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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 20.11.2000
Aktenzeichen: 11 WF 3908/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1712 Abs. 1 Nr. 1
Der Aufgabenkreis des Beistands gem. § 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB umfaßt nicht die Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses.
11 WF 3908/00 4 F 809/00 AG Erlangen

Nürnberg, den 20.11.2000

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 11. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Erlangen vom 20. September 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Erlangen hat der Klägerin zu Recht Prozeßkostenhilfe versagt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung, die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die Anerkennung der Vaterschaft durch den Beklagten, mangels ordnungsgemäßer Vertretung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

In der von der Klägerin, geboren am 06.10.1999, eingereichten Klage gegen den Beklagten wegen Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses tritt das Stadtjugendamt der Stadt E als Beistand gemäß § 53 a ZPO für die Klägerin auf. Damit ist die gesetzliche Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen.

Die Beistandschaft des Stadtjugendamts der Stadt E gemäß §§ 1712 ff. BGB ist jedoch nicht wirksam entstanden. Die Kindsmutter hat zwar als Antragsberechtigte gemäß § 1713 Abs. 1 BGB einen schriftlichen Antrag an das Jugendamt gestellt; der Antrag bezieht sich gemäß schriftlicher Erklärung der Kindsmutter vom auf eine Beistandschaft zur Durchführung des Verfahrens auf Anfechtung der Vaterschaft. Dies gehört jedoch nicht zu dem in § 1712 BGB bestimmten Aufgabenkreis eines Beistands.

§ 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB bestimmt als Aufgabe des Beistands ausdrücklich lediglich die Feststellung der Vaterschaft. Diese durch das Beistandschaftsgesetz vom 04.12.1997 eingeführte Vorschrift ersetzt § 1706 BGB a. F., in dem die Aufgaben eines Pflegers für das Kind im Rahmen der Amtspflegschaft nach alter Regelung festgeschrieben waren. Ein Vergleich des Wortlautes der neuen Vorschrift gegenüber dem Text der alten Regelung ergibt, daß in § 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur mehr die Feststellung der Vaterschaft als Aufgabe des Beistands genannt wird, und nicht mehr zusätzlich "sonstige Angelegenheiten, die die Feststellung oder Änderung des Eltern-Kindes-Verhältnisses oder des Familiennamens des Kindes betreffen" genannt sind wie in § 1706 BGB a.F.

Unter den letztgenannten Aufgabenkreis fiel nach altem Recht auch die Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung. Bereits der Wortlaut des § 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB spricht daher gegen die Auffassung, unter der Feststellung der Vaterschaft könne auch die Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses verstanden werden.

Gegen eine Ausweitung des Gegenstands der Beistandschaft über den Wortlaut hinaus auch auf die Vertretung des Kindes bei der Anfechtung der Vaterschaft spricht auch, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Beistandschaftsrechts eine kostenlose gesetzliche Vertretung durch das Jugendamt in dem geregelten Aufgabenkreis zur Verfügung gestellt hat, unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Kindes und dessen Eltern oder irgend eines zu prüfenden Fürsorgebedürfnisses. Es sollten nur die Angelegenheiten von diesem freiwilligen und kostenlosen Institut erfaßt werden, in denen neben der besonderen Situation allein sorgeberechtigter Elternteile, elementare Rechte des Kindes betroffen sind und ein besonderes Eigeninteresse des Staates an der Durchsetzung dieser Rechte besteht (so Sonnenfeld in Familienrechtsreformkommentar, 1998, Rdn. 10 zu § 1712 BGB). Die Vertretung des Kindes bei der Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung wird vom Aufgabenkreis des §, 1712 Abs. 1 BGB nicht erfaßt. Ein Bedürfnis dafür besteht nicht, insbesondere besteht kein öffentliches Interesse daran, daß das Kind seinen "rechtlichen" Vater verliert, also die Person als Vater verliert, die die Vaterschaft anerkannt hat. Der Schutz des Kindes durch Beratungshilfe, Prozeßkostenhilfe und den zu Gunsten des Kindes eingeschränkten Untersuchungsgrundsatz (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1, 640 d ZPO) bedarf keiner Ergänzung durch eine erweiternde Auslegung des § 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB (vgl. Sonnenfeld,, a.a.O., Rdn. 14 zu § 1712 BGB).

Dem entspricht auch die Begründung des Regierungsentwurfes der Neufassung des Beistandschaftsrechtes (BT-Drucksache 13/892, S. 35 ff.; wiedergegeben in Mühlens, Kirchmeier, Greßmann, Das neue Kindschaftsrecht, 1. Auflage, 1998, S. 186 f.), in der ausgeführt ist, daß bei einer Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung kein Bedürfnis für eine Vertretung durch einen Beistand bestehe.

Es ist Sache des Inhabers der elterlichen Sorge für die Klägerin, also der Kindsmutter, als gesetzliche Vertreterin der Klägerin die Anfechtung der Vaterschaft zu betreiben.

Somit ist vorliegend die Beistandschaft des Jugendamts der Stadt E für die Klägerin nicht wirksam gemäß § 1714 BGB eingetreten, da der Antrag der Kindsmutter nicht auf Unterstützung bei der Feststellung der Vaterschaft bzw. der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gerichtet war, sondern auf eine Aufgabe, die nicht in den Aufgabenbereich der Beistandschaft gemäß § 1712 Abs. 1 BGB fällt. Mangels wirksam entstandener Beistandschaft des Jugendamts der Stadt E liegt daher eine ordnungsgemäße Vertretung der Klägerin nicht vor. Die Wirkung des § 53 a ZPO ist nicht eingetreten. Die Klage hat daher derzeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Ende der Entscheidung

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