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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 12 U 218/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
Nach Kündigung des Girovertrages richtet sich der Bereicherungsanspruch des Überweisenden wegen einer rechtsgrundlosen Überweisung gegen die Empfängerbank. Diese darf den überwiesenen Betrag nicht mit einem Debet auf dem als internem Abrechnungskonto weitergeführten Konto verrechnen.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

12 U 218/02

In Sachen

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grimm und die Richter am Oberlandesgericht Kammerer und Maier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 29. November 2001 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.152,02 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 03.03.2001 zu bezahlen durch Überweisung auf das Konto der Klägerin bei der D Bank AG H BLZ, Konto Nr..

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 31.500,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf

27.152,02 EUR

festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt die Rückzahlung eines Betrages von 53.104,74 DM (27.152,02 EUR) aus einer irrtümlichen Banküberweisung.

Die Klägerin schuldete der Firma G B GmbH Werklohn in Höhe von 53.104,74 DM. Um diese Forderung zu erfüllen, erteilte sie ihrer Hausbank, der D Bank, einen Überweisungsauftrag über den genannten Betrag, gab aber irrtümlich als Empfänger die Firma G S GmbH und deren Konto bei der Beklagten an. Die Bank der Klägerin führte den Überweisungauftrag am 28.12.2000 aus und belastete das Konto der Klägerin.

Die Firma G S GmbH hatte bei der Beklagten ein Girokonto. Die Beklagte hatte die Vertragsbeziehung zum 11.10.1999 wegen Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse der Kontoinhaberin gekündigt. Das betreffende Konto wies damals einen Sollstand von 535.994,16 DM auf. Das Konto wurde von der Beklagten als Abrechnungskonto weiter geführt. Am 29.12.2000 verbuchte die Beklagte auf diesem Konto den von der Klägerin überwiesenen Betrag und verrechnete ihn mit ihrer Forderung aus der gekündigten Kontoverbindung.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ungerechtfertigt bereichert und zur Rückzahlung verpflichtet sei.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 53.104,74 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit 03.03.2001 zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht gegen sie, sondern gegen die Firma G S GmbH richte.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Sie beantragt,

1. Das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 29. November 2001, Az.: 6 O 1366/01 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.152,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2001 zu zahlen, mit der Maßgabe, dass die Zahlung durch Überweisung auf das Konto der Klägerin bei der D Bank AG, BLZ, Konto Nr. zu erfolgen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen des Parteivortrags im zweiten Rechtszug wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Überweisungsbetrages zu. Die Beklagte hat sich - ohne dass die Vermögensverschiebung auf einer zweckgerichteten Zuwendung beruht - den Überweisungsbetrag verschafft, der ihr nach der rechtlichen Güterzuordnung nicht verbleiben soll, sondern der Klägerin gebührt (Eingriffskondiktion).

1. Erfolgt eine Überweisung, ohne dass ein Schuldverhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger besteht, so findet nach heute herrschender Lehre und Rechtsprechung ein Bereichungsausgleich nach § 812 BGB nur zwischen den an dem Leistungsverhältnis beteiligten Personen, also zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger (Valutaverhältnis) statt (Bankrechtshandbuch Schimansky, § 50 Rn. 2; BGHZ 111, 382, 335). Die Bank des Schuldners erbringt durch Ausführung der Weisung ihres Kunden an diesen eine Leistung, die sich zugleich im Valutaverhältnis zwischen dem Kunden und seinem Gläubiger als dessen Leistung an den Gläubiger darstellt. Die Empfängerbank ist nicht; Leistungsempfänger, sondern Zahlstelle des Überweisungsempfängers. Hiervon geht im Ansatzpunkt zutreffend auch das Erstgericht aus.

2. Ein Bereicherungsanspruch gegen die Firma G S GmbH aufgrund einer rechtsgrundlosen Leistung der Klägerin, der Vorrang vor der Eingriffskondiktion hätte (Paladt-Sprau, 61. Aufl., § 812 Rn. 2), besteht jedoch nicht. Es fehlt insoweit an einer durch eine Leistung herbeigeführten Vermögensmehrung bei der Überweisungsempfängerin.

a) Zwar wollte die Klägerin durch eine Leistung eine Vermögensmehrung bei der Firma G S GmbH herbeiführen. Eine Leistungsbeziehung ist aber nicht alleine nach dem Leistungszweck, also dem Leistungswillen zu bestimmen. Das objektive Element des Leistungsbegriffes erfordert die Herbeiführung einer Zuwendung innerhalb der Leistungsbeziehung. Wie der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang entschieden hat, reicht der Leistungswille alleine zur Annahme einer Leistungsbeziehung nicht aus. Das Vermögen des Leistungsempfängers muss tatsächlich vermehrt worden sein (BGH ZIP 1992, 857).

b) Infolge der Kündigung des Girovertrages zwischen der Beklagten und der Firma G S GmbH ist durch die Buchung vom 29.12.2000 auf dem Abwicklungskonto keine bereicherungsrechtliche Zuwendung an die Überweisungsempfängerin erfolgt.

