nachteilen verlangt werden kann.

2. Grundsätzlich hat der Unterhaltspflichtige auch die Nachteile auszugleichen, die dem Unterhaltsberechtigten daraus erwachsen, dass öffentliche Leistungen gekürzt oder entzogen werden, weil der Unterhaltsberechtigte infolge des begrenzten Realsplittings die maßgeblichen Einkommensgrenzen überschreitet.

3. Die Kosten für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind in der Regel nicht die Folge des Überschreitens einer steuerlichen Einkommensgrenze.


11 WF 3859/03

Nürnberg, den 08.01.2004

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 11. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Erlangen vom 06. November 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, sachlich aber nicht begründet. Zu Recht hat das Familiengericht der Beklagten Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung gegen das Begehren des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, dem begrenzten steuerlichen Realsplitting für die Jahre 2000 bis 2002 zuzustimmen, versagt, da diese keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

Die Verpflichtung der Beklagten, der Durchführung des sogenannten begrenzten Realsplittings (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zuzustimmen, folgt aus der sich aus dem Wesen der Ehe bzw. aus der nachehelichen Solidarität ergebenden familienrechtlichen Verpflichtung (BGH NJW 1988, 1720, 1721, NJW 1977, 378). Diese Verpflichtung, die finanziellen Lasten des Unterhaltspflichtigen zu vermindern, besteht allerdings nur, soweit dies dem Unterhaltsberechtigten zumutbar ist, d.h. soweit ihm bei Durchführung des begrenzten Realsplittings durch den Unterhaltsverpflichteten der zustehende Nettounterhalt im Ergebnis ungeschmälert verbleibt (BGH NJW 1983, 1545, 1546). Dies führt dazu, dass der Unterhaltspflichtige im Gegenzug den Unterhaltsberechtigten von der Einkommenssteuerschuld freizustellen hat, die diesen als Folge der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltsleistungen (§§ 22 Nr. 1 a, 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG) erwächst. Diese Freistellungsverpflichtung ist nach ihrer rechtlichen Grundlage regelmäßig so eng mit dem Anspruch auf Zustimmung zu dem begrenzten Realsplitting verbunden, dass der Zustimmungsanspruch im Grundsatz von vorne herein nur auf Zustimmung gegen die Verpflichtung zur Freistellung des Unterhaltsberechtigten von den entstehenden steuerlichen Nachteilen gerichtet ist (BGH NJW 1983, 1546). Die Zustimmung kann mithin nur Zug um Zug gegen eine bindende Erklärung verlangt werden, durch die sich der Unterhaltspflichtige zur Freistellung des Unterhaltsberechtigten und den ihm zustehenden steuerlichen Nachteilen verpflichtet. Diese Verpflichtungserklärung hat der Kläger jedenfalls im vorliegenden Verfahren uneingeschränkt abgegeben. Damit hat er die ihn treffenden Voraussetzungen für die Geltendmachung des Zustimmungsanspruches erfüllt.

Eine Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin auch von angefallenen Kranken- und Pflegeversicherungskosten freizustellen, ist substantiiert nicht vorgetragen worden.

Zwar hat der Unterhaltspflichtige auch die Nachteile auszugleichen, die daraus erwachsen, dass öffentliche Leistungen gekürzt oder entzogen werden, weil ihre Gewährung von einer bestimmten Höhe des zu versteuernden Einkommens abhängt und die Einkommensgrenze als Folge des begrenzten Realsplittings überschritten wird. Ein Nachteilsausgleich setzt in diesem Fall aber voraus, dass der Unterhaltsberechtigte im Einzelfall substantiiert die öffentlichen Leistungen - nach der Höhe und den Grundlagen der Berechnung - angibt, die er bezieht und die durch die steuerliche Erhöhung seiner Einkünfte als Folge des begrenzten Realsplittings voraussichtlich beeinflusst werden (BGH NJW 1983, 1546).

Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargetan, dass als Folge des begrenzten Realsplittings ihr öffentliche Leistungen gekürzt oder entzogen werden bzw. bereits entzogen worden sind.

Die Behauptung der Beklagten, dass zu den Nachteilen, die sich aus dem Splittingverfahren ergeben, auch die von ihr aufgewendeten Kosten einer Kranken- und Pflegeversicherung gehören, ist nicht nachvollziehbar.

Die Kosten für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind in der Regel nicht die Folge des Überschreitens einer steuerlichen Einkommensgrenze, sondern allgemeine Kosten der Vorsorge.

Ein Nachteilsausgleich wegen dieser Kosten käme nur dann in Betracht, wenn durch die Inanspruchnahme des Realsplittings durch den Kläger die Beklagte die Gesamteinkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 HS 1 SGB V i.V.m. § 18 SGB IV überschreiten würde und damit nicht mehr in den Genuss der beitragsfreien Familienkrankenversicherung (§ 10 SGB V) käme (BSG FamRZ 1994, 1239). Diese Voraussetzungen hat die Beklagte nachvollziehbar aber nicht vorgetragen. Im übrigen spricht bereits der Zeitraum, für den Krankenversicherung geltend gemacht wird, gegen einen solchen Nachteil. Der Krankenversicherungsbeitrag wird für die Zeit nach dem 20.12.2000 geltend gemacht, also für eine Zeit nach der Scheidung. Mit der Rechtskraft der Scheidung vom. 20.12.2000 ist aber eine Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers nicht mehr möglich, da nach § 10 Abs. 1 SGB V nur der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder mitversichert sind, nicht aber der geschiedene Ehegatte.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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