aa) Im Regelfall tritt die Vermögensmehrung bei einer Überweisung mit der Gutschrift ein. Erreicht ein Überweisungsauftrag die Empfängerbank, so entsteht für den Empfänger aus einem Girovertragsverhältnis ein Anspruch gegen die Bank auf Herausgabe der erhaltenen Deckung (§§ 675, 667 Abs. 2 BGB). Mit der Gutschrift erlangt der Empfänger einen unmittelbaren Anspruch auf Auszahlung des überwiesenen Betrages (BGH NJW 1988, 1320). Voraussetzung für das Wirksamwerden einer Gutschrift ist allerdings, dass zwischen dem Empfänger und seiner Bank ein wirksamer Girovertrag besteht (Nobbe, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Überweisungsverkehr, WM Sonderbeilage Nr. 4/2001 S. 16). Mit Beendigung des Girovertrages hat das laufende Konto der Firma G S GmbH seine Eigenschaft als Zahlungsverkehrskonto verloren. Eine Bank ist grundsätzlich weder verpflichtet noch berechtigt, nach der Beendigung des Giroverhältnisses eingehende Beträge auf dem Girokonto zu verbuchen (Bankrechtshandbuch Schimansky § 47 Rn. 19).

bb) Das zu Abwicklungszwecken weiter geführte Konto der Firma G S GmbH begründet keine Forderungsberechtigung der früheren Kontoinhaberin mehr. Es handelt sich um ein bankinternes Konto zur Erfüllung der Pflicht einer ordnungsgemäßen Buchführung (Bankrechtshandbuch Gößmann, § 29 Rn. 15). Die Verbuchung des eingehenden Überweisungsbetrags auf dem Abrechnungskonto ist mit einer Gutschrift im Rahmen eines bestehenden Girovertragsverhältnisses nicht gleichzusetzen und stellt keine Leistung an den Überweisungsempfänger dar. Bei Fehlen eines Girovertrages zwischen dem Überweisungsempfänger und dessen Bank kann dem Überweisungsempfänger in der Regel keine schuldtilgende Gutschrift erteilt werden. Hier tritt die Erfüllungswirkung erst ein, wenn durch einen besonderen Vertragsschluß zwischen der Bank und dem Überweisungsempfänger ein einrede- und einwendungsfreier Zahlungsanspruch gegen die Empfängerbank nachträglich begründet wird (Helmer, Bankrecht und Bankpraxis VI/25). Auch eine nachträgliche Genehmigung der Buchung im Sinne des Einverständnisses mit der Erteilung einer Gutschrift analog § 185 Abs. 2 BGB liegt nicht vor. Die Überweisungsempfängerin hat der Klägerin bestätigt, gegen sie keine Forderung zu haben und sie gebeten, sich wegen der Rückabwicklung an die Beklagte zu wenden.

3. Bei einem bestehenden Girovertragsverhältnis hat der Kontoinhaber ein Zurückweisungsrecht, wenn die ihm erteilte Gutschrift auf einer rechtsgrundlosen Fehlüberweisung beruht, die für ihn zur Folge hat, wegen des Fehlens eines Rechtsgrundes im Valutaverhältnis den Bereicherungsansprüchen des Überweisenden ausgesetzt zu sein, die er - bestünde für seine Bank eine Verrechnungsmöglichkeit mit einem Debet - nicht aus dem überwiesenen Betrag erfüllen könnte (BGHZ 128, 135). Es ist nicht einzusehen, dass die Bank nach Beendigung des Girovertragsverhältnisses im Rahmen der Vertragsabwicklung ein solches Zurückweisungsrecht nicht mehr zu beachten hätte und der frühere Kontoinhaber deshalb Bereicherungsansprüchen Dritter ausgesetzt wäre. Ob im Falle der Überweisung nach Insolvenzeröffnung, die das Erlöschen des Kontokorrents bewirkt, etwas anderes gilt - wie die Beklagte ausführt -, kann dahinstehen, weil ein derartiger Sachverhalt einer zur Masse gezogenen Gutschrift nicht vorliegt.

4. Eine tatsächlich bewirkte Leistung an den Überweisungsempfänger kann auch nicht mit dem Argument begründet werden, dass der Überweisungsempfänger durch die Aufrechnung seitens der Beklagten Befreiung von seinen Verbindlichkeiten in Höhe des überwiesenen Betrages erhalten habe. Eine wirksame Aufrechnung scheitert an der Gegenseitigkeit der Forderungen, § 387 BGB. Da, wie oben dargelegt, die Firma G S GmbH mangels einer wirksam erteilten Gutschrift im Rahmen eines bestehenden Girovertragsverhältnisses keinen Zahlungsanspruch in Höhe des überwiesenen Betrages erlangt hat, konnte die Beklagte mit ihrer Forderung aus dem beendeten Kreditverhältnis nicht dagegen aufrechnen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.



Ende der Entscheidung

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